Mathematik Differential: Linearer Anteil des Zuwachses einer Variablen oder einer Funktion

Ein Differential (oder Differenzial) bezeichnet in der Analysis den linearen Anteil des Zuwachses einer Variablen oder einer Funktion und beschreibt einen unendlich kleinen Abschnitt auf der Achse eines Koordinatensystems.

Historisch war der Begriff im 17. und 18. Jahrhundert der Kern der Entwicklung der Infinitesimalrechnung. Ab dem 19. Jahrhundert wurde die Analysis durch Augustin Louis Cauchy und Karl Weierstraß auf der Grundlage des Grenzwertbegriffes mathematisch korrekt neu aufgebaut, und der Begriff des Differentials verlor für die elementare Differential- und Integralrechnung an Bedeutung.

Besteht eine funktionale Abhängigkeit mit einer differenzierbaren Funktion , dann lautet der grundlegende Zusammenhang zwischen dem Differential der abhängigen Variablen und dem Differential der unabhängigen Variablen

    ,

wobei die Ableitung von an der Stelle bezeichnet. Anstelle von schreibt man auch oder . Diese Beziehung lässt sich mit Hilfe partieller Ableitungen auf Funktionen mehrerer Variabler verallgemeinern und führt dann auf den Begriff des totalen Differentials.

Differentiale werden heute in verschiedenen Anwendungen in unterschiedlicher Bedeutung und auch mit unterschiedlicher mathematischer Strenge verwendet. Die in Standardschreibweisen wie für Integrale oder für Ableitungen auftretenden Differentiale werden heutzutage üblicherweise als bloßer Notationsbestandteil ohne eigenständige Bedeutung angesehen.

Eine rigorose Definition liefert die in der Differentialgeometrie verwendete Theorie der Differentialformen, wo Differentiale als exakte 1-Formen interpretiert werden. Einen anders gearteten Zugang vermittelt die Nichtstandardanalysis, die den historischen Begriff der Infinitesimalzahl wieder aufgreift und im Sinne der modernen Mathematik präzisiert.

Einordnung

In seinen 1924 erstmals erschienenen „Vorlesungen über Differential- und Integralrechnung“ schreibt Richard Courant, dass die Idee des Differentials als unendlich kleine Größe keine Bedeutung habe und es deshalb nutzlos sei, die Ableitung als Quotient zweier solcher Quantitäten zu definieren, dass man aber trotzdem versuchen könne, den Ausdruck Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  als tatsächlichen Quotienten zweier Quantitäten Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  und Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  zu definieren. Dafür definiere man zunächst Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  wie üblich als Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  und betrachte dann für ein festes Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  den Zuwachs Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  als eine unabhängige Variable. (Diese bezeichne man als Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .) Dann definiere man Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , womit man tautologisch Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  bekomme.

In modernerer Terminologie kann man das Differential in Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  als lineare Abbildung vom Tangentialraum Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  in die reellen Zahlen auffassen. Dem „Tangentialvektor“ Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  wird die reelle Zahl Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  zugeordnet und diese lineare Abbildung ist per Definition das Differential Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition . Also Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  und insbesondere Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , woraus sich tautologisch die Beziehung Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  ergibt.

Das Differential als linearisierter Zuwachs

Ist Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  eine reelle Funktion einer reellen Variablen, so bewirkt eine Änderung des Arguments um Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  von Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  auf Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  eine Änderung des Funktionswertes von Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  auf Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition ; für den Zuwachs des Funktionswerts gilt also

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .

Ist beispielsweise Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  eine (affin) lineare Funktion, also Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , so folgt Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition . Das heißt, der Zuwachs des Funktionswerts ist in diesem einfachen Fall direkt proportional zum Zuwachs des Arguments und das Verhältnis Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  entspricht gerade der konstanten Steigung Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  von Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .

Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 
Das Differential Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  als linearer Anteil des Zuwachses Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

Bei Funktionen, deren Steigung nicht konstant ist, ist die Situation komplizierter. Ist Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  an der Stelle Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  differenzierbar, dann ist die Steigung dort gegeben durch die Ableitung Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , wobei diese als Grenzwert des Differenzenquotienten definiert ist:

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .

