Klaus Emil Julius Fuchs (* 29.
Dezember">29. Dezember 1911 in Rüsselsheim am Main; † 28. Januar 1988 in Ost-Berlin) war ein deutsch-britischer Kernphysiker und sowjetischer Spion.
Nach seiner Flucht aus Deutschland und dem Studienabschluss der Physik in Großbritannien war er später maßgeblich im amerikanischen Manhattan-Projekt beschäftigt. Parallel zu seiner Forschungstätigkeit half er als Spion der Sowjetunion bei der Entwicklung einer eigenen Atombombe. 1950 wurde Fuchs in Großbritannien wegen Spionage angeklagt und zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt. Nach seiner 1959 erfolgten Begnadigung übersiedelte er in die DDR, wo er als Mitglied des Zentralkomitees der SED Einfluss auf die Forschungspolitik ausübte.
Klaus Fuchs wurde als drittes von vier Kindern des sozialdemokratischen, lutherischen Theologen Emil Fuchs und dessen Ehefrau Else (1875–1931) geboren. Er war ein Patenkind von Harald Poelchau, dem späteren Gefängnispfarrer und Mitglied in der Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis. Sein Vater war Vormund seines Neffen Klaus Fuchs-Kittowski. Fuchs engagierte sich trotz Anfeindungen und Übergriffen seiner Klassenkameraden am humanistischen Gymnasium in Eisenach schon früh für Demokratie und Republik und war Mitglied der SPD und des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold. Nach dem Abitur studierte er Mathematik und Physik von 1930 bis 1931 in Leipzig, ab dem Wintersemester 1931 an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel und von März bis August 1933 in Berlin an der Friedrich-Wilhelms-Universität, der heutigen Humboldt-Universität. Er war Mitglied der SPD und wechselte im Sommer 1932 zur KPD. Auf Grund seiner Gesinnung wurde er nach der Machtergreifung Anfang 1933 von nationalsozialistisch gesinnten Kräften in Kiel verfolgt. Er flüchtete nach Berlin und lebte dort illegal. Nach dem Reichstagsbrand (27./28. Februar 1933) entging Fuchs seiner Verhaftung nur durch eine in aller Frühe angetretene Zugfahrt zu einer Veranstaltung in Berlin. Obwohl er in Deutschland steckbrieflich gesucht wurde, gelang es ihm, noch fünf Monate in Berlin zu studieren. Im August 1933 flüchtete er nach Paris. Hier lernte er seine spätere Ehefrau Margarete Keilson kennen.
Sein in Großbritannien arbeitender Cousin verfügte über Verbindungen, die es Fuchs ermöglichten, in Edinburgh und Bristol sein Studium der Physik fortzusetzen und bei dessen Bekannten zu wohnen. Er verfasste seine Diplomarbeit 1936 bei dem späteren Nobelpreisträger Nevill F. Mott in Bristol über das Themengebiet Kohäsionskräfte in metallischem Kupfer. Damals befasste er sich vor allem mit theoretischer Festkörperphysik. Mit Mott, der ihn als Flüchtling aus Deutschland intensiv unterstützte, arbeitete er vier Jahre in Großbritannien zusammen. Dieser beurteilte ihn später als extrem talentierten theoretischen Physiker, mit wundervollen Arbeiten, die auch lange später noch zitiert wurden, und für den er eine große Karriere vorhersah (for a man of his calibre I foresaw a great career in physics). Insbesondere galt dies für eine später viel zitierte Arbeit von Fuchs von 1938, die Grundlage der Fuchs-Sondheimer-Theorie der Elektronenleitung in dünnen Metallschichten war.
