Marica Bodrožić (* 3.
August">3. August 1973 in Zadvarje, Jugoslawien) ist eine deutsche Schriftstellerin. Sie ist für ihre poetische und tiefgründige Arbeit anerkannt. Bodrožićs Schreiben, das sich durch eine Verschmelzung von Lyrik und Prosa auszeichnet, behandelt Themen wie Erinnerung, Identität, und die menschliche Verbindung zur Natur; ihre Werke wurden in mehrere Sprachen übersetzt und durch zahlreiche Stipendien und Auszeichnungen gewürdigt.
Bis zu ihrem zehnten Lebensjahr wurde Marica Bodrožić von ihrem Großvater in Svib in Dalmatien in der Nähe von Split aufgezogen. 1983 zog sie nach Hessen und besuchte dort die Schule in Sulzbach am Taunus. Ab diesem Zeitpunkt erlernte sie die deutsche Sprache. In ihrem mit dem Initiativpreis Deutsche Sprache ausgezeichneten autobiografischen Buch Sterne erben, Sterne färben schildert sie ihr poetisches und poetologisches Verhältnis zu ihrer, wie sie es nennt, zweiten Muttersprache, die auch die Sprache ihrer Literatur geworden ist. Sie ist mehrfach mit bedeutenden Auszeichnungen geehrt worden. Bodrožić arbeitet außerdem als Übersetzerin aus dem Englischen und dem Kroatischen. Sie hat Essays, Features und Kritiken u. a. über Nazim Hikmet, Anne Sexton, Robinson Jeffers, Dubravka Ugrešić, Danilo Kiš, Joseph Brodsky, Marina Zwetajewa und über Zweisprachigkeit beispielsweise bei Elias Canetti und Vladimir Nabokov geschrieben. Als Gastprofessorin lehrte sie u. a. am Dartmouth College in den USA Deutsche Lyrik des 20. Jahrhunderts und Gegenwartslyrik. Sie gibt auch regelmäßig an Schulen und Universitäten oder im Auftrag des Goethe-Instituts Creative Writing Kurse. Ihre Bücher wurden bisher in dreizehn Sprachen übersetzt.
2007 wurde ihr erster Dokumentarfilm, den sie zusammen mit der Filmemacherin Katja Gasser gedreht hat, von 3sat ausgestrahlt (Das Herzgemälde der Erinnerung. Eine Reise durch mein Kroatien). Sie schrieb dafür das Drehbuch und war Co-Regisseurin.
In Frankfurt am Main machte sie eine Buchhändlerlehre und studierte Kulturanthropologie, Psychoanalyse und Slawistik. Sie ist Unterzeichnerin der 2017 veröffentlichten Deklaration zur gemeinsamen Sprache der Kroaten, Serben, Bosniaken und Montenegriner.
Marica Bodrožić lebt nach Stationen in Paris und Zürich heute als freie Schriftstellerin in Berlin und ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland. Sie hat eine Tochter.
Ihre frühen Erzählungen und Gedichte widmen sich der poetischen Ausschöpfung von Gedächtnis und Erinnerung; meist sind diese literarischen Arbeiten im Hinterland von Dalmatien (manchmal auch in der Herzegowina, wo sie Teile ihrer frühen Kindheit verbrachte) situiert, in der sich das Mittelmeer, der Karst und die Gnadenlosigkeit des Wetters, der Natur überhaupt im Leben und in den Schicksalen der Menschen spiegeln. Immer wieder sind es Suchende, Umherreisende, Verlorene, derer sie sich annimmt und die sie sprachlich, den einfachen Menschen ein Denkmal setzend, evoziert, ja regelrecht besingt. Die Sprache selbst wird bei Marica Bodrožić dabei zur Protagonistin. Ihre Prosa ist immer lyrisch durchsetzt, die Lyrik stellenweise erzählerisch verortet. In den neueren, vor allem lyrischen Arbeiten der Autorin nehmen Themen wie Mystik (vgl.auch unten Mechthild von Magdeburg), Transzendenz, Erotik, Weiblichkeit und Liebe einen größeren Raum als bisher ein.
