Meeresspiegelanstieg Seit 1850: Änderung des Höhen­niveaus der Meeres­oberfläche

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist – global betrachtet – ein deutlicher Meeresspiegelanstieg zu beobachten, der allein im 20. Jahrhundert bei etwa 17 cm gelegen hat.

In den vergangenen Jahrzehnten ist zudem eine Beschleunigung zu beobachten: Der durchschnittliche Meeresspiegelanstieg im Zeitraum von 1901 bis 2010 wird im Fünften Sachstandsbericht des IPCC mit 19 ± 2 cm angegeben. Zwischen 1901 und 2010 stieg der Meeresspiegel um 1,7 mm/Jahr, im Zeitraum 1993 bis 2010 waren es durchschnittlich 3,2 mm/Jahr. Für das Jahr 2018 wurde der Rekordwert von 3,7 mm gemessen.

Meeresspiegelanstieg Seit 1850: Erdgeschichtlicher Rückblick, Anstieg in der jüngeren Vergangenheit, Ursachen
Meeresspiegelbeobachtungen von 1993 bis 2020
Meeresspiegelanstieg Seit 1850: Erdgeschichtlicher Rückblick, Anstieg in der jüngeren Vergangenheit, Ursachen
Gemessener Anstieg des mittleren Meeresspiegels von 1870 bis 2009: ca. 25 cm
Meeresspiegelanstieg Seit 1850: Erdgeschichtlicher Rückblick, Anstieg in der jüngeren Vergangenheit, Ursachen
Regionale Verteilung des Meeresspiegelanstiegs von 1993 bis 2007: Messung mittels Satelliten TOPEX/Poseidon und Jason 1

Durch die bereits erfolgten Treibhausgasfreisetzungen werden die Meeresspiegel noch auf Jahrhunderte weiter ansteigen, die Höhe des Anstieges ist abhängig von der Menge der freigesetzten Treibhausgase. Der Meeresspiegelanstieg beruht im Wesentlichen auf zwei Phänomenen: Die Erwärmung der Ozeane führt zur Ausdehnung des Wassers, die gestiegenen Lufttemperaturen zum Abschmelzen von Gletschern und Eisschilden, wodurch Wasser vom Festland in die Ozeane gelangt.

Die Ursache für die anthropogene globale Erwärmung von Ozeanen und Erdatmosphäre sind Treibhausgasemissionen, die seit Beginn der Industrialisierung durch Nutzung von fossilen Energieressourcen sowie nicht-nachhaltiger Forst- und Landwirtschaft entstanden sind. In welchem Ausmaß langfristige geodynamische Veränderungen wie das Absinken tektonischer Platten oder eine Gegenbewegung zur kleinen Eiszeit (um 1850) beim Anstieg des Meeresspiegels eine Rolle spielen, ist bisher noch ungeklärt.

Systematischen Auswertungen von Expertenmeinungen zufolge besteht im Fall einer Erwärmung um 5 Kelvin eine fünfprozentige Wahrscheinlichkeit eines Meeresspiegelanstiegs um mehr als 238 cm bis zum Jahr 2100. Weiteren Forschungsergebnissen zufolge ist innerhalb von 300 Jahren ein Anstieg um 2,5 m bis zu 5,1 m möglich.

Der Meeresspiegelanstieg bedroht besonders Inselstaaten und Länder mit breiter Küstenfläche sowie einem tief liegenden Hinterland, etwa Bangladesch und die Niederlande. Dabei sind ärmere Staaten deutlich mehr gefährdet als wohlhabende Industriestaaten, die sich kostspielige Küstenschutzmaßnahmen leisten können. Effektiver Küstenschutz kostet deutlich weniger – in den meisten Fällen weniger als 0,1 % des BIP – als die Beseitigung der Schäden, die aus Inaktivität resultieren.

