Interpol: Internationale Organisation zur Stärkung der Zusammenarbeit nationaler Polizeibehörden

Die Internationale kriminalpolizeiliche Organisation – Interpol, kurz IKPO, ICPO-Interpol, Interpol (von englisch International Criminal Police Organization), ist ein Verein zur Stärkung der Zusammenarbeit nationaler Polizeibehörden.

Sie wurde 1923 als Internationale kriminalpolizeiliche Kommission in Wien gegründet und hat ihren Sitz in Lyon. Stand 2023 hat Interpol 196 Mitgliedstaaten.

Internationale kriminalpolizeiliche Organisation – Interpol
ICPO-Interpol
 
Interpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte
Das Generalsekretariat von Interpol in Lyon
Englische Bezeichnung The International Criminal
Police Organization – Interpol
Organisationsart internationale Polizeiorganisation
Sitz der Organe Lyon, FrankreichInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte Frankreich
Vorsitz Vereinigte Arabische EmirateInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte Ahmed Naser Al-Raisi
(Präsident)

DeutschlandInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte Jürgen Stock
(Generalsekretär)

Mitgliedstaaten 196:

Interpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte Mitgliedstaaten

Amts- und Arbeitssprachen

Englisch, Französisch,
Arabisch, Spanisch

Gründung 1923
www.interpol.int

Die Verarbeitung von Daten bei Interpol wird von einer gemäß Art. 36 der Interpol-Statuten unabhängigen Kommission überwacht. Sie besteht aus fünf Personen, die sich dreimal pro Jahr treffen. Sie prüft Beschwerden, Anträge auf Einsicht in Akten und Datenbanken und spricht Empfehlungen aus, ob eine Fahndung aufrechterhalten werden soll.

Organisation

Ziele, Funktionen und Finanzierung

Die größte Polizeiorganisation der Welt ist juristisch ein Verein, eingetragen nach französischem Privatrecht – kein völkerrechtlicher Vertrag liegt ihr zugrunde, kein Parlament hat die Tätigkeit von Interpol je ratifiziert. Es besteht keine externe Kontrolle über Interpol. Die Aufgabe von Interpol ist die umfassende Unterstützung aller kriminalpolizeilichen Behörden und anderer Einrichtungen, die zur Verhütung oder Bekämpfung von Verbrechen beitragen können, unter der Berücksichtigung nationaler Gesetze und der Menschenrechte.

Die Hauptfunktionen der Organisation sind die Gewährleistung eines globalen Kommunikationssystems, die Bereitstellung von Datenbanken für die Informationsverarbeitung, die Benachrichtigung der Mitgliedstaaten über gesuchte Personen, die Koordinierung gegenseitiger Unterstützungsmaßnahmen durch Entsendung von technischen Spezialisten und Zurverfügungstellung von Ausrüstung (technische Hilfe) und die Förderung der internationalen Zusammenarbeit in den Bereichen Forschung, Aus- und Fortbildung, Ausrüstung, Einsatz von Personal und Hilfsmitteln.

Interpol wurde bis 2011 fast ausschließlich durch jährliche Zahlungen der Mitgliedstaaten finanziert, das Budget für 2008 betrug 47,6 Millionen Euro. Unter Ronald Noble – Interpol-Generalsekretär von 2000 bis 2014 – wurde das Finanzierungsmodell ab 2011 geändert. Millionen-Beiträge hat Interpol u. a. von der FIFA, Philip Morris und der Pharmaindustrie erhalten. Mit dem Organisationskomitee der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar wurde ein Abkommen über 10 Millionen US-Dollar abgeschlossen.

