Das Cannstatter Volksfest (umgangssprachlich auch der Cannstatter Wasen oder kurz Wasen genannt) ist ein 17-tägiges Volksfest, das seit 1818 (mit Ausnahme von 1882 bis 1891, während der beiden Weltkriege, sowie 2020–2021) jährlich von Ende September bis Anfang Oktober auf dem Cannstatter Wasen im Neckarpark im Stuttgarter Stadtbezirk Bad Cannstatt veranstaltet wird.
Das jahreszeitliche Pendant zum Volksfest im Herbst ist das Stuttgarter Frühlingsfest. 1994 wurde der Cannstatter Volksfestverein e.V. gegründet, der sich um Erhaltung und Förderung des Volksfestbrauchtums kümmert.
Die Freifläche auf dem Cannstatter Wasen beträgt rund 25 Hektar. Das schwäbische Volksfest beginnt normalerweise eine Woche später als das Münchner Oktoberfest. Das Cannstatter Volksfest beansprucht für sich aufgrund der Vielzahl der Schaustellerbetriebe den Titel „größtes Schaustellerfest Europas“. Laut Veranstalter Andreas Kroll, Geschäftsführer der „in.Stuttgart Veranstaltungsgesellschaft“, haben 2006 4,2 Millionen Menschen das 161. Cannstatter Volksfest besucht, was einer Steigerung gegenüber 2005 um 20 % entspricht. 2007 wurde mit 4,5 Millionen Besuchern eine erneute Steigerung erreicht.
Jahr | Besucherzahl |
---|---|
2005 | 3,5 Mio. |
2006 | 4,2 Mio. |
2007 | 4,5 Mio. |
2013 | 3,7 Mio. |
2014 | 4,0 Mio. |
2015 | 4,0 Mio. |
2016 | 4,0 Mio. |
2017 | 4,1 Mio. |
2018 | 4,0 Mio |
2019 | 3,5 Mio. |
2022 | 3,0 Mio. |
2023 | 4,3 Mio. |
Erstmals gefeiert wurde das Cannstatter Volksfest 1818. Gedacht als „jährlich am 28. September zu Kannstadt abzuhaltendes landwirtschaftliches Fest“. Der indirekte Anlass des ersten Volksfestes liegt in Asien, wo 1815 der indonesische Vulkan Tambora explodierte. Gase und Staub sorgten jahrelang für Klimaveränderungen (Jahr ohne Sommer) und damit für die Missernten und Hungersnöte. So wurde ein landwirtschaftliches Fest und eine landwirtschaftliche Unterrichtsanstalt geschaffen, heute bekannt als Universität Hohenheim.
Bereits im ersten Jahr war das Volksfest ein großer Erfolg. Es wurde von weit mehr als 30.000 Gästen und Mitwirkenden berichtet. Mit der Zeit wurde das Cannstatter Volksfest größer und gewann an Bedeutung. Höhepunkte in der frühen Geschichte des Volksfestes waren die Feiern zum 25. Regierungsjubiläum König Wilhelms I. am 28. September 1841 (Festzug der Württemberger) und das französisch-russische Zweikaisertreffen mit Besuch auf dem Wasen am 28. September 1857. Am 28. September 1876 kamen Kaiser Wilhelm I. und sein Schwiegersohn Großherzog Friedrich I. zum Volksfest, ebenso im Jahre 1881. Im 19. Jahrhundert dauerte das Fest zunächst nur einen einzigen, später drei, dann vier, ab den 1920er Jahren schließlich fünf Tage. Zu Beginn der 1950er Jahre wurde der Wasen dann auf zunächst zehn, dann zwölf und schließlich 1972 auf 16 Festtage ausgedehnt. Seit 2007 dauert das Fest 17 Tage, da der Auftakt von Samstag auf Freitag vorverlegt wurde.