Erdgeschichtlicher Rückblick

Meeresspiegelanstieg Seit 1850: Erdgeschichtlicher Rückblick, Anstieg in der jüngeren Vergangenheit, Ursachen 
Meeresspiegel-Anstieg der letzten 24.000 Jahre: Besonders vermerkt ist der „Schmelzwasserpuls 1A“, eine kurze Übergangsphase zur heutigen Warmzeit, in der der Meeresspiegel um 4–5 cm/Jahr stieg

In der erdgeschichtlichen Vergangenheit gab es immer wieder enorme Schwankungen des Meeresspiegels. Dabei besteht oft ein enger Zusammenhang zwischen der globalen Temperatur und dem Meeresspiegel (siehe → Eustasie). Über geologische Zeiträume ist eine Änderung der globalen Durchschnittstemperatur um 1 K mit einem Anstieg bzw. einem Absinken des Meeresspiegels um 10 bis 20 m verbunden.

Zum letzten Mal war die Erde im Warmklima des Paläogens vor etwa 35 Millionen Jahren im Wesentlichen frei von größeren polaren Eiskappen. Der Meeresspiegel war damals knapp 70 m höher als heute. Am Eozän-Oligozän-Übergang verstärkte sich der im Mittleren Eozän beginnende weltweite Abkühlungstrend und führte zu ersten Vergletscherungen in der Antarktis. Im Pliozän vor etwa 3 Millionen Jahren war die Arktis großteils noch eisfrei beziehungsweise lediglich von kleineren Eiskappen bedeckt, deren Umfang und Volumen jedoch nicht genau bekannt sind. Das globale Klima lag über weite Teile der Epoche rund 2 bis 3 K über den vorindustriellen Temperaturwerten, mit einem entsprechend höheren Meeresspiegel von 15 bis 25 m über dem gegenwärtigen Niveau. Während des letzten Interglazials, der Eem-Warmzeit vor etwa 126.000 bis 115.000 Jahren, waren die Sommertemperaturen in der nördlichen Hemisphäre etwa 2 K wärmer als im vorindustriellen Vergleichszeitraum (auf Grönland sogar 5 K).

Die meisten neueren Studien gehen davon aus, dass in der Eem-Warmzeit der Meeresspiegel etwa 6 bis 9 m über dem heutigen Niveau lag. Davon entfiel auf den Grönländischen Eisschild ein Schmelzwasseranteil von ungefähr 1,5 bis 2,5 m, der Rest verteilte sich auf die Reduzierung der westantarktischen Eisbedeckung sowie auf die thermische Ausdehnung des Meerwassers und das Abschmelzen von Gebirgsgletschern. Demnach verlor der Grönländische Eisschild in diesem Zeitraum 20 bis 30 % seiner Masse, wobei einzelne Studien höhere Werte ansetzen und eine Abnahme bis zu 60 % veranschlagen.

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Paläogeographische Darstellung der Nordsee vor etwa 9000 Jahren (nach Ende der Weichsel-Kaltzeit)

Auf dem Höhepunkt der sich anschließenden Kaltzeit (Letzteiszeitliches Maximum) vor etwa 20.000 Jahren lag der Meeresspiegel um 120 m tiefer und die globale Durchschnittstemperatur im Vergleich zur vorindustriellen Epoche rund 6 K niedriger. Am Übergang zur gegenwärtigen Warmzeit, dem Holozän, stieg der Meeresspiegel im Laufe mehrerer Jahrtausende sehr rasch an. Vor etwa 8000 Jahren verlangsamte sich der Anstieg, um sich vor etwa 6000 Jahren auf ein nahezu gleichbleibendes Level einzupendeln. In Abhängigkeit von den relativ geringfügigen Schwankungen des globalen Klimas sowie aufgrund postglazialer Landhebungen oder -senkungen kam es im späteren Holozän nur noch zu Veränderungen des Meeresspiegels im Dezimeterbereich.

Anstieg in der jüngeren Vergangenheit

Seit der Industrialisierung und damit auch seit Beginn der menschlich verursachten globalen Erwärmung bis heute hat sich der Anstieg des Meeresspiegels deutlich beschleunigt. Im gesamten 18. Jahrhundert erhöhte er sich nur um 2 cm, im 19. Jahrhundert um 6 cm und im 20. Jahrhundert bereits um 19 cm.

