Petroglyphe: In den Fels geritzter Text, Symbol oder Zeichnung

Eine Petroglyphe (von griechisch πέτρος petros „Stein“ und γλύφειν glýphein „schnitzen“) ist ein in Stein gearbeitetes Felsbild (englisch Rock art – Felskunst) aus prähistorischer Zeit.

Anders als bei der Felsmalerei ist eine Petroglyphe graviert, geschabt oder gepickt und damit in den Untergrund eingetieft.

Petroglyphe: Verbreitung und Bedeutung, Techniken, Anfänge
Karawane von Dickhornschafen, Moab, Utah, USA
Petroglyphe: Verbreitung und Bedeutung, Techniken, Anfänge
Walbilder von Qaqortoq auf Grönland

Verbreitung und Bedeutung

Petroglyphen sind außer in der Antarktis weltweit verbreitet. In Europa gibt es sie seit dem Aurignacien. Damit gehören sie zu den frühesten künstlerischen Äußerungen des anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens).

Oft haben die Darstellungen für die Gemeinschaften, von denen sie stammen, eine hohe kulturelle und religiöse Bedeutung. Das Erkennen der Bedeutung von Petroglyphen ist, wenn überhaupt, nur durch sehr gute Kenntnisse der jeweiligen Kultur möglich. Die Erforschung der Bedeutung von Petroglyphen ist Gegenstand der Archäologie und der Ethnologie.

Techniken

Es gibt drei Grundtechniken zur Herstellung von Petroglyphen, die häufig auch am gleichen Motiv angewandt sein können:

  • Gravieren (oder Ritzen) bezeichnet das Eintiefen von dünnen Linien in das Gestein mit Hilfe eines harten Gegenstandes;
  • Schaben (oder Schleifen) bezeichnet das Eintiefen von Flächen durch reibende Bewegungen;
  • Picken (oder Punzen) bezeichnet das Eintiefen von Flächen durch schlagende oder klopfende Bewegungen, wobei ein sehr unebenes Relief entsteht.

Anfänge

Paläolithische Ritzungen

Die ältesten als Kulturäußerung anerkannten Ritzungen befinden sich auf zwei Hämatit-Stücken, die in der Blombos-Höhle (Südafrika) gefunden wurden und durch ihren Schichtzusammenhang auf 77.000 Jahre datiert werden. Es handelt sich hier jedoch nicht um Petroglyphen, da die Hämatitstücke nicht Bestandteil der Höhlenwand waren, sondern Objekte der mobilen jungpaläolithischen Kleinkunst.

Als älteste bekannte Petroglyphen im anstehenden Gestein können seit 2014 Ritzungen in einer Höhle in Gibraltar angesehen werden. Die einfachen Formen aus sich kreuzenden Linien werden dem Moustérien und damit dem Neandertaler zugeordnet. Ablagerungen über den Linien konnten auf ein Alter von mindestens 39.000 Jahren datiert werden, die Ritzungen müssen also älter sein. Wesentlich komplexere Ritzungen des modernen Menschen sind seit dem Aurignacien bekannt. In Höhlen der Départements Dordogne und der Charente, darunter La Ferrassie oder die Höhle von Pair-non-Pair wurden Wandreliefs gefunden, die die natürlichen Formen der Höhlenwände („Höhlentopographie“) in das Bild einbeziehen.

Die umfangreichste Fundstellenlandschaft mit Petroglyphen in Europa liegt im nordportugiesischen Côa-Tal, das als archäologischer Park erschlossen wurde (Parque Arqueológico do Vale do Côa). Die Abbildungen im Côa-Tal werden aus stilistischen Erwägungen überwiegend in das Solutréen datiert.

Die bislang einzigen paläolithischen Petroglyphen in Deutschland befinden sich in der Nähe von Gondershausen im Hunsrück. Sie sind 20.000 bis 25.000 Jahre alt. In den 1930er Jahren entdeckte der Kelheimer Präparator Oskar Rieger in der Kastlhänghöhle bei Pillhausen (Unteres Altmühltal) Linien in der Felswand, die er für die Gravur eines Steinbockes hielt. Wie der Paläontologe Karl Dietrich Adam ausführt, handelt es sich dabei stattdessen um natürliche Klüfte im Fels, die eine scheinbare Gravur vorspiegeln. Dahingegen ist die ebenfalls von Oskar Rieger im Jahre 1937 entdeckte Figur eines Cerviden (Rothirsch) an der Wand des Kleinen Schulerlochs (Abri unterhalb des Großen Schulerlochs) als authentisch anzusehen. Die nebenstehenden Runen des älteren Futharks stehen damit offenbar im Zusammenhang und lassen für die gesamten Gravuren auf eine Datierung ins Frühmittelalter (6. bis 7. Jahrhundert) schließen.

Aus Gönnersdorf (Neuwied), sind vor etwa 15.000 Jahren entstandene Schieferplattenritzungen aus der Zeit des Magdalénien bekannt. Die Darstellungen haben folgende Inhalte: Tiere, Tänzer oder Tänzerinnen sowie symbolhafte Ritzungen, die sich der Auslegung entziehen.

