Oscar Niemeyer: Brasilianischer Architekt

Oscar Ribeiro de Almeida Niemeyer Soares Filho (* 15.

Dezember">15. Dezember 1907 in Rio de Janeiro als Oscar de Almeida Soares; † 5. Dezember 2012 ebenda) war ein brasilianischer Architekt. Er gilt als Wegbereiter der modernen brasilianischen Architektur. Niemeyer entwarf zahlreiche öffentliche Gebäude für die brasilianische Hauptstadt Brasília, die 1987 zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Im Jahr 2013 wurden seine architektonischen Zeichnungen und Baupläne von der UNESCO zum Weltdokumentenerbe erklärt.

Oscar Niemeyer: Herkunft, Leben und Werk, Ehen und Nachkommen
Oscar Niemeyer, 1977

Herkunft

Niemeyer war eines von sechs Kindern aus einer katholischen Familie in Rio de Janeiro. Sein Vater arbeitete als Schriftsetzer und hatte ein Grafikbüro, sein Großvater war Richter am brasilianischen obersten Gerichtshof. Später nahm Niemeyer den deutschen Nachnamen seiner Großeltern väterlicherseits an.

Sein deutscher Name geht zurück auf Konrad Heinrich von Niemeyer (1761–1806), der 1778 von Hannover nach Portugal auswanderte und dort als Vermessungsingenieur arbeitete. Dessen Vater Jakob Konrad von Niemeyer (1730–1808) wiederum war der Generalmajor und Regimentschef des Cavallerieregiments Nr. 8 des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg; er hatte Graf Wilhelm zu Schaumburg-Lippe (portugiesisch Conde de Lippe) unterstützt, die spanische Invasion von 1762 in Portugal erfolgreich abzuwehren.

Leben und Werk

Oscar Niemeyer: Herkunft, Leben und Werk, Ehen und Nachkommen 
Oscar Niemeyer in den 1950er Jahren
Oscar Niemeyer: Herkunft, Leben und Werk, Ehen und Nachkommen 
Oscar Niemeyer, 2006

Er absolvierte seinen Schulabschluss am katholischen Barnabiten-Gymnasium in Rio. 1928 begann Oscar Niemeyer ein Architekturstudium an der Escola Nacional de Belas Artes, der Nationalen Kunsthochschule in Rio de Janeiro, das er 1934 abschloss. Im Anschluss daran arbeitete er im Büro des brasilianischen Architekten und Stadtplaners Lúcio Costa. Der Auftrag an Costas Büro für den Bau des ersten modernen brasilianischen Gebäudes, des Ministeriums für Bildung und Gesundheit in Rio de Janeiro (des heutigen Kulturpalasts), brachte Niemeyer mit Le Corbusier zusammen. Dieser machte ihn später zu seinem Assistenten. 1945 schloss sich Niemeyer der brasilianischen Kommunistischen Partei an (Partido Comunista Brasileiro – PCB). In den Jahren 1947 bis 1953 war er der Vertreter Le Corbusiers im Planungsgremium der UNO für das Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York City. Die Zusammenarbeit mit Le Corbusier sollte Niemeyers Schaffen stark beeinflussen, indem er später die strenge Orthogonalität moderner Architektur um Kreis und Kurve erweiterte.

Niemeyer setzte früh fast ausschließlich auf Stahlbeton als Baumaterial, dem er neue Anwendungsmöglichkeiten erschloss. In seiner futuristischen und plastischen Formensprache mit kurvenreichen, weichen Konturen hielt er stets ein ausgewogenes Verhältnis zwischen freiem Raum und Volumen ein. Der Orthogonalität vieler seiner Kollegen schwor er fast vollständig ab. Seine kühnen und unkonventionellen Entwürfe begründeten seinen Ruf als einen der wichtigsten Vertreter und Erneuerer der architektonischen Moderne. Er hielt nichts vom Bauhaus, das seiner Meinung nach mit seinen monotonen, repetitiven Regeln die Entwicklung der Architektur gehemmt habe.

Am bekanntesten sind seine Entwürfe für den Bau der brasilianischen Planhauptstadt Brasília zwischen 1957 und 1964. Alle öffentlichen Gebäude in der auf dem Reißbrett geplanten Stadt stammen aus seiner Hand. Lúcio Costa wurde sein ausführender Stadtplaner. Die UNESCO erklärte Brasília 1987 zum Weltkulturerbe.

