Die heutige Verfassung der Republik Chile stammt aus dem Jahre 1980.
Sie wurde durch die damals herrschende Militärregierung erarbeitet und am 11. September 1980 in einer Volksabstimmung, die unter großem Druck stattfand und nicht demokratischen Kriterien entsprach, mit 67 % angenommen. 1989 wurden in einer weiteren Volksabstimmung unter ähnlichen Bedingungen einige Änderungen angenommen. Am 16. August 2005 änderte das chilenische Parlament nochmals die Verfassung in zentralen Punkten.
Seit 1833 wird Chile demokratisch regiert, mit Ausnahme von wenigen Monaten kurzlebiger diktatorischer Regime und der Diktatur Augusto Pinochets von 1973 bis 1990. Außer während der so genannten „Parlamentarischen Republik“ von 1890 bis 1925 wurde das Land immer durch ein präsidentielles System regiert.
Am 25. Oktober 2020 stimmte die chilenische Bevölkerung bei einem Referendum mit großer Mehrheit für eine neu auszuarbeitende Verfassung. Die Verfassungsgebende Versammlung wurde im Mai 2021 direkt vom Volk gewählt. Der von ihr erarbeitete Verfassungsentwurf wurde durch das Plebiszit am 4. September 2022 mit großer Mehrheit abgelehnt.
Nach der Machtübernahme im postkolonialen Bürgerkrieg schuf der konservative Diego Portales Palazuelos 1833 die erste Verfassung Chiles, die den Staat stabilisierte.
Die Verfassung von 1925 beendete die Phase der sogenannten „Parlamentarischen Republik“ und führte wieder ein Präsidentialsystem ein.
Unter Präsident Eduardo Frei Montalva wurde 1970 eine Verfassungsreform verabschiedet, die dem Präsidenten eine Fülle neuer Befugnisse zusprach. Laut einer Vergleichsstudie von Carey/Shugart (1992) war von 44 Präsidialverfassungen die chilenische Verfassung diejenige, die dem Präsidenten am meisten Befugnisse gab (auch mehr als die Verfassung von 1980). Besonders in der Gesetzgebung und dem Staatshaushaltes war der Einfluss des Kongresses stark beschnitten worden.
Das diktatorische Regime wollte seine Herrschaft nach innen und außen legitimieren. Außerdem sollte eine institutionalisierte Machtverteilung zwischen Pinochet und den anderen Generälen gefunden werden. Weiter sollte der Übergang zu einer Demokratie festgelegt werden, diese Transition weit in die Zukunft geschoben werden und auch nach einem Übergang die Vormachtstellung des Militärs und die Etablierung einer radikal marktorientierten Wirtschaftsform sichergestellt werden. Andererseits sollte ein mächtiger und unabhängig agierender Präsident wie Allende (unter Freis Verfassung von 1970) verhindert werden.
Schon im Oktober 1978 wurde von einer Kommission (Comisión de Estudios de la Nueva Constitución) ein Verfassungsentwurf vorgelegt. Federführend war dabei der konservative Ex-Präsident Jorge Alessandri. Der Staatsrat (Consejo de Estado) modifizierte den Entwurf, und schließlich änderten ihn Pinochet und seine Junta nochmals. In einer nicht demokratischen Kriterien genügenden Abstimmung wurde die Verfassung im September 1980 angenommen. Es gab keine Wahlregister (diese waren 1973 von den Militärs vernichtet worden), keinen alternativen Verfassungsvorschlag und keine freien Medien. Zuvor waren durch sieben Jahre massiver Repressionen die Oppositionellen eingeschüchtert worden; viele wurden ermordet oder wanderten aus.
In Chile hat der Präsident eine extrem starke Stellung. Besonders die „reaktiven“, also Status-quo-verteidigenden Rechte sind umfassend, während „proaktive“, also ändernde Rechte schwächer ausgeprägt sind.
