Das Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit (Kurzbezeichnung BSW) ist eine im Januar 2024 gegründete politische Partei in Deutschland.
Namensgeberin und Mitgründerin ist die Bundestagsabgeordnete und Publizistin Sahra Wagenknecht. Die meisten Gründungsmitglieder gehörten zuvor der Linkspartei an.
Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit | |
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Parteivorsitzende | Sahra Wagenknecht Amira Mohamed Ali |
Generalsekretär | Christian Leye |
Stellvertretende Vorsitzende | Friederike Benda, Amid Rabieh, Shervin Haghsheno |
Bundesgeschäftsführer | Lukas Schön |
Bundesschatzmeister | Ralph Suikat |
Entstehung | Abspaltung von Die Linke |
Gründung | 8. Januar 2024 |
Gründungsort | Berlin |
Hauptsitz | Krausenstraße 9–10 10117 Berlin |
Bundestagssitze | 10/734 |
Sitze in Landtagen | 3/1894 |
Mitgliederzahl | 500 (Stand: März 2024) |
Mindestalter | 16 |
Europaabgeordnete | 0/96 |
Website | bsw-vg.de |
Durch Übertritte von Mandatsträgern ist die Partei im 20. Deutschen Bundestag und in drei Landesparlamenten vertreten.
Programmatisch lässt sich die Partei kaum einordnen, da noch kein Parteiprogramm beschlossen wurde. Beobachter tendieren dazu, sie in sozioökonomischen Fragen als links und gesellschaftspolitisch als eher konservativ einzuschätzen. Im vorliegenden Wahlprogramm zur EU-Wahl 2024 wird eine kritische Haltung zu Institutionen der Europäischen Union deutlich.
Der Verein BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit e. V. mit Sitz in Karlsruhe wurde am 26. September 2023 beim Amtsgericht Mannheim ins Vereinsregister eingetragen; die Satzung datiert vom 20. Juli 2023. Laut Satzungstext hätten viele Menschen „das Vertrauen in die Politik verloren und fühlen sich durch keine der vorhandenen Parteien mehr vertreten“. Das Bündnis habe „den Zweck, diesen Menschen eine Stimme zu geben und an der politischen Willensbildung in Deutschland mitzuwirken“. Der Verein kann „die Tätigkeit bestehender, politischer Parteien oder die Gründung politischer Parteien unterstützen“, sofern sie Ziele verfolgen, die mit denen des Vereins übereinstimmen.
Der Verein wurde am 23. Oktober 2023 von der bisherigen Fraktionsvorsitzenden der Linken im Bundestag, Amira Mohamed Ali, den Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht und Christian Leye, dem Bonner Linken-Politiker Lukas Schön sowie dem Karlsruher IT-Unternehmer Ralph Suikat in der Bundespressekonferenz vorgestellt. Gleichzeitig traten Wagenknecht und neun weitere Bundestagsabgeordnete aus der Linkspartei aus. Dabei wurde außerdem eine Kandidatur zur Europawahl 2024 angekündigt. Auch eine Kandidatur für die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen werde angestrebt.
Sahra Wagenknecht trat erst kurz nach der Gründung in den Verein ein. Zu den Gründungsmitgliedern zählten u. a. Jochen Flackus, ehemaliger Regierungssprecher des saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine, Jana van Helden, Kreissprecherin der Linken in Viersen, und Amelie Gabriel, frühere Kreissprecherin der Linken in Bonn. Vorsitzender war zunächst der Stadtrat Jonas Höpken, der wie Mohamed Ali dem Linken-Kreisverband in Oldenburg (Oldb) angehörte. Die Gruppe, die den Verein gründete und die Parteigründung vorbereitete, hatte nach Informationen des Spiegel auch die Bewegung Aufstehen initiiert. Man wolle Fehler vermeiden, die dieses Projekt zum Erliegen gebracht hätten. Eine personelle Vergrößerung wurde nicht angestrebt. Wagenknecht erklärte im Vorfeld der Parteigründung, die Partei dürfe nicht „von Spinnern“ gekapert werden und dass „gerade junge Parteien […] leider oft auch Glücksritter, Narzissten oder Extremisten“ anzögen.
