Sondergerichte sind in Deutschland Gerichte für spezielle Sachfragen.
Sie grenzen sich von der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Fachgerichtsbarkeit (Arbeits-, Verwaltungs-, Finanz-, Sozialgerichtsbarkeit), von Standgerichten und Ausnahmegerichten ab. Historisch werden auch außerhalb der (ursprünglich) gesetzlich vorgesehenen Gerichtsbarkeit errichtete Gerichte als Sondergerichte bezeichnet. Besonders bekannt ist der Begriff Sondergericht in Verbindung mit der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland.
Sondergerichte in Deutschland gab es bereits vor der Machtergreifung 1933 durch die Nationalsozialisten. Mit ihnen reagierte die jeweilige Staatsmacht auf Unruhen, indem sie ganze Komplexe von Straftatbeständen aus der Kompetenz der ordentlichen Gerichtsbarkeit herauslöste und speziell eingerichteten Spruchkörpern zuwies.
In Königreich Preußen konnte der jeweilige Militärbefehlshaber aufgrund des Gesetzes über den Belagerungszustand von 1851 Sondergerichte einrichten. Dieses Gesetz kam praktisch jedoch erst im Ersten Weltkrieg zur Anwendung.
In der Weimarer Republik wurden mehrmals auf Grundlage einer vom Reichspräsidenten erlassenen Notverordnung nach Artikel 48 Abs. 2 WRV Sondergerichte mit unterschiedlichen Befugnissen und Verfahrensordnungen eingerichtet sowie 1922 der „Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik“, der aber 1926 wieder abgeschafft wurde. Eine besondere Erscheinung in dieser Zeit stellen die bayerischen Volksgerichte dar, die im November 1918 eingerichtet wurden und bis zu ihrer Auflösung im Mai 1924 etwa 31.000 Urteile gefällt hatten.
Im Anschluss an die Notverordnung „gegen den politischen Terror“ vom 9. August 1932 ordnete die Reichsregierung unter von Papen die Einrichtung von Sondergerichten in bestimmten Oberlandes- und Landesgerichtsbezirken an. Die Verfahren waren durch eine massive Einschränkung der Verteidigungsrechte des Angeklagten und den Ausschluss von Rechtsmitteln gegen die Entscheidung des Gerichtes gekennzeichnet. Im Einzelnen:
Mit Wirkung vom 21. Dezember 1932 wurden diese Sondergerichte aufgehoben.
Bekannt waren Sondergerichte vor allem als Teil der NS-Justizverbrechen, bei denen sie durch die massenhafte Verhängung von Todesstrafen bzw. langjährigen Zuchthausstrafen oder Inhaftierung in Konzentrationslagern wegen meist geringfügiger Delikte hervortraten. Im juristischen Sinne sind sie zu unterscheiden von den für Wehrmachtsangehörige bereits 1934 wieder eingerichteten Militärgerichten (Kriegsgerichten), dem gleichfalls 1934 eingerichteten Volksgerichtshof sowie den in der Agonie (Todeskampf) des Dritten Reiches im Februar 1945 zur Aburteilung des jeweiligen „Täters“ im konkreten Einzelfall angeordneten Standgerichten, die lediglich auf Tod und (theoretisch) auf Freispruch oder Überweisung an ein gesetzlich vorgesehenes Gericht entscheiden konnten. Gemeinsam ist aber allen, dass sie politische Urteile fällten.
Bereits am 21. März 1933 wurde reichsweit für jeden Oberlandesgerichtsbezirk ein Sondergericht eingerichtet, insgesamt also 26. Mit der Ausdehnung ihrer sachlichen Zuständigkeit stieg auch die Zahl der eingerichteten Sondergerichte. Ende 1942 existierten insgesamt 74 Sondergerichte. Die Strafrechtspflege lag damit insgesamt überwiegend in den Händen der mit den dargestellten besonderen Befugnissen ausgestatteten Sondergerichte; in Hamburg erledigten beispielsweise die Sondergerichte 73 % aller Strafverfahren.
Die Sondergerichte waren mit anfangs beschränkter Zuständigkeit für spezielle Straftatbestände ausgestattet, die die NS-Machthaber zur Durchsetzung ihrer Herrschaft eingeführt hatten, nämlich Straftaten nach der „Reichstagsbrandverordnung“ vom 28. Februar 1933 und nach der „Heimtückeverordnung“ vom 21. März 1933. Ihre Zuständigkeit wurde mehrmals erweitert. Seit 1938 waren sie zuständig, sofern die Staatsanwaltschaft der Auffassung war, mit „Rücksicht auf […] die Verwerflichkeit der Tat oder die in der Öffentlichkeit hervorgerufene Erregung“ sei die sofortige Aburteilung geboten. In diesem Zusammenhang kam ihnen vorwiegend die Aufgabe zu, das von den Nationalsozialisten mit Kriegsausbruch sukzessive erlassene Kriegsstrafrecht durchzusetzen, das für einfache Vergehen wie etwa Diebstähle drastische Strafen bis hin zur Todesstrafe vorsah. Damit war auch für diesen Bereich das nationalsozialistische „gesunde Volksempfinden“ zum Maßstab der Rechtspflege geworden. Für schwere politische Straftaten blieben dagegen spezielle Senate der Oberlandesgerichte bzw. des Reichsgerichts und später des Volksgerichtshofs zuständig.
