Die Rote Zora war eine linksextremistische und radikal-feministische Terrororganisation in der Bundesrepublik Deutschland.
Anfang der 1970er Jahre war sie Teil der Revolutionären Zellen, von denen sie sich in den 1980er Jahren löste und selbständig wurde. Sie bekannte sich zu mehreren Anschlägen mit teilweise erheblichem Sachschaden. Der Name geht auf das Jugendbuch Die rote Zora und ihre Bande von Kurt Held zurück.
Im Verlauf der 1970er Jahre entwickelte sich mit Neuen Frauenbewegung in der BRD das Thema Gewalt gegen Frauen zu einem der zentralen Themen, die das Bedürfnis nach autonomen repressionsfreien Räumen, zu denen Männer keinen Zugang haben sollten, anfachte. Es entstanden erste Frauenprojekte, Frauenzentren, Frauencafes und Frauenbuchläden. 1973 bildete sich die Stadtguerillagruppe Revolutionäre Zellen (RZ), an dessen Gründungsprozess auch Frauen beteiligt waren. In vielen der damaligen gemischt-geschlechtlichen Gruppen der autonomen Szene bestanden sexualisierte Gewaltstrukturen sowie eine klassische Arbeitsaufteilung zwischen den Geschlechtern in den eigenen Zusammenhängen. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen in den Gruppen und führte zur Bildung eigener FrauenLesbengruppen. In einem Interview vom Juni 1984 mit der Emma sagten Frauen der Roten Zora: „Wir wollen keine linke Arbeitsteilung nach dem Motto: die Frauen für die Frauenfragen, die Männer für die allgemein politischen Themen. Die Verantwortung für die Veränderung unseres Alltags lassen wir uns nicht nehmen!“
In der ersten Ausgabe des illegal gedruckten Magazins der Revolutionären Zellen, Revolutionärer Zorn, finden sich Themen, die sich auf die Befreiung der Frauen bezogen. Die Geschichte des Feminismus innerhalb der RZ zeigt, dass die Gruppe allgemein offen war für feministische Themen, die Umsetzung jedoch, das Einbeziehen von feministischen Ansätzen, unterschiedlich umgesetzt wurde. Die Männer der Gruppe waren diesen Themen eher gleichgültig zugeneigt oder sahen das Thema eher in der Theorie als in der Praxis verortet. Sie überließen die Planung und Organisation zu Anschlägen und Aktionen mit feministischem Bezug den Frauen der Gruppe. Nicht alle Frauen der RZ bezeichneten sich als Feministinnen, nur diejenigen, die dies taten, organisierten sich in einer gesonderten Gruppe. Diese Gruppierung existierte bis 1984, als der feministische und militante Flügel die RZ verließ und sich die Frauengruppe Rote Zora bildete.
Im Jahr 1975 verübte eine Frauengruppe der Revolutionären Zellen einen Bombenanschlag auf das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Die Gruppe begründete den Anschlag mit dem Kampf der Frauenbewegung für die Abschaffung des § 218 und gab sich fortan den Namen Rote Zora. Die Rote Zora – benannt nach der Heldin des Kinderbuches von Kurt Held: Die rote Zora und ihre Bande – trat ab diesem Zeitpunkt als eigenständige Organisation auf.
Die Rote Zora betrachtete sich als Teil des „Frauenkampfes“ und legitimierte ihre bewaffneten Aktionen mit feministischer Theorie. In einem Interview, das sie der Zeitschrift Emma zur Verfügung stellten, berichteten sie 1984 erstmals ausführlich über ihre Ziele und Arbeitsweisen und luden alle interessierten Frauen ein, mit ihnen ein auch im Alltag umsetzbares Konzept radikaler feministischer Kritik und Praxis zu entwickeln. Dabei wollten sie sich nicht allein auf spezifische „Frauenthemen“ beschränken. Neben der internationalen Frauensolidarität, Kampf gegen den § 218, Reproduktionsmedizin und Gentechnik, Sextourismus und Frauenhandel, Lebenssituation von Flüchtlingen, legten sie ihren thematischen Schwerpunkt auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Frauen in Ländern und Regionen mit nach ihrer Ansicht besonders entfesselten Formen wirtschaftlicher und patriarchaler Verwertung. Im Januar 1981 erschien der Text Jedes Herz ist eine Zeitbombe, der die Aktion gegen den Rechtsanwalt Wagner in Köln thematisiert. „Frauenkampf ist umfassend, beinhaltet den Kampf gegen jede Form von Unterdrückung, Ausbeutung, Zerstörung und Menschenverachtung. Der Kampf um Leben heißt Revolte – Jedes Herz ist eine Zeitbombe!“
Sie verstanden ihre Politik nicht als „extrem“, sondern als „radikal“. Ziel sei es nicht, sich von der Frauenbewegung durch extreme Formen abzugrenzen, sondern mit Frauen in extremen Widersprüchen (z. B. wirtschaftliche Abhängigkeit der betroffenen Frauen und der damit verbundenen Zwang zur Prostitution etc.) radikale Veränderungen fordernde Antworten zu finden. Unter Radikalität verstanden sie auch eine Kritik an strukturellen Gewaltverhältnissen, die sich somit auch in Gesetzen widerspiegeln würden. Radikale feministische Positionen kämen somit konsequenterweise mit dem Gesetz in Konflikt. Eine grundlegende Voraussetzung für eine radikal feministische Politik sahen sie in der Solidarität unter Frauen, die sich auch „frech“ und „selbstbewusst“ organisieren müsse. Dazu forderten sie Frauen generell auf, sich in „Banden“ zusammenzuschließen. Militarismus wird generell einer Kritik unterzogen. Die von ihnen als legitim erkannten Widerstandsformen beschreiben sie mit dem Begriff Militanz.
