Transvestitismus (von lateinisch trans „hinüber“, und vestire „kleiden“) bezeichnet das bewusste Tragen von Kleidung und Accessoires, die gemeinhin als stereotypisch gelten für die Geschlechterrolle des anderen Geschlechts innerhalb der binären Geschlechterordnung Mann/Frau (im Unterschied zu einer bloßen Verkleidung).
Abzugrenzen ist das Bedürfnis von transvestitischem Fetischismus.
Transvestitismus ist ein von Magnus Hirschfeld 1910 geprägter Begriff. Er beschrieb damit „alle Menschen, die, gleich aus welchen Gründen, freiwillig Kleidung tragen, die üblicherweise von dem Geschlecht, dem sie körperlich zugeordnet sind, nicht getragen werden; und zwar sowohl Männer als auch Frauen.“
Eine erste Unterscheidung zwischen Transvestitismus und von ihm so genannten seelischem Transsexualismus traf Hirschfeld selbst im Jahr 1923 in der letzten Ausgabe seines Jahrbuchs für sexuelle Zwischenstufen, um das Begehren einiger Transvestiten nach körperlicher Anpassung an das andere Geschlecht zu beschreiben. 1953 griff Harry Benjamin diese Unterscheidung in seinem Artikel Transvestism and Transsexualism (Intl. Journal of Sexology) auf und etablierte sie 1966 mit seiner Veröffentlichung The Transsexual Phenomenon in der Sexualmedizin.
Hirschfeld war es auch, der in Zusammenarbeit mit der Berliner Kriminalpolizei für diese Menschen erstmals ein Ausweisdokument ermöglichte, damit sie weitgehend ohne behördliche oder polizeiliche Verfolgung gegengeschlechtliche Kleidung in der Öffentlichkeit tragen konnten: Der umgangssprachlich sogenannte Transvestitenschein, welcher 1909 erstmals ausgegeben wurde.
Die Abgrenzung der folgenden Begriffe zum Transvestitismus ist mangels wissenschaftlicher klarer Definition unscharf, teilweise werden die Bezeichnungen synonym benutzt oder überlappen sich:
Daneben gibt es die Transvestition, die kultischen Hintergrund hat.
Klassifikation nach ICD-10 | |
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F64 | Störungen der Geschlechtsidentität |
F64.1 | Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Transvestitismus ist laut ICD-10 eine Störung der Geschlechtsidentität und wird dort unter dem Code F64.1 (Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen) aufgeführt. Transvestitismus wird jedoch nur dann als eine psychische Störung diagnostiziert, wenn die Betroffenen in klinisch bedeutsamer Weise darunter leiden. Zur Diagnose dieser Störung werden hauptsächlich drei Kriterien herangezogen:
Eine weitere davon zu unterscheidende Diagnose ist „transvestitischer Fetischismus“. Er gilt ebenfalls als psychische Störung oder Verhaltensstörung und wird den Paraphilien (F65.1) zugerechnet.
Die Einstufung als Störung ist aber umstritten, da die meisten Betroffenen, bei denen eine der beiden Diagnosen gestellt wird, in ihrer Lebensführung kaum eingeschränkt sind. Die meisten Transvestiten führen ein normales Leben, sind verheiratet, gehen einer Arbeit nach und verkleiden sich nur privat.
Obwohl es Schätzungen gibt (nicht wissenschaftlich abgesichert), nach denen zwischen 1 und 10 % der Bevölkerung entsprechende Neigungen haben sollen, gibt es wenig Forschung und einschlägige Literatur. Im Internet finden sich zahlreiche Webseiten und passende Angebote für die bestehende Nachfrage; eine sichere Quantifizierung ist aber wegen fehlender Daten nicht möglich. Zu finden sind seit der Jahrtausendwende einige Studienarbeiten an Hochschulen, bei denen Personen mit Neigung zum Transvestitismus gesucht werden, aber oft werden die Ergebnisse nicht veröffentlicht.
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