Sondergerichte sind als Teil des nationalsozialistischen Unrechtsstaates anzusehen. Während sie im Sinne der grundlegenden, bereits zeitgenössischen Unterscheidung Ernst Fraenkels noch zum Normenstaat gerechnet werden können, ist für die Gesamtbeurteilung wichtig, dass große Volksgruppenteile nicht einmal vom Grundsatz her diesen rudimentären Rechtsschutzanspruch hatten, sondern von vornherein der Willkür der Verwaltung – nach Ernst Fraenkel: dem Maßnahmenstaat – ausgeliefert waren. Dazu zählten nicht nur Juden, sondern auch die Völker des Ostens wie Polen, Russen und andere (vgl. hierzu im Einzelnen bei Schutzhaft).
Das Verfahren vor den Sondergerichten stand unter der Maxime äußerster Schnelligkeit. Dem dienten die Abschaffung der in der Strafjustiz aus rechtsstaatlichen Gründen eingeführten Voruntersuchung und des Eröffnungsbeschlusses und die Abkürzung der Ladungsfrist auf 24 Stunden. Später konnte sogar auf der Stelle gegen den Festgenommenen verhandelt werden. Der Vorsitzende des Gerichts konnte selbst gegen den Beschuldigten Haftbefehl erlassen. Später wurde sogar die Beschwerdemöglichkeit gegen diese Entscheidung abgeschafft. Das Sondergericht hatte freies Ermessen, ob und welche Beweise es zum Nachweis des Tatvorwurfs erheben wollte. Der Verurteilte hatte gegen das Urteil keine Rechtsmittelmöglichkeit. Nur die Staatsanwaltschaft konnte die so genannte Nichtigkeitsbeschwerde einlegen, was jedoch fast immer nur zu Ungunsten des Verurteilten erfolgte.
Mit diesen Regelungen verbanden die nationalsozialistischen Machthaber die Erwartung einer gnadenlosen Spruchpraxis. Der Staatssekretär des Reichsjustizministeriums und nachmalige Präsident des Volksgerichtshofs Roland Freisler kleidete dies 1939 in folgende Worte:
„Sie müssen ebenso schnell sein wie die Panzertruppe, sie sind mit großer Kampfkraft ausgestattet. Kein Sondergericht kann sagen, daß der Gesetzgeber ihm nicht genügend Kampfkraft gegeben habe. Sie müssen denselben Drang und dieselbe Fähigkeit haben, den Feind aufzusuchen, zu finden und zu stellen, und sie müssen die gleiche durchschlagende Treff- und Vernichtungsgenauigkeit gegenüber dem erkannten Feind haben.“
Der Reichsjustizminister Franz Gürtner schrieb im September 1939 in einem an Adolf Hitler gerichteten Memorandum, praktisch kämen die Sondergerichte Standgerichten gleich. Sie seien nur nicht als solche bezeichnet. Der Beginn des Zweiten Weltkrieges führte durch die Intensivierung der Verfahren vor Sondergerichten zu einer Einspannung der Strafjustiz für die Belange der Kriegsführung. Eine derartige schlagkräftige Strafjustiz war nach den Vorstellungen der Nationalsozialisten eines der zentralen Elemente ihrer Innenpolitik, mit der sie einen „Zusammenbruch der Heimatfront“ im Sinne des von Hitler und seinen Anhängern gepflegten Mythos der Dolchstoßlegende zu verhindern suchten.
Mit der Ausdehnung der sachlichen Zuständigkeit der Sondergerichte verbanden die nationalsozialistischen Machthaber erhebliche Strafverschärfungen. Der Beginn des Angriffskrieges gegen Polen gab sowohl Anlass als auch Vorwand zur Schaffung neuer Strafbestimmungen und der Verschärfung der Strafrechtspraxis. Das so teilweise neu geschaffene Kriegsstrafrecht sollte als "Waffe der inneren Front" dienen. Die Anzahl der Delikte, die mit Todesstrafe geahndet werden konnten, stieg bis 1943/1944 auf 46 an. Eine neue zentrale Strafbestimmung war die so genannte Volksschädlingsverordnung.