Neolithische Ritzungen auf Megalithen und Höhlenwänden

Sehr alte Gravuren auf bearbeiteten Monolithen sind vom Göbekli Tepe in der Türkei bekannt. Viele Felsritzungen in Europa sind auf Megalithen (Grabkammern, Stelen, Menhire) überliefert. Als abstrakte Zeichen sind Petroglyphen in bretonischen (z. B. Gavrinis, Les Pierres-Plates), irischen (Dowth, Knowth, Fourknocks, Newgrange) und walisischen (Barclodiad y Gawres) bekannt. Konzentrische Kreise und Spiralen sind neben Zickzack-Mustern (Wellen) sehr verbreitet. Eine besonders feine Form der Ritzung stellen die maltesischen Altarritzungen der Tarxienphase dar. In den jüngeren Felskammern der Domus de Janas Sardiniens gibt es sie anthropomorph, zumeist aber als Stiergehörne ausgebildet.

Ritzungen auf Felsaufschlüssen und Steinen

In Schottland gibt es (z. B. im Kilmartin-Valley) eine neolithische oder bronzezeitliche Form von Felsritzungen, die als Cup-and-Ring-Markierung bezeichnet wird. Napfförmige Vertiefungen als Schälchen oder Schalen finden sich auf sogenannten Schalensteinen und auf Megalithanlagen (Großsteingrab von Bunsoh, Steinkiste von Horne). Die bronzezeitlichen Felsritzungen wurden meist auf durch Gletscherschliff geglätteten Felsen angebracht. Man findet Ritzungen in Schweden (Tanum, Brandskog, Kivik, Litsleby, Nämforsen und Sagaholm), in Norwegen (helleristninger genannt, z. B. in Alta, Hornesfeltet und Solbergfeltet), in Dänemark (z. B. Madsebakke (Allinge-Sandvig) auf Bornholm), in Spanien (Andalusien, Extremadura, Galicien), in Portugal (Parque Arqueológico do Vale do Côa), in Italien (im Val Camonica), in Frankreich (am Mont Bégo) und in der Schweiz (Carschenna).

Die Themen der Darstellungen entsprechen der gesellschaftlichen Praxis ihrer Schöpfer. So sind z. B. in Norwegen (Trøndelag, Tykamvatn) und Nordschweden jägerische Darstellungen zu finden (Tierstil). Während der Spätbronzezeit und älteren Eisenzeit werden in Skandinavien Schiffsdarstellungen häufig. Aber auch Kultwagen kommen vor. Wegen der großen Ähnlichkeit mit Abbildungen auf Rasiermessern wurden diese Petroglyphen schon von J.J.A. Worsaae als zeitgleich angesehen und korrekt der jüngeren Bronzezeit zugewiesen.

Felsbilder mit Jagdmotiven sind im Unterschied zu Afrika und Westeuropa in Regionen des südlichen Alpenbogen nur selten anzutreffen (Valcamonica). Im nördlichen Alpenbogen wurden bisher gar keine Ritzungen von Jagdszenen gefunden. Gleichwohl sind hier Abbildungen von Elch, Bär, Steinbock und Hirsch aus unterschiedlichsten Zeitstellungen häufig (Salzburger Land und Salzkammergut), jedoch mit anderem Kontext, wie dem Wunsch nach Bestandserholung oder in kosmischen Zusammenhängen.

Superimposition

Die Übermalung oder Überzeichnung bestehender Bilder, die Superimposition (auch Superposition genannt) kommt in der Felsbildkunst auch vor, wobei der Ausdruck Superimposition vorwiegend gebraucht wird, wenn feststeht, welche Elemente älter und welche jünger sind. Platzmangel kann für die Existenz von Superimposition nicht ausschlaggebend gewesen sein, da vielfach in unmittelbarer Nachbarschaft von Überzeichnungen genügend freier Raum war.

Fundstellen (Auswahl)