Die Partei wurde auf der Gründungsversammlung am 8. Januar 2024 in Berlin von 44 Personen gegründet. Ihr voller Name lautet Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit, die Kurzbezeichnung ist BSW. Zum personellen Aufbau der Partei sollten in den ersten Wochen des Jahres 2024 zunächst 450 Mitglieder aufgenommen werden, um die geplanten Wahlkämpfe führen zu können. Sahra Wagenknecht erklärte bei der Parteigründung, das vollständige Parteiprogramm bis zur Wahl zum 21. Deutschen Bundestag vorzulegen. Zudem werde der Parteiname danach geändert und soll nicht mehr ihren Namen enthalten.
Der erste Parteitag fand am 27. Januar 2024 in Berlin statt, an dem das vorläufige Programm zur Europawahl 2024 vorgestellt wurde. Als Spitzenkandidat für die Europawahl wurde der ehemalige EU-Parlamentarier der Linkspartei Fabio De Masi gewählt.
Die BSW-Abgeordneten im Deutschen Bundestag wurden am 2. Februar 2024 als parlamentarische Gruppe anerkannt. Sie trägt den Namen Gruppe BSW und hatte sich intern bereits am 11. Dezember 2023 konstituiert. Wagenknecht wurde als Vorsitzende, Klaus Ernst als stellvertretender Vorsitzender und Jessica Tatti als parlamentarische Geschäftsführerin gewählt.
Mit Alexander King (Abgeordnetenhaus von Berlin), Metin Kaya (Hamburgische Bürgerschaft) und Andreas Hartenfels (Landtag Rheinland-Pfalz) ist die Partei durch Übertritte zudem in drei Landesparlamenten vertreten.
Auf dem ersten Parteitag wurde ein Parteivorstand bestimmt. Folgende Personen wurden gewählt:
Folgende Landesverbände der Partei wurden gegründet:
Landesverband | Vorsitzende | Gründung |
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Saarland | Astrid Schramm Randolf Jobst | 22. März 2024 |
Sachsen | Sabine Zimmermann Jörg Scheibe | 24. Feb. 2024 |
Thüringen | Katja Wolf Steffen Schütz | 15. März 2024 |
Es liegt mit Stand März 2024 noch kein allgemeines Parteiprogramm vor. Für die Europawahl 2024 wurde ein Wahlprogramm vorgelegt und in verschiedenen Medien wurden politische Positionen formuliert.
Innovation, fairer Wettbewerb und Mittelstand sollen gefördert werden, gut bezahlte, sichere Arbeitsplätzen und hohe industrielle Wertschöpfung werden angestrebt. Das Steuersystem soll finanzielle Ungleichheiten verringern. Im Außenhandel werden Handelsbeziehungen mit verschiedenen Partnern gefordert statt restriktiver Sanktionen, insbesondere gegenüber Russland.
Eine europaweite wirtschaftliche Zusammenarbeit solle gefördert werden. Dabei sollen das Ziel einer klimaneutralen, naturverträglichen Wirtschaft verfolgt sowie kleine und mittelständische Unternehmen durch eine schärfere Kartellpolitik unterstützt werden.
Ein Schwerpunkt liegt auf dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und der gerechten Verteilung von Ressourcen. Zur Bekämpfung finanzieller Ungleichheiten, des Mangels an sozialer Sicherheit und steigender Lebenshaltungskosten brauche es gerechte Löhne, sichere Arbeitsplätze und gute Arbeitsbedingungen. Hervorgehoben werden die Förderung von Tarifverträgen und die Ablehnung von Privatisierungen im Bereich Wohnen, Pflege und Gesundheit.
In der Außenpolitik setzt sich das BSW für Diplomatie, Entspannung und internationale Zusammenarbeit ein. Militärische Konfliktlösungen werden abgelehnt, während atomare Abrüstung und eine geringere militärische Präsenz befürwortet werden. Eine eigenständige Außenpolitik Europas sei wichtig, um nicht in einer Blockkonfrontation zwischen den USA und dem sich formierenden Machtblock um China und Russland zerrieben zu werden. Die militärische Unterstützung für die Ukraine soll beendet werden.
