Michael Bielicky (* 12.
Januar">12. Januar 1954 in Prag) ist ein tschechisch-deutscher Medienkünstler. Er war Professor für Medienkunst an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung (HfG) in Karlsruhe.
Bielický lebte nach der Kindheit in Prag ab 1969 in der Bundesrepublik Deutschland. Von 1975 bis 1978 studierte er Medizin an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Zwischen 1980 und 1981 war er für lange Aufenthalte in den USA und fotografierte dort Architektur und Personen. In New York City arbeitete er als Droschkenkutscher im Central Park. Viel dokumentarisches Fotografie- und Filmmaterial entstand in dieser Zeit, das sich (teils bearbeitet) in seinem späteren Hauptwerk wiederfindet. 1981 kehrte er nach Deutschland zurück. Von 1981 bis 1984 arbeitete er als Fotograf für das Magazin Monochrom. 1984 bis 1990 studierte er an der Kunstakademie Düsseldorf, zunächst bei Bernd Becher und 1987 als Meisterschüler von Nam June Paik, dessen Assistent er nach dem Abschluss bis 1991 blieb.
Bielicky wurde 1991 als Professor an die Akademie der Bildenden Künste Prag (AVU) berufen, um die Abteilung für Neue Medien zu gründen, und blieb bis 2006. Parallel arbeitete er eng mit dem Goethe-Institut Prag zusammen und organisierte seit 1991 mehrere Symposien zum ebenfalls in Prag geborenen Vilém Flusser, dem Philosophen und Kommunikationswissenschaftler, dem er auch im experimentellen Dokumentarfilm Flussers Fluss (1990) kurz vor dessen Tod (1991) ein Denkmal setzt. Er konzipierte im Auftrag des Soros Centre for Contemporary Art in vielen Teilen Osteuropas neue Medienkunstabteilungen und -labs.
Von 1995 bis 1996 war er wissenschaftlicher Berater für Kultur und Technologie für den Europarat in Straßburg. 1996 war Bielicky Mitbegründer des Institute of Unstable Thoughts in Kiev, Ukraine. 1997 arbeitete er mit dem High-Tech-Center Babelsberg in Potsdam zusammen. Seit Mitte der 1990er Jahre arbeitet Bielicky im ZKM an zwei innovativen Forschungsprojekten: zum einen am Virtual Set Project aus dem u. a. das Werk Delvaux’s Dream (1998–99) hervorgegangen ist,; zum anderen an einem interaktiven 360°-Environment-Projekt für Volkswagen an der Autostadt Wolfsburg mit dem Namen Room with a View (1999–2000). Seit 2002 trug er zur Etablierung des ersten Neue-Medien-Abteilung an der Chiang Mai Universität in Nordthailand bei.
Von 2006 bis 2023 war Bielicky Professor für Neue Medien an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe mit Schwerpunkt Digital Media Arts.
1986 war »Perpetuum Mobile« eines von Michael Bielickys ersten in Düsseldorf produzierten Videoarbeiten. Bielicky nutzte in seiner künstlerischen Praxis viele technische Möglichkeiten, angefangen von Stop-Motion über U-Matic, Time Base Corrector mit DOC (Drop-Out-Kompensation) bis hin zu GPS, Internet und Echtzeitdaten.
