Tempolimit

Der Begriff Tempolimit bezeichnet eine Vorschrift zur Begrenzung der mit einem Kraftfahrzeug auf Straßen zu fahrenden höchsten Geschwindigkeit.

Das Zustandekommen einer solchen Vorschrift stellt eine politische Willensentscheidung dar. Sie kann als Maßnahme zum Klimaschutz sowie zur Erhöhung der Verkehrssicherheit oder aus Lärmschutzgründen erwogen werden und ist wiederkehrend Gegenstand einer öffentlichen Debatte in Deutschland.

Tempolimit
Tempolimit 130

Tempolimits werden von zahlreichen Wissenschaftlern ebenso wie von vielen Vertretern von Umweltschutzorganisationen als ein kostengünstiges, einfach und schnell umsetzbares sowie nachweislich wirksames Mittel zur Erreichung von Klimaschutzzielen eingestuft. Hinzu kommen ökonomische Erwägungen. Kritiker veweisen auf die vergleichsweise geringe Reduktion von Treibhausgasen und die Einschränkung der individuellen Freiheit des einzelnen Autofahrers.

Im Verkehrsrecht wird der – im Vergleich zum Tempolimit – in der Bedeutung breiter angelegte, weniger spezifische Begriff der „zulässigen Höchstgeschwindigkeit“ verwendet.

Forderungen

Tempolimit 
Aktuelle Forderung 100–80–30
Tempolimit 
Altes Forderungsplakat der Deutschen Umwelthilfe zu Tempolimits

Deutschland

Tempo 100–80–30 fordert in Deutschland ein Bündnis von VCD, ADFC, VSF, BUND, Greenpeace, Verkehrsunfall-Opferhilfe, Klimaschutz im Bundestag, GdP NRW und HannovAIR. Initiator ist die DUH.

Im Bundestagswahlkampf 2021 forderten Die Grünen in ihrem Regierungsprogramm 2021 Tempo 130/120 km/h auf Autobahnen und in Ortschaften generell Tempo 30. Ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen forderte die SPD, während Die Linke ein Tempolimit von 130/120 km/h forderte.

Ein Tempolimit auf Autobahnen lehnten CDU/CSU, FDP und AfD ab.

Die Evangelische Kirche in Deutschland hat im November 2022 in der Synode beschlossen, bei allen Pkw-Fahrten im kirchlichen Kontext ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Landstraßen einzuhalten, um Treibhausgas-Emissionen spürbar zu reduzieren.

Audi-Vorstand Markus Duesmann hält Tempolimits und autofreie Sonntage für „erprobte Maßnahmen“, die „ein kleiner Schritt für Autofahrerende“ wären, aber „ein großer Sprung für Energieeinsparungen“.

Die Deutsche Umwelthilfe forderte von der Regierung, ab 1. März 2023 Tempo 100–80–30 verbindlich einzuführen.

In einem am 26. Januar 2024 veröffentlichten Interview vertritt der frühere Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV) Siegfried Brockmann die Auffassung, dass die Einführung eines Tempolimits von 140 km/h oder 150 km/h auf den Autobahnen zu prüfen sei. Zur Begründung führte er an, dies würde eine homogene Geschwindigkeit gewährleisten; zumal über 90 Prozent aller Verkehrsteilnehmer auf der Autobahn ohnehin nicht schneller als 140 km/h führen. Wenn auf allen Spuren im gleichen Geschwindigkeitsbereich gefahren würde, wären viele Gefahrsituationen durch plötzliche Ausweich- und Bremsmanöver vermieden. Denn wenn alle ungefähr gleich schnell fahren, erübrigten sich gefahrträchtige Überholmanöver. Damit würde der größte Risikofaktor auf Autobahnen ausgeschlossen.

Schweiz

In der Schweiz fordern die Parteien Grüne, SP und GLP eine generelle Tempolimite von maximal 100 km/h. Tempo 80 ist in der Schweiz seit 1985 geltende Höchstgeschwindigkeit auf Landstraßen.

Österreich

Tempo 100–80–30 fordern die Leiter mehrerer österreichischer Verkehrsinstitute.

Ziele

Tempolimit 
Verkehrstote nach Unfallursache 2010 vs 2019

Die wichtigsten Ziele sind:

Gegenargumente

  • längere Fahrtzeiten
  • Eingriff in das Freiheitsgefühl
  • Schwächung der Wirtschaft durch Wohlfahrtsverluste (IFW)
  • Geringere Mineralölsteuer-Einnahmen
  • Image- und Absatzschaden für die deutsche Autoindustrie

Auswirkungen auf die Emissionen des Verkehrssektors

Tempolimit 
Treibhausgas-Entwicklung
mit Umsetzungs-Lücke (rot)
und fehlenden Zielen für 2030–2045

2019 war der Verkehrssektor in Deutschland für rund 164 Millionen Tonnen Treibhausgase verantwortlich. Das entspricht 20 Prozent der Treibhausgasemissionen Deutschlands. Gegenüber 1990 ist der relative Anteil um 7 Prozent Prozentpunkte gestiegen. Das Bundes-Klimaschutzgesetz verlangt aber eine Reduktion auf 85 Millionen Tonnen bis spätestens 2030.