1987 kam es zu mehreren Brandanschlägen gegen Filialen der Adler Modemärkte. Dabei wurde mittels eines kleineren Brandsatzes die Sprinkleranlage ausgelöst, wodurch möglichst hoher Sachschaden entstehen sollte. Die Bekleidungskette Adler betrieb das Tochterunternehmen Flair Fashion in Südkorea. Deren weibliche Angestellte waren im gleichen Jahr in den Arbeitskampf getreten; diesen Streik wollte die Rote Zora mit den Anschlägen unterstützen.
Nach den durch die Anschläge ausgelösten polizeilichen Ermittlungen gegen die Gruppe ließen die Anschläge bereits deutlich nach. Ab 1991 kam es auch aus den eigenen Reihen zu immer mehr kritischen Stimmen. Die Rote Zora spaltete sich auf in einen Teil, der den bewaffneten Kampf aufgeben, und in einen Teil, der daran festhalten wollte.
Die Rote Zora versuchte Ende 1993 mit ihrem Heft Mili’s Tanz auf dem Eis einen Neuanfang der Gruppe zu starten. Ein 1995 verübter Anschlag auf die Lürssen-Werft in Bremen-Lemwerder blieb jedoch ohne Resonanz, so dass das Vorhaben scheiterte.
Da die Rote Zora aus den Revolutionären Zellen hervorgegangen ist, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen, seit wann sie selbständig Anschläge verübt hat. Anschläge wurden anhand der dazugehörigen Erklärungen der Roten Zora zugeordnet.
Im Zusammenhang mit der Gewaltdebatte um die RAF Anfang der 1970er Jahre kritisierte die Frauenbewegung grundlegend militante und terroristische Strategien und wandte sich gegen damit sympathisierende Meinungen innerhalb der Neuen Linken. Zum Beispiel erschien im Oktober 1977 in der feministischen Zeitschrift Courage der Aufruf an alle Frauen zur Erfindung des Glücks. Darin distanzierten sich die Autorinnen von den Morden der RAF-Terroristen ebenso wie von der staatlichen Gewaltausübung. Die Militanz der Roten Zora und anderer terroristischer Frauengruppen wurden von allen Flügeln der Frauenbewegung abgelehnt. Nach den Anschlägen der Roten Zora auf Läden der Bekleidungskette Adler, die die Rechte von Frauen in der Dritten Welt missachtet hatte, kritisierten feministische Solidaritätsgruppen mit den Arbeiterinnen die Theorien und Aktionen der Roten Zora heftig. In einem Artikel von 1981 mit dem Titel Ist die Gewalt in der Frauenbewegung angekommen? entwickelte Sybille Plogstedt eine grundsätzliche Kritik der Macht- und Gewaltlogik. In der Auseinandersetzung um Gewalt und Terror in den 1980er Jahren vertiefte die Frauenbewegung im Zusammenhang mit der Frauenfriedensbewegung Ansätze zur friedlichen Konfliktlösung, die später in den internationalen Frauen- und Menschenrechtsdebatten weiterentwickelt wurden.
Katharina Karcher vertritt auf der Website anschlaege.at die Meinung, dass es weiter diskutiert werden sollte, ob die Aktionen der Gruppe feministisch waren.
Im 2019 erschienenen Dokumentarfilm Frauen bildet Banden – eine Spurensuche zur Geschichte der Roten Zora des LasOtras FrauenLesbenFilmCollectif berichteten Zeitzeuginnen über die Geschichte der Roten Zora und deren Einfluss auf die westdeutsche Frauenbewegung. Der Film zeigt, wie Frauen und Lesben aus verschiedenen Ländern das Wirken der Roten Zora in ihre eigene Politik einbrachten und wie sie diese Zeit rückwirkend betrachten und die Historikerin Katharina Karcher berichtet über ihre aktuellen Forschungsergebnisse.
Gegen die Rote Zora wurde wegen der Bildung terroristischer Vereinigungen ermittelt. Ein erster Prozess gegen eine Verdächtige endete mit einem Freispruch.
2007 gestand die 58 Jahre alte Pädagogin und gebürtige Hannoveranerin Adrienne Agathe Gerhäuser vor dem Berliner Kammergericht ihre Beteiligung an zwei fehlgeschlagenen Sprengstoffanschlägen. Die Frau, die auch ausgebildete Funkelektronikerin ist, wurde wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und versuchten Sprengstoffanschlägen angeklagt. Sie gestand, 1986 für ein Attentat auf das Gentechnische Institut in Berlin sowie 1987 auf ein Bekleidungswerk bei Aschaffenburg jeweils einen Wecker für die Zündung gekauft zu haben. Ihr und ihrem ebenfalls unter Terrorverdacht stehenden gleichaltrigen Lebensgefährten Thomas K. wurden bei einem Geständnis eine Haftstrafe von 2 Jahren auf Bewährung in Aussicht gestellt und dann auch gewährt.
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