Für ihre Lyrik wurde ihr höchstes Lob von Walter Hinck in der FAZ ausgesprochen, der ihr schon für ihren ersten Gedichtband Frische und Eigensinn im gleichen Maße bescheinigte: „Na also: Marica Bodrožić frischt die deutsche Lyrik auf. Mit welcher Energie diese Autorin die deutsche Sprache aufzuladen vermag, wird dort deutlich, wo das Poetische zu sich selbst kommt: in ihren Gedichten. Solche Auffrischung kann der deutschen Lyrik nur guttun.“
Auch in der NZZ wird ihr Anerkennung gezollt, wenn es etwa heißt: „Bodrožić entwirft dichte und berückende Assoziationswelten, scheinbar Disparates wird im Hand- und Satzumdrehen eingeschmolzen in komplexe Bilder. In wenigen Sätzen gelangt Marica Bodrožić von beiläufigen und immer sehr präzisen Beobachtungen in die Tiefen der Geschichte, etwa in die Balkankriege, oder in die Höhen einer erotischen Begegnung, offen für den Einfall der Wörter, von denen sie sich gerne in vielstimmige Selbstgespräche verwickeln lässt.“
Der poetische Bilderreichtum von Bodrožićs Sprache gilt vor allem in ihrem zweiten Erzählungsband Der Windsammler als ein besonderes Herausstellungsmerkmal. Allerdings ist sie hier nicht davor gefeit, das gelegentlich zu übertreiben, so dass ihre Erzählungen eine „Überdosis Poesie“ verströmen. Ihr Roman Das Gedächtnis der Libellen widmet sich ganz dem Konkreten, Orte, Figuren und Namen sind nicht mehr im Imaginären, sondern im politisch Greifbaren verortet. In ihrer Prosa-Trilogie Das Gedächtnis der Libellen (2010), Kirschholz und alte Gefühle (2012) sowie Das Wasser unserer Träume (2016) gelingt es der Autorin, ein Figurenensemble zyklisch zu entwerfen: die Physikerin Nadeshda, die Ich-Erzählerin des ersten Romans, auf dem Weg von Berlin nach Amsterdam zu Ilja, verheirateter jüdischer Romancier, mit dem sie den Sohn Ezra hat; Arjeta in Berlin, ehemals Philosophiestudentin in Paris, die Ich-Erzählerin des zweiten Romans im Zeitrhythmus einer Woche, gleich alt wie die Autorin; Ilja, namenloser Ich-Erzähler des dritten Romans, der vier Jahreszeiten lang das Erwachen aus dem Koma übt, im fiktiven Ansprechen der Menschen, die ihm wichtig sind, wie Nadeshda und Arjeta. Dabei werden die Auferstehungsmetaphern der russischen Romane Tolstois (Seelenreinigung) und Dostojewskis (allmähliche Erneuerung eines Menschen in der Liebe) in großartigen Bildern aus medizinisch-seismographischen Strukturen heraus in nie gesehene und gehörte Bedeutungsräume des Inneren (Herzraum) weiterentwickelt: In dieser poetischen und poetologischen Lösung des philosophischen Leib-Seele-Problems wird in der Leib-Meditation das Ich zum sich selbst aus seiner inneren Gefangenheit erlösenden Erzähler, sich jahreszeitlich wachsend steigernd in schwarzweißen Schattenabstufungen („Zahlen- und Zeitknoten“, „Lichtwirbel“, Winter), in visionären Farbexplosionen (innere Farblandschaften, Blutkristalle, Frühling), im Hören auf Lungenlärm wie Vogelsprache (Sommer), im Kommunizieren als Lesen und Schreiben dieser Reise zu sich selbst und Neuanfangen als Lebensform (im Sinne Hannah Arendts). Der seiner alten Akten und Daten entledigte Mann fragt sich: „Was für ein Mensch bin ich gewesen? Auch ein so politisch korrekter Rationalist? Ein Mensch, der nichts einem anderen Menschen geben konnte, der für alles eine Erklärung hatte und gerade deshalb gefährdet war. Gefährdet vom Soll her. Von mangelnder Fähigkeit etwas zu geben, das man nicht anfassen kann.“ Der Ich-Erzähler wird zum Poeten und mit ihm der/ die Lesende um eine existentielle Erfahrung für sich und für seinen/ ihren Blick auf Andere bereichert. Auf diesen werkgeschichtlich zentralen Roman hinführend können die Essays der Autorin vorher und nachher gelesen werden.