Organe

Generalversammlung

Die Generalversammlung (General Assembly) ist das höchste Organ von Interpol. Jeder Mitgliedstaat verfügt über eine Stimme, bei Abstimmungen reicht eine einfache Mehrheit, bei Änderungen der Statuten ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. Die Generalversammlung tritt mindestens einmal im Jahr zusammen, eine außerordentliche Einberufung ist möglich. Dabei werden alle wichtigen Entscheidungen über die generelle Verfahrensweise, Ressourcen, Methoden, Finanzen und Programme getroffen. Die Zusammensetzung des Exekutivkomitees (Executive Committee) wird ebenso in der Generalversammlung bestimmt. Das Exekutivkomitee besteht aus einem Präsidenten, drei Vizepräsidenten und neun Delegierten der Generalversammlung. Die Hauptaufgabe des Exekutivkomitees ist die Überwachung der Durchführung von Entscheidungen der Generalversammlung und der Administration des Generalsekretärs. Andere Aufgaben sind die Vorbereitung von Sitzungen der Generalversammlung, die Unterbreitung von Programmen an diese und die Bearbeitung von zugewiesenen Zuständigkeiten.

Nr. Datum Ort Quelle / Bemerkung
88 15. bis 18. Oktober 2019 ChileInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Santiago de Chile
87 18. bis 21. November 2018 Vereinigte Arabische EmirateInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Dubai
86 26. bis 29. September 2017 China VolksrepublikInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Beijing
85 7. bis 10. November 2016 IndonesienInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Bali
84 2. bis 5. November 2015 RuandaInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Kigali
83 3. bis 7. November 2014 MonacoInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Monaco
82 21. bis 24. Oktober 2013 KolumbienInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Cartagena
81 5. bis 8. November 2012 ItalienInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Rom
80 31. Oktober bis 3. November 2011 VietnamInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Hanoi  
79 8. bis 11. November 2010 KatarInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Doha  
78 11. bis 15. Oktober 2009 SingapurInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Singapur
77 7. bis 10. Oktober 2008 RusslandInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Sankt Petersburg  
76 5. bis 8. November 2007 MarokkoInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Marrakesch  
75 19. bis 22. September 2006 BrasilienInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Rio de Janeiro  
74 19. bis 22. September 2005 DeutschlandInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Berlin Gastgeber Bundeskriminalamt
73 5. bis 8. Oktober 2004 MexikoInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Cancún
72 29. September bis 2. Oktober 2003 SpanienInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Benidorm  
71 21. bis 24. Oktober 2002 KamerunInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Yaoundé  
70 24. bis 28. September 2001 UngarnInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Budapest  
69 30. Oktober bis 4. November 2000 GriechenlandInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Rhodos  
68 8. bis 12. November 1999 Korea SudInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Seoul  
67 22. bis 27. Oktober 1998 AgyptenInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Kairo  
66 15. bis 21. Oktober 1997 IndienInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Neu-Delhi  
65 23. bis 29. Oktober 1996 TurkeiInterpol: Organisation, Notices und Diffusions, Geschichte  Antalya  

Generalsekretariat

Das Generalsekretariat hat seinen Sitz in Lyon und ist für die praktische Arbeit das wichtigste Organ. Es wird vom Generalsekretär geleitet, der das von ihm ausgewählte Fach- und Verwaltungspersonal einsetzt. Im Generalsekretariat werden die tägliche Administration der internationalen Polizeikooperation und die Beschlüsse durchgeführt. Dabei fungiert das Generalsekretariat als zentrale Koordinationsstelle zwischen den nationalen Zentralbüros.

Nationales Zentralbüro

Jeder Mitgliedstaat hat ein Nationales Zentralbüro/Landeszentralbüro (National Central Bureau/LZB) zu ernennen. Dieses dient der Koordination zwischen der Interpol und den einzelnen Staaten. Zu diesem Zweck muss das Büro Verbindungen zu den Behörden des Landes, zu anderen nationalen Büros und zum Generalsekretariat bereitstellen. In manchen Staaten wird die Funktion des Nationalen Zentralbüros/Landeszentralbüros von der inländischen Zentralstelle für kriminalpolizeiliche Ermittlungen wahrgenommen. In anderen Ländern wurde hingegen eine eigene Dienststelle nur für den Interpol-Aufgabenbereich eingerichtet, beispielsweise in den USA. In Deutschland und Österreich agiert das jeweilige Bundeskriminalamt (BKA und BK) zugleich als Nationales Zentralbüro/Landeszentralbüro.

