Kreislaufwirtschaft

Eine Kreislaufwirtschaft (englisch circular economy) ist ein regeneratives System, in dem Ressourceneinsatz und Abfallproduktion, Emissionen und Energieverschwendung durch das Verlangsamen, Verringern und Schließen von Energie- und Materialkreisläufen minimiert werden; dies kann durch langlebige Konstruktion, Instandhaltung, Reparatur, Wiederverwendung, Remanufacturing, Refurbishing und Recycling erzielt werden.

Das Recycling ist dabei zumeist das Mittel letzter Wahl.

Das Gegenteil zur Kreislaufwirtschaft wird zumeist Linearwirtschaft (auch „Wegwerfwirtschaft“) genannt. Dabei wird ein Großteil der eingesetzten Rohstoffe nach der jeweiligen Nutzungsdauer der Produkte deponiert oder verbrannt; nur ein geringer Anteil wird einer Wiederverwendung zugeführt.

Geschichte

Kreislaufwirtschaft 
Vergleich der Prozessketten in der Linear- und Kreislaufwirtschaft

Viele traditionelle Wirtschaftsformen, etwa die Landwirtschaftssysteme in Entwicklungsländern, können als Kreislaufsystem beschrieben werden. Die verwendete Produktionsenergie in Form von menschlicher Arbeit und tierischer Muskelkraft stammt direkt von der bewirtschafteten Fläche und sowohl die Abfälle der Produkte (etwa Ausscheidungen, Küchenabfälle) als auch die Produktionsrückstände (etwa Stroh, Asche bei der Brandrodung) werden direkt in die Produktion zurückgeführt.

Im Zuge der industriellen Revolution wurden immer mehr Prozesse linear aufgebaut. Konsum wird als einmalige Nutzung von Gütern begriffen, woraus sich eine Kette von Entnahme, Herstellung und Entsorgung ergibt. Natürliche Ressourcen dienen als Fertigungseinsatz, der sodann für die Herstellung von Massenware genutzt wird, die gekauft und oftmals nach einmaligem Gebrauch entsorgt wird. Dieses lineare Wirtschaftsmodell der Massenproduktion und des Massenkonsums kann in Konflikt mit den planetaren Grenzen und dem Gedanken der Nachhaltigkeit geraten.

Das Konzept der Kreislaufwirtschaft (circular economy) wurde 1990 vom britischen Wirtschaftswissenschaftler David W. Pearce aufbauend auf Ansätzen der industriellen Ökologie entwickelt, die eine Minimierung von Ressourcen und den Einsatz sauberer Technologien befürwortet. Bei der Kreislaufwirtschaft sollen nicht nur die Verwendung der Umwelt als Schadstoffsenke für Abfall- und Wertstoffe aus der industriellen Fertigung, sondern auch der Materialeinsatz bei der Herstellung minimiert werden. Daher wird der natürliche Stoffkreislauf zum Vorbild genommen und versucht, kaskadische Nutzungen ohne Abfälle (Zero Waste) oder Emissionen (zero emission) zu erreichen.

Eine durchgängige und konsequente Kreislaufwirtschaft soll mit dem Ende der 1990er-Jahre entwickelten Cradle-to-Cradle-Prinzip (englisch, dt. wörtlich „Von Wiege zu Wiege“) des deutschen Chemikers Michael Braungart und des US-amerikanischen Architekten William McDonough verwirklicht werden. Ziel ist das Erreichen von Ökoeffektivität, also Produkten, die entweder als biologische Nährstoffe in biologische Kreisläufe zurückgeführt werden können oder als „technische Nährstoffe“ kontinuierlich in technischen Kreisläufen gehalten werden.

Umsetzung

Rechtliche Verankerung

Kreislaufwirtschaft 
Poster mit Designprinzipien für kreislaufgerechte Produkte (2017)

Die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom 15. Juli 1975 über Abfälle formuliert bereits die Notwendigkeit die Abfallbildung einzuschränken, Abfälle wiederzuverwenden und zu verwerten.