Zunächst gab es noch wenige „Volksfest-Buden“ mit Schaustellern und Bierausschank. Sie wurden zugunsten der königlichen Loge und der Honoratioren-Tribünen an den Rand des eigentlichen Festgeländes verbannt. Bereits 1860 kam es infolge der zunehmenden Schausteller-Zahlen zu der heute typischen Anordnung in drei Hauptstraßen und zahlreichen Nebenstraßen, um den von Jahr zu Jahr immer größer werdenden Besucherzahlen genügend Platz zu lassen.
Das Cannstatter Volksfest wurde bis 2006 am Samstag um den 27. September, dem Geburtstag von König Wilhelm I., zu dessen Ehren eröffnet; der früheste Termin ist der 22. September. Seit 2007 öffnet das Volksfest bereits am Freitag um 15 Uhr; am Freitagabend wird der Fassanstich durch den Stuttgarter Oberbürgermeister live im regionalen Fernsehen übertragen.
Das Historische Volksfest wurde vom 26. September bis 3. Oktober 2018 täglich von 11 bis 22 Uhr zusätzlich zum Jubiläum auf dem Schloßplatz in der Stuttgarter Innenstadt gefeiert. Im Jahr 2022 fand es zum zweiten Mal statt.
Die Volksfeste 2020 und 2021 fanden aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht statt.
Auf dem Cannstatter Volksfest finden sich acht Festzelte sowie eine Vielzahl kleinerer gastronomischer Betriebe mit Biergärten. Mittelpunkt sind die drei Brauereizelte (das Festzelt Klauss & Klauss der Brauerei Dinkelacker, das Festzelt Wilhelmer's SchwabenWelt der Brauerei Schwabenbräu und das Festzelt Grandls der Brauerei Stuttgarter Hofbräu), die seit 1982 ihren traditionellen Platz nebeneinander vor der Fruchtsäule haben. Die Anordnung der drei Zelte wechselte dabei bis 2008 jährlich, das Zelt der federführenden Brauerei (deren Fass beim Anstich durch den Oberbürgermeister zum Zuge kommt) stand dabei immer ganz rechts. Seit 2009 bleibt die Anordnung gleich.
Vor 1982 gab es vier etwas kleinere Brauereizelte, die auf beiden Seiten der Fruchtsäule aufgebaut waren. Das vierte Zelt war das Festzelt der Brauerei Wulle, die 1971 von Dinkelacker übernommen wurde und wenig später als Marke nicht mehr existierte. Baurechtlich genehmigt waren in Stuttgart 26.000 überdachte Plätze, 2009 erhöhte sich diese Zahl durch diverse Um- und Ausbauten auf über 30.000. Als weiteren Großbetrieb gab es bis 2022 auf dem Wasen das Almhüttendorf, das jedoch kein Festzelt war, sondern aus einer Ansammlung von Hütten im alpenländischen Stil eine andere Form des Festbetriebs anbietet (Sitzplatzkapazität ca. 1500). 2023 wurde dies in "Albdorf" umbenannt und der Fokus auf das Angebot regionaler Produkte geändert.
Auf dem Wasen hat es im Verlauf der Jahrzehnte viele Veränderungen gegeben, so besteht ein (unvollständiger) Überblick über nicht mehr existierende Festzelte.
Zu den großen Attraktionen gehören neben den Festzelten die Schaustellerbuden und Fahrgeschäfte. Aus 1054 Bewerbungen hat Volksfest-Chef Karl Kübler 2004 333 Attraktionen (Vorjahr: 302) ausgewählt. Zu den größten Attraktionen des Cannstatter Volksfestes gehörte bis einschließlich 2009 das seinerzeit größte transportable Riesenrad der Welt mit 60 Metern Durchmesser der Firma Steiger aus Bad Oeynhausen. Seit 2010 ist das Riesenrad – nachdem die Stadt Stuttgart erstmals die Lizenz an einen Wettbewerber vergab – nicht mehr auf dem Wasen vertreten (Anmerkung: Die Firma Steiger Riesenrad zog deswegen gegen die Stadt Stuttgart vor Gericht und gewann 2011 den Prozess. Seither ist das Unternehmen nicht mehr in Stuttgart auf dem Wasen präsent).