Betrachtet man nun für Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  die Differenz zwischen dem Differenzenquotienten und der Ableitung

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition ,

so folgt für den Zuwachs des Funktionswertes

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .

In dieser Darstellung wird Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  zerlegt in einen Anteil Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , der linear von Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  abhängt, und einen Rest, der von höherer als linearer Ordnung verschwindet, in dem Sinne, dass Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  gilt. Der lineare Anteil des Zuwachses, der deshalb für kleine Werte von Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  im Allgemeinen einen guten Näherungswert für Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  darstellt, wird Differential von Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  genannt und mit Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  bezeichnet.

Definition

Es sei Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  eine Funktion mit Definitionsbereich Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition . Ist Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  an der Stelle Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  differenzierbar und Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , dann heißt

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

das Differential von Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  an der Stelle Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  zum Argumentzuwachs Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition . Statt Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  schreibt man häufig auch Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition . Gilt Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , so schreibt man auch Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  anstelle von Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .

Für ein fest gewähltes Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  ist das Differential Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  also eine lineare Funktion, die jedem Argument Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  den Wert Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  zuordnet.

Beispielsweise für die identische Funktion Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  gilt also wegen Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  die Gleichung Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  und somit in diesem Beispiel Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .

Differentiale höherer Ordnung

Ist Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  an der Stelle Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition -mal differenzierbar (Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition ) und Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , so heißt

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

das Differential Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition -ter Ordnung von Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  an der Stelle Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  zum Argumentzuwachs Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition . In diesem Produkt bezeichnet Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  die Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition -te Ableitung von Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  an der Stelle Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  und Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  die Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition -te Potenz der Zahl Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .

Die Bedeutung dieser Definition wird bei Courant wie folgt erklärt. Wenn man sich Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  fest gewählt denkt, und zwar denselben Wert Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  für verschiedene Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , also Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  festgehalten, dann ist Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  eine Funktion von Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , von der man wieder das Differential Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  bilden kann (s. Abb.). Das Ergebnis ist das zweite Differential Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , man erhält es, indem man in Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  (dem Zuwachs von Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition ) den Term in Klammern durch seinen Linearteil Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  ersetzt, womit also Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  ist. Auf analoge Weise kann man die Definition von Differentialen höherer Ordnung motivieren. Es gilt dann entsprechend z. B. Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  und allgemein Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .

Für ein fest gewähltes Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  ist das Differential Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  also wieder eine (für Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  nicht-lineare) Funktion, die jedem Argument Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  den Wert Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  zuordnet.

Rechenregeln

Unabhängig von der verwendeten Definition gelten für Differentiale die folgenden Rechenregeln. Im Folgenden bezeichnen Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  die unabhängige Variable, Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  abhängige Variablen beziehungsweise Funktionen und Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  eine beliebige reelle Konstante. Die Ableitung von Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  nach Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  wird Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  geschrieben. Dann ergeben sich die nachfolgenden Rechenregeln aus der Beziehung

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

und den Ableitungsregeln. Die folgenden Rechenregeln für Differentiale von Funktionen Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  sind so zu verstehen, dass jeweils die nach Einsetzen der Argumente Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  erhaltenen Funktionen übereinstimmen sollen. Die Regel Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  zum Beispiel besagt, dass man in jedem Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  die Identität Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  hat und dies bedeutet nach Definition, dass für alle reellen Zahlen Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  die Gleichung Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  gelten soll.

Konstante und konstanter Faktor

  • Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  und
  • Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

Addition und Subtraktion

  • Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  ; und
  • Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

Multiplikation

auch Produktregel genannt:

  • Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

Division

  • Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

Kettenregel

  • Ist Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  abhängig von Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  und Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  von Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , also Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  und Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , dann gilt
      Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .

Beispiele

  • Für Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  und Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  gilt Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  bzw. Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition . Es folgt
      Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .
  • Für Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  und Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  gilt Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  und Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , also
      Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .

