Staatsvertrag: Vertrag, der zwischen Staaten geschlossen wird

Ein Staatsvertrag ist ein Vertrag, bei dem mindestens einer der Vertragspartner ein staatliches Organ ist.

Allgemeines

Verträge können nicht nur – gegenseitig oder untereinander – zwischen natürlichen Personen oder Unternehmen geschlossen werden, sondern auch zwischen Staaten. Sie bilden dann einen Teil des Völkerrechts. Der Inhalt muss über das bloße Verwaltungsabkommen – das von der Exekutive auch ohne Mitwirkung des Gesetzgebers abgeschlossen werden kann – hinausgehen. Im engeren Sinne handelt es sich bei einem Staatsvertrag um ein internationales Übereinkommen, das völkerrechtlichen Rang hat und zwischen zwei oder mehreren Staaten vereinbart worden ist. Verträge zwischen zwei Staaten nennt man ‚bilateral‘, solche zwischen mehreren Staaten haben pluri- oder multilateralen Charakter. Staatsverträge regeln in Deutschland die politischen Beziehungen des Bundes oder beziehen sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung. Die Inhalte des Staatsvertrags können innerstaatlich nur umgesetzt werden, wenn gesetzgeberische Akte seine Inhalte in Gesetze übertragen.

Der Sprachgebrauch für Staatsvertrag ist im deutschen Sprachraum nicht einheitlich. Für gewöhnlich werden auch solche Übereinkünfte Staatsvertrag genannt, die ein Staatsorgan mit anderen Organisationen abschließt, etwa mit Nichtregierungsorganisationen (in der Schweiz und in Deutschland) oder ein so genannter Staatskirchenvertrag mit einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft.

Zustandekommen

Einem Staatsvertrag gehen bilaterale oder multilaterale Verhandlungen zwischen den Unterhändlern der Vertragsparteien voraus, deren Zwischenergebnisse in einem Term Sheet zusammengefasst und von den Parteien paraphiert werden. Wurden die gewünschten Vertragsziele erreicht, kommt es zur medienwirksamen Unterzeichnung der Staatsverträge mit gegenseitigem Austausch der unterzeichneten Dokumente. Ob ein Staatsvertrag durch diese Unterzeichnung bereits Rechtswirksamkeit entfaltet, hängt vom nationalen Recht der betroffenen Staaten ab. Ist noch die Zustimmung des Parlaments oder sonstiger Staatsorgane erforderlich, nennt man diesen Vorgang Ratifizierung. Die Zustimmung erfolgt innerstaatlich durch ein Gesetz („Vertragsgesetz“), das außerdem auch für die Transformation (Umsetzung) der Inhalte in innerstaatliches Recht („Transformationsgesetz“) sorgt. Erst nach Inkrafttreten dieses Gesetzes ist eine Unterzeichnung möglich. Wird er bereits vorher unterzeichnet, ist ein Staatsvertrag schwebend unwirksam.

Inhalt und Arten

Der Staatsvertrag ist eine Rechtsquelle und schafft Recht im objektiven Sinn. Je nachdem, ob Staatsverträge Geltung für alle Staaten der Welt entfalten oder nur zwischen den Vertragsparteien, wird zwischen universellem und partikulärem Völkerrecht unterschieden. Nach Art. 59 Abs. 1 Satz 2 GG schließt der Bundespräsident im Namen des Bundes die Verträge mit auswärtigen Staaten. In Art. 59 Abs. 2 GG ist zudem vorgeschrieben, dass völkerrechtliche Verträge, die die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, der Zustimmung der für die Bundesgesetzgebung zuständigen Gremien in Form eines Bundesgesetzes bedürfen. Dies trifft nur auf „politische Staatsverträge“ zu, die sich mit der „Existenz des Staates, seiner territorialen Integrität, seiner Unabhängigkeit, seiner Stellung oder seinem maßgeblichen Gewicht in der Staatengemeinschaft“ befassen. Dazu gehören Abkommen über die politische Zusammenarbeit, Bündnisse, Friedens-, Nichtangriffs-, Waffenstillstands-, Neutralitäts- oder Abrüstungsverträge. Damit gehen sie inhaltlich über öffentliche Angelegenheiten, Gemeinwohl oder Staatsgeschäfte hinaus. Ob Kulturabkommen oder Handelsabkommen ein „politischer Staatsvertrag“ sind, hängt vom Einzelfall ab.