Allerdings fehlte seit 1998 eine Looping-Achterbahn. Diese war von 1984 bis 1997 die größte Fahrattraktion des Festes. Zum ersten Mal stand 2004 der „Imperator“ auf dem Wasen. Das größte Flugkarussell der Welt bietet 64 Passagieren Loopingfahrten bis in 35 Meter Höhe. Der 66 Meter hohe „Power Tower 2“ feierte Premiere. Seit 2009 kommt die Doppel-Looping-Achterbahn „Teststrecke“ (auch auf dem Frühlingsfest) zum Einsatz. Seit 2010 wird an Stelle des Steiger-60-Meter-Riesenrads das etwas kleinere Expo-Riesenrad (Mega Wheel Millenium Star) auf dem Cannstatter Volksfest aufgebaut.
Die Fruchtsäule ist eine mit Früchten dekorierte 26 Meter hohe und 3,5 Tonnen schwere Holzsäule, die das Wahrzeichen des Cannstatter Wasens ist. Sie wird allerdings heute von zahlreichen Fahrgeschäften überragt.
Schon beim ersten Volksfest 1818 gab es als Wahrzeichen eine Fruchtsäule, die vom damaligen württembergischen Hofbaumeister Nikolaus Friedrich von Thouret entworfen und erbaut worden war. Nach dem Ersten Weltkrieg, mit dem Beginn der ersten deutschen Republik, wurde die Fruchtsäule als „monarchistisches“ Überbleibsel vom Cannstatter Wasen verbannt. Seit dem 100. Jahrestag 1935 steht sie wieder auf ihrem angestammten Platz.
Das Design der Fruchtsäule wurde im Laufe der Jahre immer wieder geändert. Bis vor kurzem wurde sie alljährlich nach Abschluss des Volksfests demontiert und es wurde mitunter eine neue Fruchtsäule mit anderem Design errichtet. Ab 1995 wurde sie versuchsweise einige Zeit lang ganzjährig stehen gelassen und war somit auf dem Stuttgarter Frühlingsfest erstmals zu sehen. Seit ein paar Jahren wird nur noch die Spitze demontiert und der Unterbau stehen gelassen, in dem sich einige Informationsstände befinden und der während des Frühlingsfestes die Cannstatter Stadtkanne trägt.
Alle vier Jahre ist dem Volksfest das Landwirtschaftliche Hauptfest (LWH) angeschlossen – der ursprüngliche Auslöser des herbstlichen Trubels auf dem Wasen. Das Landwirtschaftliche Hauptfest dauert neun Tage (erste Volksfest-Woche) und kostet im Unterschied zum Volksfest Eintritt.
Zelte, Imbissstände sowie Fahrgeschäfte sind sonntags bis freitags von 11 Uhr bis 23 Uhr geöffnet. Samstags und vor Feiertagen dauert der Betrieb bis 24 Uhr, allerdings endet in den Festzelten um 23:30 Uhr die Musik. Viele Kinderkarussells und andere Fahrbetriebe für Kinder stellen häufig schon um 22 Uhr den Betrieb ein. 2007 standen auf dem Volksfest 73 sonstige Geschäfte: Schieß-, Los- und Wurfbuden und Schaugeschäfte, 95 Verkaufsgeschäfte für Essen, ein Krämermarkt mit 60 Marktständen und eine Boxshow. Zum Vergleich: Auf dem Münchner Oktoberfest gab es 2004 41 Fahrgeschäfte, 16 Kinderfahrgeschäfte, 17 Schau- und Belustigungsgeschäfte und 65 gastronomische Kleinbetriebe. Im Jahr 2009 gab es nach mehreren Jahren erstmals wieder eine Achterbahn mit Looping.
