Michelle Ferdinande Pauline Viardot-García, geb.
García, (* 18. Juli 1821 in Paris; † 18. Mai 1910 ebenda) war eine französische Opernsängerin (Mezzosopran), Komponistin, Pianistin, Gesangspädagogin, Salonière und Herausgeberin.
Pauline Viardot-García wurde 1821 in Paris als jüngste Tochter des spanischen Tenors Manuel del Pópulo Vicente García (1775–1832) und der spanischen Schauspielerin und Opernsängerin Joaquina Sitches (1780–1864; Künstlername: Joaquina Brionès) geboren. Aufgewachsen in einer Musikerfamilie – ihre Schwester war die Sängerin Maria Malibran, ihr Bruder der Bariton und Gesangslehrer Manuel Patricio Rodríguez García – entwickelte sie sich zu einer Sängerin mit einer außergewöhnlichen, von vielen Bewunderern als charismatisch bezeichneten Mezzosopran-Stimme, die mühelos vom Sopran zum Alt wechseln konnte.
Sie erhielt zunächst Klavierunterricht bei Franz Liszt und vermutlich auch Kompositionsunterricht bei Anton Reicha, der auch Lehrer von Franz Liszt, Hector Berlioz und César Franck war. Nach dem frühen Unfalltod ihrer Schwester Maria Malibran mit 28 Jahren 1836 wurde die damals 15-jährige Pauline zur Sängerin ausgebildet, u. a. bei ihrem Bruder Manuel García.
Pauline Viardot-García sprach fünf Sprachen: Spanisch war ihre Muttersprache; Französisch wegen ihres Geburts- und Heimatlandes Frankreich; Italienisch wegen ihrer Karriere als Opernsängerin; Deutsch, weil sie nicht nur Gastspiele in Deutschland gab, sondern auch etliche Jahre in Deutschland lebte; und Russisch wegen ihrer engen Beziehung zur russischen Kulturszene.
1837 gab Pauline García in Brüssel ihr Debüt als Konzertsängerin sowie am 9. Mai 1839 in London als Opernsängerin als Desdemona in Rossinis Otello. Wenige Monate später erhielt sie ihr erstes Engagement am Théâtre-Italien in Paris, dessen Direktor ihr späterer Ehemann Louis Viardot war.
Auf allen großen Opernbühnen Europas feierte sie triumphale Erfolge. Sie trat in ihrer 23 Jahre währenden internationalen Karriere nicht nur in Paris, Madrid, Wien, London, Berlin und Dresden auf, sondern auch in Sankt Petersburg. Am 18. April 1840 heiratete sie den wesentlich älteren Pariser Theaterdirektor, Kunstschriftsteller und Kunstsammler Louis Viardot (1800–1883). Er gab daraufhin seine Tätigkeit als Direktor am Théâtre-Italien auf und wurde ihr Manager. Ihre gemeinsame Tochter Louise Héritte-Viardot (1841–1918) wurde ebenfalls Sängerin und Komponistin. Ihre weiteren auch musikalisch erzogenen Kinder waren Claudie (* 1852), Marianne (* 1854) und Paul (* 1857).
1843 lernte sie in St. Petersburg anlässlich eines Gastspiels den russischen Dichter Iwan Sergejewitsch Turgenew kennen, er wurde ein ständiger Begleiter der Viardots, eine lebenslange Dreiecksbeziehung entstand. Die Viardots, Republikaner, lebten nach dem Sieg von Louis-Napoleon Bonaparte bei den Wahlen 1849 immer häufiger außerhalb Frankreichs. Ihr Lebensmittelpunkt spielte sich daher hauptsächlich in London und Deutschland ab, 1863 verlegte sie ihren Wohnsitz von Frankreich nach Baden-Baden.
Neben ihrer Karriere als Sängerin war sie auf hohem Niveau als Pianistin ausgebildet. Als Duo trat sie einige Male mit ihrer langjährigen Künstlerfreundin Clara Schumann auf. 1859 triumphierte sie erneut in Paris, am Théâtre-Lyrique, in Orphée, einer Version von Glucks Orphée et Eurydice, die von Hector Berlioz speziell für sie überarbeitet wurde.
1863 zog Viardot mit ihrem Mann und ihren vier Kindern nach Baden-Baden und sorgte damit für die Entwicklung der Kurstadt zu einer internationalen Kulturstadt. Bereits 1862, im Alter von 42 Jahren, hatte sich Viardot von der Bühne zurückgezogen – sie trat aber noch vereinzelt bis 1873 auf sowie bis in die 1880er Jahre in privatem Rahmen. 1859 war sie erstmals in Baden-Baden in einem von Hector Berlioz dirigierten Konzert aufgetreten und hatte schon damals mit ihrem Auftritt der Stadt einen besonderen künstlerischen Status verliehen. In Baden-Baden konzentrierte sie sich auf das Komponieren und Unterrichten, veranstaltete Matineen und Soireen. Darüber hinaus gründete sie ein eigenes Opern-Haus, das Théâtre Viardot. In ihrem Baden-Badener Domizil, zu dem neben einer Villa auch ein Gartentheater und eine Kunst- und Vortragshalle gehörten, trafen sich Musiker, Dichter, Maler und andere bedeutsame Persönlichkeiten ihrer Zeit, wie etwa Wilhelm und Augusta von Preußen und Otto von Bismarck. Viardot und Clara Schumann, mit der sie von 1838 an eng befreundet war, führten in diesem Rahmen Werke von Robert Schumann, Frédéric Chopin und Johannes Brahms auf. Bei Viardots berühmten Matineen trug unter anderem der ebenfalls weltberühmte Pianist Anton Rubinstein Klavierstücke vor. Ihr ehemaliger Klavierlehrer Franz Liszt gehörte ebenso wie Richard Wagner oder der Dichter Theodor Storm zu den Gästen des Hauses Viardot in Baden-Baden.