Den Weg zur Kernphysik fand er in den Jahren von 1937 bis 1941, nachdem er als Stipendiat beim Physiker und späteren Nobelpreisträger Max Born in Edinburgh eine gut dotierte Stelle angeboten bekommen hatte, wo er 1938 promovierte. Zwischenzeitlich wurde er im Dezember 1940 von den Briten als „Feindlicher Ausländer“ in einem kanadischen Gefangenenlager interniert. Seine kernphysikalischen Arbeiten setzte er von Mai 1941 bis 1943 im Rahmen des militärischen britischen Atomprogramms Tube Alloys an der Universität Birmingham bei Rudolph Peierls fort. Die Gefahr einer solchen wissenschaftlichen Entwicklung erkannte er bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und bemühte sich, sein Wissen der Sowjetunion – nach dem Überfall durch Deutschland – zur Verfügung zu stellen; zumal sich Großbritannien zum Zeitpunkt des Angriffs auf die Sowjetunion zu einer 20-jährigen uneingeschränkten Hilfeleistung gegen den Aggressor verpflichtet hatte. Dabei erhielt er 1942 Kontakt zu Jürgen Kuczynski und dessen Schwester Ruth Werner, Agentin des sowjetischen Militärnachrichtendienstes GRU. Dieser Kontakt endete mit seinem Wechsel in die USA. Von diesem Zeitpunkt an übergab er seine Informationen an Harry Gold bis zu seiner Rückkehr nach Großbritannien 1946.
Nachdem er im August 1942 britischer Staatsangehöriger geworden war, übersiedelte er 1943 mit einem englischen Forscherteam für Arbeiten zur Uran-Isotopentrennung und Fragen der Implosionstechnik nach New York und schließlich Los Alamos. Er war maßgeblich an der Entwicklung der Plutoniumbombe Fat Man beteiligt. Am Trinity-Test, der ersten erfolgreichen Explosion einer Kernwaffe am 16. Juli 1945 im US-Bundesstaat New Mexico, nahm er teil. Nach dem Abschluss seiner Tätigkeit kehrte Fuchs 1946 nach Großbritannien zurück und übernahm die Leitung des Bereichs Theorie im Kernforschungszentrum in Harwell. Dort befasste er sich mit der Entwicklung von Leistungsreaktoren, unter anderem Schnellen Brütern. Seine Leistungen wurden 1950 durch den Vorschlag gewürdigt, ihn als Mitglied der ehrwürdigen Wissenschaftsakademie Royal Society aufzunehmen. Dazu kam es jedoch nicht mehr, denn Ende 1949 wurde er auf Grund von Aussagen durch Harry Gold beim FBI als Spion enttarnt und im Februar 1950 verhaftet. Der Prozess wegen Spionage für die Sowjetunion begann im März 1950, in dessen Folge er zu 14 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde und seine britische Staatsangehörigkeit verlor. Seine Spionagetätigkeit stellte er als ein Handeln aus Solidarität zur UdSSR dar, die er im Kampf gegen das Dritte Reich unterstützen wollte. Fuchs vertrat die Meinung, durch sein Handeln einen Atomwaffeneinsatz im Kalten Krieg verhindert zu haben, da durch ihn beide Seiten im Besitz von Atomwaffen seien.
Nachdem man über 40 Jahre lang nach dem Zweiten Weltkrieg davon ausgegangen war, dass Klaus Fuchs der einzige Physiker aus dem Manhattan-Projekt in Los Alamos war, der Informationen über den Bau der Atombombe an die Sowjetunion weitergegeben hatte, bestätigte die Freigabe und Veröffentlichung der Ergebnisse des VENONA-Projektes durch den Militärgeheimdienst der USA den zweiten – bereits vermuteten – Spion Theodore Alvin Hall. Sein sowjetischer Deckname war MLAD. Hall hatte 1944 wichtiges Material über die Implosions-Methode und andere Aspekte der Konstruktion einer Atombombe an die Sowjetunion übergeben. Er wurde bereits 1950 verdächtigt, bestritt aber zu jener Zeit alle Anschuldigungen und wurde nie verurteilt.