Staatsverträge zwischen Staaten in der Praxis:

Bedeutende Staatsverträge

Ersichtlich ältester Staatsvertrag ist der zwischen Portugal und England geschlossene Vertrag von Windsor vom 9. Mai 1386. Salzburg und Bayern schlossen am 15. Januar 1530 einen das Vogtgericht zu Mühldorf und Neumarkt und andere Jurisdiktions-Streitigkeiten betreffenden Staatsvertrag. Der Rechtsbegriff des Staatsvertrages tauchte im deutschen Recht erstmals 1773 durch den Lexikografen Johann Georg Krünitz in seiner Enzyklopädie auf. Ein Staatsvertrag zwischen Frankreich und Holland vom 24. Mai 1806 regelte die Unabhängigkeit der Niederlande. Der Rhein war Gegenstand vieler Staatsverträge, so etwa des Staatsvertrages des Deutschen Reiches mit den Niederlanden und der Schweiz bezüglich der Lachsfischerei im Rhein vom 30. Juni 1885. Der am 13. Dezember 1892 zwischen Österreich-Ungarn und der Schweiz abgeschlossene Staatsvertrag befasste sich mit der Rheinregulierung in der Region. Der Vertrag von Saint-Germain vom 10. September 1919 regelte nach dem Ersten Weltkrieg die Auflösung der österreichischen Reichshälfte („die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder'“) Österreich-Ungarns und die Bedingungen für die neue Republik Deutschösterreich. Mit dem am 15. Mai 1955 in Wien unterzeichneten Staatsvertrag erlangte Österreich wieder seine volle politische Souveränität. Der Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Auflösung der DDR, ihren Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland und die deutsche Einheit trat am 29. September 1990 in Kraft. Der am 13. Dezember 2007 geschlossene Vertrag von Lissabon reformierte den Vertrag über die Europäische Union und den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, die ebenfalls Staatsverträge waren.

Deutschland

Zustimmung der Länder zu völkerrechtlichen Verträgen des Bundes

Will der Bund einen Staatsvertrag oder einen anderen völkerrechtlichen Vertrag schließen, der ganz oder teilweise die Gesetzgebungskompetenz der Länder berührt, dann muss er zunächst nach dem Lindauer Abkommen die Zustimmung der betroffenen Bundesländer einholen. Diese können nach Art. 32 Abs. 3 GG selbst Staatsverträge mit ausländischen Staaten schließen, wenn sie hierfür die Zustimmung der Bundesregierung einholen.

Staatsverträge zwischen Bundesländern

Da in Deutschland die Länder über eigene Gesetzgebungskompetenzen (Art. 70 ff. GG) verfügen, wird der Begriff auch für Verträge zwischen zwei (bilateral) oder mehreren (multilateral) Bundesländern angewandt (Länderstaatsverträge). Über das Verfahren zum Zustandekommen solcher Verträge gibt es keine Regelungen durch das Grundgesetz. Es hat sich jedoch eine im Wesentlichen an die Regelungen völkerrechtlicher Verträge orientierte Praxis entwickelt. So ist die Ratifizierung eines Vertrages von jedem einzelnen Bundesland unabdingbar. Stimmt das Landesparlament eines oder mehrerer Länder gegen die Ratifizierung und findet diese somit nicht statt, berührt das die rechtliche Wirkung des Vertrages zwischen den übrigen Ländern prinzipiell nicht. Um zu verhindern, dass ein Staatsvertrag von zu wenigen Ländern ratifiziert wird, kann im Vertrag ein Quorum vereinbart werden, das eine Mindestzahl von ratifizierenden Länder vorgibt. Oft werden wirtschaftliche Zusammenarbeit oder Grenzangelegenheiten in diesen Staatsverträgen geregelt. Beispiele für solche Verträge sind die Gründung des ZDF, der Rundfunkstaatsvertrag und der Glücksspielstaatsvertrag. Sinn eines innerdeutschen Staatsvertrags ist es, gesetzliche Regelungen, die aufgrund der Kompetenzen der Bundesländer eigentlich Sache der jeweiligen Landesregierungen wären, in einer bundesweiten Regelung zusammenzufassen und damit Rechtseinheit herzustellen. Die jeweiligen Landesparlamente haben diesen Staatsvertrag anschließend durch ein so genanntes Zustimmungsgesetz (Transformationsgesetz) in ein Landesgesetz zu übernehmen. Erst nach dieser Ratifizierung des Staatsvertrags durch alle beteiligten Landtage kann der Vertrag in Kraft treten.