Camille Saint-Saëns widmete ihr seine Oper Samson et Dalila. 1870 übernahm sie in Jena die Solopartie in der Uraufführung der Alt-Rhapsodie von Johannes Brahms.
Bis zum Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871 entwickelte sich vom Haus Viardot aus eine facettenreiche Kunst- und Kulturszene in Baden-Baden, die die Attraktivität der Kurstadt noch erhöhte. Nach Kriegsbeginn zog die Familie nach Paris zurück. Dort unterrichtete Viardot am Pariser Konservatorium und verhalf unter anderem Jules Massenet zum Durchbruch, in dessen Oratorium Marie-Magdeleine sie bei der Uraufführung am 11. April 1873 die Titelpartie (Sopran) sang. Pauline Viardot-García komponierte auch in Paris und führte einen bedeutenden musikalischen Salon.
Als Pauline Viardot-García am 18. Mai 1910 in Paris starb, hinterließ sie neben der Erinnerung an ihre viel gerühmten Gesangsauftritte und ihren Einsatz als äußerst kompetente Gesangslehrerin eine Vielzahl musikalischer Kunstwerke, die erst in jüngster Zeit wiederentdeckt werden.
Pauline Viardot-García schuf ein vielseitiges kompositorisches Œuvre, darunter zahlreiche Lieder, Klavierstücke, kammermusikalische Werke und Liedbearbeitungen. Ihre Operette Le Dernier Sorcier („Der Letzte Zauberer“) wurde 1869 von Johannes Brahms im Haus der Viardots in Baden-Baden dirigiert.
Sie vertonte Texte der deutschen Dichter Eduard Mörike und Heinrich Heine, schrieb Lieder nach französischen, italienischen, spanischen und russischen Texten (Puschkin, Turgenew) und bearbeitete unter anderem Musikwerke von Haydn, Chopin und Brahms für Klavier und Gesang. Eine bis heute gelegentlich aufgeführte Komposition ist die originelle Marche Militaire AMII, 203 AMS.
2007 wurde von der Musikwissenschaftlerin Christin Heitmann im Rahmen des DFG-Forschungsprojekts „Orte und Wege europäischer Kulturvermittlung durch Musik. Die Sängerin und Komponistin Pauline Viardot“ an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg ein aktuelles Werkverzeichnis Pauline Viardots erarbeitet. Das umfangreiche Werkverzeichnis ist online einsehbar und kann systematisch durchsucht werden.
Klavierstücke
Kammermusik
Orchesterwerke
Théophile Gautier über das Debüt von Pauline Viardot in der Oper Otello von Gioachino Rossini am 12. Oktober 1839 im Pariser Théâtre-Italien: „Sie besitzt eine Stimme, die als eines der prächtigsten Musikinstrumente wirkt, das man hören kann. Ihr weder zu helles, noch belegtes Timbre ist bewundernswert. Es ist keine metallische Stimme wie diese von der Grisi; aber die Töne des Mediums haben etwas Sanftes und Scharfes, das das Herz rührt. Ihr Umfang ist wunderbar. In der Fermate des Andantes der von der Elisabetta in Otello eingeschobenen Kavatine hat sie zwei Oktaven und eine Quinte herausgestellt, d. h. von dem tiefen F des Tenors zum hohen C des Soprans.“
Über ihr Klavierspiel urteilte Saint-Saëns: „Als große Freundin von Chopin bewahrte sie von dessen Spiel eine sehr genaue Erinnerung, und sie gab die präzisesten Anweisungen über die Art und Weise der Interpretation seiner Werke. Durch sie habe ich begriffen, daß die Aufführung der Werke des großen Pianisten (eher: des großen Musikers!) viel einfacher ist, als man gemeinhin glauben mag, und daß sie von einem geschmacklosen Manierismus ebensoweit entfernt ist wie von kalter Korrektheit. Durch sie habe ich die Geheimnisse des echten Tempo rubato kennengelernt, ohne das Chopins Musik entstellt wird und das keineswegs den Verrenkungen ähnelt, mit Hilfe derer man allzuoft eine Karikatur daraus macht“.
Die Wiener allgemeine Musik-Zeitung schrieb 1843 anlässlich eines Auftritts Viardots als Rosine in Rossinis Oper Il Barbiere di Siviglia: „Mad. Viardot-Garcia besitzt eine ausgezeichnete Stimme, sie ist immer füllreich, gleichmäßig und sicher; sie ist von einem reinen Metallklange, besonders in den Mittel- und tiefern Tönen, sie besitzt einen Umfang vom kleinen f bis zum dreigestrichenen c, was zwei und eine halbe Octave ausmacht. Staunen erregte sie durch die Blumenstickerei des Gesanges, diese Coloratur-Arabesken, durch die bewunderungswürdige Präcision, Sicherheit, Kühnheit und Gewalt ihrer Stimme, die eben so gewandt ist zum Vortrage in Ensemblestücken als zu Solopartien. [...]“
(chronologisch)
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Personendaten | |
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NAME | Viardot-García, Pauline |
ALTERNATIVNAMEN | Viardot-García, Michelle Pauline (vollständiger Name); García (Geburtsname) |
KURZBESCHREIBUNG | französische Opernsängerin (Mezzosopran), Gesangspädagogin und Künstlerin |
GEBURTSDATUM | 18. Juli 1821 |
GEBURTSORT | Paris |
STERBEDATUM | 18. Mai 1910 |
STERBEORT | Paris |
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