Erweiterung und Varianten

Anstatt Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  finden sich folgende Symbole, die Differentiale bezeichnen:

  • Mit Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  (eingeführt von Condorcet, Legendre und dann Jacobi sieht man es in alter französischer Schreibschrift, oder als eine Variante des kursiven kyrillischen d) wird ein partielles Differential bezeichnet.
  • Mit Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  (dem griechischen kleinen Delta) wird eine virtuelle Verschiebung, die Variation eines Ortsvektors bezeichnet. Sie hängt also mit dem partiellen Differential nach den einzelnen Raumdimensionen des Ortsvektors zusammen.
  • Mit Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  wird ein inexaktes Differential bezeichnet.

Totales Differential

Das totale Differential oder vollständige Differential einer differenzierbaren Funktion Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  in Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  Variablen ist definiert durch

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .

Dies ist wieder interpretierbar als der lineare Anteil des Zuwachses. Eine Änderung des Arguments um Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  bewirkt eine Änderung des Funktionswertes um Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , welche zerlegbar ist als

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition ,

wobei der erste Summand das Skalarprodukt der beiden Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition -elementigen Vektoren Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  und Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  darstellt und der Rest von höherer Ordnung verschwindet, also Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .

Virtuelle Verschiebung

Eine virtuelle Verschiebung Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  ist eine fiktive infinitesimale Verschiebung des Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition -ten Teilchens, die mit Zwangsbedingungen verträglich ist. Die Abhängigkeit von der Zeit wird nicht betrachtet. Aus dem totalen Differential Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition   einer Funktion Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  entsteht die gesuchte virtuelle Änderung Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition . Der Begriff „instantan“ ist dadurch mathematisiert.

Die Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  holonomen Zwangsbedingungen, Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition   ,  werden durch Verwendung von Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  sogenannter generalisierter Koordinaten Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  erfüllt:

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

Die holonomen Zwangsbedingungen werden also durch Auswahl und entsprechende Reduzierung der generalisierten Koordinaten explizit eliminiert.

Stochastische Analysis

In der stochastischen Analysis wird die Differentialschreibweise häufig angewendet, etwa zur Notation stochastischer Differentialgleichungen; sie ist dann stets als Kurzschreibweise für eine entsprechende Gleichung von Itō-Integralen aufzufassen. Ist beispielsweise Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  ein stochastischer Prozess, der bezüglich eines Wiener-Prozesses Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  Itō-integrierbar ist, dann wird die durch

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

gegebene Gleichung für einen Prozess Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  in Differentialform als Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  notiert. Die oben genannten Rechenregeln für Differentiale sind jedoch im Fall stochastischer Prozesse mit nichtverschwindender quadratischer Variation gemäß der Itō-Formel zu modifizieren.

Heutiger Zugang: Differentiale als 1-Formen

Die oben gegebene Definition des Differentials Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  entspricht in heutiger Terminologie dem Begriff der exakten 1-Form Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .

Es sei Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  eine offene Teilmenge des Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition . Eine 1-Form oder Pfaffsche Form Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  auf Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  ordnet jedem Punkt Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  eine Linearform Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  zu. Derartige Linearformen heißen Kotangentialvektoren; sie sind Elemente des Dualraumes Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  des Tangentialraumes Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition . Eine pfaffsche Form Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  ist also eine Abbildung

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

Das totale Differential oder die äußere Ableitung Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  einer differenzierbaren Funktion Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  ist die pfaffsche Form, die folgendermaßen definiert ist: Ist Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  ein Tangentialvektor, so ist: Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  also gleich der Richtungsableitung von Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  in Richtung Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition . Ist also Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  ein Weg mit Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  und Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , so ist

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

Mit Hilfe des Gradienten und des Standard-Skalarproduktes lässt sich das totale Differential von Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  durch

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

darstellen.

Für Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  erhält man insbesondere das Differential Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  von Funktionen Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .

Differentiale in der Integralrechnung

Anschauliche Erklärung

Um den Flächeninhalt eines Bereiches zu berechnen, der von dem Graphen einer Funktion Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , der Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition -Achse und zwei dazu senkrechten Geraden Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  und Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  eingeschlossen wird, unterteilte man die Fläche in Rechtecke der Breite Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , die „unendlich schmal“ gemacht werden, und der Höhe Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition . Ihr jeweiliger Flächeninhalt ist das „Produkt“

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition ,

der gesamte Flächeninhalt also die Summe

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

wobei hier Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  wieder eine endliche Größe ist, die einer Unterteilung des Intervalls Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  entspricht. Siehe genauer: Mittelwertsatz der Integralrechnung. Es gibt im Intervall Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  einen festen Wert Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , dessen Funktionswert multipliziert mit der Summe der endlichen Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  des Intervalls Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  den Wert des Integrals dieser einen stetigen Funktion wiedergibt:

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

Das Gesamtintervall Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  des Integrals muss nicht gleichmäßig unterteilt sein. Die Differentiale an den unterschiedlichen Unterteilungsstellen können verschieden groß gewählt sein, die Wahl der Unterteilung des Integrationsintervalls hängt oft von der Art des Integrationsproblems ab. Zusammen mit dem Funktionswert innerhalb des „differentiellen“ Intervalls (beziehungsweise des Maximal- und Minimalwerts darinnen entsprechend Ober- und Untersumme) bildet sich eine Flächengröße; man macht den Grenzwertübergang in dem Sinne, dass man die Unterteilung von Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  immer feiner wählt. Das Integral ist eine Definition für eine Fläche mit Begrenzung durch ein Kurvenstück.

Formale Erklärung

Es sei Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  eine integrierbare Funktion mit Stammfunktion Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition . Das Differential

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

ist eine 1-Form, die nach den Regeln der Integration von Differentialformen integriert werden kann. Das Ergebnis der Integration über ein Intervall Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  ist genau das Lebesgue-Integral

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .

Spezielle Differentiale

Im Zusammenhang mit den folgenden Integralen hat das jeweilige Differential eine besondere Bezeichnung und auch Bedeutung:

Die Differentiale hängen dabei vom verwendeten Koordinatensystem ab.

Differentiale als Rechenhilfe

Indem man mit einem Differential wie mit einer Variablen rechnet – was streng genommen nicht zulässig ist – vereinfachen sich manche Rechnungen. Dieses Vorgehen wird insbesondere in der Physik angewendet. Aber auch in der Mathematik liefert diese Methode oft die Vorlage für exakte Beweise – zum Beispiel beim Beweis der Kettenregel.

Beispiel 1 (Integration durch Substitution)

Das Integral

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

soll berechnet werden. Die Substitution Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  ergibt die Ableitung Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  und somit für die Differentiale Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition . Damit erhält man

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  mit Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .

Beispiel 2 (Separation der Variablen)

Die Differentialgleichung

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

mit der Anfangsbedingung Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  soll gelöst werden. Setzt man Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  und Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , so erhält man

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .

Multipliziert man nun beide Seiten mit dem Differential Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  und trennt die Variablen, indem man sie auf jeweils eine Seite der Gleichung bringt, so ergibt sich

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .

Integration und Berücksichtigung der Anfangsbedingung ergeben die Lösung:

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 
    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 
    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 
    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .

Historisches

Gottfried Wilhelm Leibniz verwendet erstmals in einem Manuskript 1675 in der Abhandlung Analysis tetragonistica das Integralzeichen, er schreibt nicht Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  sondern Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition . Am 11. November 1675 verfasste Leibniz einen Aufsatz mit dem Titel „Beispiele zur umgekehrten Tangentenmethode“ und hier kommt neben Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  zum ersten Mal Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  vor, ebenso statt Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  die Schreibweise Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition .

In der modernen Fassung dieses Zugangs zur Integralrechnung nach Bernhard Riemann ist das „Integral“ ein Grenzwert der Flächeninhalte endlich vieler Rechtecke endlicher Breite für immer feinere Unterteilungen des „Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition -Bereichs“.