Im September 1994 wurde in Deutschland das Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen, abgekürzt Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG, später Kreislaufwirtschaftsgesetz, KrWG) verabschiedet, das die Grundsätze der ausdrücklich angestrebten Kreislaufwirtschaft formulierte: „Abfälle sind in erster Linie zu vermeiden, insbesondere durch die Verminderung ihrer Menge und Schädlichkeit, in zweiter Linie stofflich zu verwerten oder zur Gewinnung von Energie zu nutzen (energetische Verwertung)“. Zweck der Kreislaufwirtschaft ist demnach die Schonung natürlicher Ressourcen, aber auch der Schutz von Mensch und Umwelt (§ 1 KrWG).

Inzwischen formuliert die EU-Abfallrahmenrichtlinie den Übergang zur Kreislaufwirtschaft als Ziel. Sie verlangt von den Mitgliedstaaten ausdrücklich etwa die Förderung nachhaltiger Produktions- und Konsummodelle und einer langlebigen Gestaltung und Reparierbarkeit von Elektrogeräten, Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung und geplante Obsoleszenz und Informationskampagnen. Zugleich kann die Betonung solcher Aspekte in den bis 5. Juli 2020 umzusetzenden Änderungen durch die Richtlinie (EU) 2018/851 als Abbild einer politischen Einsicht erkannt werden, dass in der Realität der Trend zu Einwegware, kurzen Lebenszyklen, extremen Beförderungswegen globaler Stoffströme und zur Wegwerfmentalität entgegen den Lippenbekenntnissen der Marktteilnehmer ungebrochen scheint.

Rechtsgutachten merken gegenwärtige Zielkonflikte zwischen geistigem Eigentum und Kreislaufwirtschaften an, weil beispielsweise Reparaturen oder auf Produkten aufbauende Innovationen erschwert würden (Stand: Anfang 2024).

Wirtschaftliche Bedeutung

Die Ellen MacArthur Foundation zusammen mit McKinsey & Company haben in 2013 einen Bericht namens Towards the Circular Economy: Economic and Business Rationale for an Accelerated Transition veröffentlicht, in dem die wirtschaftlichen und Geschäftsmöglichkeiten einer regenerativen Kreislaufwirtschaft hervorgehoben wurden. Sich der Zukunftsmöglichkeiten bewusst, haben einige Branchen, wie z. B. die Baubranche, bereits erste Schritte hin zu einer Kreislaufproduktion getan. Lediglich das Geschäftsmodell anzupassen behebt jedoch nicht die vielen Probleme, wie das Integrieren von zirkulären Maßnahmen in eine lineare Produktion, die weiterhin bestehen und systematisch angegangen werden müssen.

Ausgehend von Ansätzen wie Cradle-to-Cradle (C2C) weisen Kate Raworth und andere darauf hin, dass Kreislaufwirtschaften erst durch über unternehmensinterne oder den Lebenszyklus einzelner Produkte hinausgehende Kooperation möglich werde. Um diese „Zusammenarbeit unter Unbekannten“ zu ermöglichen, brauche es unter anderem die offen verfügbare, frei nutzbare und auch von Prosumern modifizierbare technische Dokumentation von Produkten (Open-Source-Hardware) sowie digitale Produktpässe.

Technische Lösungen

Vielfach werden technische Lösungen diskutiert, um die Einführung einer Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen. Teilweise wird der 3D-Druck als potenziell disruptive Technologie betrachtet, die der Kreislaufwirtschaft durch Umgestaltung der Lieferkette zum Durchbruch verhelfen könnte. Besonders wenn Kunststoffabfälle zur lokalen Fertigung neuer Güter genutzt werden, könnte der 3D-Druck zum Materialkreislauf beitragen, etwa bei der Produktion effizienter Güter oder Teilen für die Reparatur. Der „Statusbericht der deutschen Kreislaufwirtschaft 2020“ behandelt Kunststoffrecycling auf Grund seiner Bedeutung für die Kreislaufwirtschaft und des hohen öffentlichen Interesses – auch an damit verknüpfte Themen wie Kunststoffabfälle in den Weltmeeren – als Schwerpunktthema.

