Klaus Heinrich (* 23.
September">23. September 1927 in Berlin; † 23. November 2020 ebenda) war ein deutscher Professor für Religionswissenschaft auf religionsphilosophischer Grundlage. Er gehörte zu den Mitbegründern der Freien Universität Berlin. Seine Vorlesungen gelten als Großversuch der Selbstaufklärung über das Verhältnis von ästhetischem und transzendentalem Subjekt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem er als Luftwaffenhelfer wegen Wehrkraftzersetzung angeklagt war, studierte er in Berlin Rechtswissenschaft, Philosophie, Theologie, Soziologie, Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft an der Friedrich-Wilhelms-Universität Unter den Linden. Dort hatte er jedoch mit politischen Schwierigkeiten zu kämpfen und wurde deshalb 1948 zum studentischen Mitbegründer der Freien Universität Berlin. Nach seiner Promotion 1952 lehrte er Religionswissenschaft mit dem Schwerpunkt Religionsphilosophie. 1964 habilitierte er sich mit der Schrift Versuch über die Schwierigkeit nein zu sagen.
Ab 1971 war er bis zu seiner Emeritierung 1995 ordentlicher Professor am Institut für Religionswissenschaft der Freien Universität Berlin. Seine letzte öffentliche Vorlesung hielt Heinrich im Sommer 1999.
Er war Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland.
Klaus Heinrich starb im November 2020 im Alter von 93 Jahren in Berlin.
Seit 2020 wird sein Gesamtwerk beim Ça ira Verlag veröffentlicht, wobei auch früher veröffentlichte Werke wieder zugänglich gemacht werden.
Klaus Heinrichs Vorlesungen genossen einen geradezu legendären Ruf, weil er darin mit einer heute im akademischen Bereich kaum noch vorstellbaren Freiheit nicht nur über Religionsphilosophie referierte, sondern über eine Vielfalt von Themen wie Logik, Psychoanalyse, Existentialismus und dabei ständig in Reibung mit Architektur, Kunst und Musik bis zu deren jüngsten Entwicklungen. Seine Lehrveranstaltungen wurden deshalb auch von Studenten der unterschiedlichsten Fachrichtungen besucht.
Heinrichs Heidegger-Kritik vollzog sich auf Augenhöhe, wobei er nachwies, dass sich schon früh an den Begriffen bei Heidegger sein entschlossenes Mitmachen im Nationalsozialismus abgezeichnet hat. Zitat aus Heideggers Überwindung der Metaphysik, 3:
„Das arbeitende Tier ist dem Taumel seiner Gemächte überlassen, damit es sich selbst zerreiße und in das nichtige Nichts vernichte.“
Heinrichs Kommentar:
„Gegen den Gebrauch der Konjunktion ‚damit‘ in diesem Satz (auch wenn wir von jeder Interpretation der in ihm verwendeten Begriffe Abstand nehmen) richtet sich der Vorwurf des Verrats.“
Nämlich der Verrat an der intellektuellen Zeugenschaft im Nationalsozialismus.
Heinrich verfügte über ein eidetisches Gedächtnis. Er konnte seitenweise Passagen aus gelesener Literatur zitieren.
Der Ethnologe Karl-Heinz Kohl, der Schüler von Heinrich ist, schreibt in einem Artikel zum 85. Geburtstag über die Vorlesungen von Heinrich:
„Anhand klassischer philosophischer Gedankenwelten zeigte er, dass sie mit ihrem Systemzwang all die Konflikte nur vertuschen, die in den Religionen noch offen und als im Prinzip unlösbar zur Sprache gelangen. Es war Freuds Theorie von der Wiederkehr des Verdrängten im Verdrängenden selbst, die ihm zu der Einsicht verhalf, dass die Religion als das eigentlich Verdrängte der Philosophie anzusehen sei. (…) Künftige Wissenschaftshistoriker werden zeigen, wie viel von ihm in den Zeiten seiner Berliner Lehrtätigkeit bereits vorgedacht worden war. Nicht nur der mittlerweile durch den banalen Anglizismus ‚gender‘ ersetzte Begriff des Geschlechterverhältnisses stammt von ihm, auch der philosophische Dekonstruktivismus wurde in Dahlem schon gelehrt, bevor er offiziell überhaupt erfunden war.“
2016 erschienen seine Dahlemer Architekturvorlesungen. In einem dem Band vorangestellten Interview äußert sich Heinrich kritisch über die Architekten, die Berlins Mitte im neoklassizistischen Geist rekonstruieren.
„Sie knüpfen weniger an Schinkel als an die italienische rationalistische Architektur an. Man könnte sagen, sie erinnern an eine bestimmte Zeit, der sie das Prädikat, den Ehrentitel des Intakten geben würden: an ein intaktes Berlin, das wieder die alten Traufhöhen hat. Das heißt, es ist eine, sagen wir es mal böse, positivistische Wiederkehr einer fantasierten Intaktheit, die es so wirklich nie gegeben hat.“
Seit 2020 erscheint sein Gesamtwerk im ça ira-Verlag.
Er wurde 1998 Ehrenmitglied der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV). Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung verlieh 2002 Klaus Heinrich den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa.
Heinrich hinterließ neben den Büchern, die nach Mitschriften und Tonbandaufzeichnungen seiner Studenten herausgegeben wurden, ein zeichnerisches Werk. In den langen Gremiensitzungen der Freien Universität Berlin ließ er seinen Stift über die leeren Rückseiten von hektographierten Protokollen und Listen sowie den Speiseplan der Mensa tanzen. Viele seiner Zeichnungen befinden sich im Nachlass von Tilmann Buddensieg. 2020 wurden seine Skizzenbücher und Zeichnungen in der Galerie Klaus Gerrit Friese präsentiert.
Dahlemer Vorlesungen:
Personendaten | |
---|---|
NAME | Heinrich, Klaus |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Religionswissenschaftler und -philosoph |
GEBURTSDATUM | 23. September 1927 |
GEBURTSORT | Berlin |
STERBEDATUM | 23. November 2020 |
STERBEORT | Berlin |
This article uses material from the Wikipedia Deutsch article Klaus Heinrich, which is released under the Creative Commons Attribution-ShareAlike 3.0 license ("CC BY-SA 3.0"); additional terms may apply (view authors). Abrufstatistik · Autoren Der Inhalt ist verfügbar unter CC BY-SA 4.0, sofern nicht anders angegeben. Images, videos and audio are available under their respective licenses.
®Wikipedia is a registered trademark of the Wiki Foundation, Inc. Wiki Deutsch (DUHOCTRUNGQUOC.VN) is an independent company and has no affiliation with Wiki Foundation.