Deshalb ist das erste Symbol im Integral ein stilisiertes S für „Summe“. „Utile erit scribi Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  pro omnia (Es wird nützlich sein, Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  anstatt omnia zu schreiben) und ∫ l um die Summe einer Gesamtheit ∫ zu bezeichnen … Hier zeigt sich eine neue Gattung des Kalküls; ist dagegen Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  gegeben, so bietet sich ein entgegengesetzter Kalkül mit der Bezeichnung Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , wie nämlich ∫ die Abmessungen vermehrt, so vermindert sie d. ∫ bedeutet aber die Summe, d die Differenz.“ schreibt Leibniz am 29. Oktober 1675 in einer Untersuchung, in der er die Cavalierischen Gesamtheiten verwendet. In der späteren Niederschrift von 11. November 1675 geht er von der Schreibweise Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  zu Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  über, er verzeichnet in einer Fußnote „Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  ist gleich Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition “, in derselben Rechnung kommt auch die Formel Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  vor. Omnia steht dabei für omnia l und wird in dem geometrisch orientierten Flächenberechnungsverfahren von Bonaventura Cavalieri verwendet. Die zugehörige gedruckte Veröffentlichung Leibniz’ ist De geometria recondita aus dem Jahr 1686. Leibniz gab sich mit der Bezeichnungsweise Mühe, „um die Rechnung kalkülmäßig einfach und zwangsläufig zu machen.“

Blaise Pascals Betrachtungen zum Viertelkreisbogen: Quarts de Cercle

Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 
Das charakteristische Dreieck

Als Leibniz als junger Mann 1673 in Paris war, empfing er eine entscheidende Anregung durch eine Betrachtung Pascals in dessen 1659 erschienener Schrift Traité des sinus des quarts de cercle (Abhandlung über den Sinus des Viertelkreises). Er sagt, er habe darin ein Licht gesehen, das der Autor nicht bemerkt habe. Es handelt sich um folgendes (in moderner Terminologie geschrieben, siehe Abbildung):

Um das statische Moment

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

des Viertelkreisbogens bezüglich der x-Achse zu bestimmen, schließt Pascal aus der Ähnlichkeit der Dreiecke mit den Seiten

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

und

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

dass ihr Seitenverhältnis gleich ist

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

und somit

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

so dass

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

gilt. Leibniz bemerkte nun – und dies war das „Licht“, das er sah –, dass dieses Verfahren nicht auf den Kreis beschränkt ist, sondern allgemein für jede (glatte) Kurve gilt, sofern der Kreisradius a durch die Länge der Kurvennormalen (die reziproke Krümmung, der Radius des Krümmungskreises) ersetzt wird. Das infinitesimale Dreieck

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

ist das charakteristische Dreieck (Es findet sich auch bei Isaac Barrow zur Tangentenbestimmung.) Es ist bemerkenswert, dass die spätere Leibniz’sche Symbolik der Differentialrechnung (dx, dy, ds) gerade dem Standpunkt dieser „verbesserten Indivisibilienvorstellung“ entspricht.

Ähnlichkeit

Alle Dreiecke aus einem Abschnitt Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  der Tangente zusammen mit den zur jeweiligen x- und y-Achse parallelen Stücken Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  und Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  bilden mit dem Dreieck aus Krümmungskreisradius a, Subnormaler Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  und Ordinate y ähnliche Dreiecke und behalten deren Verhältnisse entsprechend der Steigung der Tangente an den Krümmungskreis in diesem Punkt auch bei, wenn der Grenzwertübergang gemacht wird. Das Verhältnis von Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  ist ja genau die Steigung von Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition . Deshalb kann man für jeden Krümmungskreis an einem Punkt der Kurve dessen (charakteristische) Proportionen im Koordinatensystem auf die Differentiale dort übertragen, insbesondere wenn sie als infinitesimale Größen aufgefasst werden.

Nova methodus 1684

Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 
Tafel XII
Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 
Erste inhaltliche Seite

Neue Methode der Maxima, Minima sowie der Tangenten, die sich weder an gebrochenen, noch an irrationalen Größen stößt, und eine eigentümliche darauf bezügliche Rechnungsart. (Leibniz (G. G. L.), Acta eruditorum 1684)

Leibniz erläutert hier sehr kurz auf vier Seiten seine Methode. Er wählt ein beliebiges unabhängiges festes Differential (hier dx, s. Abb. r. o.) und gibt die Rechenregeln, wie unten, für die Differentiale an, beschreibt, wie man sie bildet.