Zusammen mit dem Volksfest findet der Krämermarkt auf dem Cannstatter Wasen statt. Angeboten werden dort Hosenträger, Ledergürtel, Pfannen, Textilien, Gewürze und andere Kleinartikel. Jahrelang gehörte das Französische Dorf zum Cannstatter Volksfest, auf dem die Besucher bei landestypischer Musik französische Speisen und Getränke konsumieren konnten. 2004 war es mit 33 Ständen vertreten. 2007 wurde das Französische Dorf von dem Almhüttendorf abgelöst. Das bietet Themengastronomie ähnlich dem Französischen Dorf jedoch mit Ständen im Almhüttenstil.
Traditionell findet ein Festumzug zum Wasen statt – jeweils am ersten Sonntag des Festes. Ein wohl bis heute nicht überbotener Festumzugs-Rekord wurde 1954 aufgestellt, als über 300.000 Zuschauer zwischen Schlossplatz und Wasen die Straßen säumten. Nutztiere wie das Schwäbisch-Hällische Landschwein reihen sich in den Festzug ein. Für die Mitwirkenden gelten strenge Regeln: Historische Fußbekleidung, Kopfbedeckung. Bei Frauen keine langen, offenen Haare. Kein übermäßiges Makeup, lackierte Fingernägel, Sonnenbrillen, sichtbare Piercings und Tattoos. Musikkapellen und Spielmanns- und Fanfarenzüge können sich nur bewerben, wenn sie eine historische Tracht oder Uniform tragen. Bei Trachtenkapellen ist Voraussetzung, dass Männer in Männertracht und Frauen in Frauentracht gekleidet sind.
Zum Cannstatter Volksfest gehört wie zu vielen anderen Volksfesten auch ein Krämermarkt. Er befindet sich am nordwestlichen Ende des Festplatzes. Eine Besonderheit des Krämermarktes des Cannstatter Volksfestes ist ein Bibelverkaufsstand.
Um Familien mit Kindern anzulocken, werden seit mehreren Jahren zu bestimmten Terminen in manchen Zelten bzw. Fahrgeschäften spezielle Kinder- oder Familientarife angeboten. Mehrere Festzelte bieten tagsüber spezielle Ermäßigungen, so Mittagsangebote oder Rentnertarife an (das „Rentnerviertele“). Seit 2002 gibt es Schwulen-Abende, wie auf dem Münchner Oktoberfest. Seit 2002 veranstaltet das Festzelt „Wasenwirt“ eine „Gaydelight-Party“, seit 2005 findet im Festzelt „Göckelesmaier“ die „Gay-Chicken-Night“ statt.
Der Anfang Oktober gelegene Tag der Deutschen Einheit bietet den Betreibern seit 1990 einen zusätzlichen arbeitsfreien Tag während des Volksfestes. Anlässlich des Nationalfeiertags wurde die alte Tradition des Volksfest-Feuerwerks wiederbelebt. Zum Volksfestende findet am letzten Sonntag um 21.45 Uhr das 20-minütige Musikfeuerwerk statt.
2018 fand anlässlich des 200. Jubiläums des Cannstatter Volksfestes parallel dazu auf dem Stuttgarter Schloßplatz erstmals das Historische Volksfest statt. Es bot ein Riesenrad Baujahr 1902, eine Illusionsshow, einen Flohzirkus, ein Festzelt, einige historische Fahrgeschäfte und Orgeln als Attraktionen. Außerdem fanden artistische Vorführungen statt. Eine Besonderheit waren mehrere Informationsstände zur Geschichte des Cannstatter Volksfestes.
Zukünftig soll es parallel zum Landwirtschaftlichen Hauptfest in einem festen Turnus stattfinden. Im Jahr 2022 wurde es demgemäß zum zweiten Mal veranstaltet.
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