Die Palästinenser (arabisch فلسطينيون, DMG Filasṭīnīyūn, von altgriechisch Παλαιστίνη Palaistínē, arabisch فلسطين, DMG Falasṭīn oder Filasṭīn ) sind ein arabisches Volk.
Als Palästinenser galten ursprünglich alle Bewohner im gesamten Völkerbundsmandat für Palästina. Heute wird diese Bezeichnung vor allem für die Arabisch sprechenden Bewohner im Westjordanland und dem Gazastreifen sowie für in anderen Ländern lebende Angehörige gebraucht. Für palästinensische Araber in Jordanien und jüdische Bewohner Israels ist diese Bezeichnung inzwischen nicht mehr gebräuchlich, selbst wenn es sich um „Sabre“ (in Palästina geborene Juden) aus der Mandatszeit handelt. Araber mit israelischen Bürgerrechten werden oft als israelische Palästinenser oder als arabische Israelis bezeichnet. Von offizieller Seite wird in Israel der zweite Begriff bevorzugt und Palästinenser vorwiegend für die Bürger der Autonomiegebiete verwendet.
Bis heute definiert UNRWA einen Großteil des palästinensischen Volkes als Flüchtlinge, weil der Status „Palästina-Flüchtling“ („palestine refugee“) in väterlicher Linie vererbt wird, heute etwa 3,7 Millionen der insgesamt über 9,0 Millionen Palästinenser weltweit. Drusen wie auch Teile der Beduinen aus der Region Palästina, die heute überwiegend in Israel leben, zählen sich nicht zu den Palästinensern bzw. werden von israelisch-staatlicher Seite nicht dazu gezählt.
Die meisten arabischen Palästinenser in den Palästinensischen Gebieten sind Muslime schafiitischer Richtung. Nach überdurchschnittlicher Auswanderung und Vertreibungen seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist die Minderheit der Christen von etwa 15 % auf 1,5 % geschrumpft. Innerhalb der Grenzen Israels (einschließlich der seit 1967 von Israel besetzten Teile Jerusalems) betrug der Anteil der Christen an der arabischen Bevölkerung (einschließlich Drusen) 2008 8 %, gegenüber 21 % im Jahr 1950. Die palästinensischen Christen gehören vorwiegend der Orthodoxen Kirche (Patriarchat von Jerusalem) an.
Der Begriff „Palästina“ stammt von der römischen Provinz Palaestina (hebräisch פְלֶשֶׁת Pleschet, deutsch ‚Philistäa/Philisterland‘) ab und wurde von den Briten als Bezeichnung für ihr Mandatsgebiet nach Ende des Ersten Weltkriegs aufgegriffen. Erste nationale Unabhängigkeitsbestrebungen für die damals unter osmanischer Herrschaft stehende Region gab es von jüdischer Seite seit Ende des 19. Jahrhunderts, von arabischer Seite seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Im Faisal-Weizmann-Abkommen von 1919 wurden diese Bestrebungen einvernehmlich formuliert.
Der Begriff „Palästinenser“ in seiner jetzigen Bedeutung existiert erst seit der Charta der PLO von 1964. In UNO-Resolutionen war nur von „Palästinaflüchtlingen“ die Rede, was auch Juden einschloss. Doch die diesbezüglichen Bestimmungen des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) beeinflussten die nachfolgende Neudefinition des Begriffs „Palästinenser“. Die israelische Ministerpräsidentin Golda Meir argumentierte 1969, dass es ein palästinensisches Volk nicht gebe. In offiziellen Dokumenten der Bundesrepublik Deutschland und der UN kamen „Palästinenser“ erstmals 1974 anlässlich der Rede Arafats vor der UN-Generalversammlung vor.
Am 25. März 1923 wurde Transjordanien (78 % des gesamten Mandatsgebiets) halbautonom und dadurch für jüdische Ansiedlungen unzugänglich. Am 22. März 1946 wurde Transjordanien von Großbritannien unabhängig und erhielt 1950 den Namen Haschemitisches Königreich Jordanien. Im Zeichen des eskalierenden Nahostkonflikts kam es zu mehreren unterschiedlichen Teilungsvorschlägen für einen arabischen und einen jüdischen Staat, die 1947 in den UN-Teilungsplan mündeten.
Mit dem Ende des britischen Mandats im Mai 1948 erfolgte die Gründung Israels durch ansässige sowie eingewanderte Juden, während die arabische Seite den Teilungsplan der Vereinten Nationen ablehnte, das gesamte Gebiet beanspruchte und den Palästinakrieg begann. Jordanien annektierte in Folge das Westjordanland und den östlichen Teil Jerusalems mit der Altstadt, der Gazastreifen fiel unter ägyptische Besatzung. Seit dem Sechstagekrieg von 1967 steht das Westjordanland unter israelischer Kontrolle mit begrenzter arabisch-palästinensischer Autonomie. Gemäß dem Scharon-Plan wurde hingegen der Gazastreifen 2005 von Israel geräumt und wird derzeit von der islamistischen Hamas kontrolliert. Heute gibt es keine jüdische Bevölkerung mehr im Gazastreifen.
Der Panarabismus entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Reaktion auf den osmanischen Imperialismus und fand zunächst unter den palästinensischen Arabern im Sinne einer Anbindung Palästinas an die Nachbarstaaten einigen Zuspruch, der im Verlauf des Jahrhunderts jedoch immer mehr abnahm. Nach der Gründung Israels versuchte die syrisch kontrollierte as-Sa'iqa unter Zuheir Mohsen die Palästinensergebiete an den syrischen Staat anzuschließen, was ebenfalls misslang. Heute verstehen sich viele Palästinenser als einer palästinensischen Nation zugehörig. Zeichen dieser Identität ist häufig die Flagge der palästinensischen Autonomiebehörden, die arabische Revolutionsfahne von 1916.