Danach gibt er die Kettenregel an:

„So kommt es, daß man zu jeder vorgelegten Gleichung ihre Differentialgleichung aufschreiben kann. Dies geschieht, indem man für jedes Glied (d. h. jeden Bestandteil, der durch bloße Addition oder Subtraktion zur Herstellung der Gleichung beiträgt) einfach das Differential des Gliedes einsetzt, für eine andere Größe jedoch (die nicht selbst ein Glied ist, sondern zur Bildung eines Gliedes beiträgt) ihr Differential anwendet, um das Differential des Gliedes selbst zu bilden, und zwar nicht ohne weiteres, sondern nach dem oben vorgeschriebenen Algorithmus.“

Das ist aus heutiger Sicht ungewohnt, weil er unabhängige und abhängige Differentiale gleich und einzeln, und nicht wie abschließend benötigt, den Differentialquotienten aus abhängiger und unabhängiger Größe betrachtet. Andersherum, wenn er eine Lösung angibt, ist die Bildung des Differentialquotienten möglich. Er behandelt die gesamte Bandbreite der rationalen Funktionen. Es folgen ein formales kompliziertes Beispiel, ein dioptrisches der Lichtbrechung (Minimum), ein leicht lösbares geometrisches, mit verwickelten Abstandsverhältnissen, und eines, das den Logarithmus behandelt.

Weitere Zusammenhänge werden wissenschaftlich historisch bei ihm aus dem Zusammenhang mit früheren und späteren Arbeiten zu dem Thema betrachtet, die teils nur handschriftlich oder in Briefen und nicht veröffentlicht vorliegen. In Nova methodus 1684 steht zum Beispiel nicht, dass für das unabhängige dx gilt dx = const. und ddx=0. In weiteren Beiträgen behandelt er das Thema bis zu „Wurzeln“ und Quadraturen von unendlichen Reihen.

Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 
Grafische Veranschaulichung des Beauneschen Problems

Das Verhältnis von Unendlichklein und bekanntes Differential (= Größe) beschreibt Leibniz:

„Es ist auch klar, daß unsere Methode die transzendenten Linien beherrscht, die sich nicht auf die algebraische Rechnung zurückführen lassen oder von keinem bestimmten Grade sind, und zwar gilt das ganz allgemein, ohne besondere, nicht immer zutreffende Voraussetzungen. Man muß nur ein für allemal festhalten, daß eine Tangente zu finden so viel ist wie eine Gerade zeichnen, die zwei Kurvenpunkte mit unendlich kleiner Entfernung verbindet, oder eine verlängerte Seite des unendlicheckigen Polygons, welches für uns mit der Kurve gleichbedeutend ist. Jene unendlich kleine Entfernung läßt sich aber immer durch irgendein bekanntes Differential, wie dv oder durch eine Beziehung zu demselben ausdrücken, d. h. durch eine gewisse bekannte Tangente.“

Für die transzendente Linie wird die Zykloide als Nachweis herangezogen.

Als Anhang erklärt er 1684 die Lösung eines Problems, das Florimond de Beaune Descartes stellte, und das er nicht löste. Das Problem sieht vor, dass eine Funktion (w, der Linie WW in Tafel XII) gefunden wird, deren Tangente (WC) die x-Achse immer so schneidet, dass der Abschnitt zwischen Schnittpunkt der Tangente mit der x Achse und dessen Abstand zur zugehörigen Abszisse x, dort wählt er dx immer gleich b, konstant, er nennt es hier a, ist. Diese Proportionalität vergleicht er mit der arithmetischen Reihe und der geometrischen und erhält als Abszisse die Logarithmen und als Ordinate die Numeri. „Es werden also die Ordinaten w“ (Wertzunahme) „den dw“ (Steigungszunahme)", ihren Inkrementen oder Differenzen, proportional, …" Er gibt die Logarithmusfunktion als Lösung an: „… wenn die w die Numeri sind, so sind die x die Logarithmen.“: w=a/b dw, oder w dx = a dw. Dies erfüllt