In der Migrationspolitik wird eine Begrenzung der Zuwanderung und die Stärkung der Perspektiven in den Herkunftsländern gefordert. Migration wird nicht als Lösung für die Armut der Welt angesehen. Zudem wird eine „Rückkehr“ zu rechtsstaatlichen Asylverfahren an den Außengrenzen und in Drittstaaten gefordert. Gleichzeitig sollen Flucht- und Migrationsursachen bekämpft werden, indem die Situation in den Ländern des globalen Südens durch Außen-, Wirtschafts-, Handels- und Entwicklungspolitik verbessert werde.
Im Umwelt- und Klimaschutz soll der Schwerpunkt auf technologischen Innovationen und „wirtschaftlicher Vernunft“ liegen. Es wird auf Technologieoffenheit und innovative Schlüsseltechnologien insbesondere aus Deutschland gesetzt.
Zudem sollen die Energiekosten gesenkt und die Energiesicherheit „wiederhergestellt“ werden. Die Einsparziele im Verkehrssektor seien „technologieoffen“ anzustreben. Eine europäische Wasserstoffwirtschaft solle geschaffen werden. Die Förderung einer tierwohl- und umweltgerechten Tierhaltung solle auf Basis flächengebundener Haltung geschehen. Landwirte sollen vor den großen Agrarkonzernen geschützt werden.
Für das Bildungssystem, die öffentliche Infrastruktur und die Verwaltungen werden massive Investitionen gefordert. Leistungsgerechte Löhne, sichere Arbeitsplätze und gute Arbeitsbedingungen sollen geschaffen werden. Privatisierung im Wohn-, Pflege- und Gesundheitsbereich wird abgelehnt, gemeinnützige Anbieter in diesen Branchen werden befürwortet.
Zudem soll eine soziale Fortschrittsklausel in den EU-Verträgen verankert werden. Der Vorrang der sozialen Grundrechte vor den Binnenmarktfreiheiten und die Sicherung von nationalen Handlungsspielräumen in der Arbeits- und Sozialpolitik soll festgeschrieben werden.
Im EU-Wahlprogramm des Bündnisses Sahra Wagenknecht sind eine Reihe von politischen Positionen und Zielsetzungen formuliert. Hauptziel sei der Friede in Europa. Europa solle ein „eigenständiger Akteur auf der Weltbühne werden“.
Die aktuellen EU-Institutionen, insbesondere die Europäische Kommission, werden als undemokratisch kritisiert, denn sie seien von Lobbyismus ohne demokratische Legitimation beeinflusst. Es wird eine Reduzierung der EU-Vorgaben gefordert, um den nationalen Regierungen mehr Entscheidungsspielraum zu geben und Schaden vom Mittelstand abzuwenden. Das Einstimmigkeitsprinzip solle für wichtige Entscheidungen nicht gelten, stattdessen sollen die Mitgliedsstaaten mehr Macht und Gestaltungsfreiheit in vielen politischen Belangen erhalten, während die EU in der Außen- und Sicherheitspolitik mit einer Stimme sprechen solle.
Das Subsidiaritätsprinzip solle gestärkt werden, indem lokale, regionale und nationale Entscheidungen nicht auf die EU-Ebene verlagert werden. Lobbyismus und Korruption solle eingedämmt werden. Soziale Grundrechte sollen gemäß der revidierten Europäischen Sozialcharta des Europarates gestärkt werden.
Beitrittsverhandlungen mit der Republik Moldau, Georgien und der Ukraine sollen nicht geführt werden. Es müsse wirtschaftspolitisch intensiver mit Russland zusammengearbeitet werden; die Öl- und Gaslieferungen müssten wieder aufgenommen werden.
In der EU-Außen- und Sicherheitspolitik solle Europa eine eigenständige, von den USA unabhängige Rolle einnehmen. Eine neue gesamteuropäischen Friedens- und Sicherheitsordnung sei nötig, die auch Russland einschließen müsse.
