Mit dem Lachsargument sahen Sprachforscher im 19. und 20. Jahrhundert den Beweis erbracht, dass sich die Urheimat der Indogermanen im nördlichen Mitteleuropa und nicht in der eurasischen Steppe befände.
Zugrunde lag die Entdeckung, dass die recht ähnlichen Bezeichnungen für den Lachs in germanischen, baltischen und slawischen Sprachen in einem proto-indoeuropäischen Wort wurzelten.
Das Lachsargument lautete: Die Ur-Indogermanen stammen von dort, wo sowohl der Lachs als auch das gemeinsame Wort für ihn vorkommt. Dies traf nur auf das Gebiet der mitteleuropäischen Flüsse zur Ostsee zu.
Diese Herleitung beruhte jedoch auf einer Fehlannahme. Die Bezeichnung der Ur-Indogermanen (heute auch: Proto-Indoeuropäer) galt zunächst nicht dem Lachs (Salmo salar), sondern Unterarten der Lachs- oder Meerforelle (Salmo trutta trutta), die in den Flüssen zum Schwarzen und zum Kaspischen Meer verbreitet sind. In mehr als 100 Jahren äußerten sich rund dreißig Gelehrte mit Beiträgen zum Lachsargument, bis es widerlegt war.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts untersuchten Philologen Wörter, die in mehreren indogermanischen Sprachen ähnlich lauteten. Sie galten als „urverwandt“, entweder als ur-indogermanisch oder zu einer jüngeren Ursprache der „Litu-Slawo-Germanen“ gehörend. Gemeint waren etwa die Bezeichnungen für Meer, Löwe, Salz oder Buche. Das Vorkommen oder Fehlen gemeinsamer Wörter sollte Rückschlüsse auf die Urheimat der Indogermanen erlauben. Zu den zahlreichen Hypothesen über ihre geographische Lage etwa im nördlichen Europa, im südlichen Russland oder auf dem Balkan gehörten auch rassenanthropologische und nationalchauvinistische Begründungen.
Die Sprachvergleichung deutete auf einen Mangel an indogermanischen Fischnamen. Selbst ein einheitliches indogermanisches Wort für Fisch, der lateinisch piscis, in Sanskrit mátsya-, griechisch ichthýs und altslawisch ryba hieß, fehlte offenbar. Beides machte eine Herkunft der Indogermanen aus einem fischarmen eurasischen Steppen- oder Waldgebiet plausibel.
Für den Lachs (Salmo salar) jedoch enthielten die Nachschlagewerke, die seit den 1870er Jahren erschienen, umfangreicher werdende Zusammenstellungen ähnlicher Bezeichnungen in den germanischen, baltischen und slawischen Sprachen. Ihre Formen schlossen Entlehnung aus. Der deutsche Germanist August Fick führte 1876 zu altnordisch lax, althochdeutsch lahs und neuhochdeutsch Lachs die Reihe litauisch lászis, lasziszas, lettisch lassis, lassens, altpreußisch lasasso, polnisch łosoś und russisch losós′ an. Mit dem Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm kam 1877 altenglisch leax hinzu. Der Philologe Friedrich Kluge nannte 1882 zusätzlich schottisch lax und konstruierte eine gotische Form *lahs.
Erstmals grenzte der Sprachhistoriker Otto Schrader 1883 die Lage des „Slavo-Germanenlandes“ mit einem tiergeographischen Argument ein. Entscheidend sei die Benennung des Lachses, „der nach Brehms Tierleben nur in den Flüssen der Ostsee, Nordsee und des nördlichen Eismeers vorkommt.“ Damit schien ein Wort gefunden, über dessen sachlich und sprachlich fast identisches Verbreitungsgebiet unter den Gelehrten Einigkeit herrschte. Weil Schrader das Lachsargument auf die westindogermanischen Sprachen begrenzt sah, hielt er es in der Diskussion um die Urheimat für untauglich.