Die ungeheure Verschärfung der Strafen war in erster Linie jedoch nicht Ergebnis der Verschärfung des materiellen Rechts, sondern Folge der gnadenlosen Spruchpraxis der Gerichte. Eine Rede Hitlers am 26. April 1942 vor dem Reichstag veranlasste die Rechtsprechung zu noch größerer Härte. Hitler warf den Richtern unter Bezugnahme auf ein angebliches Fehlurteil vor, sie würden unnationalsozialistisch urteilen und auf wohlerworbene Rechte pochen, anstatt wie andere Volksgenossen im Interesse des Sieges Entbehrungen auf sich zu nehmen. Missliebigen Richtern drohte er, sie eigenhändig aus dem Amt zu werfen.
Über das besagte „Fehlurteil“ hatte Hitler sich in der Nacht vom 21. auf den 22. März 1942 aus dem Führerhauptquartier beim geschäftsführenden Justizminister Schlegelberger beklagt. Der damalige Staatssekretär Freisler erstattete Hitler am folgenden Tag Bericht. Hitler befahl daraufhin die Beseitigung des Urteils und die Hinrichtung des Täters. Bereits am 24. März legte Oberreichsanwalt Emil Brettle außerordentlichen Einspruch ein. In einem eilends anberaumten Termin vor einem Besonderen Strafsenat des Reichsgerichts, einem „Gerichtshof des Führers“ unter dem Vorsitz des Präsidenten des Reichsgerichts Erwin Bumke, wurde das Urteil bereits am 31. März korrigiert und anstatt 5 Jahren Zuchthaus die Todesstrafe verhängt.
Am 13. April 1942 setzte das Reichsgericht seine verschärfte Linie fort. Der 3. Strafsenat des Reichsgerichts unter Bumkes Vorsitz änderte ein Urteil des Sondergerichts Bremen, das den Betroffenen wegen Diebstahls eines Mantels zu 5 Jahren Zuchthaus und Sicherungsverwahrung verurteilt hatte, auf Nichtigkeitsbeschwerde der Reichsanwaltschaft ab. Der Senat verhängte, weil der Diebstahl unter den besonderen Umständen eines Fliegerangriffs stattgefunden habe, die Todesstrafe. Die Nichtigkeitsbeschwerde hatte der spätere Generalbundesanwalt Wolfgang Fränkel – damals als wissenschaftliche Hilfskraft zur Reichsanwaltschaft abgeordnet – eingelegt und damit begründet, dass die Volksgemeinschaft Anspruch auf Schutz habe vor einem Gewohnheits- und Gewaltverbrecher wie dem Angeklagten. Das war die erste Entscheidung des Reichsgerichts, in dem es selbst auf die Nichtigkeitsbeschwerde die Todesstrafe verhängte, anstatt dies, wie sonst, durch Zurückverweisung der Sache an das Sondergericht das Urteil von jenem treffen zu lassen.
Der frontale Angriff Hitlers führte zunehmend dazu, dass die Richter bei der Staatsanwaltschaft, den vorgesetzten Stellen, dem Ministerium und den Parteistellen vor dem Urteilsspruch abklärten, welches Urteil gewünscht war.
Die Gesamtzahl der Todesurteile (Sondergerichte, Volksgerichtshof und ordentliche Gerichte, ohne Militärgerichte) beträgt nach einer fundierten Schätzung rund 16.000. Davon haben allein die Sondergerichte wohl 11.000 Todesurteile verhängt. Sichere Angaben lassen sich nicht mehr machen. Die zunehmende Tendenz wird jedoch auch anhand der vom Reichsjustizministerium selbst angegebenen Zahlen deutlich: 1941 1292 Todesurteile, 1942 3660, 1943 5336. Dabei ist nicht ganz klar, ob dies alle genannten Gerichte zusammen betrifft oder nur die Sondergerichte.
Zum Vergleich: Von 1907 bis 1932, also einschließlich des Ersten Weltkrieges, wurden im Deutschen Reich 1.547 Personen zum Tode verurteilt. „Nur“ 393 hiervon wurden hingerichtet. Im faschistischen Italien unter Mussolini wurden 156 Todesurteile verhängt und davon 88 vollzogen.
Sondergerichte des Bundes sind Gerichte, die für spezielle Sachfragen als besondere Gerichte errichtet werden können. Gemäß Art. 101 Abs. 2 Grundgesetz (GG) ist dazu ein Gesetz notwendig. Dies ist eine unmittelbare Reaktion auf die Erfahrungen in der Zeit des Nationalsozialismus. Ihre Errichtung liegt im Ermessen des Bundesgesetzgebers. Die Gerichte nach Art. 96 Abs. 1, 2, 4 GG sind Sondergerichte. Dies sind die möglichen Wehrstrafgerichte, das existierende Bundespatentgericht und das ehemalige Bundesdisziplinargericht. Sondergerichte zeichnen sich meist durch besondere Verfahrensvorschriften aus. Zur Entscheidung von Einzelfällen berufene Sondergerichte sind hingegen als „Ausnahmegerichte“ i. S. d. Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG in der Bundesrepublik verfassungswidrig.
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