Für jedes Jahr ist die zu erreichende Reduktion festgeschrieben: auf 150 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente für das Jahr 2020, 145 Mio. To. (2021), 139 Mio. To. (2022), 134 Mio. To. (2023), 128 Mio. To. (2024), 123 Mio. To. (2025), 117 Mio. To. (2026), 112 Mio. To. (2027), 105 Mio. To. (2028), 96 Mio. To. (2029), 85 Mio. To. (2030). 2020 und 2021 wurden die Zahlen wegen der COVID-19-Pandemie erreicht.

Das Bundesverfassungsgericht erklärte 2021 mehrere Teile des Gesetzes als mit den Grundrechten unvereinbar und verpflichtete den Gesetzgeber, bis Ende 2022 die Minderungsziele entsprechend zu regeln.

Im Dezember 2022 lehnte das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde zu Einführung eines allgemeinen Tempolimits auf Bundesautobahnen ab. Die Kläger konnten hierbei nicht substantiiert darlegen, dass gerade das Fehlen eines allgemeinen Tempolimits eingriffsähnliche Vorwirkung auf ihre Freiheitsgrundrechte entfalten könnte.

Zu den Auswirkungen eines Tempolimits schreibt das Umweltbundesamt:

„Die Einführung eines allgemeinen Tempolimits auf Autobahnen wäre ein kurzfristig realisierbarer, kostengünstiger und wirksamer Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen des Verkehrs. Zudem würde auch die Verkehrssicherheit erhöht und die Lärm- und Schadstoffemissionen gemindert.“

Umweltbundesamt
Tempolimit 
Schilder vor dem deutschen Verkehrsministerium

Das FDP-geführte Verkehrsministerium hingegen verfehlt bisher die im Bundes-Klimaschutzgesetz vorgegebenen Ziele und setzt sich gegen ein Tempolimit ein. Die verkehrspolitische Sprecherin fasst zusammen:

„Ein allgemeines Tempolimit ist weder von uns gewollt, noch macht es für den Klimaschutz oder die Verkehrssicherheit Sinn, sondern ist reine Symbolpolitik, die wir ablehnen.“

heise.de

Der vom Verkehrsminister beklagte Schildermangel für ein Tempolimit führte zu einer symbolischen Schilderspende durch die Letzte Generation.

Umfragen

In den meisten Umfragen fanden sich Mehrheiten für ein Tempolimit auf Autobahnen von 130 km/h. Hierbei waren generell ältere eher für ein Tempolimit als jüngere Befragte.

Ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen fand mehrheitlich keine Zustimmung. Auch lehnt eine Mehrheit ein flächendeckendes Tempolimit von 30 km/h innerorts ab.

Im Jahr 2022 sprachen sich mit 52 % erstmals seit 1994 eine knappe Mehrheit der ADAC Mitglieder für ein Tempolimit auf Autobahnen von 130 km/h aus. Während 2021 eine Umfrage unter Autofahrern eine knappe Mehrheit (52 %) gegen ein Tempolimit von 130 km/h feststellte.

In einer vom ZDF durchgeführten Umfrage sprachen sich 50 Prozent der Teilnehmer für ein generelles Tempolimit aus, 25 Prozent befürworten ein befristetes Tempolimit für drei Jahre, 24 Prozent lehnen ein Tempolimit ab.

Studien zur CO₂-Reduktion

Das deutsche Bundesumweltamt berechnete, dass ein bundesweites, generelles Tempolimit von 120 Kilometern pro Stunde (km/h) auf Autobahnen die gesamten CO₂-Emissionen von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen um rund 2,6 Mio. Tonnen CO₂ senken könnte. Bei einem Tempolimit von 100 km/h läge die Minderung bei 5,4 Mio. Tonnen CO₂, bei 130 km/h 1,9 Mio. Tonnen CO₂. Bei einer neuen Studie mit Verkehrs-Daten des Navigationsherstellers TomTom kam das Bundesumweltamt bei einem Tempolimit von 120 km/h auf eine Reduktion von 6,7 Mio. Tonnen CO₂. Die Ergebnisse wurden von vielen Seiten kritisiert, da diese Studie auf fünf Jahre alten Daten zurückgriff und diese verzerrt seien und deutliche Verlagerungen von der Straße auf die Schiene beinhalteten. Ein Gegengutachten, das von der FDP daraufhin beantragt wurde, kam ledliglich auf eine Einsparung von bis zu 1,1 Mio. Tonnen CO₂ bei einem Tempolimit von 120 km/h.