In der Stiftung Lyrik Kabinett München hielt die Autorin eine Veranstaltung in der Reihe Zwiesprachen und wählte dafür Mechthild von Magdeburg aus (4. Dezember 2017). Die Begründung der Autorin lautet: „Durch die dichterisch festgehaltene Erfahrung dieses mystischen Paradoxons ['Fließendes Licht'] gebührt Mechthild der Platz einer der ersten in deutscher Sprache schreibenden Frauen: eine Philosophin der verdichteten Zeit“.
Ihr Buch Mystische Fauna (2023) ist ein tiefgründiges und poetisches Werk, das die Verbindung zwischen Mensch und Tier sowie die Auswirkungen von Gewalt in den Fokus rückt. Bodrožić verwendet ihre eigenen Kindheitserinnerungen auf einem Bauernhof und die Beobachtung von Tieren, um universelle Fragen über das Wesen und die Beziehungen zwischen verschiedenen Lebensformen zu erforschen. Ihre Erfahrungen auf der Insel La Gomera, wo sie intensiv mit einem Hund und der Erinnerung an die Brutalität ihres Großvaters gegenüber Tieren konfrontiert wird, tragen zur Tiefe des Buches bei. Der mystische Aspekt des Buches spiegelt sich in der Art und Weise wider, wie die Autorin über das Verweben aller Lebewesen und deren tiefe, oft unausgesprochene Verbindungen nachdenkt. Mystische Fauna ist nicht nur eine Geschichte der Selbstheilung, sondern auch ein Aufruf, die verborgenen Verbindungen zwischen allem Lebendigen zu erkennen und zu würdigen.
Poetologische Zitate:
„Poetische Zündungen bringen nicht nur Gedichte hervor, sondern auch anders denkende, anders atmende Menschen.“
„'Gedanken sind Handlungen.' Nietzsches Satz ist unsere Realität geworden. Zum Denken kommen wir nur in uns selbst, keine Partei, keine Organisation, keine Nation kann es uns abnehmen. Zugleich müssen wir lernen, zuerst zu betrachten und dann zu handeln, im Sinne Hannah Arendts: Letztlich bekommt derjenige das Wesentliche mit, der zuschaut. Unser Kampf muss geistig sein. Seine Waffe ist unser Mitgefühl, unser Bewusstsein. Nirgends wird es besser geschult als an der Literatur.“
In ihrer Begründung zur Zusprache des Walter-Hasenclever-Literaturpreises der Stadt Aachen für 2020 erläuterte die Jury am 27. Januar 2020 abschließend die Besonderheit dieses Werkes, in der sie feststellte:
„Marica Bodrožić ist eine erfahrene, anerkannte Autorin, die sich auf einem geistigen Weg und stets als Europäerin sieht: 'Der Europäer ist ein Mensch mit Erinnerungen', stellt sie fest, von der Herkunft zu einer Ankunft in der Zukunft. Diese Hoffnungsperspektive verortet die Autorin in einem Rückbezug auf eine Poetik der 'verknüpften Sinne', die gleichzeitig eine 'poetische Vernunft' umfasst. Damit nimmt sie Bezug auf Gedanken der Romantik und des Expressionismus, in denen ihr der Appell 'Komm! ins Offene, Freund!' Anspruch und Ansporn zu Verbindungen von Dichten und Denken bedeutet. Mit Hannah Arendt erkennt sie in diesen Worten Friedrich Hölderlins die 'Freiheit, aufzubrechen, wohin man will'. Ihr 'Lebenslauf' und ihre Werkbiographie bezeugen dies.“
Personendaten | |
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NAME | Bodrožić, Marica |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Schriftstellerin |
GEBURTSDATUM | 3. August 1973 |
GEBURTSORT | Svib, SFR Jugoslawien |
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