Homogene Koordinaten

In der projektiven Geometrie werden homogene Koordinaten verwendet, um Punkte in einem projektiven Raum durch Zahlenwerte darzustellen und damit geometrische Probleme einer rechnerischen Bearbeitung zugänglich zu machen.

Im Vergleich zu den normalerweise verwendeten (inhomogenen) Koordinaten, die jeden Punkt eindeutig identifizieren, haben homogene Koordinaten die Eigenschaft, dass sie für einen vorgegebenen Punkt nicht eindeutig bestimmt sind. Der Vorteil homogener Koordinaten liegt in der einheitlichen Darstellung der Elemente eines projektiven Raums, bei der Fernelemente keine Sonderrolle mehr spielen. Zudem lassen sich durch die Verwendung homogener Koordinaten alle Kollineationen, und damit auch Parallelverschiebungen, einheitlich durch lineare Abbildungen und damit durch Matrizen beschreiben. Aus diesem Grund spielen homogene Koordinaten im dreidimensionalen Raum eine wichtige Rolle in der Computergrafik.

Homogene Koordinaten
Homogene Koordinaten einer reellen projektiven Geraden: jeder Geradenpunkt inklusive des Fernpunkts wird mit einer Ursprungsgerade der Ebene identifiziert und erhält als Koordinaten die Komponenten eines beliebigen Richtungsvektors dieser Geraden

Projektive Koordinatensysteme

Homogene Koordinaten

Homogene Koordinaten 
Homogene Koordinaten einer reellen projektiven Ebene:
Homogene Koordinaten  sind projektive Punkte (Ursprungsgeraden),
Homogene Koordinaten  sind projektive Geraden (Ursprungsebenen)
Homogene Koordinaten  sind die homogenen Koordinaten des Punktes Homogene Koordinaten 

Homogene Koordinaten lassen sich am besten am Beispiel der reellen projektiven Ebene verstehen. Die projektive Gerade und höherdimensionale projektive Räume werden analog mit Koordinaten versehen. Im homogenen Modell der reellen projektiven Ebene entspricht

  • ein Punkt der projektiven Ebene einer Ursprungsgerade im dreidimensionalen Raum und
  • eine Gerade der projektiven Ebene einer Ursprungsebene im dreidimensionalen Raum.

Ein Punkt liegt dann auf einer Gerade, falls die zum Punkt gehörige Ursprungsgerade in der zur Gerade gehörenden Ursprungsebene liegt (siehe Bild). Ein Punkt Homogene Koordinaten  der projektiven Ebene kann damit durch einen beliebigen Punkt Homogene Koordinaten  der zugehörigen Ursprungsgerade beschrieben werden. Man schreibt dann

    Homogene Koordinaten 

und nennt Homogene Koordinaten  homogene Koordinaten des Punktes Homogene Koordinaten . Es gilt

    Homogene Koordinaten 

für jede Zahl Homogene Koordinaten . Eine Gerade der projektiven Ebene wird dann durch eine (homogene) Ebenengleichung Homogene Koordinaten  beschrieben. In diesem Modell überzeugt man sich leicht von den grundlegenden Inzidenzeigenschaften einer projektiven Ebene:

  • Zu je zwei verschiedenen Punkten gibt es genau eine Verbindungsgerade, die beide Punkte enthält.
  • Je zwei verschiedene Geraden besitzen genau einen Schnittpunkt.

Inhomogene Koordinaten

Homogene Koordinaten 
Inhomogene Koordinaten einer reellen projektiven Ebene

Beim inhomogenen Modell der reellen projektiven Ebene geht man von der Anschauungsebene aus und ergänzt die Punktmenge durch Fernpunkte so, dass sich je zwei Geraden, also auch parallele Geraden, in genau einem Punkt schneiden.

Nach Einführung von kartesischen Koordinaten fügt man jeder Gerade Homogene Koordinaten  mit der Steigung Homogene Koordinaten  üblicherweise den Fernpunkt Homogene Koordinaten  hinzu. Die Geraden Homogene Koordinaten  (Parallelen zur y-Achse) erhalten den Fernpunkt Homogene Koordinaten  (siehe Bild). Da auch je zwei Fernpunkte durch eine Gerade verbunden sein müssen, fasst man alle Fernpunkte zur Ferngerade Homogene Koordinaten  zusammen. Man prüft leicht nach, dass die neue Inzidenzstruktur (erweiterte Anschauungsebene) die wesentlichen Eigenschaften einer projektiven Ebene erfüllt:

  • Je zwei Punkte haben genau eine Verbindungsgerade.
  • Je zwei Geraden haben genau einen Schnittpunkt.