Die Agora Verkehrswende berechnete für die Einführung eines Tempolimit von 130 km/h eine Einsparung von 1–2 Mio. Tonnen CO₂. Bei 120 km/h 2–3,5 Mio. Tonnen CO₂.

Die Deutsche Umwelthilfe berechnete für Tempo–100/80/30 eine Reduktion von insgesamt 11,1 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente, das entspricht 36 Prozent. Auf der Autobahn werden durch Tempo–100 etwa 9,6 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente gespart.

Dazu nutzten sie eine Studie des Umweltbundesamts von 2023, in der differenzierte Berechnungen zu Tempo–120 und Tempo–80 angestellt wurden. Eine ebenso differenzierte Studie für Tempo–100 soll demnächst erfolgen.

Autobahn

Tempolimit 
Alternativer Entwurf eines Verkehrsschildes aus klimabedingtem Anlass

Im Jahr 2020 verursachten Pkw und leichte Nutzfahrzeuge auf Bundesautobahnen in Deutschland Treibhausgasemissionen von rund 39,1 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente. Die Deutsche Umwelthilfe berechnete, das ein Tempolimit von 100 km/h würde die Treibhausgasemissionen um 9,6 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente mindern. Das entspricht einer Minderung von 31 Prozent. Ein Tempolimit von 120 km/h würde die Emissionen um jährlich 6,7 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente reduzieren, entsprechend 21 Prozent. Ein Tempolimit von 130 km/h würde die Treibhausgasemissionen um 1,6 Millionen Tonnen reduzieren, entsprechend 4,9 Prozent.

Tempo Reduktion in %
100 9,6 Mio. Tonnen 31,0
120 6,7 Mio. Tonnen 21,0
130 1,6 Mio. Tonnen 04,9

In der Schweiz und in Liechtenstein gilt Tempo 120 seit 1985. Grüne, SP und GLP fordern Tempo 100.

Landstraße

Rund 43 Prozent der Gesamtfahrleistung von Pkw entstehen in Deutschland auf Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften (Autobahnen ausgenommen). Ein Tempolimit von 80 km/h würde die Treibhausgasemissionen um 1,1 Millionen Tonnen CO₂ reduzieren. Das entspricht einer Minderung von 5 bis 8 Prozent.

In der Schweiz und in Liechtenstein ist Tempo 80 schon seit 1985 eingeführt. Tempo 80 gilt in einigen weiteren europäischen Ländern.

Innerorts

Der Deutsche Städtetag fordert für die Kommunen mehr Rechte bei der Verkehrsplanung. Über 480 Kommunen unterstützen bisher diese Forderung, darunter alle Großstädte, und decken damit etwa 1/3 der Bevölkerung ab.

Viele Hauptstädte haben generell Tempo 30 eingeführt, beispielsweise Paris, Antwerpen, Brüssel, Mainz, Hannover, Helsinki, Oslo.

Tempolimit 
Tempo 30 reduziert den Reaktions- und Bremsweg erheblich

Das Bundesumweltamt empfiehlt Tempo 30 in Ortschaften. Damit können Unfälle und Unfallfolgen deutlich verringert werden, da der Bremsweg deutlich kürzer ist als bei Tempo 50. Es entsteht sozusagen eine unfallfreie Zone (grün). In Spanien gilt generell Tempo 30 in städtischen Straßen mit zwei Fahrbahnen. In Helsinki konnten die Todesfälle durch Tempo 30 auf Null reduziert werden.

Tempo Reaktions- Bremsweg
30 km/h 16,7 m 3,5 m
50 km/h 27,8 m 9,8 m

Die Reduktion der Abgase beträgt bei Tempo 30 je nach Stadt zwischen 0,5 und 5,5 Prozent CO₂-Äquivalente.

Situation im restlichen Europa

Tempolimit 
Tempolimits auf Autobahnen in Europa, 2022. Deutschland ist der einzige Industriestaat und das einzige Land der westlichen Welt ohne allgemeines Tempolimit auf Autobahnen.
Land innerorts Landstraße Autobahn
Spanien 30 90 120
Zypern 50 80 100
Schweiz 50 80 120
Niederlande 50 80 100/130
Frankreich 50 80 130
Dänemark 50 80 130
Belgien 50 90 120
Luxemburg 50 90 110/130
Italien 50 90 130
Tschechien 50 90 130
Polen 50/60 90 140
Österreich 50 100 130
Deutschland 50 100 unbegrenzt

Einige Länder haben unterschiedliche Tempolimits tagsüber und nachts.

Schweden hat 20 Verkehrstote pro 1 Million Einwohner, Rumänien 92 Tote. Eine Vereinheitlichung der Höchstgeschwindigkeiten ist von der EU nicht geplant. Zur Unfallreduzierung setzt die EU mit der Intelligent Speed Adaption auf eine technische Lösung.

Siehe auch

Einzelnachweise

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