Zwischen 1840 und 2001 wurde ein Anstieg des Wasserspiegels an der Nordseeküste von 23 cm ermittelt. Zwischen 1870 und 2004 ist der Meeresspiegel um etwa 19,5 cm angestiegen, die durchschnittliche gemessene Erhöhung betrug im 20. Jahrhundert 1,7 ± 0,5 mm/Jahr und zwischen 1961 und 2003 jährlich 1,8 ± 0,5 mm. Dabei könnte der Anstieg im Laufe des 20. Jahrhunderts noch unterschätzt worden sein. Werden die Wassermengen, die in zunehmendem Maße hinter Staudämmen zurückgehalten wurden, mit eingerechnet, ergibt sich für den Zeitraum von 1930 bis 2007 ein rechnerischer Anstieg um 2,46 mm/Jahr.

Seit den 1990er Jahren beschleunigte sich der Anstieg deutlich. Satellitendaten der Jahre 1993 bis 2016 zeigen eine Anstiegsrate von 3,1 ± 0,4 mm. Nach Berücksichtigung des Pinatubo-Effekts und der ENSO-Schwankungen fiel die verbleibende, anthropogene Anstiegsrate etwas geringer aus, allerdings mit deutlich sichtbarer Beschleunigung: (2,9 ± 0,4 + 0,084 ± 0,025/Jahr) mm/Jahr mit 2005,0 als Zeitnullpunkt. Für das Jahr 2018 errechnet sich daraus 3,3 mm/Jahr, beobachtet wurden 3,7 mm/Jahr.

Ursachen

Die Untersuchung einzelner Ursachen zeigt die Beschleunigung ebenfalls:

Quelle Beitrag in mm/a im Zeitraum
1961–2003 1993–2003
Wärmeausdehnung der Meere 0,42 ± 0,12 1,60 ± 0,50
Gletscherschmelze 0,50 ± 0,18 0,77 ± 0,22
Grönländischer Eisschild 0,05 ± 0,12 0,21 ± 0,07
Antarktischer Eisschild 0,14 ± 0,41 0,21 ± 0,35

Für Grönland liegen aktuellere Studien vor, nach denen sich dieser Trend fortgesetzt hat.

Das Schmelzen im Salzwasser schwimmender Eisberge trägt nur gering zur Erhöhung des Meeresspiegels bei. Schmölze alles heute schwimmende Eis, stiege der Meeresspiegel um etwa 4 cm an. – Im salzigen Meer schwimmendes Eis enthält näherungsweise kein Salz, mitunter eingeschlossene Salzlauge wird sogar ausgeschieden. Eis, das in Süßwasser zuerst schwimmt und dann schmilzt, erhöht den Wasserspiegel gemäß dem Auftrieb nach Archimedes nicht, sofern die Temperatur des flüssigen Wassers gleich bleibt. Das Schmelzen von schwimmendem (salzfreiem!) Eis im Salzwasser erhöht aber den Meeresspiegel, wenn auch in relativ geringem Maße: Das Meerwasser weist eine um etwa 2,6 % höhere Dichte auf als salzfreies Wasser. Ein schwimmender Eisblock von 1 Tonne verdrängt genau 1 Tonne Meerwasser, das aber nur ein Volumen von etwa 0,975 m³ einnimmt. Schmilzt derselbe Eisblock und mischt sich bei 4 °C mit dem Meerwasser, vergrößert er dessen Volumen aber um 1 m³. Das Meeresvolumen steigt deshalb um 2,6 % des Volumens des zuvor vom Eis verdrängten Wassers.

Künftige Erhöhung

Meeresspiegelanstieg Seit 1850: Erdgeschichtlicher Rückblick, Anstieg in der jüngeren Vergangenheit, Ursachen 
Malé, die Hauptstadt der Malediven, liegt 1 m über dem Meeresspiegel
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Vergleich des gemessenen Meeresspiegelanstiegs von 1970 bis 2010 mit den Projektionen des IPCC seit 1990: Die Realität bewegt sich am oberen Ende der damaligen IPCC-Szenarien

Falls sich der für die Jahre 1993 bis 2016 ermittelte Anstieg aus Wärmeausdehnung und Eisschmelze nur linear fortsetzt, würde der Meeresspiegel bis zum Jahr 2100 um 28 cm ansteigen, mit dem ermittelten Beschleunigungsterm auf 65 ± 12 cm.