1966, zwei Jahre nach der Machtergreifung durch die Militärs im Jahre 1964, ging Niemeyer wegen seiner Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei Brasiliens nach Frankreich ins Exil. Ende der 1960er Jahre konnte er seine Arbeit in Brasilien fortsetzen. Er lehrte unter anderem an der Universidade Federal do Rio de Janeiro (UFRJ), kehrte jedoch erst nach der Generalamnestie von 1979 im Jahre 1982 ganz nach Brasilien zurück. Während seiner Jahre im Exil erbaute er unter anderem das Gebäude des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Frankreichs in Paris, das Haus der Kultur in Le Havre und das Verlagshaus von Mondadori in Mailand. 1990 trat er aus der Partei aus, blieb jedoch weiterhin Marxist.

Niemeyer verband eine enge Freundschaft mit dem kubanischen Diktator Fidel Castro. Zu seinen letzten Werken gehört eine Skulptur aus Stahl in Havanna, die den Widerstand Kubas gegen die von den USA verhängte Wirtschaftsblockade symbolisiert. Sie wurde am 15. Dezember 2007 fertiggestellt, dem 100. Geburtstag Niemeyers.

Niemeyer verstarb am Mittwoch, 5. Dezember 2012 in Rio de Janeiro kurz vor seinem 105. Geburtstag an den Folgen eines Melanoms. Der Gouverneur des Bundesstaates Rio de Janeiro, Sérgio Cabral, ordnete eine dreitägige Staatstrauer im Bundesstaat an. Die brasilianische Staatspräsidentin Dilma Rousseff sagte, Brasilien habe ein Genie, einen Revolutionär und den Mentor einer neuen Architektur verloren.

Ehen und Nachkommen

Niemeyer heiratete 1928 Annita Baldo (Annita Oscar Niemeyer), eine Tochter italienischer Einwanderer aus Padua. 1930 wurde die Tochter Anna Maria geboren, das einzige Kind Oscar Niemeyers. Sie arbeitete später als Architektin, Möbeldesignerin und Galeristin. Annita Niemeyer starb 2004 im Alter von 93 Jahren, nach 76 Jahren Ehe. Die Tochter Anna Maria starb am 6. Juni 2012 im Alter von 82 Jahren, noch vor ihrem Vater.

Am 16. November 2006, einen Monat vor seinem 99. Geburtstag, heiratete Oscar Niemeyer seine 38 Jahre jüngere Sekretärin Vera Lúcia Cabreira. Bei seinem Tod im Dezember 2012 hinterließ er seine zweite Ehefrau, vier Enkel, dreizehn Urenkel und mehrere Ururenkel.

Werke (Auswahl)

Realisierte Projekte

Oscar Niemeyer zählt zu den schaffensreichsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Er hat insgesamt mehr als 600 Gebäude realisiert. Er selbst teilte sein Werk in fünf Perioden ein: Pampulha, Pampulha bis Brasília, Brasília, Bauten in Übersee (Paris, Mailand usw.) und Spätwerke. Etliche Bauten gelten als Architektur-Ikonen der Moderne.

Im Bau befindliche Projekte

Etwa zwanzig Projekte werden in mehreren Ländern errichtet.

Verfallene Projekte

Oscar Niemeyer: Herkunft, Leben und Werk, Ehen und Nachkommen 
Internationale Messe „Raschid Karami“ in Tripoli

Nicht realisierte Projekte

  • Freizeitbad in Potsdam – 2007
  • Praça de Soberania – Brasília, Brasilien.

Rezeption

Die britische Architektin Zaha Hadid bekannte, Niemeyers Stil habe mit den stärksten Einfluss auf sie ausgeübt.

Der Dokumentarfilm Oscar Niemeyer – Das Leben ist ein Hauch (Originaltitel: Oscar Niemeyer – A vida é um sopro) über das Leben und Werk des Architekten kam am 14. Januar 2010 in die deutschen Kinos. Regisseur Fabiano Maciel benötigte zehn Jahre bis zur Fertigstellung des Filmes. Als Wegbegleiter Niemeyers wurden unter anderem die Schriftsteller Eduardo Galeano und José Saramago, der Liedermacher Chico Buarque und der marxistische Historiker Eric Hobsbawm interviewt.

Auszeichnungen (Auszug)

Zitate

Oscar Niemeyer: Herkunft, Leben und Werk, Ehen und Nachkommen 
Oscar Niemeyer, 1968

„Der rechte Winkel zieht mich nicht an und auch nicht die gerade, harte inflexible Linie, die der Mensch geschaffen hat. Was mich anzieht, ist die freie und sinnliche Kurve, die ich in den Bergen meines Landes finde, im mäandernden Lauf seiner Flüsse, in den Wolken des Himmels, im Leib der geliebten Frau. Das ganze Universum ist aus Kurven gemacht. Das gekrümmte Universum Einsteins.“

Oscar Niemeyer, 1996

„Man muss gegen die funktionalistische Architektur ankämpfen, die sich des armierten Betons bedient, um rechtwinklige und öde Räume zu gestalten.“