Der Politikwissenschaftler Aiko Wagner hält es für schwierig, die Programmatik der Partei einzuschätzen, da es noch kein Parteiprogramm gibt. Allein auf Basis des Gründungsmanifests seien präzise Analysen kaum möglich, „mindestens unsicher.“ Viele Beobachter neigten dazu, sie als links-autoritäre, also eine sozioökonomisch linke und soziokulturell rechte Partei zu beschreiben. Aus seiner Kurzanalyse schließt er, dass das Bündnis Sahra Wagenknecht vor allem eine Konkurrenz für die AfD werden könne, und „in weitaus geringerem Maß für die Linke“. Ähnlich sieht es der Parteienforscher Uwe Jun: Wagenknecht sei „für Umverteilung – aber skeptisch in Sachen Migration, beim Klimaschutz und gegenüber kulturellen Minderheiten“. Der Politikwissenschaftler Constantin Wurthmann hielt Ende Januar 2024 das BSW für eine „maximal unkonkrete Projektionsfläche“.
Einer Analyse der Wochenzeitung Die Zeit zufolge könnte die Partei eine „bislang völlig unbesetzt[e]“ Lücke im deutschen Parteiensystem füllen, nämlich „links, wenn es um wirtschaftspolitische Fragen geht“, und „eher rechts in der Gesellschaftspolitik“.
Dem Politologen Markus Linden zufolge macht die Partei mit „hybridem Querfront-Populismus“ Stimmung gegen die sogenannten demokratischen Eliten in Deutschland und will eine radikale Veränderung durchbringen.
Laut der Politikwissenschaftlerin Sarah Wagner macht das BSW die Partei Bündnis 90/Die Grünen zu seinem Feindbild. Die Partei spreche Menschen an, die mit der Arbeit der Ampelregierung im Allgemeinen und im Speziellen mit einem Fokus auf Klimaschutz, feministische Außenpolitik und Minderheitenrechte unzufrieden seien.
Für Wolfgang Schroeder, Politologe an der Universität Kassel, ist eine Verortung im Links-Rechts-Schema „kaum möglich“, da die Positionen der Partei gesellschaftlich konservativ seien bei gleichzeitig starker Sozialstaatsorientierung. Sie thematisiere Kritik an den herrschenden Verhältnissen, was auch ein Thema der AfD sei. Sozialpolitisch aber sei sie „fast deckungsgleich mit der Linken und der SPD“.
Der Wahlforscher Thorsten Faas ordnet das BSW als „ein klar linkes Projekt“ ein. Es spreche die Unzufriedenheit in der Bevölkerung an und sei damit eine Gefahr für die AfD, die ebenfalls auf die Unzufriedenen abziele. Der Meinungsforscher Thomas Petersen sieht im BSW mehr als eine Protestpartei.
Der Politikwissenschaftler Hajo Funke verortet das BSW als „pragmatisch, sozial und ökonomisch links sowie friedenspolitisch orientiert“.
Das queere Nachrichtenportal Queer.de ordnet das BSW als offen queerfeindlich, transphob und reaktionär ein. So hätten Wagenknechts Aussagen über eine vermeintlich linke Identitätspolitik, die „skurille Minderheiten“ gegenüber der deutschen Mehrheitsgesellschaft bevorzuge, und ihr öffentlicher Protest gegen das Selbstbestimmungsgesetz hauptsächlich zum Bruch mit der Linken und der Gründung der Partei geführt. Das BSW habe es sich zum Ziel gemacht, Gesellschaftsgruppen gegeneinander auszuspielen.
Laut dem Politikwissenschaftler Benjamin Höhne besetzt das BSW „das Feld, in dem es stark um soziale Gerechtigkeit, Umverteilung und staatliche Eingriffe in die Wirtschaft“ gehe. Gesellschaftspolitisch gehe die Partei jedoch „ins Konservative bis ins Autoritäre hinein“. Dementsprechend verortet er das BSW als links-autoritäre Partei. Bisher äußere man sich auch in vielem noch unscharf, um viele Menschen zu erreichen, „durchaus auch im rechten Spektrum, in der Querdenkerszene und im verschwörungstheoretischen Milieu“. Beim BSW habe man es „mit einer weiteren Anti-System-Partei zu tun“, auch wenn noch nicht absehbar sei, „wie weit deren Distanz zur pluralistischen Demokratie“ reiche.
Die Partei wurde Ende März 2024 von der Bundeswahlleiterin zur Europawahl 2024 zugelassen. Sie stellte zwanzig Kandidaten auf, darunter als Spitzenkandidaten Fabio De Masi und den Juristen Thomas Geisel.
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