Studienlage

Nach verschiedenen Szenarien des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), veröffentlicht 2007 in seinem Vierten Sachstandsbericht, könnte sich bis zum Zeitraum 2090–2099 der Meeresspiegel im Vergleich mit dem Zeitraum 1980–1999 im globalen Mittel zwischen 18 cm und 59 cm erhöhen. Diese Abschätzung schloss dynamisches Verhalten von Eisschilden aus, welches zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichtes als unverstanden galt.

Das National Research Council der Vereinigten Staaten hielt im Jahr 2010 einen Meeresspiegelanstieg zwischen 56 und 200 cm bis 2100 für möglich.

Im fünften Sachstandsbericht des IPCC aus dem Jahr 2013 wurde das dynamische Verhalten von Eisschilden erstmals berücksichtigt und die Schätzung angehoben. Je nach Szenario wird hier ein Anstieg zwischen 26 und 98 cm erwartet. Im „Business As Usual-Szenario“ RCP 8,5 (vgl. repräsentativer Konzentrationspfad) steigt die im Zeitraum 2081–2100 erwartete jährliche Anstiegsrate auf 8–16 mm.

Seit der zweiten Hälfte der 2010er Jahre gilt es zudem als wahrscheinlich, dass der Westantarktische Eisschild mit dem Thwaites-Gletscher bereits destabilisiert ist. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, würde dies bedeuten, dass über die nächsten Jahrhunderte alleine durch das Abschmelzen der dortigen Gletscher ein sicherer Meeresspiegelanstieg von ca. 3 m auftreten wird.

Publikationen aus dem Jahr 2015 und 2016 deuten darauf hin, dass die Prognosen des Meeresspiegelanstieges durch den IPCC im 5. Sachstandsbericht wahrscheinlich zu konservativ kalkuliert waren und der Meeresspiegelanstieg stärker ausfallen könnte. Beispielsweise publizierte eine Gruppe um den Klimatologen James E. Hansen im Jahr 2015 eine Arbeit, in der auf exponentiell verlaufende Dynamiken verwiesen wird, die bereits für das Jahr 2050 einen Meeresspiegelanstieg um mehr als 1 m erwarten lassen. Forscher um Steve Nerem haben anhand von Satellitenmessungen in 2018 errechnet, dass der Meeresspiegel jedes Jahr etwas schneller steigt. Daher könnte der Durchschnittspegel an den Küsten im Jahr 2100 um 65 cm höher liegen als im Jahr 2005. Beim National Climate Assessment vom Mai 2014 wird bis zum Ende des 21. Jahrhunderts ein Meeresspiegelanstieg um 30 bis 122 cm im Vergleich zum vorindustriellen Wert erwartet. Vor dem Hintergrund ähnlich rascher Anstiege während des Eem-Interglazials vor 120.000 Jahren sind solche Abschätzungen realistisch. Zu beachten ist, dass sich der Anstieg nicht überall auf der Welt gleichförmig bemerkbar machen wird. Aufgrund eustatischer Schwankungen werden für den Nordpazifik und die US-Küste deutlich höhere Werte als im weltweiten Durchschnitt angenommen.

Eine 2019 veröffentlichte Studie hat den wahrscheinlichen Meeresspiegelanstieg bis 2100 unter Berücksichtigung der Entwicklung der Eisschilde, der thermischen Expansion der Meere, der Gletscherschmelzen und der Landwasserspeicher betrachtet. Laut dieser Studie besteht eine kleine, aber dennoch relevante Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Meeresspiegelanstieg bis 2100 mehr als 2 m betragen wird. Im Einzelnen ist in einem Szenario einer Erwärmung um 2 K mit neunzigprozentiger Sicherheit ein Meeresspiegelanstieg zwischen 36 und 126 cm zu erwarten, und in einem Szenario einer Erwärmung um 5 K ein Meeresspiegelanstieg zwischen 62 und 238 cm. Nur mit jeweils fünfprozentiger Wahrscheinlichkeit liegt der Anstieg entweder darunter oder darüber. Das Abschmelzen der grönländischen Gletscher ist gegenwärtig einer der Hauptfaktoren für den Meeresspiegelanstieg, der nach neuerer Datenlage im Bereich der Worst-Case-Szenarien des Fünften Sachstandsberichts des IPCC liegt.