Bei den Beratern (Advisers) handelt es sich meist um international anerkannte Experten.

Notices und Diffusions

Hinsichtlich der Suchaufträge wird zwischen Notices (Ausschreibungen zur Fahndung) und Diffusions („Durchgaben“) unterschieden. Ausschreibungen werden von den Mitgliedstaaten oder den akkreditierten internationalen Organisationen zentral an Interpol geleitet und von dort an die übrigen Mitglieder verteilt. Im Gegensatz dazu werden Durchgaben vom veranlassenden Land direkt an gewünschte Länder zugestellt und von Interpol zusätzlich in den Datenbanken erfasst. Beide Suchauftragsarten sind in sieben Kategorien aufgeteilt und werden gemäß der farblichen Kategorisierung auch „Buntecken“ – also für die einzelnen Typen etwa „Rotecke“ oder „Gelbecke“ – genannt.

Notice-Kategorie deutsche Bezeichnung Details
Red Notice Rote Ausschreibung Ersuchen um Festnahme oder vorläufige Festnahme mit dem Ziel der Auslieferung.
Blue Notice Blaue Ausschreibung Sammlung von zusätzlichen Informationen über die Identität oder Aktivitäten einer Person im Bezug auf ein Verbrechen.
Green Notice Grüne Ausschreibung Bereitstellung von Warnungen und kriminalistischen Informationen über Personen, die Straftaten begingen und diese wahrscheinlich in anderen Ländern wiederholen werden.
Yellow Notice Gelbe Ausschreibung Hilfe bei der Ortung vermisster Personen, häufig Jugendlicher, oder Hilfe bei der Identifizierung von Personen, die sich nicht selbst identifizieren können.
Black Notice Schwarze Ausschreibung Suche nach Informationen bezüglich unidentifizierter Leichen.
Orange Notice Orange Ausschreibung Warnt Polizei und andere internationale Organisationen über potentielle Bedrohungen von versteckten Waffen, Paketbomben oder anderem gefährlichen Material.
Purple Notice Lila Ausschreibung Verbreitung von Informationen über Modus Operandi (Vorgehensweise bei der Tat), kriminelle Methoden, Gegenstände, Apparate und Verstecke.
Interpol-United Nations Security Council Special Notice Interpol-Sonderausschreibung der Vereinten Nationen Ausgegeben für Gruppen und Einzelpersonen, die Ziel der UN-Sanktionen gegen al-Qaida oder die Taliban sind.

Geschichte

Die Vorgeschichte der Kommission (19. Jahrhundert bis 1914)

Im 19. Jahrhundert kam es durch die sukzessive Expansion des modernen Staates in außerstaatliche Bereiche der Gesellschaft zu ständigen Krisen. Diese wurden durch sozialistische Parteien und Bewegungen weiter verstärkt. Durch zahllose Attentate auf die Herrschafts- und Oberschicht in beinahe allen europäischen Ländern verbreitete sich der Eindruck einer anarchistischen Weltverschwörung und es kam in der Konferenz von Rom 1898 zur ersten größeren Verabredung internationaler polizeilicher Zusammenarbeit. Bei vielen Staatsmännern kam es zur Gleichsetzung von Sozialismus und Anarchismus. Diese Umstände bildeten eine Voraussetzung für die internationale polizeiliche Kooperation.

Bei der Geschichtsschreibung der Kriminalpolizeien ist der Kampf gegen das gemeine Verbrechen die dominierende Ursache. Insbesondere schnellere Transportmittel sollten es Kriminellen ermöglicht haben, sich der Jurisdiktion zu entziehen. Die technische Entwicklung im Bereich der Kommunikation und des Transportwesens war jedoch die Voraussetzung für eine adäquate polizeiliche Kooperation. Der Wissenschaftler John Tobias führt an, dass der schnellere Transport und die bessere Kommunikation der Verbrechensbekämpfung zugutekam. Auch wenn sich seine Studie auf England beschränkt, ist davon auszugehen, dass dies überall der Fall war. Im April 1914 wurde der Erste Internationale Polizeikongress in Monaco abgehalten, der als der Vorläufer-Kongress der Internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission (IKPK) gilt. Die Intentionen sowie genauere Informationen sind unbekannt.

