Als Scheinanglizismus (auch Pseudoanglizismus) werden in der Linguistik Wörter in der deutschen oder einer anderen Sprache bezeichnet, die lexikalische Elemente des Englischen benutzen und einen Neologismus schaffen, der im Englischen unbekannt ist oder nur in einer anderen Bedeutung verwendet wird.
Scheinanglizismen sind dem Gebiet der Scheinentlehnungen zuzuordnen. Diese Wörter sind als Pseudoentlehnungen im englischen Sprachraum unbekannt oder haben dort eine andere Bedeutung, sodass es mit Muttersprachlern zu Verständigungsproblemen kommen kann. Sie sind somit eine besondere Form der sogenannten falschen Freunde. Ein Scheinanglizismus ist kein Anglizismus, obwohl das Kompositum dies suggeriert, weil er nicht oder nicht in dieser Form Bestandteil der englischen Sprache ist.
Scheinanglizismen kommen in vielen Sprachen vor, so zum Beispiel im Deutschen, im Niederländischen, im mexikanischen Spanisch, im Französischen und im Japanischen. Im Japanischen wurde mit Wasei Eigo ein eigener Begriff hierfür geprägt.
„Die Herkunft solcher Ausdrücke bleibt zu untersuchen. Möglicherweise wurden sie geprägt von Sprechern des Deutschen, die für das Gemeinte einen englischen Ausdruck gebrauchen wollten und – auf Basis des Deutschen oder durch Imagination – einen solchen selbst geprägt haben. Dabei kann es sein, dass sie die tatsächlich existenten englischen Wörter […] nicht kannten oder dass die eigene Prägung den Zweck besser zu erfüllen schien.“
Scheinanglizismen verdeutlichen die Tatsache, dass es sich bei Anglizismen nicht um englische Wörter in einer Zielsprache handelt, sondern um in die Zielsprache kopierte Neologismen mit einer eigenständigen, mitunter von der Herkunftssprache abweichenden Semantik und Bedeutungsgeschichte.
Weitere Beispiele:
Scheinanglizismus | Beschreibung | Bedeutung im Englischen | Bezeichnung im Englischen |
---|---|---|---|
Barkeeper | Bedienung hinter der Theke einer Bar oder Gastwirtschaft | Betreiber, Inhaber oder Gastwirt | englisch bartender |
Basecap | Kopfbedeckung | unbekannt | englisch baseball cap |
Bodybag | Tasche | Leichensack | englisch bag |
Cornern | Kommunikation und Trinken an Straßenecken | Börsenjargon: durch Großkäufe Marktenge herbeiführen, um Kurssteigerungen zu verursachen. | unbekannt |
Dressman | männliches Model | kann als Transvestit interpretiert werden | englisch male model |
Drive-In | In einem Drive-in werden Dienstleistungen angeboten, ohne dass der Kunde hierfür sein Auto verlassen muss. | Autokino; Schnellrestaurant wo im geparkten Auto bedient wird | Drive-through, verkürzt Drive-thru: Geschäft wo im stehenden, aber laufenden Auto über ein Fenster oder Rohrpost bedient wird |
Evergreen | älteres Musikstück, das immer noch Airplay erhält | immergrüne Pflanzen | Wort alleinstehend unbekannt |
Finisher | Fotolabor | „finisher“ alleinstehend: Person oder Maschine, die einen Herstellungsprozess abschließt | englisch photofinisher, photo finisher, photo lab |
Flipper | Spielautomat ohne Gewinnchancen | (Schwimm-)Flosse | englisch pinball machine |
Homestory | Berichterstattung über das Privatleben von Prominenten | unbekannt | englisch exclusive story |
Hotline | telefonischer Kundendienst | Telefonleitung mit Direktruf | englisch helpline, service telephone, customer service number |
Jobticket | Fahrkarten eines Sondertarifes, die Unternehmen oder Behörden bei einem Verkehrsunternehmen erwerben und die sie entgeltlich oder unentgeltlich an ihre Mitarbeiter für deren Fahrten mit dem ÖPNV weitergeben | Job und Ticket sind nicht in dieser Kombination bekannt | etwa englisch subsidized ticket in cooperation with the Integrated Public Transport System |
Mailbox beim Telefon/Handy | Postfach in der Telekommunikation | bedeutet im Englischen Hausbriefkasten | englisch answering machine, voice mail |