In eine Studie aus dem Jahr 2022 wurde im Rahmen eines neuartigen Ansatzes vorhergesagt, dass schon das Andauern der in den Jahren 2000-2019 vorliegenden klimatischen Verhältnissen zu einem Masseverlust des grönländischen Eisschildes führen würde, der einem Meeresspiegelanstieg um ca. 2,74 m entspricht. Allerdings gibt die Studie keine Auskunft darüber, in welchem Zeitraum dieser Anstieg stattfinden wird. Der Hauptautor der Studie, Jason Box, kritisiert, dass aktuelle Schmelz-Modelle einige wichtige Faktoren unberücksichtigt lassen. Dies sind: Unter Wasser stattfindende Schmelzprozesse, die beobachtete Änderung der Albedo der Oberfläche der Eismassen, den Wärmeeintrag in die Eismassen durch eindringendes Schmelzwasser und die Verringerung der Reibung der Auflage der Eisflächen durch unter die Gletschermassen gelangtes Schmelzwasser.

Erhöhung bei Stabilisation der Temperaturen

Wenn sich die Erwärmung bei 3 K gegenüber dem vorindustriellen Wert stabilisiert, wird eine Meeresspiegelerhöhung bis zum Jahr 2300 um 2,5 bis 5,1 m prognostiziert. Davon würden 40 bis 90 cm durch die thermische Ausdehnung, 20 bis 40 cm durch das Abschmelzen von Gebirgsgletschern, 90 bis 180 cm durch das Abschmelzen der Gletscher Grönlands und 1 bis 2 m durch das Schmelzen der Gletscher der Westantarktis beigetragen.

Die thermische Ausdehnung wird durch die selbstständige Erwärmung des Tiefenwassers weiter vorangetrieben, die ihre Ursache in der Vermischung von warmem Oberflächenwasser mit kühlerem Wasser aus tieferen Schichten hat. Auch wenn wirksamer Klimaschutz dazu beiträgt, die Lufttemperaturen zu stabilisieren, muss für die Ozeane ein verzögert einsetzender Stopp der Temperatursteigerungen von mehreren Jahrhunderten angenommen werden, innerhalb derer nichts an der thermischen Komponente der Meeresspiegelerhöhung geändert werden kann. Auch bei sofort einsetzendem effektivem Klimaschutz würde der Anstieg des Meeresspiegels in den nächsten Jahrzehnten kaum gebremst werden.

Erhöhung bei vollständigem Abschmelzen

Das vollständige Abschmelzen des Grönländischen Eisschildes wird den Meeresspiegel um etwa 7,3 m anheben. Gegenwärtig wird damit gerechnet, dass dieser Vorgang wenigstens mehrere hundert Jahre dauern wird. Etwa um denselben Betrag würde ein Abschmelzen des gleichfalls mit Grönland als prinzipiell instabil geltenden Westantarktischen Eisschilds die Weltmeere ansteigen lassen. Die gut 25 Millionen km³ Eis der gesamten Antarktis würden gar zu einer Erhöhung von je nach Quelle zwischen 57 und 61 m führen. Ein zusätzlicher Effekt ergäbe sich durch die Veränderung der Gravitation durch das Abschmelzen des antarktischen Eises. Gegenwärtig zieht das antarktische Eis durch seine eigene Schwerkraft Meerwasser an, sodass der Meeresspiegel auf der Südhalbkugel höher liegt. Mit der Abnahme des antarktischen Eises würde auch dessen Schwerkraft abnehmen und dementsprechend weniger Wasser angezogen. Durch die resultierende Verlagerung von Meerwasser nach Norden stiege der Meeresspiegel auf der Nordhalbkugel stärker, als dies alleine durch Schmelzwasser und Ozeanerwärmung der Fall wäre.