Von der ersten Gründung bis zum ersten Ende (1919–1945)

Ende 1919 versuchte der Kapitän der niederländischen Marechaussee, van Houten, erfolglos mit einem Brief an die bedeutendsten Polizeibehörden, eine Konferenz für internationale Verbrechensbekämpfung einzuberufen. Vier Jahre später gelang es dem Wiener Polizeipräsidenten Johann Schober, einen Internationalen Polizeikongress in Wien abzuhalten. Als Grund wird der Anstieg der Kriminalität nach dem Weltkrieg angeführt.

Zudem hatte Schober für diese Aufgabe ideale Qualifikationen, wie zum Beispiel außenpolitische Erfahrung und diplomatische Schulung. Seine Informationspolitik als Wiener Polizeipräsident war äußerst offensiv, 1920 errichtete er einen eigenen polizeilichen Nachrichtendienst mit politischen Zielsetzungen. „In einer Instruktion wies er darauf hin, daß es keineswegs nur um potentielle Unruhestifter gehe, sondern ausnahmslos um alle politisch tätigen Personen und Gruppen.“ Erwähnenswert ist die Tatsache, dass der Nachrichtendienst über keine Mittel für einen Auslandsnachrichtendienst verfügte. Dennoch gelang es, eine Art antikommunistische Interpol zu etablieren. Ob sich die Intentionen Schobers (und anderer Teilnehmer) bei der Konferenz auf den „Kampf gegen das gemeine Verbrechen“ beschränkten, ist deshalb zweifelhaft.

In Wien wurde 1923 die Internationale Kriminalpolizeiliche Kommission (IKPK) gegründet. Am 3. September fand die erste Sitzung in der Wiener Polizeidirektion statt. Das Protokoll über zukünftige Kooperation unterschrieben Vertreter aus 16 europäischen Staaten, den Vereinigten Staaten sowie Japan. Der Beschluss zur Gründung der IKPK wurde am 7. September 1923 gefasst. Es stellt sich die Frage, für welche Zwecke die IKPK eingesetzt wurde. Wien wurde laut dem Politikwissenschaftler Heiner Busch aufgrund der Persönlichkeit Schobers als Zentrale der IKPK gewählt, ein weiterer Aspekt dürfte die Erfahrung und das Archiv der ehemaligen k. u. k. Dienststellen gewesen sein.

Die hauptsächliche Tätigkeit der IKPK war die Nachrichtenverarbeitung und -übermittlung eingegangener Meldungen, weshalb das Polizeifunkwesen gefördert wurde. Ebenso wurden Zentralstellen zur Fälschungsbekämpfung und Personenerkennung eingerichtet.

Auch nach der Machtübernahme Dollfuß’ und der Errichtung des österreichischen Ständestaates blieb die Organisation bestehen. Nach dem Anschluss und der Eingliederung Österreichs in das Dritte Reich wurde der bisherige Interpol-Präsident Michael Skubl abgesetzt und unter Hausarrest gestellt. Sein Nachfolger wurde der österreichische Nationalsozialist Otto Steinhäusl. Nach dessen baldigem Tod wurde der Sitz der IKPK von Wien nach Berlin-Wannsee verlegt und dem Reichssicherheitshauptamt unterstellt. In einem der zwei von der IKPK genutzten Häuser fand die Wannseekonferenz betreffend die „Endlösung der Judenfrage“ statt. In Berlin wurde die IKPK durch den SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich präsidiert, nach dessen Tod durch ein Attentat des tschechoslowakischen Widerstands in Prag zunächst durch den Chef des Reichskriminalpolizeiamtes Arthur Nebe, dann ab 1943 durch Heydrichs Nachfolger als Chef des RSHA SS-Obergruppenführer Ernst Kaltenbrunner, der nach dem Krieg in Nürnberg hingerichtet wurde. Die Akten der IKPK, die nach Berlin überführt wurden, etwa die so genannte internationale Zigeunerregistratur, aber auch die Akten betreffend Falschmünzerei und Passfälschung waren für die Nationalsozialisten hilfreich bei der Verfolgung bestimmter Personengruppen sowie bei ihrer massenweisen Herstellung von Falschgeld und von falschen Pässen im KZ Sachsenhausen bei Berlin. Mit Kontrollratsgesetz Nr. 31 vom 1. Juli 1946 wurden die „deutschen Polizeibüros und -agenturen politischen Charakters“ aufgelöst.