Der Rassenanthropologe Karl Penka, der Südskandinavien für die Heimat der Indogermanen hielt, schrieb über den Lachs 1886 ohne Beleg: „Dieser Fisch war dem arischen Urvolke bekannt.“ Penka erweiterte das Lachsargument formal um das Fehlen von Lachswörtern: „Nun findet sich der Lachs (Salmo salar), als dessen Heimat das Eismeer und die nördlichen Theile des Atlantischen Oceans anzusehen sind, nur in den Strömen und Flüssen Russlands, welche in die Ostsee und das Weisse Meer münden, keineswegs jedoch in den Flüssen, die sich in das Schwarze oder Kaspische Meer ergiessen. Ebenso wenig kommt er in den Flüssen Asiens und im Mittelländischen Meere vor, woraus sich erklärt, dass sich weder im Iranischen und Indischen, noch im Griechischen und Lateinischen entsprechende Lautformen vom urarischen *lakhasa erhalten haben.“ Penka begründete auch seine rekonstruierte Form *lakhasa nicht.
"[Die Lachswörter] beschränken sich auf ein engeres Sprachgebiet", antwortete Schrader 1890. Auch der Sprachwissenschaftler Johannes Schmidt wendete das Fehlen der Lachswörter in allen anderen indogermanischen Sprachen gegen Penka an: Dieser setze die nur nordeuropäische Benennung des Lachses als indogermanisch an, um die Übereinstimmung indogermanischer und südschwedischer Fauna zu beweisen. 1901 nahm Schrader aber Penkas Formulierung ex negativo auf: „Da der Fisch nur in denjenigen Flüssen vorkommt, welche sich in den Ocean sowie in die Ostsee ergiessen, nicht aber in denjenigen, welche in das Mittelländische oder Schwarze Meer münden, so ist es begreiflich, dass weder Griechen noch Römer einen eigentümlichen Namen für denselben hatten.“
Die ersten Auflagen von Kluges Etymologischem Wörterbuch der deutschen Sprache zeichnen die begriffliche Klärung nach. Von der 1. Auflage 1883 bis zur 5. Auflage 1896 waren die germanischen und zeitgenössisch so genannten „slawisch-litauischen“ Lachswörter als „urverwandt“ bezeichnet. Von der 6. Auflage 1899 bis zur 1914 abgeschlossenen 8. Auflage galten sie als „verwandt“.
In den 30 Jahren nach der Erstnennung benutzten sowohl Befürworter der nordeuropäischen Hypothese als auch Vertreter der Steppenherkunft das Lachsargument, um die Lage der Urheimat zu bestimmen. Erstere datierten ein gemeinsames Ausgangswort für „Lachs“ auf die ur-indogermanische Zeit der Gemeinsprache, Letztere auf eine jüngere, bereits einzelsprachliche Phase mit einer westindogermanischen, germanisch-baltisch-slawischen Neuprägung. Eine linguistische Debatte um ur- oder westindogermanische Stammformen der Lachswörter wurde nicht geführt. Bestimmend für die indogermanistische Auseinandersetzung dieser Zeit waren Baum- und Säugetiernamen, Begriffe aus Ackerbau und Viehzucht, Bodenfunde und schädelkundliche Vergleiche. Das Lachsargument hatte nachrangige Bedeutung, weil sein Erkenntnispotenzial erschöpft schien.
1908 identifizierten Philologen eine ausgestorbene Sprache im zentralasiatischen, im heutigen Nordwestchina liegenden Tarimbecken als indogermanisch und veröffentlichten erste Übersetzungen. Die Textfragmente stammten überwiegend aus der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends und waren in zwei Sprachvarianten verfasst, die später Tocharisch A und B hießen. Als Erster wies Schrader 1911 auf ein neues Lachswort hin, noch bevor eine Übersetzung mit dieser Vokabel erschienen war: „Nun ist aber neuerdings auch ein tocharisches laks ‚Fisch‘ aufgetaucht, und es wird daher von zukünftigen Aufklärungen über diese Sprache abhängen, ob mit diesen Wörtern in diesem Zusammenhang etwas anzufangen ist, oder nicht.“ Schlussfolgerungen aus der Entdeckung wollte Schrader noch nicht ziehen.