Die weltweit knapp 160.000 Gletscher beinhalten mit einem Volumen von 80.000 km³ so viel Wasser, um bei vollständigem Abschmelzen den Meeresspiegel um 24 cm steigen zu lassen. Eine ähnliche Größe weisen die polaren Plateaugletscher abseits der Eismassen Grönlands und des antarktischen Festlands auf (100.000 km³) und könnten so den Meeresspiegel 27 cm steigen lassen. Die thermische Ausdehnung trägt pro Kelvin Erwärmung mit 20 bis 40 cm zum Anstieg des Meeresspiegels bei. Das komplette Abschmelzen von Polkappen, Gletschern und Eisfeldern mit einer globalen Erwärmung auf durchschnittliche 27 °C käme laut Schätzungen einem Meeresspiegelanstieg von über 65 m gleich. Der National Geographic widmete einen Artikel der Septemberausgabe 2013 einem Szenario mit einem Anstieg um 66 m; ein solcher Anstieg wäre jedoch nach Aussage mancher Forscher erst in über 5000 Jahren zu erwarten, wenn der CO2-Ausstoß weiterginge wie bisher.

Betroffene Regionen

Meeresspiegelanstieg Seit 1850: Erdgeschichtlicher Rückblick, Anstieg in der jüngeren Vergangenheit, Ursachen 
Die Marshallinseln liegen mehrheitlich weniger als 1,80 m über dem Meeresspiegel (Luftaufnahme aus dem Dokumentarfilm One Word von 2020)
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Shanghai mit 24 Mio. Einwohnern liegt durchschnittlich 4 m über dem Meeresspiegel

Die Erhöhung des Meeresspiegels bringt besondere Gefahren und existentielle Risiken mit sich für Küstenregionen und -städte bzw. Inseln und Inselgruppen im Meer (z. B. Marshallinseln, Tangier (Virginia), Tuvalu) – mit den entsprechenden Konsequenzen für ihre Bewohner; die Effekte lassen sich grob in fünf Kategorien einordnen:

Zu den Ländern, die durch einen Anstieg des Meeresspiegels am stärksten gefährdet sind, gehören Bangladesch, Ägypten, Pakistan, Malediven, Indonesien und Thailand, die alle eine große und relativ arme Bevölkerung aufweisen. So leben z. B. in Ägypten rund 16 % der Bevölkerung (ca. 12 Mio. Menschen) in einem Gebiet, das schon bei einem Anstieg des Meeresspiegels von 50 cm überflutet werden würde, und in Bangladesch wohnen über 10 Mio. Menschen nicht höher als 1 m über dem Meeresspiegel. Bei einem Meeresspiegelanstieg von 100 cm müssten nicht nur sie, sondern insgesamt 70 Mio. Menschen in Bangladesch umgesiedelt werden, wenn das Land nicht in Küstenschutzmaßnahmen investiert. Außerdem würde sich durch den Landverlust und die Erhöhung des Salzgehaltes im Boden die Reisernte halbieren.

Besonders einige kleine Länder im Pazifischen Ozean müssen fürchten, dass sie aufgrund ihrer sehr geringen Höhe in den nächsten Dekaden im Meer versinken, falls der Anstieg sich nicht verlangsamt. Die Inselgruppe Tuvalu ist in diesem Zusammenhang populär geworden, denn ihr höchster Punkt liegt nur 5 m über dem Meeresspiegel und sie gilt deshalb als besonders verwundbar.

Deutsche Inseln

Ebenfalls betroffen sind die auf Meereshöhe liegenden Halligen der deutschen Nordsee, die Ostfriesischen Inseln und die Nordfriesischen Inseln, die langfristig in ihrer Existenz gefährdet sind. Die Ostfriesischen Inseln und die Nordfriesischen Inseln liegen nur wenige Meter über Normalhöhennull. Forscher warnen, dass Borkum, Juist, Norderney, Spiekeroog und Langeoog sowie große Gebiete von Föhr irgendwann überflutet werden könnten. Durch die Erderwärmung treten Sturmfluten immer häufiger auf. Je öfter heftige Sturmfluten auf die Küste treffen, desto größer sind die Schäden und es wird immer mehr Sand immer schneller weggespült. Mit teuren technischen Maßnahmen, zum Beispiel Aufspülungen oder Sandvorspülungen, versuchen Einwohner der Ostfriesischen Inseln, die schlimmen Folgen von Meeresspiegelanstieg und Sturmfluten abzumildern.