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

oder

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

Cauchys Differentialbegriff

In den 1980er Jahren fand in Deutschland eine Auseinandersetzung statt, inwieweit die Grundlegung der Analysis bei Cauchy logisch einwandfrei ist. Detlef Laugwitz versucht mit Hilfe einer historischen Lesart Cauchys, den Begriff unendlich kleiner Größen für seine Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition -Zahlen fruchtbar zu machen, findet aber daraus resultierend bei Cauchy Unstimmigkeiten. Detlef Spalt korrigiert den (ersten!) historischen Lesansatz der cauchyschen Arbeiten und fordert die Verwendung von Begriffen aus Cauchys Zeit und nicht heutigen Begriffen zum Nachweis seiner Sätze und kommt zu dem Ergebnis, dass Cauchys Grundlegung der Analysis logisch einwandfrei ist, jedoch bleiben weiterhin die Fragen nach der Behandlung unendlich kleiner Größen offen.

Die Differentiale bei Cauchy sind endlich und konstant Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  (Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  endlich). Der Wert der Konstanten ist nicht näher bestimmt.

Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  ist bei Cauchy unendlich klein und veränderlich.

Die Beziehung zu Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  ist Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition , wobei Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  endlich und Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  infinitesimal (unendlich klein) ist.

Ihr geometrisches Verhältnis ist als

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

bestimmt. Dieses Verhältnis unendlich kleiner Größen, oder genauer die Grenze geometrischer Differenzenverhältnisse abhängiger Zahlgrößen, einen Quotienten, kann Cauchy auf endliche Größen übertragen.

Differentiale sind endliche Zahlgrößen, deren geometrische Verhältnisse streng gleich den Grenzen der geometrischen Verhältnisse sind, welche aus den unendlich kleinen Zuwächsen der vorgelegten unabhängigen Veränderlichen oder der Veränderlichen der Funktionen gebildet sind. Cauchy hält es für wichtig Differentiale als endliche Zahlgrößen zu betrachten.

Der Rechner bedient sich der Unendlichkleinen als Vermittelnden, welche ihn zu der Kenntnis der Beziehung führen müssen, die zwischen den endlichen Zahlgrößen bestehen; und nach Cauchys Meinung dürfen die Unendlich kleinen in den Schlussgleichungen, wo ihre Anwesenheit sinnlos, zwecklos und nutzlos bliebe, nie zugelassen werden. Außerdem: Wenn man die Differentiale als beständig sehr kleine Zahlgrößen betrachtete, dann gäbe man dadurch den Vorteil auf, der darin besteht, dass man unter den Differentialen von mehreren Veränderlichen das eine als Einheit nehmen kann. Denn um eine klare Vorstellung einer beliebigen Zahlgröße auszubilden, ist es wichtig, sie auf die Einheit ihrer Gattung zu beziehen. Es ist also wichtig, unter den Differentialen eine Einheit auszuwählen.

Insbesondere fällt für Cauchy die Schwierigkeit weg, höhere Differentiale zu definieren. Denn Cauchy setzt Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  nachdem er die Rechenregeln der Differentiale durch Übergang zu den Grenzen erhalten hat. Und da das Differential einer Funktion der Veränderlichen Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  eine andere Funktion dieser Veränderlichen ist, kann er Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition  mehrmals differenzieren und erhält in dieser Weise die Differentiale verschiedener Ordnungen.

    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 
    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 
    Mathematik Differential: Einordnung, Das Differential als linearisierter Zuwachs, Definition 

