Werner Conze (* 31.
Dezember">31. Dezember 1910 in Neuhaus an der Elbe, Kreis Bleckede; † 28. April 1986 in Heidelberg) war ein deutscher Historiker. Er war von 1957 bis 1979 Professor für Neuere Geschichte, ab 1958 Direktor des Instituts für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg sowie 1969/70 Rektor der Universität.
Werner Conze entstammte einer protestantischen Gelehrten- und Juristenfamilie. Sein Großvater war Alexander Conze, der Ausgräber des antiken Pergamon. Sein Vater Hans Conze war Reichsgerichtsrat.
Conze begann 1929 an der Universität Leipzig das Studium der Kunstgeschichte, Geschichte, Soziologie und Slawistik. Er wechselte an die Philipps-Universität Marburg, wo er in der Deutsch-akademischen Gildenschaft Theodor Schieder kennenlernte. Mit ihm blieb er in jahrzehntelanger Freundschaft verbunden. Als er 1931 nach Königsberg wechselte, schloss er sich der dortigen Gilde Skuld an. 1934 wurde er mit einer von Hans Rothfels betreuten Dissertation an der Albertus-Universität Königsberg zum Dr. phil. promoviert. Gleich nach der Promotion wurde Conze im Oktober 1934 zur Reichswehr eingezogen. Seinen einjährigen Dienst leistete er im Artillerieregiment Nr. 21 (Königsberg–Preußisch Eylau). Nach der Entlassung begann Conze seine akademische Laufbahn als Assistent an der Albertus-Universität. Seit April 1936 wurde er zeitweilig an der Publikationsstelle Berlin-Dahlem angestellt.
Im Sommer 1939 wurde Conze zur Wehrmacht eingezogen. Er wurde zunächst an der Artillerieschule Jüterbog ausgebildet und diente bis März 1940 als Instruktor in Elbing. Den Lazarettaufenthalt nach einer Verwundung 1940 nutzte er zur Fertigstellung seiner Habilitationsschrift, die er bei Gunther Ipsen in Wien schrieb. Der Berufung an die Reichsuniversität Posen 1943 konnte er wegen andauernder Verwendung als Frontoffizier nur für wenige Wochen folgen. Seit 1941 wurde Conze bei der 291. Infanterie-Division an der Ostfront (im Baltikum, bei Leningrad und Welikije Luki, zuletzt auch in der Ukraine und in Polen) eingesetzt. Im August 1944 wurde Conze als Hauptmann in Abwehrkämpfen an der Weichsel schwer verwundet. Aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft wurde er im Juli 1945 „körperlich zerrüttet“ entlassen. In Niedersachsen traf er seine aus Königsberg (Preußen) geflohene Familie.
An der Universität Göttingen übernahm Conze 1946 einen unbesoldeten Lehrauftrag. Er war Teil der sogenannten „Professorengruppe“ der Organisation Gehlen, die dieser gegen Bezahlung Studien lieferte. Seit dem Sommersemester 1951 lehrte er an der Westfälischen Wilhelms-Universität, wo er 1955 zum außerordentlichen Professor ernannt wurde. 1957 folgte er einem Ruf auf den Lehrstuhl für Neuere Geschichte der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, wo er im Jahr darauf neben Erich Maschke einer der beiden Direktoren des Instituts für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte wurde. Einer seiner Assistenten war Hans Mommsen. Im akademischen Jahr 1969/70 war Conze Rektor der Universität Heidelberg. In dieser Funktion sperrte er für Publikationen des AStA vorgesehene Gelder aus seinem Haushalt, da der AStA nach seiner Ansicht Gelder zweckentfremdet und Publikationen außerhalb seiner gesetzlichen Aufgaben angefertigt habe. Zudem untersagte er im Dezember 1969 eine Veranstaltung mit einem Sprecher der Black Panther Party in der Universität. Conze wurde 1979 emeritiert.