Europa

Deutschland

Österreich

  • Eggerloch in Warmbad Villach, Kärnten
  • Hundskirche in Paternion, Kärnten
  • Hochreit bei Göstling, Niederösterreich
  • Gudenushöhle bei Albrechtsberg, Niederösterreich
  • Wurzeralm, Oberösterreich
  • Kienbachklamm, Oberösterreich
  • Echerntal in Hallstatt, Oberösterreich
  • Knappenwand in St. Wolfgang im Salzkammergut, Oberösterreich
  • Parrersteig in St. Wolfgang i. S., Oberösterreich
  • Halleswies in St. Wolfgang i. S., Oberösterreich
  • Reinfalzalm Bad Ischl, Oberösterreich
  • Offensee bei Ebensee, Oberösterreich
  • Baalsteinwand Traunkirchen, Oberösterreich
  • Rossmoosalm Bad Goisern, Oberösterreich
  • Weißenbachtal Bad Goisern, Oberösterreich
  • Notgasse, Steiermark
  • Mausböndlhöhle bei Bad Mitterndorf, Steiermark
  • Plainberg in Bergheim, Salzburg
  • Bluntautal, Salzburg
  • Thomalandschaft Drachenwand in St. Lorenz am Mondsee, Salzburg
  • Brustwand und Bleckwand am Wolfgangsee, Salzburg
  • Bärenstein am Sparber, Salzburg
  • Götschenstein in St. Michael bei Lofer, Salzburg
  • Kallbrunnalm in St. Martin bei Lofer, Salzburg
  • Lenzenklamm bei Lofer, Salzburg
  • Lammertal, Salzburg
  • Tennengebirge, Salzburg
  • Hagengebirge, Salzburg
  • Ofenauer Berg, Salzburg
  • Schwarzer Berg, Salzburg
  • Fager-Stein St. Koloman, Salzburg
  • Steinberg, Tirol
  • Kufstein-Schwoich, Tirol
  • Wiesing, Tirol
  • Marbelstein am Achensee, Tirol
Petroglyphe: Verbreitung und Bedeutung, Techniken, Anfänge 
In einen Felsblock geritzte Vulva, La Ferrassie, Frankreich

Frankreich

Petroglyphe: Verbreitung und Bedeutung, Techniken, Anfänge 
Laufender Priester, Valcamonica, Italien

Griechenland

Irland

Petroglyphe: Verbreitung und Bedeutung, Techniken, Anfänge 
„oranti saltici“, Rupe Magna in Grosio, Italien

Italien

Portugal

Russland

Petroglyphe: Verbreitung und Bedeutung, Techniken, Anfänge 
Petroglyphen aus Häljesta, Västmanland, Schweden

Skandinavien

Spanien

Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland

Petroglyphe: Verbreitung und Bedeutung, Techniken, Anfänge 
Steingravuren bei Twyfelfontein

Afrika

Petroglyphe: Verbreitung und Bedeutung, Techniken, Anfänge 
Der Newspaper Rock in Utah
Petroglyphe: Verbreitung und Bedeutung, Techniken, Anfänge 
Mesquite Springs (Death Valley)

Nordamerika

Lateinamerika

Asien

Petroglyphe: Verbreitung und Bedeutung, Techniken, Anfänge 
Lake Taupō (auf der Nordinsel Neuseelands)

Australien und Neuseeland

  • Halbinsel Murujuga (Burrup-Peninsula) vor dem Dampier-Archipel, hunderttausende von Bildern, die „Bibel der Aborigines“, werden von einer großräumigen industriellen Erschließung bedroht
  • im Kakadu-Nationalpark, Northern Territory, besonders am Ubirr und am Nourlangie Rock, sind viele, bis zu 20.000 Jahre alten Felszeichnungen zu besichtigen.
  • auch am Uluru (Ayers Rock) finden sich viele Felszeichnungen.
  • am Lake Taupō auf der Nordinsel Neuseelands. Die Felszeichnungen der Māori sind nur vom Boot aus erreichbar. Sie dienen hier nur als Beispiel traditioneller Māori-Kunst, denn sie sind nicht aus prähistorischer Vergangenheit, sondern in den letzten 50 Jahren angefertigt worden.

Literatur

  • Karl Dietrich Adam, Renate Kurz: Eiszeitkunst im süddeutschen Raum. Theiss, Stuttgart 1980, ISBN 3-8062-0241-9.
  • Wolfgang Kauer: Felsbilder der Alpen. Motive im internationalen Vergleich. Verlag A. Pustet, Salzburg 2019, ISBN 978-3-7025-0932-3.
  • Wolfgang Kauer: Kult- und Schalensteine. Zeugen der Vorgeschichte in den Alpen und im Granit-Hochland. Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra 2021, ISBN 978-3-99126-042-4.
  • Wolfgang Kauer: Wohin Seelen reisen. Inspirative Jenseits-Modelle weltweit und in Petroglyphen. Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra 2024, ISBN 978-3-99126-240-4.
  • Herbert Kühn: Die Felsbilder Europas. Kohlhammer, Stuttgart 1952/1971, DNB 457311177.
  • Detlef W. Müller: Petroglyphen aus mittelneolithischen Gräbern von Sachsen-Anhalt. In: Karl W. Beinhauer et al. (Hrsg.): Studien zur Megalithik. Forschungsstand und ethnoarchäologische Perspektiven. = The megalithic phenomenon. Recent research and ethnoarchaeological approaches (= Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas. Bd. 21). Beier & Beran, Mannheim (u. a.) 1999, ISBN 3-930036-36-3, S. 199–214.

Medien

  • Schätze der Welt – Erbe der Menschheit. Die Felsgravuren von Twyfelfontein, Namibia – Verschlüsselte steinerne Botschaft. Fernsehreportage, Deutschland, 2008, 14:31 Min., Buch und Regie: Christian Romanowski, Produktion: SWR, Erstsendung: 23. Dezember 2008, online mit online-Video
Commons: Petroglyphs – Sammlung von Bildern und Audiodateien
Wiktionary: Felsritzung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Petroglyphe – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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