In den 1980er Jahren entwickelte er Techniken, um die ersten digitalen Videobearbeitungsmaschinen kreativ zu gebrauchen, um sein Videomaterial zu verändern, zu verzerren und neu zu arrangieren, ähnlich wie 1966 in der ersten Ausstellung seines Mentors Nam June Paik, bei der dieser Magnete benutzte, um die Wiedergabe seiner eingesetzten Fernsehgeräte zu verzerren. Werke wie Four Seasons (1984), Circulus viciosus (1985) und Paik-Hat (1986) stellten lineare Schnitttraditionen durch Schnitttechniken und Stop-Motion in Frage, wohingegen Perpetuum Mobile (1986), Next Year in Jerusalem (1988) und Golem is Alive (1989) schon auf digitale Schnitttechniken setzten, um Videos zu schaffen, die von den Gespenstern der frühen osteuropäischen Medienkultur heimgesucht scheinen. 1989, im selben Jahr, in dem Golem Is Alive erschien, erweiterte Michael Bielicky die zweidimensionale Leinwand in den Ausstellungsraum. Mit seiner Menorah/Inventur (1989) ließ er den Bildschirmrahmen in den Hintergrund treten und löste ihn in einer symbolträchtigen Skulptur auf, einem der Hauptsymbole der Jüdischen Religion. Sein Werk Menora/Inventur ist das erste Werk, das der Gründer Heinrich Klotz für das Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe in seinem Gründungsjahr 1989 erworben hat. Das Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe ist das erste Museum weltweit, das sich seit seinem Gründungsjahr auf Medienausstellungen konzentriert. Mit seinen Werken Exodus (1995) und Intelligent Mailman (1994), die Mithilfe von – im ersten Fall – israelischer Militärtechnik entstand und damals als Werke der Telepräsenz (1995), bzw. Intelligentem Ambiente (1994) auf der Ars Electronica präsentiert wurden, ist er für die ersten beiden Werke innerhalb des Kunstkontextes überhaupt verantwortlich, die unter der Verwendung der GPS-Technik entstanden. Ein Jahr später, 1990, hob er die religiöse Symbolik auf und brachte seine Videokunst im universellen wissenschaftlich-technischen Symbol, der Spirale, unter:
„Die Information bewegt sich durch den Raum und die Zeit immer in der gleichen Form. Sie manifestiert sich in einer Spirale. Der genetische Code wird in der Doppel-Helix-Spirale gespeichert genauso wie die Information in den zwei Rollen der Thora. der heiligen Schrift des Judentums. Wie die Laute der menschlichen Sprache in Form von Wellen (Spiralen), so bewegt sich unser Sonnensystem in gleicher Weise durch den Raum. Computerdisketten und Videobänder speichern Information spiralförmig.“
Der Name (1990), ein Werk, das rein technisch zwar der Menorah/Inventur ähnlich ist (die kleinen Fernseher sind Empfänger für eine Videoquelle in der Nähe, Feuer und Bildschirme sind als Symbol und Mittel der Kommunikation verflochten), ist die bei näherer Betrachtung die perfekte Balance von technischer Expertise und historisch-kultureller Mystik. Bielicky entlarvte die Technologie als ein Metanarrativ unter vielen. 1987 untersuchte Bielicky filmisch die Zerstörung von Joseph Beuys’ 'Fettecke’ in Zusammenarbeit mit Ricardo Peredo Wende. Die daraus entstandene dokumentarische Videoskulptur ist ein Who’s who von Beuys Schülern und Anhängern sowie eine Kaskade teils absurder, teils faszinierender Erklärungen, warum und wie dieser Fall der völligen Kunstunkenntnis eines Hausmeisters Auswirkungen auf die Zukunft der Kunst als Kunst hat. In einem einzigartigen und wieder technologisch wegweisenden Projekt versuchte Bielicky den biblischen Exodus im Prototyp dessen zu verewigen, was wir heute alle als Internet kennen. 1995 machten sich Bielicky und einige Kollegen – in einem Jeep, der mit High-End-Technik ausgestattet war – auf, um die Exodusroute in der Wüste Negev nachzufahren und nachzuvollziehen, indem sie GPS-Daten sammelten und sie auf einer der ersten Websites speicherten. Dieses Projekt, wieder an der Schnittstelle von Religion und Technologie, markiert einen Wendepunkt in Bielickys Arbeit: die ausgestellte Technik scheint nicht mehr von (Medien-)Gespenstern verfolgt – das mit The Name (1990) erreichte Gleichgewicht kippt hin zur Technik: Bielicky zeichnet die biblische Geschichte wissenschaftlich nach, objektiv und ohne mythologische Bemühungen. 1994 beginnt er dann mit GPS im Kunstkontext zu experimentieren: Seine Arbeit Intelligent Mailman (1994) ist weltweit die erste ihrer Art und markiert den Beginn zahlreicher Grundlagenforschungsprojekte zur interaktiven Medienkunst.