Longseller | Bücher, die lange Zeit in den Bestseller-Listen stehen | unbekannt | etwa englisch long-term seller |
Mobbing | wiederholte Schikanen physischer oder psychischer Art | unbekannt | englisch bullying, harassment |
Nicknapping | Form des Identitätsdiebstahls | unbekannt | unbekannt |
Partnerlook | die gleiche Kleidung eines Paares | unbekannt | englisch matching dress |
Peeling | kosmetische oder dermatologische Behandlung, bei der oberflächliche Schichten der Haut flächig entfernt werden | Rinde; Schalen | englisch scrub oder förmlicher englisch exfoliation |
Pony | eine Frisur (der Pony) oder ein kleines Pferd (das Pony) | ein kleines Pferd oder eine Frisur (der Pferdeschwanz, englisch ponytail) | englisch bangs, fringe |
Public Viewing | öffentliche Liveübertragung von Sportereignissen oder anderen Veranstaltungen auf Videowänden | die öffentliche Aufbahrung mit offenem Sarg | englisch public sports broadcast |
Service Point | Informations-Schalter | unbekannt | englisch information desk |
Shooting | Fotoaufnahmen von Models | Schießerei mit Waffen | Shoot |
Showmaster | Conférencier einer Fernsehshow | unbekannt | englisch host, emcee |
Slip | Unterhose, Badehose | Unterrock | Slips heißen – alles als Pluraletantum – englisch briefs, knickers oder amerikanisches Englisch panties. |
Smoking | Abendgarderobe für Männer | Rauchen | englisch black tie, dinner jacket, tuxedo |
Spleen | leichte Verrücktheit oder fixe Idee | ist im Englischen die Milz | englisch wacky |
Talkmaster | Moderator einer Talkshow | unbekannt | englisch talk show host |
Trampen | per Anhalter Autofahren | trampeln, marschieren; der englisch tramp ist ein Landstreicher/Penner | englisch hitchhiking |
Weder „round about“ noch „roundabout“ sind Scheinanglizismen: Der Anglizismus round about „ungefähr“ wird fälschlicherweise oft zusammengeschrieben („roundabout“). Im Englischen bedeutet das Adverb roundabout jedoch „umständlich“, „weitschweifig“ sowie „nicht direkt, sondern um etwas rundherum laufend/führend“, das Substantiv bedeutet Kreisverkehr oder Kettenkarussell. Hingegen bedeutet round about „ungefähr“, „circa“, „um … herum“ sowie „in der Umgebung, in der Nähe von“, was in der Regel auch der Intention entspricht. Im Englischen wird round about insbesondere auch in Verbindung mit (Geld-)Beträgen und Zeitangaben verwendet sowie allgemein bei Mengenangaben, z. B. „round about 1.35 million sheep“, d. h. die Verwendung des Anglizismus entspricht in den meisten Kontexten auch jenen im Englischen. Die Verwendung von round about im Deutschen ist aus stilistischer Sicht nichtsdestoweniger umstritten, da es zum einen naheliegt, stattdessen Wörter wie „circa“ oder „ungefähr“ zu benutzen, und zum anderen round about im englischen Sprachraum teilweise als umgangssprachlich oder informell gilt. Darüber hinaus führt die Verwechslung mit roundabout häufig zur falschen Annahme, der Sprecher bzw. Autor habe das Wort falsch verwendet.
Im sprachpolitischen und besonders im sprachkritischen Diskurs werden Scheinanglizismen oft als Beleg für eine Bedrohung der deutschen Sprache durch angloamerikanischen Einfluss angeführt (siehe auch Denglisch, Sprachpflege). Die Ästhetik des Ausdrucks und die kulturelle Eigenständigkeit des Deutschen leide unter der Verwendung von Anglizismen und Scheinanglizismen.
Von anderer Seite wird die Bildung von Scheinanglizismen als Zeichen der Lebendigkeit der Sprache und ihrer Fähigkeit gesehen, die expressiven Möglichkeiten durch kreative Nutzung fremder Einflüsse zu erweitern. Zudem seien viele Anglizismen und Scheinanglizismen Modewörter und verschwänden mit dem Abebben der Mode wieder aus dem Sprachgebrauch.
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