Die Entdeckung von tocharisch B laks „Fisch“ belegte den indogermanischen Charakter des Lachswortes. Anhänger der Hypothese von der nordeuropäischen Urheimat sahen sich bestätigt. Der Indogermanist Hermann Hirt schrieb: „Es ist demnach eine durch die Tatsachen widerlegte Behauptung von O. Schrader und anderen, dass die Indogermanen die Fische nicht beachtet hätten.“ Wegen der Einführung von Ackerbau und Viehzucht war es für den Baltisten Franz Specht „begreiflich, dass sich im allgemeinen nur ganz hervorstechende Fischarten, die dazu noch weiter verbreitet gewesen sein müssen, als gemeinsame indogermanische Bezeichnungen nachweisen lassen.“ Der Keltologe Julius Pokorny folgert aus dem Fehlen des Lachses östlich des Ural: „Die Tocharer dürften somit aus Mittel- oder Nordeuropa gekommen sein.“ Das Wort „lässt uns vermuten, dass die Tocharer ursprünglich an einem Lachs führenden Flusse in der Nachbarschaft der Slawen gesessen sein werden.“ Ausgeschlossen war das finno-ugrische Sprachgebiet, in dem die Lachswörter aus dem Indogermanischen kamen. Ebenso wenig kamen die später von Indogermanen besiedelten Teile Europas in Betracht, in denen die Lachswörter aus im Vorindogermanischen wurzelnden Bezeichnungen wie salmo und esox stammten, also westlich der Elbe, im Mittelmeerraum und auf den britischen Inseln. Der Urname, so John Loewenthal, „dürfte im Oder- und Weichselquellgebiet aufgekommen sein.“
Das Lachsargument erlaubte die von völkischen Anthropologen und Nationalsozialisten propagierte Gleichsetzung der indogermanischen mit den germanischen Siedlungsgebieten und die Ansiedlung der „volklichen Urrasse“ in Großdeutschland. Loewenthal schrieb 1927: „Die Germanen […] sind echte Indogermanen. Sie haben als einzige Art und Volkstum rein erhalten […] Sie dürften […] von den Weichsel- und Oderquellen her über die dänischen Inseln nach Schonen vordringend, von Schonen aus ihr geschichtliches Werk begonnen haben.“ In der Festschrift für Hirt bemerkt der Herausgeber, dass Hirt „die augenscheinliche Grundrasse der Indogermanen in einem nördlichen Klima ihre optimalen Lebensbedingungen“ finden ließ. Eine Ausnahme stellte der dem Nationalsozialismus nahestehende Germanist Alfred Götze dar, der für das Lachswort über das Westindogermanische hinaus „weitere Anknüpfungs- und Deutungsversuche“ für „nicht gesichert“ hielt.
Auf eine starke, meist ablehnende Reaktion stieß 1951 der Vorschlag des österreichischen Archäologen Robert Heine-Geldern, germanische Stämme könnten an der Ostwanderung der Tocharer teilgenommen und so die Übernahme germanischer Lehnwörter in die tocharische Sprache veranlasst haben, weil er übersah, dass die Germanen eher ihr Wort *fisk „Fisch“ weitergegeben hätten. Der Germanist Willy Krogmann fand Heine-Gelderns „Einfall […] ohne jeden Anhalt.“ Der US-amerikanische Asienwissenschaftler Denis Sinor kommentierte ihn als „einen guten archäologischen Beleg, um ein Licht auf Ereignisse zu werfen, die meiner Ansicht nach diese Disziplin nicht erhellen kann.“
Das nächste Lachswort entdeckte ein Sprachforscher im digorischen Dialekt der ossetischen Sprache, der zum iranischen Sprachzweig des Indogermanischen gehört und im Kaukasus gesprochen wird. Lexikalisch erstmals 1929 erfasst, konnte es für den norwegischen Indoiranisten Georg Morgenstierne 1934 „schwerlich ein Lehnwort aus russisch losoś sein.“ Morgenstierne wies darauf hin, dass Lachs-Arten in kaukasischen Flüssen vorkämen, der Indologe Sten Konow bemerkte die Verwandtschaft mit dem tocharischen Fischwort.
Der Indologe Paul Thieme führte læsæg als Verkleinerungsform auf die indoarischen Wanderung zurück: „Natürlich kann es sich bei dem in kaukasischen Flüssen vorkommenden ‚Salmo‘ nicht um den Salmo salar, sondern nur um eine Forellenart handeln, die man um ihrer Ähnlichkeit mit dem aus der einstigen Heimat noch bekannten *lakso- ‚Salmo salar‘ willen ganz passend mit dem Deminutivum *laksoqo ‚Lächschen, kleiner Lachs‘ benannte.“
Krogmann erkannte darin „eine ganze falsche Vorstellung“ von der Meerforelle Salmo trutta caspius, die vom Kaspischen Meer in den Terek aufsteigt, der mit seinen Nebenflüssen den Siedlungsraum der Osseten durchfließt. Dieser „kaspische Lachs“ ist der größte der europäischen Salmoniden und im südlichen Russland bis zum Ural weit verbreitet. „Fische von mehr als 40 Kilogramm sind nicht selten. […] Es wäre ja denkbar, dass der Name zunächst für eine Art eines anderen Genus geschaffen wurde und erst später auf den Salmo salar L. Anwendung fand, als man in ihm einen ähnlichen Fisch kennenlernte.“ Krogmann stand damit 1960 kurz vor der Überwindung des Lachsargumentes, verfolgte den Gedanken jedoch nicht weiter.