Seit 2005 entwickelt Bielicky – in Kooperation mit Kamila B. Richter – webbasierte, oft interaktive Projekte, gesteuert von Echtzeitdaten aus dem Internet. Markt- und Börsendaten, Nachrichten-, Twitter- und viele andere Datenströme steuern die animierten Geschichten des Künstlerduos. Die ersten zwei webbasierten Projekte mit Richter sind Columbus 2.0 und Falling Life / Times (mit einem Vorgänger namens Falling Stars). Columbus 2.0 wurde in Wuhan (2007), Sevilla (2008) und Thessaloniki (2011) gezeigt, während Falling Life / Times in Barcelona (2007), São Paulo (2008) und New York (2008) gezeigt wurden.
Des Weiteren entstanden vier große Werkgruppen: die Falling-Gruppe (2005–2010), die Garden-Gruppe (2010–2013), sowie die Columbus-2.0 (2008–2011) und Data Dybukk-Gruppe (2015–2018). Die beiden ersten Gruppen basieren nach eigenen Angaben auf einer maßgeschneiderten Flash-, die beiden letzteren auf einer maßgeschneiderten Javaprogrammierumgebung.
Spätere webbasierte Projekte mit Richter sind The Garden of Error and Decay und Why Don’t We. Die Garden of Error und Decay-Serie nimmt die Text-zu-Piktogramm-Konverter-Algorithmen von Falling Times auf und stellt den generierten Piktogrammen Texte an die Seite, jene Texte, die gleichzeitig der Quellcode der Generierung der Piktogramme sind – vor einem Garten-Eden-Hintergrund, kombiniert mit den Wellenbewegungen aus Columbus 2.0. Ausstellungsbesucher können interaktiv in das Geschehen eingreifen. Der Garden of Error and Decay wurde in Wuhan (2009), Moskau (2011), Wien (2011, 2012), Seoul (2013) und Karlsruhe (2013) gezeigt.
Bei der Why-Don’t-We-Reihe wird eine Nachricht ausgewählt, dem Besucher vor schwarzem Hintergrund angezeigt und dann automatisch eine Kurzgeschichte aus generierten Piktogrammen erzählt und visualisiert, bis der nächste digitale (Nachrichten-)Text und der nächste angezeigt wird. Why Don’t We wurde in Wien (2013), Berlin (2013) und Bad Rothenfelde (2014, 2017) gezeigt.
Passend zu einem 2015 entwickelten Projekt von Bielicky und Richter wurde Lost Objects im Nationaltheater Prag. Neben Einzelausstellungen in Straßburg (2016) und Havanna (2017) setzten Bielicky und Richter einige Werk-Serien in Relation zueinander in Szene.
Das Werk Narzisstische Maschine (2018) ist nach Angabe Bielickys das erste Werk einer neuen Werkgruppe und der Beginn eines Schaffens in einer technisch wie ästhetisch neuen Programmierumgebung.
Bielickys erste Einzelausstellung fand 1988 in der Cité Internationale des Arts Paris in der großen Glasfrontgalerie im zweiten Stock statt, die den Stipendiaten vorbehalten war. Die erste große Retrospektive seiner Arbeiten in Zusammenarbeit mit Kamila B. Richter fand im Centro de Arte Contemporáneo Wifredo Lam in Havanna, Kuba, statt.
Im Jahr 1991 wurde eine Ausstellung über Bielickys Videoskulptur The Name (1990) in der Galerie Montevideo in Amsterdam, Niederlande, gezeigt. Bielickys Arbeiten erschienen darüber hinaus in wichtigen Gruppenausstellungen wie São Paulo Biennale (1987), Videonale (1988, 1990, 1992), Multimediale 2 (1991), Ars Electronica (1992, 1994, 1995), Global Contemporary (2011), Havanna Biennale (2012) und Globale (2015).
Personendaten | |
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NAME | Bielický, Michael |
ALTERNATIVNAMEN | Bielicky, Michael |
KURZBESCHREIBUNG | tschechisch-deutscher Medienkünstler |
GEBURTSDATUM | 12. Januar 1954 |
GEBURTSORT | Prag |
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