Anmerkungen

Siehe auch

Literatur

  • Gottfried Leibniz, Sir Isaac Newton: Über die Analysis des Unendlichen – Abhandlung über die Quadratur der Kurven. Verlag Harri Deutsch, ISBN 3-8171-3162-3 (Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften, Band 162).
  • Oskar Becker: Grundlagen der Mathematik. Suhrkamp Verlag, ISBN 3-518-07714-7.
  • Detlef Spalt: Die Vernunft im Cauchy-Mythos. Verlag Harri Deutsch, ISBN 3-8171-1480-X (Spalt problematisiert die Übernahme moderner Begriffe auf frühere Analysis, stellt fest, dass Cauchys Aufbau der Analysis logisch einwandfrei ist, thematisiert benachbarte Begriffe und lässt Cauchy virtuelle Diskussionen mit wesentlich jüngeren Mathematikern führen über deren begriffliche Genauigkeit, z. B. Abel etc.)
  • K. Popp, E. Stein (Hrsg.): Gottfried Wilhelm Leibniz, Philosoph, Mathematiker, Physiker, Techniker. Schlütersche, Hannover 2000, ISBN 3-87706-609-7.
  • Henk Bos: Differentials, Higher-Order Differentials and the Derivative in the Leibnizian Calculus. In: Archive for History of Exact Sciences, 14, 1974, S. 1–90. Heftig diskutierte Veröffentlichung aus den 1970ern, um Kontinuum und Unendlichkeit.
  • Courant: Vorlesungen über Differential- und Integralrechnung. Springer, 1971
  • Joos, Kaluza: Höhere Mathematik für den Praktiker. in älteren Auflagen so z. B. 1942, Johann Ambriosius Barth.
  • Duden Rechnen und Mathematik. Dudenverlag, 1989.
  • K. Endl, W. Luh: Analysis. Band 1. Akademische Verlagsgesellschaft, 1972, ISBN 3-400-00185-6.
  • K. Endl, W. Luh: Analysis. Band 2. Akademische Verlagsgesellschaft, 1973, ISBN 3-400-00206-2.

Einzelnachweise

Tags:

Mathematik Differential EinordnungMathematik Differential Das Differential als linearisierter ZuwachsMathematik Differential DefinitionMathematik Differential Differentiale höherer OrdnungMathematik Differential RechenregelnMathematik Differential Erweiterung und VariantenMathematik Differential Heutiger Zugang: Differentiale als 1-FormenMathematik Differential Differentiale in der IntegralrechnungMathematik Differential Differentiale als RechenhilfeMathematik Differential HistorischesMathematik Differential AnmerkungenMathematik Differential Siehe auchMathematik Differential LiteraturMathematik Differential EinzelnachweiseMathematik DifferentialAnalysisAugustin Louis CauchyDifferentialrechnungFunktion (Mathematik)Grenzwert (Folge)InfinitesimalrechnungIntegralrechnungKarl WeierstraßKoordinatensystemLinearisierungVariable (Mathematik)

🔥 Trending searches on Wiki Deutsch:

Mercedes-Benz G-KlasseLoredana (Rapperin)Amy WinehouseHarvey KeitelListe deutscher RedewendungenThe BeatlesMario GómezWeissenseeErster WeltkriegNathan FillionInstagramVeteranentagNürnbergISO-3166-1-KodierlisteBorussia DortmundUngarnSOKO StuttgartGal GadotBlutdiamantRheinRafael NadalKleopatra VII.Carla ReemtsmaEuroLeagueSahra WagenknechtSparDonald TrumpBärlauchBrendan FraserRalph CaspersThe Rookie (Fernsehserie)/EpisodenlisteDr. NiceNasca (Peru)Salma HayekPolizistenmord von HeilbronnMarcus Tullius CiceroJulia BremermannSandra BullockBillerbeckVereinigte Arabische EmirateVerwandtschaftsbeziehungWeibliche EjakulationKasia LenhardtMark WahlbergPe WernerGrindwalMoisés AriasPierre BoomEisheiligeJuli (Band)Adriane RickelVera F. BirkenbihlTerry CarterDas Spiel der MachtBillie EilishMandy ManglerHeiliges Römisches ReichNigeriaUwe OchsenknechtRené BenkoListe von Gedenk- und AktionstagenLaurent CantetÖsterreichAlles in bester OrdnungOrder of the British EmpireLidlSozialdemokratische Partei DeutschlandsDeutsches KaiserreichAlexander der GroßeJoseph Zimmermann (Geistlicher, 1849)Giorgia MeloniMarianne BachmeierThe Moody BluesPatrick KalupaAirbus-A320-FamilieRomMultiple SkleroseBud Spencer🡆 More