Unter den Sprachwissenschaftlern unternahm Thieme die letzte große Anstrengung, mit dem Lachsargument die indogermanische Urheimat zu erklären. Er stellte drei altindische Lachswörter vor, in denen die Bedeutung der Urheimat noch aufscheine: zu lākṣā „roter Lack“ ein Adjektiv *lākṣa „lachsig, rot“ wegen des rötlichen Lachsfleisches, das Zahlwort lakṣā „100.000“, zunächst „unübersehbare Menge“ wegen der großen Scharen von Lachsen zur Laichzeit, sowie das Nomen lakṣá „Spieleinsatz“, das zunächst unter Fischern für einen wertvollen Losanteil an der Fangbeute benutzt worden sein könne. So weise „die Tatsache einer gemein-indogermanischen Bekanntschaft mit Salmo salar für den Ort der indogermanischen Sprachgemeinschaft vor Abwanderung der Arier unzweideutig auf das Gebiet der Ostseeströme und der Elbe.“
„Für so gewichtige Folgerungen scheint die kühne Vermutung doch nicht tragfähig genug“, kommentierte der Indogermanist Walter Porzig, der aber auch weiterhin der Ostsee-Hypothese folgte. Unter Zustimmung seiner Fachkollegen führte Manfred Mayrhofer die Etymologie von lākṣā „roter Lack“ auf die indogermanische Farbbezeichnung *reg- „färben, röten“ zurück und lobte an Thieme seinen „Reichtum an Ideen […] und immer geistvollen Etymologien.“ Als Herkunft von lakṣá „Spieleinsatz“ komme die indogermanische Wurzel *legh „legen“ in Betracht, die für lakṣá eine Ursprungsbedeutung „Einlage“ vermuten lasse.
Die altägyptische Kaulquappen-Hieroglyphe Ḥfn „100.000“, als Tierzahlwort eine Parallele zu altindisch लक्ष lakṣā „100.000“ |
Auf mehr Zustimmung stieß Thiemes Zahlworttheorie mit लक्ष lakṣā „100.000“, meist wegen der Parallelen in anderen Sprachen. Im Altägyptischen wird „100.000“ durch die Hieroglyphe der Kaulquappe bezeichnet, im Chinesischen dient das Zeichen für Ameise auch für „10.000“, im Semitischen hat das Wort für Rind auch die Bedeutung „1000“. Der linguistische Zusammenhang blieb ungeklärt. Kluge führte den Hinweis auf das Zahlwort bis zur 21. Auflage (1975), zuletzt „ohne etymologische Sicherheit“.
Nach der Entdeckung der Lachswörter im Tocharischen und im Ossetischen bedeutete die Zuschreibung weiterer Benennungen keine neue Qualität in der Debatte um das Lachsargument mehr. Armenisch losdi „Lachs“, 1929 erstmals in ein Wörterbuch aufgenommen, kam 1963 zur Lachsgruppe. Der US-amerikanische Anthropologe A. Richard Diebold, Jr. nahm 1976 das „romanische“ (spätvolkslateinisch-frühromanisch) unbelegte Wort *locca „Beizker, Schmerle“ auf, erstmals 1935 vorgeschlagen. Damit fügte er auch gleichbedeutend französisch loche und das daraus ins Englische entlehnte loach den Lachswörtern zu.
Ab 1911 galten die Lachswörter unbestritten als der indogermanischen Ursprache zugehörig. Auch nach dem Ende des Nationalsozialismus blieben die Interpretationen des Lachsargumentes für die Urheimat der Indogermanen kontrovers. Die Begründung der „nordeuropäischen Hypothese“ wurde durch die Funde von Lachswörtern im Tocharischen und Ossetischen zugleich erleichtert, weil als gemeinsprachlich belegt, und erschwert, weil die Begründungen für die geografische Streuung der Lachswörter zunehmend problematisch wurden. Was die Sprecher des Ur-indogermanischen mit dem Wort „Lachs“ bezeichneten, war bis 1970 ungeklärt.