Im Exil, in Jordanien wie in den Golfstaaten spielten Christopher Hitchens zufolge die Palästinenser anfangs eine positive Rolle. Zwar hatten sie mit Ausnahme Jordaniens nie die kompletten Bürgerrechte, sie waren aber gut gebildet, säkular orientiert und interessierten sich wenig für Vorgaben bezüglich Alkoholkonsum, Musik, Kultur und Beschränkungen der Meinungsfreiheit. Hitchen zufolge war es zwischenzeitlich Mode bei einigen arabischen Reportern, die Palästinenser in der Diaspora als Juden des Mittleren Ostens positiv zu beschreiben. Dies endete abrupt mit der Vertreibung der Palästinenser aus Kuwait 1991.
Eine maßgebliche Rolle bei der Schaffung eines breiten palästinensischen Nationalbewusstseins spielte Jassir Arafat (1929–2004). Unter seiner Führung wurden die Palästinenser von den Vereinten Nationen zu einem Völkerrechtssubjekt erklärt. Zudem erreichte Arafats PLO die Gründung der Palästinensischen Autonomiebehörde. Seit 2012 hat der Staat Palästina einen Beobachterstatus innerhalb der UN inne (ab 1974 wurde dieser von der PLO eingenommen).
Arafats Unterstützung für Saddam Husseins Invasion Kuwaits löste die Vertreibung der Palästinenser aus Kuwait 1991 aus. Unmittelbar nach dem Zweiten Golfkrieg wurden die etwa 450.000 in Kuwait lebenden Palästinenser nahezu vollständig vertrieben, weitere Palästinenser in den Golfstaaten wurden ebenso ausgeschlossen und diskriminiert. Vermögensverluste in Milliardenhöhe und der Einbruch der Unterstützung für die PLO in den Golfstaaten waren die Folge. Der damit einhergehende Machtverlust der PLO und ihrer stärksten politischen Fraktion, der Fatah, stärkte die aus der ägyptischen Muslimbruderschaft hervorgegangene islamistische Hamas. Diese Bewegung steht im Konflikt mit Zielen der Fatah, die nach wie vor in der Gründung eines säkularen und von den arabischen Nachbarstaaten unabhängigen Staates Palästina bestehen. Die Hamas-Charta von 1988 verneint das Existenzrecht Israels und fordert, „die Fahne Allahs über jedem Zoll von Palästina aufzuziehen“; Israel wird als „islamisches Heimatland“ (Waqf) beansprucht.
Der Oslo-Friedensprozess, der ab 1993 vom Fatah-Führer Arafat und dem damaligen israelischen Premierminister Jitzchak Rabin begonnen wurde, endete darin, dass Israel die PLO als offizielle Vertretung der Palästinenser akzeptierte und die PLO sich verpflichtete, aus ihrer Palästinensischen Nationalcharta alle Passagen, welche die Vernichtung Israels als Ziel nennen, zu streichen. Arafat durfte mit der Fatah in die Palästinensischen Autonomiegebiete zurückkehren. In Folge erhielten Rabin und Arafat den Friedensnobelpreis.
Die Ermittlung zuverlässiger Bevölkerungszahlen der Palästinenser gestaltet sich schwierig, da sich deren höchste Bevölkerungsdichte zwar mittlerweile in den palästinensischen Autonomiegebieten findet, die Mehrheit der Palästinenser aber als Emigranten anderswo lebt. Folgende Schätzungen stammen von der Palestinian Academic Society for the Study of International Affairs (PASSIA) aus dem Jahre 2001 und beschreiben die Situation nach der Vertreibung der Palästinenser aus Kuwait 1991.
Land/Region | Bevölkerung |
---|---|
Westjordanland und Gaza-Streifen | 3.700.000 |
Israel | 1.213.000 |
Jordanien | 2.598.000 |
Libanon | 388.000 |
Syrien | 395.000 |
Saudi-Arabien | 287.000 |
Golfstaaten | 152.000 |
Ägypten | 58.000 |
Andere arabische Staaten | 113.000 |
Vereinigte Staaten von Amerika | 216.000 |
Andere Länder | 275.000 |
Gesamt | 9.395.000 |
Laut UNRWA sind 3,7 Millionen Palästinenser als Flüchtlinge anerkannt. Das sind Personen, die aus ihren angestammten Gebieten vertrieben wurden oder geflohen sind, sowie deren Nachkommen.
Von den jordanischen Behörden werden allerdings keine offiziellen Statistiken darüber herausgegeben, wie viele Bewohner palästinensischer Abstammung sind. Schätzungen gehen von 50 % bis 80 % aus.
Das palästinensische Statistikamt gab am 20. Oktober 2004 die offizielle weltweite Anzahl an Palästinensern mit 9,6 Millionen bekannt, 2001 waren es laut Statistik 8,8 Millionen.
Laut dem palästinensischen Statistikbüro lebten 2018 weltweit mehr als 13 Millionen Palästinenser. Die Mehrheit von 5,85 Millionen lebt demnach in arabischen Staaten. Im Gazastreifen und im Westjordanland gibt die Behörde eine Zahl von 4,91 Millionen Menschen an, in Israel über 1,5 Millionen Palästinenser.
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