Zusammenhang zwischen beiden

Homogene Koordinaten 
Beziehung zwischen inhomogenen und homogenen Koordinaten

Um zu zeigen, dass das homogene und das inhomogene Modell der reellen projektiven Ebene isomorph sind, wird das inhomogene Modell derart in den dreidimensionalen Raum eingebettet, dass die Punkte der Anschauungsebene die Gleichung Homogene Koordinaten  erfüllen: Homogene Koordinaten . Damit wird dem Punkt Homogene Koordinaten  des inhomogenen Modells der Punkt Homogene Koordinaten  des homogenen Modells zugeordnet. Ein Punkt Homogene Koordinaten  wird dabei auf denjenigen Punkt Homogene Koordinaten  abgebildet, dessen homogene Koordinaten die Gleichung Homogene Koordinaten  erfüllen. Also kann man dem allen inhomogenen Geraden Homogene Koordinaten  gemeinsamen Fernpunkt Homogene Koordinaten  die allen Ursprungsebenen Homogene Koordinaten  gemeinsame Ursprungsgerade Homogene Koordinaten  zuordnen (siehe Bild).

Der große Vorteil homogener Koordinaten gegenüber den anschaulicheren inhomogenen Koordinaten liegt in der homogenen Darstellung der Punkte und Geraden. Fernpunkte und Ferngerade spielen formal keine Sonderrolle mehr und alle Kollineationen, einschließlich der Translationen, lassen sich einheitlich durch lineare Abbildungen (Matrizen) beschreiben. Letzteres spielt insbesondere in der Computergrafik eine große Rolle.

Zusammenfassung:

    Homogene Koordinaten 

Umkehrung:

    Homogene Koordinaten , falls Homogene Koordinaten 
    Homogene Koordinaten , falls Homogene Koordinaten 
    Homogene Koordinaten 

Zuordnung der Geraden:

    Homogene Koordinaten 
    Homogene Koordinaten 
    Homogene Koordinaten 

Die Einbettung wird in der Literatur nicht einheitlich dargestellt. So können die homogenen Koordinaten auch mit Homogene Koordinaten  bezeichnet sein oder die Ferngerade die Gleichung Homogene Koordinaten  erfüllen.

Andere Einbettungen, baryzentrische Koordinaten

Homogene Koordinaten 
Homogene Koordinaten einer Gerade: übliche (blau) und baryzentr. (rot) Einbettung in Homogene Koordinaten 

Der affine Teil des inhomogenen Modells einer projektiven Ebene lässt sich auch anders in das homogene Modell (Homogene Koordinaten ) einbetten. Bei der üblichen Einbettung ist der affine Teil eine zu einer Koordinatenebene parallele Ebene. Z. B.: die Ebene Homogene Koordinaten  (s. o.). In diesem Fall ist die Beziehung zwischen homogenen und inhomogenen Koordinaten sehr einfach. Wählt man irgendeine andere Ebene Homogene Koordinaten  (nicht durch den Nullpunkt) mit der Gleichung Homogene Koordinaten  als Einbettungsebene, so bilden die in der Ursprungsebene Homogene Koordinaten  liegenden Ursprungsgeraden die Fernpunkte, denn sie haben keine Schnittpunkte mit der Einbettungsebene (affiner Teil). Jede andere Ursprungsgerade wird ihrem Schnittpunkt mit der Ebene Homogene Koordinaten  zugeordnet. Konkret: der Ursprungsgerade (projektiver Punkt) Homogene Koordinaten  wird der (affine) Punkt Homogene Koordinaten  der Ebene Homogene Koordinaten  zugeordnet.

Für Homogene Koordinaten  sind Homogene Koordinaten  baryzentrische Koordinaten des Punktes Homogene Koordinaten . Führt man in der Ebene Homogene Koordinaten  einen Nullpunkt Homogene Koordinaten  ein und setzt Homogene Koordinaten  (diese Punkte liegen in Homogene Koordinaten ), so ist

    Homogene Koordinaten 

Der wesentliche Unterschied zwischen üblicher und baryzentrischer Einbettung ist: Bei der üblichen Einbettung sind zwei der drei Koordinatenachsen Fernpunkte, und bei der baryzentrischen Einbettung ist keine der drei Koordinatenachsen ein Fernpunkt. Das macht baryzentrische Koordinaten interessant für die Dreiecksgeometrie, denn jede Koordinatenachse repräsentiert einen Eckpunkt eines gegebenen (affinen) Dreiecks.

Allgemeine Definition

Jeder Punkt in einem Homogene Koordinaten -dimensionalen projektiven Raum kann durch Homogene Koordinaten  Koordinaten beschrieben werden. Der projektive Raum Homogene Koordinaten  über dem Körper Homogene Koordinaten  ist definiert als der Faktorraum

    Homogene Koordinaten 

des Koordinatenraums Homogene Koordinaten  ohne den Nullvektor Homogene Koordinaten  bezüglich der Äquivalenzrelation

    Homogene Koordinaten .

Die homogenen Koordinaten eines Punkts Homogene Koordinaten  des projektiven Raums sind dann Homogene Koordinaten , wobei Homogene Koordinaten  ein beliebiges Element der entsprechenden Äquivalenzklasse ist. Homogene Koordinaten werden häufig durch

    Homogene Koordinaten    oder   Homogene Koordinaten 

notiert, wobei die Doppelpunkte andeuten sollen, dass die Darstellung nur bis auf Multiplikation mit einer Konstante eindeutig ist.