Thieme wies darauf hin, dass unter dem Lachswort im Kaukasus nicht der Lachs, sondern die Forelle auftrete. Für Krogmann konnte der Name des Lachses auf Salmo salar übertragen worden sein. 1970 meinte der US-amerikanische Tocharist George Sherman Lane: „And, in my opinion, the name in question probably did refer originally, not to the salmo salar at all, but rather to the salmo trutta caspius of the northwest Caucasus region“, deutsch: „Und nach meiner Meinung bezog sich der fragliche Name wahrscheinlich ursprünglich überhaupt nicht auf Salmo salar, sondern auf Salmo trutta caspius der nordwestlichen Kaukasusregion.“
Diebold stellte 1976 drei anadrome Salmoniden vor, Forellenfische, die zum Laichen flussaufwärts schwimmen und für eine ur-indogermanische Benennung *loḱsos in Betracht kommen: die Lachs- oder Meerforelle Salmo trutta trutta sowie die beiden regionalen Unterarten Salmo trutta labrax und Salmo trutta caspius. Sie sind in den Flüssen zu Schwarzem und Kaspischem Meer verbreitet. Im Verlauf der indogermanischen Ausbreitung aus dem Gebiet der pontischen Steppe Richtung Ostsee ging das alte Lachswort für die Meerforelle (Salmo trutta trutta) auf den neuen, ähnlich aussehenden Fisch, den Lachs (Salmo salar) über; die russische Form lososь deckt beide Bedeutungen ab. Wo die Indogermanen auf altsprachliche Bezeichnungen wie salmo oder esox stießen, übernahmen sie sie.
Die vielen Namen für Salmoniden in den indogermanischen Sprachen entstanden, weil die Sprecher des Ur-Indogermanischen auf zahlreiche Fische stießen, für die sie keine Namen hatten, weil sie sie nicht aus ihrer Urheimat kannten. Als „not known, not named“, deutsch etwa „unbekannt, unbenannt“ beschrieb dies Diebold. Er drehte 1985 das Lachsargument um: Überall, wo ein Lachswort Salmo salar bezeichnete, könne die Urheimat der Indogermanen gerade nicht liegen. Im selben Jahr überschrieb der Tocharist Douglas Q. Adams seinen letzten Aufsatz zu diesem Thema mit „A Coda to the Lachsargument“; Coda bedeutet etwa „Schlussteil“ oder „Resumee“. Adams lehnte allerdings Diebolds Umkehrung des Lachsargumentes ab, weil aus dem Fehlen von Begriffen nicht geschlossen werden könne, dass sie nicht existieren.
Die Widerlegung des Lachsargumentes ab 1970 wurde dadurch erleichtert, dass mit der Kurgan-Hypothese ein modern begründeter Vorschlag für die indogermanische Urheimat nördlich des Schwarzen Meeres zur Verfügung stand. Die Verschiebung des Lachsnamens von Salmo salar auf Salmo trutta deckte sich mit diesem Modell. Etwa 100 Jahre nach der ersten Nennung war das Lachsargument obsolet. Die etymologische Untersuchung der Lachswörter ist seither nicht abgeschlossen. Solange nicht geklärt ist, wie sich der indogermanische Sprachraum ausdehnte, können keine Aussagen darüber getroffen werden, auf welche Art und Weise sich das Lachswort in den Ostseeraum verbreitet hat.
Aus der Indogermanistik ist das Lachsargument nicht verschwunden. Ältere Handbücher, die zum Pflichtangebot in Bibliotheken gehören, bewahren diese Annahme. Neue Nachschlagewerke bezeichnen die benannten Fische falsch oder meiden die Darstellung der Geschichte des Lachsargumentes.
Wohl in Analogiebildung zum älteren „Buchenargument“ ist der Begriff „Lachsargument“ 1955 von Mayrhofer eingeführt worden. Er wird als „the Lachsargument“ in der angelsächsischen Fachliteratur benutzt. Das Buchenargument besagte, dass die Buche östlich einer Linie von Königsberg (Preußen) nach Odessa nicht vorkomme, das Wort aber indogermanischen Ursprungs ist und deswegen die Urheimat nicht in der eurasischen Steppenlandschaft liegen könne. Zu den Fehlern dieses Argumentes gehörte die Annahme, dass das ur-indogermanische Buchenwort immer die Buche meinte, obwohl etwa griechisch φηγόϛ phēgós die Eiche bezeichnete.