Conze war ordentliches Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Er wurde am 20. Oktober 1954 zum ordentlichen Mitglied der Historischen Kommission für Westfalen gewählt und sechs Jahre später in ein korrespondierendes Mitglied umgewandelt. Seit 1951 war er Mitglied der Baltischen Historischen Kommission. 1972–1976 war er Vorsitzender des Verbandes deutscher Historiker.
Als junger Historiker arbeitete Werner Conze seit 1934 auf den Feldern der Ostforschung und der völkisch-deutschnational geprägten Volks- und Kulturbodenforschung.
In der Nachkriegszeit verfolgte Conze das Ziel, in der Geschichtsschreibung den methodischen Schwerpunkt von der Politik- auf die Sozialgeschichte zu verlagern. Er vertrat die Auffassung, dass sich die historischen Prozesse seit der Industrialisierung nicht mehr allein als Ergebnis politischer Entscheidungen verstehen lassen, sondern nur aus einer umfassenden Betrachtung aller gesellschaftlichen Faktoren und ihrer Wechselwirkungen. Hierzu zählen neben dem politischen auch das wirtschaftliche System, die Bevölkerungsentwicklung, die Einkommensverteilung und vieles andere mehr. Conze fand für diesen Ansatz unter den jüngeren Historikern der 1950er und 1960er Jahre ein großes Echo und bildete die wohl einflussreichste historische Schule der Nachkriegszeit, zentriert um den Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte. Er dachte und handelte stets interdisziplinär und wirkte durch zahlreiche internationale Initiativen – insbesondere in Richtung Frankreich, Japan und Sowjetunion – der Provinzialität der deutschen Geschichtswissenschaft entgegen.
Conzes größte wissenschaftliche Leistung sind die Geschichtlichen Grundbegriffe, das von ihm gemeinsam mit Reinhart Koselleck und Otto Brunner herausgegebene achtbändige Lexikon der politisch-sozialen Sprache in Deutschland, das zwischen 1972 und 1997 erschien. In seinen letzten Lebensjahren wandte er sich erneut, an die Anfänge in Königsberg anknüpfend, der Geschichte von Ostmitteleuropa zu. Er begründete die mehrbändige Reihe Geschichte der Deutschen im Osten Europas.
Zehn Jahre nach seinem Tode wurde Conze – zusammen mit seinem Kollegen und Weggefährten Theodor Schieder, sowie mit Albert Brackmann, Otto Brunner, Hermann Aubin u. a. – Gegenstand einer öffentlichen Debatte, die auf dem deutschen Historikertag in Frankfurt am Main 1998 ihren Höhepunkt fand. Conze war 1933 der SA beigetreten, er beantragte am 25. Juni 1937 die Aufnahme in die NSDAP und wurde rückwirkend zum 1. Mai desselben Jahres aufgenommen (Mitgliedsnummer 5.089.796). Ihm und seinen Kollegen wurde die geistige Vorbereitung der NS-Bevölkerungspolitik in Osteuropa vorgehalten. Einzelne frühe Texte von Conze enthalten antisemitische Passagen.
Neuere Untersuchungen, die sich intensiver und unvoreingenommener mit seinen frühen Publikationen – insbesondere der 1930er Jahre – beschäftigten, bestätigen, dass Conze bereits vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs durchaus systemnah bzw. systemstützend argumentiert hatte, beispielsweise ein „erbgesundes Bauerntum als Blutquell des deutschen Volkes“ empfahl, und 1940 die „Entjudung der Städte und Marktflecken“ im besetzten Polen verlangt hatte. Während seines sechsjährigen Kriegsdienstes publizierte Conze kaum. In seiner während einer Verwundungspause fertiggestellten Habilitationsschrift findet sich keine antisemitische Rhetorik.
Personendaten | |
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NAME | Conze, Werner |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Historiker und Rektor der Universität Heidelberg |
GEBURTSDATUM | 31. Dezember 1910 |
GEBURTSORT | Neuhaus |
STERBEDATUM | 28. April 1986 |
STERBEORT | Heidelberg |
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