Der Präsident wird in direkter Wahl mit absoluter Mehrheit (also u. U. mit Stichwahl gewählt). Er ernennt die Minister, die nur ihm und nicht dem Parlament verantwortlich sind. Der Präsident kann nur durch eine Zweidrittelmehrheit des Senats des Amtes enthoben werden, Minister mit einfacher Mehrheit. Der Präsident hat zwar keine Dekretsbefugnis (also Gesetze ohne Parlamentszustimmung zu erlassen), allerdings besitzt er in vielen Bereichen das exklusive Recht für Gesetzesinitiativen, etwa in Fragen der Finanzpolitik des Staates, der Mindestlöhne und der sozialen Sicherungssysteme. Beim Staatshaushalt sind die Rechte des Präsidenten noch umfassender. Das Parlament hat nur 60 Tage Zeit, den Budgetvorschlag zu beraten, und kann außerdem keine Ausgabenerhöhung beschließen. Alle Ausgabengesetze müssen die Finanzierungsquellen nennen. Im Gesetzgebungsverfahren kann der Präsident verschiedene Stufen der Dringlichkeit (mit Beratungsfristen von 60, 10 und 3 Tagen) anordnen, die allerdings häufig vom Parlament missachtet werden. Legt der Präsident ein Veto gegen ein Gesetz ein, kann er nur durch eine Zweidrittelmehrheit beider Kammern überstimmt werden.
Der nationale Sicherheitsrat von Chile (Consejo de Seguridad Nacional de Chile, COSENA) ist ein Instrument, mit dem die Militärführung aktiv in die Politik eingreifen kann. Er entscheidet über wichtige Fragen, etwa die Entlassung von Generälen oder die Ausrufung des Ausnahmezustandes, und war ein zentrales Organ der chilenischen Verfassung. Er setzte sich zusammen aus
Schon seit dem „Kupfergesetz“ (ley 13.196) von 1958 erhalten die chilenischen Streitkräfte direkte Einkünfte aus dem Kupferbergbau. Ein LOC Pinochets legt fest, dass 10 % der Exporterlöse des staatlichen Kupferkonzerns CODELCO (in US-Dollar) für Investitionen des Militärs bereitstehen. Außerdem wurde für den Verteidigungshaushalt eine Mindesthöhe auf der Basis des (inflationsbereinigten) Budgets von 1989 festgeschrieben. Bei einem ökonomischen Niedergang wäre der Anteil der Militärausgaben am Bruttoinlandsprodukt gestiegen.
Die Carabineros (Nationale Polizei) sind als vierte Gattung der Streitkräfte (neben Armee, Luftwaffe und Marine) im Verteidigungsministerium angesiedelt.
Der Nationalkongress Chiles ist ein Zwei-Kammer-Parlament mit einer Abgeordnetenkammer und einem Senat. Die Abgeordneten (diputados) werden alle vier Jahre in 60 Wahlkreisen nach dem binomialen Wahlsystem gewählt. Der Senat setzt sich aus 26 gewählten Senatoren (2 aus jeder Region, die alle vier Jahre zur Hälfte gewählt werden) und neun ernannten Senatoren zusammen, nämlich
Die Kontrolle der Exekutive obliegt allein dem Abgeordnetenhaus. Es kann Anfragen an Regierungsmitglieder stellen, die beantwortet werden müssen, die Regierungspolitik aber nicht zwangsläufig beeinflussen. Die Stellung des chilenischen Parlaments bei der Mitgestaltung von Politik und Gesetzgebung ist schwach, unter anderem weil beide Kammern stark symmetrische Kompetenzen haben, die sich gegenseitig blockieren können. So gehen 87 % der in den 1990er Jahren tatsächlich verabschiedeten Gesetze auf Initiativen des Präsidenten zurück, obwohl jeder Abgeordnete oder Senator Gesetzesvorschläge einbringen kann (Ausnahmen siehe unter: Exekutive).
Die Leyes Orgánicas Constitucionales (LOC), auf Deutsch etwa Verfassungsorgangesetze sind sozusagen eine „Verfassung zweiter Klasse“. Sie sind nicht Bestandteil der Verfassung, regeln aber zentrale Politikbereiche, etwa Zentralbank, Verfassungsgericht, Wahlrecht, Polizei und Militär. Außerdem gelten für sie erhöhte Hürden für die Änderung (4/7 der Mitglieder beider Parlamentskammern).