Die Debatte um das Lachsargument begann 1883 und endete etwa einhundert Jahre später. Mit Ausführungen oder autoritativen Wörterbucheinträgen beteiligten sich etwa 30 Wissenschaftler. In alphabetischer Reihenfolge und mit den Jahreszahlen der zugehörigen Veröffentlichungen waren es:
Douglas Q. Adams (1985, 1997) – Émile Benveniste (1959) – A. Richard Diebold, Jr. (1976, 1985) – Robert Heine-Geldern (1951) – Hermann Hirt (1921) – Friedrich Kluge und spätere Bearbeiter des Etymologischen Wörterbuchs der Deutschen Sprache (1883–2002) – Sten Konow (1942) – Wolfgang Krause (1961) – Willy Krogmann (1960) – George Sherman Lane (1970) – Sylvain Lévi (1914) – John Loewenthal (1924, 1927) – James P. Mallory (1997, 2006) – Stuart E. Mann (1963, 1984) – Manfred Mayrhofer (1952, 1955) – Georg Morgenstierne (1934) – Karl Penka (1883) – Herbert Petersson (1921) – Julius Pokorny (1923, 1959) – Walter Porzig (1954) – Vittore Pisani (1951) – Johannes Schmidt (1890) – Otto Schrader (1883–1911) – Franz Specht (1944) – Paul Thieme (1951–1958) – Albert Joris van Windekens (1970)
Die Entwicklungsgeschichte des Lachsargumentes wurde von der philologischen Erforschung der Lachswörter geprägt. Auch nach der Widerlegung des Lachsargumentes sind Aspekte sprachgeschichtlicher Wechselwirkungen sowie der semantischen Übergänge wie Generalisierung („Lachs“ zu „Fisch“) und Bedeutungswechsel („Lachs“ zu „Schmerle“) ungeklärt.
In vielen indogermanischen Sprachen sind Lachswörter bezeugt. Sie sind gemeinsamen Ursprungs, untereinander und in nichtindogermanische Nachbarsprachen entlehnt worden. Einige Zuschreibungen sind umstritten. Den Lachsworten ähnliche Bezeichnungen für Fische, die Forellen nicht ähnlich sind, treten vor allem in romanischen Sprachen auf. Eine Übersicht nach Sprachzweigen, mit Entlehnungen und Einzelvorschlägen:
Frühe Vorschläge für eine westindogermanische Stammform lauteten *laqsi-s und *loḱ-os-, *loḱ-es-, *loḱ-s. Der erste Vorschlag für eine Urform des Lachswortes nach der Entdeckung von Tocharisch B laks war *laḱ-i, *laḱ-os. Er wurde als *laḱs-, *laḱ-so-s in Standardwörterbücher übernommen.
Weil die baltischen Lehnwörter in den ostseefinnischen Sprachen den indogermanischen Wurzelvokal -o- beibehalten hatten, wechselte die Ansetzung von indogermanisch *laḱs- zu *loḱs-. In der Fachliteratur ist seither der Stamm für „Lachs“ mit *loḱs- und ähnlichen Formen angegeben, etwa *lóḱs- sowie *loḱso-, *loḱsi-, auch mit schwachem Stammvokal *ləḱsi-, ferner *loḱ-.
Viele Forscher akzeptieren die Wortbedeutung „der Getupfte“ zu litauisch lãšas „Tropfen“, lašė́ti „tröpfeln“, lettisch lā̆se „Sprenkel, Tupfen“, lãsaíns „punktiert, gesprenkelt“. John Loewenthal schlug diese Etymologie 1924 vor. Nicht durchgesetzt haben sich vier Erklärungen:
Die indogermanischen Sprachen West- und Südeuropas übernahmen vermutlich zwei Lachswörter der Altbevölkerung. Die Urnamen sind nicht rekonstruiert. Ihre lateinischen Formen lauten esox und salmo „Lachs“ mit dem verwandten salar „Forelle“.