Von der neuen IKPK bis zur IKPO (1946–1956)

Die Internationale Kriminalpolizeiliche Kommission (IKPK) wurde 1945 aufgelöst und ein Jahr später auf Initiative des Generalinspekteurs der belgischen Polizei, Florent Louwage, neu gegründet. Dabei wurden neue Statuten festgeschrieben. Die genauen Gründe und Umstände für die Neugründung sind unbekannt bzw. finden keine Erwähnung. Anderson führt an, dass aufgrund des Schwarzmarktes und der Vertriebenen eine internationale Polizeikooperation dringend nötig war. Doch stellt sich die Frage, welche Hilfe die IKPK hierbei leisten sollte. Die Intention der Neugründung muss im Kontext des Ost-West-Konflikts gesehen werden, wobei die IKPK ein möglichst unpolitisches Profil wahren wollte. Ebenso sollte die vorherige Auflösung vermutlich die Distanzierung zur IKPK der Zwischen- und Kriegszeit hervorheben.

Als neuer Sitz wurde Paris gewählt; dies führte zur Dominanz der französischen Polizei über mehrere Jahrzehnte. In die Statuten wurden die Menschenrechte einbezogen und an das Völkerrecht angepasst, außerdem wurde eine ausschließliche Zusammenarbeit im Bereich der gewöhnlichen Kriminalität festgelegt. Ebenso fand eine erfolgreiche Annäherung an die UN statt, 1949 erhielt die IKPK den konsultativen Status der UN als Nichtregierungsorganisation. Die Mitgliederzahl konnte schnell erweitert werden, dennoch blieb die IKPK europäisch dominiert.

1950 zeigte sich die geringe Wirkung der Entpolitisierung vor dem Hintergrund des Ost-West-Konfliktes. Die Entführung von drei Verkehrsflugzeugen veranlasste die ČSSR, die Kooperation der Interpol anzufordern. Für das Generalsekretariat handelte es sich dabei um eine kriminelle Tat. Der Vizepräsident der IKPK und Direktor des FBI, J. Edgar Hoover, betrachtete die Entführer jedoch als politische Flüchtlinge, deshalb wäre eine Kooperation gemäß den Interpol-Statuten in diesem Fall nicht zulässig. Es folgte der offizielle Austritt der USA und beinahe aller Ostblockstaaten, wobei die USA ab 1952 wieder in der IKPK durch das Finanzministerium vertreten wurden.

Internationalisierung und rechtlicher Status (1956–1984)

1956 kam es zur Neugründung, es wurde ein neuer Name gewählt und die Telegramm-Kurzanschrift Interpol wurde in den Namen aufgenommen. Die Interpol wurde durch eine Reihe von Verträgen und Abkommen internationaler und erhielt den Status einer juristischen Person. Dies wurde insbesondere durch den Erhalt des Status einer zwischenstaatlichen Organisation durch die UN 1971 und durch das Sitzabkommen (Headquarters Agreement) mit Frankreich im Jahr darauf erreicht. Dieses wurde zehn Jahre später überarbeitet und verlangte eine unabhängige datenschutzrechtliche Stelle zur Kontrolle. In den 1970er Jahren wurde die Interpol stark kritisiert, die Kritikpunkte waren die fehlende Beteiligung bei der Terrorismusbekämpfung und die schwerfällige Kommunikation.