Oscar Niemeyer

„Die Architektur besteht aus Traum, Phantasie, Kurven und leeren Räumen.“

Oscar Niemeyer

„Die Kommunisten sind die einzigen, die immer noch eine bessere Welt schaffen wollen.“

Oscar Niemeyer, 2008
    Über Niemeyer

„Nie wieder wird die Zukunft so gut aussehen wie mit den Bauten des Brasilianers.“

Publikationen

  • Oscar Niemeyer: Minha arquitetura, 1937–2005. Revan, Rio de Janeiro 2005, ISBN 85-7106-325-7, (portugiesisch).
  • Oscar Niemeyer: Curves of Time. The Memoirs of Oscar Niemeyer. Phaidon Press, London 2000, ISBN 0-7148-4007-6, (englisch).
  • Oscar Niemeyer: Wir müssen die Welt verändern. Verlag Antje Kunstmann, München 2013, ISBN 978-3-88897-871-5. (Originalausgabe: Il mondo è ingiusto. Arnoldo Mondadori Editore, Milano 2012, ISBN 978-88-04-62321-2.)

Literatur

  • Christian Hornig: Oscar Niemeyer. Bauten und Projekte. Ernst & Sohn, Berlin 1981, ISBN 3-7879-0213-9.
  • David Kendrick Underwood: Oscar Niemeyer and the Architecture of Brazil. Rizzoli, New York, N.Y. 1994, ISBN 0-8478-1687-7.
  • Jan Op Gen Oorth: Oscar Niemeyer – Architekt der Moderne. In: Tópicos – Deutsch-Brasilianische Hefte, 43. Jg., Nr. 2, 2003, S. 42–45, ISSN 0949-541X, (topicos.net, PDF; 230 kB).
  • Heike Werner: Rio de Janeiro für Architekten. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Werner, München 2014, ISBN 978-3-9809471-7-6. (Erstausgabe 2003).
  • Ingeborg Flagge, Paul Andreas: Oscar Niemeyer. Eine Legende der Moderne / A Legend Of Modernism. Edition Deutsches Architekturmuseum, Birkhäuser Verlag, Basel 2003, ISBN 3-7643-6992-2, (deutsch, englisch) (2. Auflage ISBN 978-3-03821-448-9).
  • Alan Hess: Oscar Niemeyer. Häuser. DVA, München 2006, ISBN 3-421-03580-6.
  • Robert Cohen: Künftiger Ruhm der Retortenstadt Brasília. In: Das Argument, 50. Jg., Nr. 1, 2008, S. 83–92.
  • Yukio Futagawa: Oscar Niemeyer. Form & Space. A.D.A. Edita, Tokyo 2008, ISBN 978-4-87140-490-7.
  • Alan Hess: Oscar Niemeyer – Bauten für die Öffentlichkeit. Fotos von Alan Weintraub. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2009, 367 S., überw. Ill., ISBN 978-3-421-03748-0.
  • Philip Jodidio: Oscar Niemeyer. Taschen Verlag, Köln 2012, ISBN 978-3-8365-3061-3.
  • Lucien Clergue: Brasilia – Der Architekt Oscar Niemeyer und der Fotograf Luoien Clergue, die Erotomanen der Kurve. Hatje Cantz, Ostfildern 2013, deutschsprachige Ausgabe: ISBN 978-3-7757-3550-6, englischsprachige Ausgabe: ISBN 978-3-7757-3313-7.

Filme

  • Oscar Niemeyer – Das Leben ist ein Hauch. (Originaltitel: Oscar Niemeyer – A vida é um sopro.) Dokumentation (OmU), Brasilien, 2007, 85 Min., Buch: Jacques Cheuiche, Fabiano Maciel, Regie: Fabiano Maciel, Produktion: Sacha, deutscher Kinostart: 14. Januar 2010, unter anderem mit José Saramago, Chico Buarque, Eric Hobsbawm, Besprechung: .
  • Mister Brasilia – Oscar Niemeyer. Dokumentarfilm, Österreich, 2007, 30 Min., Buch und Regie: Alexander W. Rauscher, Produktion: ORF, Inhaltsangabe von 3sat, (Memento vom 10. Februar 2013 im Webarchiv archive.today).
  • Oscar Niemeyer – Die Kurven des Lebens. Dokumentarfilm, Deutschland, 2007, 29:14 Min., Buch und Regie: Andreas Krieger, Produktion: Bayerischer Rundfunk, Inhaltsangabe von ARD, online-Video.

Trivia

Der Spielfilm Abenteuer in Rio von 1964 hat stellenweise als Handlungsort der Actionszenen das gerade entstehende Brasilia mit den markanten Bauten von Niemeyer im Hintergrund.

Commons: Oscar Niemeyer – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Bilder

Zum 100. Geburtstag

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Einzelnachweise

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