Bereits vor der Verhaftung von Fuchs hatte das FBI durch Einlassungen von Harry Gold die Spur zu David Greenglass und dem Ehepaar Julius und Ethel Rosenberg, geb. Greenglass, gefunden. Die einzige Verbindung beider Sachverhalte war durch Gold zustande gekommen. Sein Führungsoffizier John, auch bekannt als „Jakowlew“– Anatoli Jazkow – war den gesamten Zweiten Weltkrieg über der Resident des NKWD in New York. Man war ihm dort nie auf die Spur gekommen.
Klaus Fuchs schlug 1946 mit John von Neumann den Entwurf einer Wasserstoffbombe vor, die 1951 in der US-amerikanischen Operation Greenhouse getestet wurde, sich aber als Fehlschlag erwies. Der Vorschlag nutzte die Röntgenstrahlung einer Atombombe, aber anders als im späteren Teller-Ulam-Design: sie diente der Ionisierung einer Kugelschale aus Berylliumoxid, die ein Deuterium-Tritium-Gemisch umschloss, das dabei komprimiert wurde.
Erst am 2. Oktober 1952 zündete Großbritannien bei den Montebello-Inseln nahe Australien eine erste Atombombe (Operation Hurricane).
Im Jahr 1959 wurde Fuchs begnadigt und reiste, begleitet von erheblichem Medienrummel, in die DDR zu seinem Vater nach Leipzig. Hier heiratete er noch im selben Jahr die verwitwete ehemalige Abteilungsleiterin für Kaderfragen im ZK der SED Margarete Keilson. Sein Wohnsitz war in Dresden-Loschwitz, Schillerstr. 4i. Bis 1974 war er stellvertretender Direktor des nationalen Forschungszentrums Zentralinstitut für Kernforschung (ZfK) in Rossendorf und leitete den Bereich Theoretische Physik. 1963 wurde er zusätzlich an die TU Dresden berufen.
Er war Mitglied im Wissenschaftlichen Rat für die friedliche Anwendung der Atomenergie. Seit 1967 war er Mitglied des ZK der SED, seit 1972 auch Mitglied des Präsidiums der Akademie der Wissenschaften der DDR, die ihm 1974 bis 1978 die Leitung des Forschungsbereiches Physik, Kern- und Werkstoffwissenschaften übertrug. Ab 1984 war er Leiter der Wissenschaftlichen Räte für energetische Grundlagenforschung und für Grundlagen der Mikroelektronik und er gehörte zu den angesehensten Wissenschaftlern der DDR. Er erhielt den Karl-Marx-Orden, 1971 den Vaterländischen Verdienstorden, 1981 die Ehrenspange zum Vaterländischen Verdienstorden in Gold und 1975 den Nationalpreis. 1983 wurde er Mitglied des Komitees für wissenschaftliche Fragen der Sicherung des Friedens und der Abrüstung sowie Ehrenmitglied des Forschungsrats der DDR. Er starb 1988 in Ost-Berlin. Seine Urne wurde in der Grabanlage „Pergolenweg“ des Zentralfriedhofs Friedrichsfelde in Berlin-Lichtenberg beigesetzt.
Im fiktiven Drama von Carl Zuckmayer, Das kalte Licht. Drama in 3 Akten (S. Fischer Verlag, Berlin u. a. 1955), weist der Hauptakteur Kristof Wolters deutliche Parallelen zur Person des Klaus Fuchs auf; das Drama ist durch dessen Werdegang inspiriert.
Eine scientometrische Bewertung der Arbeiten von Klaus Fuchs in dessen britischer Zeit ist in einer Arbeit von Manfred Bonitz zu finden.
Personendaten | |
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NAME | Fuchs, Klaus |
ALTERNATIVNAMEN | Fuchs, Klaus Emil Julius (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | deutsch-britischer Kernphysiker, sowjetischer „Atomspion“ |
GEBURTSDATUM | 29. Dezember 1911 |
GEBURTSORT | Rüsselsheim |
STERBEDATUM | 28. Januar 1988 |
STERBEORT | Berlin |
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