Der Interpol-Präsident von 1968 bis 1972, Paul Dickopf, war unter den Nationalsozialisten als SS-Mann vereidigt worden und hatte nach dem Krieg zusammen mit anderen ehemaligen SS-Polizeimännern das Bundeskriminalamt in Wiesbaden aufgebaut.

Die Mängel, die in den 1970er Jahren bestanden, wurden in den 1980er Jahren weitgehend beseitigt. 1984 kam es zu einer Änderung in Bezug auf politisch motivierte Straftaten, insbesondere im Bereich des Terrorismus. Die Generalversammlung erließ eine Resolution. Diese sieht vor, dass die politische Bewertung von Straftaten im nationalstaatlichen Ermessen liegt. Anlässlich des bevorstehenden Umzugs nach Lyon 1989 kam es zur Reorganisation des Generalsekretariats.

Es folgte der Ausbau der Informationsinfrastruktur, 1990 wurde ein Kommunikationssystem für den Datenaustausch mit den nationalen Zentralbüros eingerichtet. Die Systeme wurden in den folgenden Jahren verbessert und erweitert. Seit 2002 sind beinahe alle nationalen Zentralbüros mit dem Interpol-Hauptquartier durch das Interpol Global Communication System 24/7 (I-24/7) verbunden. 1997 wurde ein Kooperationsvertrag mit der UN geschlossen, dieser gewährt der Interpol einen Beobachter-Status in der UN.

Seit 2002

Auf der im November 2021 in Istanbul abgehaltenen 89. Delegiertenversammlung wurde der Generalmajor Ahmed Nasser al-Raisi, Generalinspekteur im Innenministerium der Vereinigten Arabischen Emirate, zum nächsten Interpol-Präsidenten gewählt. Seine Wahl traf teilweise auf Protest. Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen, darunter Human Rights Watch, werfen ihm vor, als „Teil des Sicherheitsapparates“ der Vereinigten Arabischen Emirate „systematisch gegen die friedliche Opposition“ vorzugehen. Die Organisation Gulf Center for Human Rights beschuldigt ihn, in Folter eines bekannten Regierungskritikers involviert zu sein. Die Emirate hatten schon 2015 mit Spenden an Interpol im großen Stil begonnen und die Frage aufgeworfen, ob sich das Land damit Einfluss erkaufen wolle, sie sind nach den USA der zweitgrößte Beitragszahler. Abgeordnete des Europaparlaments schrieben in einem Brief an die EU-Kommissionspräsidentin, dass Interpol durch die Wahl an Reputation verlieren werde. 25 französische Parlamentarier baten Staatspräsident Emmanuel Macron, gegen die Wahl zu intervenieren. In der Türkei haben Anwälte im Namen des Golfzentrums für Menschenrechte Anzeige erstattet. In mindestens fünf Ländern wurden gegen ihn im Zusammenhang mit Foltervorwürfen Klagen eingereicht.

Al-Raisis Amtszeit begann im März 2022, er übernahm die Nachfolge des Südkoreaners Kim Jong Yang, der seit 2018 Präsident von Interpol war. Einzige Gegenkandidatin war die Interpol-Vizepräsidentin für Europa Šárka Havránková aus Tschechien. Al-Raisi wurde nach drei Wahlrunden und mit 68,9 % Zustimmung gewählt. Die Delegierten stimmten außerdem für die Aufnahme der Föderierten Staaten von Mikronesien als 195. Mitglied.

Bedeutung und Wirkung

Im Zeitalter der internationalen Vernetzung gewinnt das Interpol-Generalsekretariat als Sammelstelle internationaler Datenbestände zunehmend an Bedeutung. Unter der Bezeichnung ASF (Automated Search Facility) gibt es Datenbanken für gestohlene Fahrzeuge und Ausweise. Eine weitere Datenbank für DNA-Profile, die von Tatortspuren oder Mundhöhlenabstrichen Verdächtiger stammen, ist zurzeit im Aufbau. Nach der Flutkatastrophe in Südasien am 26. Dezember 2004 half Interpol insbesondere in Thailand bei der Identifizierung von Opfern aus aller Welt.