Direkte Bedrohung und Gegenmaßnahmen

Ohne Gegenmaßnahmen würden bei einem Anstieg des Meeresspiegels um 1 m weltweit 150.000 km² Landesfläche dauerhaft überschwemmt werden, davon 62.000 km² küstennaher Feuchtgebiete. 180 Mio. Menschen wären betroffen und 1,1 Billionen Dollar an zerstörtem Besitz wären zu erwarten (bei heutiger Bevölkerung und Besitzstand). Nach Angaben der OECD erhöht sich bis 2070 die Zahl der Personen in küstennahen Millionenstädten, die von einem statistisch einmal in hundert Jahren vorkommenden Flutereignis bedroht sind, von etwa 40 Mio. Menschen im Jahr 2005 auf dann 150 Mio. Dies gilt für eine angenommene Erhöhung des Meeresspiegels um 0,5 m. Während das Risiko an wirtschaftlichen Folgeschäden in den 136 untersuchten Hafenstädten gegenwärtig bei 3 Billionen Dollar liegt, dürfte sich dieser Wert in den kommenden 60 Jahren auf 35 Billionen Dollar mehr als verzehnfachen, während Küstenschutzmaßnahmen dieses Risiko natürlich erheblich verringern können.

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Bevölkerungsdichte und Höhe über dem Meeresspiegel rund um die deutsche Nordsee. Hamburg und Bremen sind besonders anfällig für den Anstieg des Meeresspiegels

Im Oktober 2019 wurde in der Fachzeitschrift Nature Communications eine Studie mit verbesserter Datenanalyse veröffentlicht, die besagt, dass die Zahl der Menschen, die während des 21. Jahrhunderts vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen sein werden, dreimal so hoch ist wie bisher angenommen. Bis zum Jahr 2050 könnten 300 Mio. Menschen durchschnittlich einmal im Jahr von Überflutungen betroffen sein. Ein großer Teil der Betroffenen wird in Küstengebieten der asiatischen Länder China, Bangladesch, Indien, Indonesien, Thailand, Vietnam, Japan und den Philippinen leben. Doch auch die niedrig liegenden Regionen der Ostküste der USA und hier speziell Florida sind inzwischen von dieser Entwicklung betroffen. Die amerikanische Federal Emergency Management Agency (FEMA) hat vor mehr als dreißig Jahren einen Finanzierungsplan aufgelegt, wie mit Hilfe eines freiwilligen Programms zur Übernahme von Eigentum ein kontrollierter Rückzug zu erreichen ist. Seit 1989 hat die FEMA mehr als 40.000 Grundstücke aufgekauft.

Rezeption

Der im August 2015 in Deutschland veröffentlichte Dokumentarfilm ThuleTuvalu des Schweizer Filmregisseurs Matthias von Gunten dreht sich um die Folgen der globalen Erwärmung mit dem Anstieg des Meeresspiegels für die Menschen in den Orten Qaanaaq („Thule“) im äußersten Norden Grönlands sowie auf der Inselgruppe Tuvalu im Pazifischen Ozean.

Satellitenbeobachtung

Seit den frühen 1960er Jahren werden Wetter- und Erdbeobachtungssatelliten zur Untersuchung meteorologischer Vorgänge eingesetzt. Seitdem hat die Wetter- und Klimaforschung ganz andere Möglichkeiten als zuvor.

CHAMP sammelte von Juli 2000 bis September 2010 präzise Informationen über globale Temperatur- und Wasserdampfverteilungen.

Das Nachfolgeprojekt GRACE (Gravity Recovery and Climate Experiment) liefert seit Mai 2006 präzise Informationen über globale Temperatur- und Wasserdampfverteilungen. Die Messdaten ermöglichten den Nachweis, dass sich die Antarktis-Eismasse innerhalb von 3 Jahren um ca. 150 km³ verringert hat, was den Meeresspiegel um 0,4 mm pro Jahr steigen ließ.

Von Januar 2003 bis Oktober 2009 maß ICESat (Ice, Cloud and Land Elevation Satellite) Eispanzerdicken (auch Meereis), deren Veränderung, Höhenprofile von Wolken und Aerosolen sowie die Höhe von Vegetation. Zur Messung verwendete der Satellit Lasertechnik. Der Nachfolgesatelliten ICESat-2 wurde im September 2018 gestartet.

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

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