Projektive Transformationen

Im zweidimensionalen Raum

Im Folgenden werden Beispiele und schließlich alle affinen Abbildungen zunächst im inhomogenen Modell zu Projektivitäten fortgesetzt und dann im homogenen Modell durch Matrizen beschrieben. Es ist aber darauf zu achten, dass die jeweiligen Matrizen (im homogenen Modell) nicht eindeutig bestimmt sind. Denn nicht nur die Einheitsmatrix Homogene Koordinaten , sondern jedes vielfache Homogene Koordinaten  (Skalierungsmatrix im Homogene Koordinaten ) lässt jede Ursprungsgerade (projektiver Punkt) invariant. Man kann also die Matrix einer Projektivität mit einer beliebigen Skalierungsmatrix multiplizieren, ohne dass sich die zugehörige Projektivität ändert.

a): Homogene Koordinaten  Homogene Koordinaten 
b): Homogene Koordinaten  Homogene Koordinaten 
c): Homogene Koordinaten  Homogene Koordinaten 

Die Fortsetzungen der Affinitäten liefern nur solche Kollineationen, die die Ferngerade als Ganzes fest lassen. Die zugehörigen Matrizen im homogenen Modell zeichnen sich dadurch aus, dass sie in den ersten beiden Spalten an der 3. Stelle eine 0 haben. Es treten also noch nicht alle Matrizen auf. Aber es gilt:

  • Jede reguläre 3×3-Matrix (Determinante nicht 0) induziert eine Kollineation der projektiven Ebene, die man Projektivität nennt. Die Menge der Projektivitäten bilden die Gruppe Homogene Koordinaten  (projektive lineare Gruppe).

Z. B.: Die Matrix Homogene Koordinaten  induziert eine Projektivität, die im inhomogenen Modell die Ferngerade Homogene Koordinaten  mit der y-Achse vertauscht und den Punkt Homogene Koordinaten  mit dem Punkt Homogene Koordinaten . (Die Punkte Homogene Koordinaten  sind Fixpunkte.) Sie ist also keine Fortsetzung einer Affinität.

Will man eine beliebige Projektivität im inhomogenen Modell darstellen, so ist dies nur mit gebrochen linearen Ausdrücken möglich. Hier zeigt sich die Stärke des homogenen Modells. Es kommt mit linearen Ausdrücken aus.

Im dreidimensionalen Raum

Homogene Koordinaten können analog zum ebenen Fall auch im 3-dimensionalen projektiven Raum eingeführt werden. Es gibt dann 4 homogene Koordinaten und die Abbildungsmatrizen der Projektivitäten sind 4×4-Matrizen. In der Computergrafik werden nicht nur Transformationen des Raums in homogenen Koordinaten durch 4×4-Matrizen dargestellt, sondern auch Projektionen des Raumes auf eine Ebene (siehe Grafikpipeline). Da bei solchen Projektionen die Dimension verkleinert wird (von 3 auf 2) haben die zugehörigen Matrizen die Determinante 0. Hier zwei Beispiele von Projektionsmatrizen:

Die erste Matrix beschreibt die Zentralprojektion vom Augpunkt Homogene Koordinaten  aus auf die x-y-Ebene. Die zweite Matrix bewirkt eine Orthogonalprojektion auf die x-y-Ebene.

Zentralprojektion: Homogene Koordinaten  = Homogene Koordinaten  Homogene Koordinaten 
Orthogonale Projektion: Homogene Koordinaten  = Homogene Koordinaten  Homogene Koordinaten 

Anwendungen

Homogene Koordinaten 
Rationale Bézier-Kurve in homogenen Koordinaten (blau) und ihre Projektion in die Ebene (rot)

Homogene Koordinaten werden innerhalb der Geometrie benutzt um

In der Computergrafik werden homogene Koordinaten verwendet um

  • Transformationen von Objekten durchzuführen,
  • rationale Bézier- und B-Spline-Kurven und -Flächen einzuführen und zu untersuchen.

In der Robotik lassen sich hintereinanderliegende Achsen durch Verkettung ihrer zugehörigen homogenen Matrizen beschreiben. Hierfür wird als Standardverfahren die Denavit-Hartenberg-Transformation angewandt.

Literatur

  • Albrecht Beutelspacher, Ute Rosenbaum: Projektive Geometrie. 2. Auflage. Vieweg, Wiesbaden 2004, ISBN 3-528-17241-X, S. 63.
  • G. Farin: Curves and Surfaces for CAGD, Academic Press, 1990, ISBN 0-12-249051-7, S. 217
  • C. E. Springer: Geometry and Analysis of Projective Spaces. San Francisco und London, 1964.
  • Frank Klawonn: Grundkurs Computergrafik mit Java. Die Grundlagen verstehen und einfach umsetzen mit Java 3D. 3. Auflage. Vieweg+Teubner, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-8348-1223-0.

Einzelnachweise

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