Die Verbreitungsgebiete der salmo- und der esox-Gruppe überlagern sich. Neben kymrisch eog kommt samon als Lehnwort aus dem Spätmittelenglischen vor, ebenso sowman neben ehoc im ausgestorbenen Kornischen. In keltischen Sprachen ist kein indogermanisches Lachswort nachgewiesen. Die Wortgrenze zwischen Salm und Lachs in Deutschland verlief im Mittelalter zwischen Rhein und Elbe. Jahreszeitliche Benennungen mit Lachswörtern wie lassus „Herbstlachs“ sind im Salmgebiet aus mehreren Regionen überliefert.
Als „Lachsforelle“ werden heute mehrere Salmoniden bezeichnet. In Deutschland ist der Name seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Handelsbezeichnung für eine Zuchtform der aus Nordamerika stammenden, seit dem 19. Jahrhundert in Europa geschätzten Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss, früher: Salmo gairdneri) verbreitet. „Lachsforelle“, niederdeutsch lassför als historisch übliche und deswegen in der sprachwissenschaftlichen Literatur benutzte Bezeichnung meint die Meerforelle (Salmo trutta trutta). Zu einer gewissen Sprachverwirrung beigetragen hat ferner der Umstand, dass aufgrund der Farbe des Fleisches auch Bachforelle (Salmo trutta fario) und Seeforelle (Salmo trutta lacustris) als Lachsforelle bezeichnet werden. Bei den im Kaukasus und um das Schwarze und Kaspische Meer auftretenden Unterarten der Meerforelle handelt es sich um die Schwarzmeer-Forelle (Salmo trutta labrax) und die Kaspische Forelle (Salmo trutta caspius). Welcher dieser Fische von den ur-indoeuropäischen Sprechern als *loḱs- oder ähnlich bezeichnet wurde, ist ungewiss.
Links auf Hörbeispiele für Lachswörter in verschiedenen Sprachen enthält:
Um Belegstellen schneller zu finden, Wörterbücher mit verschiedenen Ausgaben heranziehen zu können oder den Kontext der Stelle zu verdeutlichen, ist bei einigen alphabetisch geordneten Werken an Stelle oder neben der Seitenzahl das Stichwort mit der Abkürzung s. v. angegeben. Abgekürzt zitiert sind hier:
Kürzel | Volltitel |
---|---|
Diebold, Contributions | A. Richard Diebold, Jr.: Contributions to the IE salmon problem. In: Current Progress in Historical Linguistics, Proceedings of the Second International Conference on Historical Linguistics. Amsterdam 1976, ISBN 0-7204-0533-5, S. 341–387 (= North-Holland Linguistic Series 31) |
Diebold, Huchen | A. Richard Diebold, Jr.: The Evolution of Indo-European Nomenclature for Salmonid Fish: The Case of ,Huchen’ (Hucho spp.). Washington 1985, ISBN 0-941694-24-0 (= Journal of Indo-European Studies, Monograph Series 5) |
Kluge | Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 1. bis 8. Aufl., Straßburg 1883 bis 1915, 9. bis 24. Aufl., Berlin 1921 bis 2002 |
Schrader, Sprachvergleichung | Otto Schrader: Sprachvergleichung und Urgeschichte. Linguistisch-historische Beiträge zur Erforschung des indogermanischen Altertums. Alle Jena, 1. Aufl. 1883, 2. Aufl. 1890, 3. Aufl. 1906 |
Schrader, Reallexikon | Otto Schrader: Reallexikon der indogermanischen Altertumskunde. Grundzüge einer Kultur- und Völkergeschichte Alteuropas. 1. Auflage Straßburg 1901, 2. Auflage, herausgegeben von Alfons Nehring, Berlin, Leipzig, 1917–1929 |
ZVS | Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung, nach ihrem Gründer Adalbert Kuhn auch Kuhns Zeitschrift. Wie in der neueren indogermanistischen Literatur üblich, ist hier das traditionelle Kürzel KZ durch ZVS ersetzt; seit 1988 unter dem Titel Historische Sprachforschung |
This article uses material from the Wikipedia Deutsch article Lachsargument, which is released under the Creative Commons Attribution-ShareAlike 3.0 license ("CC BY-SA 3.0"); additional terms may apply (view authors). Abrufstatistik · Autoren Der Inhalt ist verfügbar unter CC BY-SA 4.0, sofern nicht anders angegeben. Images, videos and audio are available under their respective licenses.
®Wikipedia is a registered trademark of the Wiki Foundation, Inc. Wiki Deutsch (DUHOCTRUNGQUOC.VN) is an independent company and has no affiliation with Wiki Foundation.