Im Gegensatz zu vielen Darstellungen in Kriminalromanen gibt es keine eigenen Interpol-Agenten, die Verbrecher in fremde Länder verfolgen und selbsttätig ermitteln. Interpol verfügt über keine eigenen Fahnder, sondern koordiniert nur die Zusammenarbeit nationaler Ermittler. Es gilt der Grundsatz der nationalen Souveränität. Polizeiliche Exekutivmaßnahmen wie Anhaltungen, Festnahmen, das Tragen von Dienstwaffen oder die Einsichtnahme in das Strafregister dürfen nur von Sicherheitsbeamten des jeweiligen Staates ergriffen werden. Selbst wenn ausländische Polizeibeamte nur anreisen, um im Zuge einer Auslieferung einen Häftling am Flughafen zu übernehmen, müssen sie um Genehmigung ersuchen, wenn sie Waffen mitführen wollen. Das Gleiche gilt für die Durchlieferung von Häftlingen, die nicht direkt von einem fremden Land in ein anderes befördert werden können. Überlegungen wie sie derzeit bei Europol angestellt werden, ob man Polizeibeamte mit Exekutivbefugnissen auch im Ausland ausstatten sollte (Stichwort EuroCOP), sind bei Interpol kein Thema.

Ein weiteres Missverständnis ist die Annahme, das Ersuchen eines Interpol-Mitgliedstaates um Personenfahndung zur Festnahme sei einem internationalen Haftbefehl gleichzusetzen. Der Umgang mit Notices und Diffusions bleibt jedoch jedem Land überlassen – also die gesuchte Person im Inland zur Festnahme auszuschreiben oder die Interpol-Ausschreibung lediglich als Erkenntnismitteilung anzusehen. Letzteres ist oft der Fall, wenn mit dem ersuchenden Land kein bilaterales Auslieferungsabkommen besteht.

Es ist schwierig, über die Bedeutung und Wirkung der Interpol eine Aussage zu treffen. Das Problem ist die äußerst fragliche Tätigkeit der IKPK und die lange Zeit begrenzte Tätigkeit der IKPO bei politisch motivierten Straftaten. Die Bedeutung und Wirkung der Interpol ist die Pionierarbeit im Bereich der internationalen polizeilichen Kooperation, besonders im technischen und rechtlichen Bereich. Für die Terrorismusbekämpfung konnte die Interpol aufgrund der späten Änderung der Organisationspolitik kaum Beiträge leisten, in diesem Bereich etablierten sich eigene Organisationen.

Die Interpol-Statuten verbieten eigentlich Hilfestellungen bei politisch motivierten Delikten und militärischen bzw. religiösen Angelegenheiten – eine Voraussetzung für die reibungslose Zusammenarbeit von Staaten mit unterschiedlichen politischen Systemen und Religionen. Dieser Grundsatz kam u. a. zur Anwendung, als Italien um Mitfahndung nach den Südtirol-Aktivisten der 1960er-Jahre ersuchte. Dies änderte sich insbesondere seit einer Resolution 1984 (siehe Geschichte).

Kritik

Im Februar 2012 kam Interpol in die Kritik, da es entgegen seinen Statuten angeblich an der Auslieferung des religionskritischen Journalisten Hamsa Kaschgari an Saudi-Arabien beteiligt gewesen sei. Interpol bestreitet, gegen Kaschgari eine Ausschreibung zur Fahndung ausgestellt zu haben.

Im Sommer 2013 geriet Interpol wegen der Annahme von millionenschweren Kooperationsverträgen mit der Industrie in Kritik. Bei den zwischen 2011 und 2013 abgeschlossenen Verträgen mit der FIFA, dem Tabakkonzern Philip Morris und 29 Pharmaunternehmen wie Sanofi, die 26 Prozent des Etats von Interpol in Höhe von 78 Millionen Euro erbringen, wurden vor allem die mangelnde Transparenz sowie die Missachtung von möglichen Interessenkonflikten bei der Verfolgung von Straftätern kritisiert.