Die Verfassung von 1980 sah acht Jahre später ein Referendum über eine weitere Amtszeit für Augusto Pinochet vor. Am 5. Oktober 1988 stimmte dann jedoch eine Mehrheit von 55,99 Prozent gegen eine weitere Amtszeit Pinochets. In der Folge kam es zu Verhandlungen über Verfassungsänderungen zwischen Anhängern Pinochets und der Opposition.
Die Verhandlungen zu den Verfassungsänderungen von 1989 fanden in einem spannungsreichen Umfeld statt, nämlich zwischen dem von Pinochet verlorenen Referendum im Oktober 1988 und der ersten freien Präsidentschaftswahl mehr als ein Jahr später. Schon am 14. Oktober 1988 – Tage nach dem verlorenen Referendum – stellte Pinochet seinen Machtanspruch klar:
«si tocan a uno solo de mis hombres, se acaba el estado de derecho»
„Wenn sie auch nur einen meiner Männer anrühren, ist der Rechtsstaat beendet“
Die Opposition stand vor dem Dilemma, einerseits den Demokratisierungsprozess nicht gefährden zu wollen und andererseits durch eine Zustimmung zu den Reformen die oktroyierte Verfassung der Militärs zumindest scheinbar zu legitimieren.
Mit dem Gesetz 20.050 vom 26. August 2005 wurde die Verfassung an 58 Stellen geändert. Dabei wurden wichtige Fortschritte erzielt, um den Einfluss der Militärs auf die Politik zu begrenzen und undemokratische Elemente der Legislative zu beseitigen. Die wichtigsten Neuerungen waren:
In den Jahren 2019 und 2020 gab es in Chile Proteste gegen die soziale Ungleichheit. Eine der Forderungen war, eine neue Verfassung auszuarbeiten.
Im Dezember 2019 kündigte die Regierung Piñera einen Volksentscheid darüber an. Zur Abstimmung standen zwei Fragen:
Die Abstimmung war ursprünglich am 26. April 2020 geplant. Sie wurde wegen der COVID-19-Pandemie verschoben. Das Plebiszit fand schließlich am 25. Oktober 2020 statt.
Im amtlichen Endergebnis zeigte sich eine große Zustimmung zur Erarbeitung einer neuen Verfassung (78 %). Diese solle von einer verfassunggebenden Versammlung, die zu 100 % aus direkt gewählten Volksvertretern bestehen solle, erarbeitet werden (79 %).
Die Verfassunggebende Versammlung wurde am 15. und 16. Mai 2021 gewählt. Für die 155 Sitze waren mehr als 1300 Kandidaten angetreten. Ziel war die paritätische Besetzung der Versammlung mit gleich vielen Männern wie Frauen. 17 Sitze wurden von Vertretern der indigenen Bevölkerung besetzt. Die Versammlung erarbeitete ab Juli 2021 einen Verfassungsentwurf, der im Juli 2022 verabschiedet wurde.
Dieser Verfassungsentwurf stand am 4. September 2022 in einem zweiten Plebiszit zur Wahl. Dabei sollte die chilenische Bevölkerung entscheiden, ob sie die Annahme des von der Verfassungsgebenden Versammlung ausgearbeiteten Vorschlages wünscht. Der Verfassungsentwurf wurde von 62 % der Wähler verworfen.
Direkt in der Woche nach der Ablehnung des Verfassungsentwurfes von 2022 trafen sich die Parteispitzen der Mitglieder des Kongresses sowie Regierungsvertreter, um die Rahmenbedingungen eines neuen Verfassungsprozesses zu besprechen. Nach zähen Verhandlungen über drei Monate einigten sich die Parteien am 12. Dezember 2022 auf das Acuerdo por Chile, in dem die Grundzüge eines neuen Prozesses festgelegt wurden. Dabei sind in diesem Prozess drei Organe beteiligt: Eine Expertenkommission (Comisión Experta), ein Verfassungsgebender Rat sowie ein Technisches Zulässigkeitskomitee. Am 6. März 2023 nahmen die Expertenkommission und das Zulässigkeitskomitee ihre Arbeit auf.
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