Weitere Staatsverträge der Bundesländer

Als Staatsvertrag wird außerdem die Übereinkunft des deutschen Bundeslandes Schleswig-Holstein mit Sinti und Roma bezeichnet, der seit dem 14. November 2012 besteht, ebenso wie die geplante Übereinkunft des Landes Baden-Württemberg mit dem Verband Deutscher Sinti und Roma Baden-Württemberg, der im März 2013 ebenfalls als Staatsvertrag angekündigt worden war und am 18. Dezember 2013 beschlossen wurde. Mit dem Vertrag soll historische Verantwortung gegenüber Sinti und Roma bekundet werden, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft Verfolgung und Völkermord ausgesetzt waren.

Seit einigen Jahren gibt es in Deutschland Bestrebungen, die gesellschaftliche Rolle, namentlich die Rechte und Pflichten von islamischen Religionsgemeinschaften (Muslime und Aleviten), aber auch jene des Staates in Bezug zu den islamischen Gemeinschaften in Form von Staatsverträgen festzulegen. Diese Verträge sind nicht mit den Kirchenstaatsverträgen zu vergleichen, da die Kirchen, anders als derzeit die islamischen Gemeinschaften (mit Ausnahme der Ahmadiyya Muslim Jamaat in Hessen), Körperschaften öffentlichen Rechts sind. Als solche gelten die Kirchen als „grundgesetzloyal“, zudem sind sie „auf Dauer und auf Repräsentanz angelegt“, was für muslimische Verbände, die oft mehr politische als originär religiöse Aufgaben wahrnehmen, im Vorfeld von Staatsvertragsverhandlungen erst gutachterlich ermittelt wird. Für die muslimischen Gemeinschaften werden lediglich grundgesetzlich garantierte Rechte noch einmal festgeschrieben und in Detailfragen, entsprechend den Wünschen und Forderungen der jeweiligen Glaubensgemeinschaften, aber auch jenen des Staates, konkretisiert. Ausverhandelt und in Kraft gesetzt wurden solche Verträge mittlerweile in den Stadtstaaten Bremen und Hamburg.

Schweiz

In der Schweiz wird der Begriff Staatsvertrag in ähnlichem Sinne verwendet. Es kann zwar Staatsverträge des Staates mit anderen Staaten geben, jedoch auch Verträge des Staates mit Organisationen. Staatsverträge zwischen Kantonen werden Konkordate genannt.

Österreich

Auch in Österreich gibt es einerseits Staatsverträge zwischen der Republik Österreich und anderen Staaten, hingegen wird dieser Begriff nicht – wie in der Schweiz und in Deutschland – für Verträge eines Staatsorgans mit Nichtregierungsorganisationen verwendet. In bestimmten Fällen können auch die Bundesländer Staatsverträge mit Drittstaaten abschließen (Art. 16 Abs. 2 und 3 B-VG). Verträge zwischen Bund und Ländern sowie zwischen den Ländern untereinander werden als Vereinbarungen gemäß Art. 15a B-VG bezeichnet.

Der allgemeine Sprachgebrauch meint mit Staatsvertrag insbesondere den Österreichischen Staatsvertrag, der am 15. Mai 1955 im Schloss Belvedere unterzeichnet wurde und die Unabhängigkeit des Landes wiederherstellte. Darüber hinaus regelte er die Reparationen an die Sowjetunion, den Rückzug der vier Besatzungsmächte sowie den Aufbau von Bundesheer, Wirtschaft, Luftfahrt und Rechtswesen.

Siehe auch

Einzelnachweise

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