Siehe auch

Literatur

  • Mathieu Martiniere, Robert Schmidt: Interpol: L'Enquête. HarperCollins France, Paris 2023, ISBN 1-03-391484-3
  • Malcolm Anderson: Policing the World: Interpol and the Politics of International Police Co-operation. Clarendon, Oxford 1989, ISBN 0-19-827597-8.
  • Christoph Arbeithuber: Die Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation. INTERPOL. Dissertation. Linz 1996.
  • Nadia Gerspacher: The Roles of International Police Cooperation Organizations. In: European Journal of Crime, Criminal Law and Criminal Justice, 13 (2005) S. 413–434.
  • Michael Fooner: INTERPOL: Issues in World Crime and International Criminal Justice. Plenum, New York 1989, ISBN 0-306-43135-1.
  • J. Jäger: Verfolgung durch Verwaltung. Internationales Verbrechen und internationale Polizeikooperation 1880–1933. UVK, Konstanz 2006.
  • R. Kendall (Hrsg.): Interpol: 75 Years of International Police Co-operation. Kensington, London 1998.
  • Rutsel Silvestre J. Martha: The Legal Foundations of INTERPOL. Hart, Oxford/Portland 2010, ISBN 978-1-84946-040-8.
  • Albrecht Randelzhofer: Rechtsschutz gegen Maßnahmen von INTERPOL vor deutschen Gerichten?. In: Ingo von Münch (Hrsg.): Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht: Festschrift für Hans-Jürgen Schlochauer. Walter de Gruyter, Berlin 1981, ISBN 3-11-008118-0, S. 531–555.
Wiktionary: Interpol – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Interpol – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

45° 46′ 58,1″ N, 4° 50′ 54,2″ O

Tags:

Interpol OrganisationInterpol Notices und DiffusionsInterpol GeschichteInterpol Bedeutung und WirkungInterpol KritikInterpol Siehe auchInterpol LiteraturInterpol WeblinksInterpol EinzelnachweiseInterpolListe der Mitgliedstaaten von InterpolLyonWien

🔥 Trending searches on Wiki Deutsch:

Rachel WeiszDésirée NosbuschBrand von Notre-Dame in Paris 2019Angela MerkelRussell JamesBMW F30OralverkehrJulian NagelsmannNFL Draft 2024Carla ReemtsmaSeppukuEntführungen von Cleveland, OhioOppenheimer (2023)The Zone of Interest (Film)Sylvia LimmerOsmanisches ReichMarie-Agnes Strack-ZimmermannAnne HathawayChristoph WaltzSvenja JungTanja WedhornKarl-Theodor zu GuttenbergErnst II. (Sachsen-Coburg und Gotha)Crooks (Fernsehserie)DonauNekrolog 2024Terence HillJosefine PreußBMW G20ZiegenmelkerFrederick LauEisheiligeAnnalena BaerbockFallout 4Ricarda LangArmin LaschetFiguren der Dune-ZyklenSachsen-AnhaltChristina ApplegatePatrick Herrmann (Fußballspieler, 1991)DreikörperproblemFreiburg im BreisgauO. J. SimpsonVeteranentagJohannes Vogel (Politiker)Willy BrandtFunk (Medienangebot)Odine JohneLiane ForestieriLauchhammerJürgen BartschFrida KahloPeaky Blinders – Gangs of BirminghamMenschMichael Wendler (Sänger)Robin WilliamsRudolf MittereggerLufthansaRCH 155Zwölfte IsonzoschlachtMilena StraubeNelson MandelaNuklearkatastrophe von TschernobylAnke EngelkeMatterhornKurt CobainMartin RassauJohann Wolfgang von GoetheShirley MacLaineKanarische InselnEthanolPatrick KalupaVenedigUngarnLi ZichengVolker HeißmannEva Mattes🡆 More