Daneben gibt es noch viele weitere Gebiete und Verfahren der regenerativen Abfallverwertung, u. a. das Metallrecycling, Altölrecycling durch Zweitraffination sowie thermische Verfahren zur Gewinnung von Ersatz- oder Sekundärbrennstoffen, für die beispielsweise Papierschlamm, nicht-recycelbare Betriebsabfälle (RDF – Refused Derived Fuel), Gummi alter Auto- und Lkw-Reifen (TDF – Tyre Derived Fuel) und Biomasse (hydrothermale Carbonisierung und Verflüssigung) genutzt werden. Die Abfallverbrennung konnte durch die Vermeidung von Deponiegasemissionen bereits zur CO2-Reduktion in der Kreislaufwirtschaft beitragen. Die Substitution fossiler Energieträger und die Verwertung von Metallen und mineralischen Ersatzbaustoffen aus Verbrennungsrückständen wertet die Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland e. V. als wichtigen Beitrag für den Klimaschutz.

Kreislaufwirtschaft 
Hoberman-Sphäre als von Kate Raworth verwendetes Sinnbild für prozess­über­greifendes Kreislauf­wirtschaften

Im Bereich der Forschung an technischen Lösungen gibt es zahlreiche Entwicklungen. Circular Economy ist Leitthema der Technischen Universität Clausthal. In der Region SüdOstNiedersachsen und im Harz sind in den letzten Jahren durch unterschiedliche Akteure viele Initiativen und Projekte im Bereich der Circular Economy initiiert und begonnen worden (Recyclingcluster REWIMET, Recyclingregion Harz, zirkuläre Batterieproduktion, Reallabor Digitized Circular Economy, Nutzbarmachung anthropogener Lagerstätten, Circular Science Region, Zukunftsregion u.v.m). Erste Ansätze zur Einbindung der Zivilgesellschaft ergänzen diese Aktivitäten. In 2022 wurde die Region „SüdOstNiedersachsen“ Mitglied der Circular Cities and Regions Initiative der EU.

Energiesektor

Im Jahr 2005 betrugen die Materialflüsse der Weltwirtschaft etwa 62 Milliarden Tonnen, wobei 58 Milliarden Tonnen aus neu gewonnenen Rohstoffen stammten und vier Milliarden Tonnen (bzw. ca. sechs Prozent) aus recycelten Gütern. 44 Prozent der gesamten Materialflüsse (28 Milliarden Tonnen) wurden zur Energiegewinnung eingesetzt, insbesondere fossile Energieträger, die bei der Nutzung verbraucht werden und daher prinzipbedingt nicht recycelt werden können. Daher ist die Energiewende, der Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien, eine wichtige Vorbedingung zum Erreichen der Kreislaufwirtschaft.

Bausektor

Die Bauwirtschaft verbraucht jährlich rund 60 Gigatonnen Material. 400 Millionen Tonnen Abfall fallen alleine in Deutschland pro Jahr an. Der Anteil des Bauwesens an diesen Abfällen beträgt mehr als 50 Prozent. Anfang der 2020er Jahre intensiviert die Bauforschung und die Baupolitik Ansätze, dass Baustoffe oder Bauteile länger erhalten und weiterverwendet werden (Urban Mining). Eine Kreislauf- oder Zirkulärwirtschaft des Bauens wird zum Paradigma der Planung, Produktinnovation und der Architektur. Dies soll auch die hohen Anteile der Sektoren Bauen und Wohnen in den globalen Treibhausgasemissionen von rund 40 Prozent mindern.

Kritik

Intuitiv erscheint die Kreislaufwirtschaft nachhaltiger als die Linearwirtschaft. Die Minimierung der Ressourceneinbringung in das System und des Ressourcenverlusts durch Abfall und Energieverluste schonen Rohstofflagerstätten und reduzieren Umweltverschmutzung. Diese Betrachtung wird jedoch Schwachstellen des Konzepts Kreislaufwirtschaft nicht gerecht. So werden beispielsweise soziale Aspekte in vielen Quellen eher nachrangig behandelt, und es gibt Fälle, in denen andere Strategien, wie die Beschaffung energieeffizienterer Technik, vorteilhafter für die Umwelt sind. In einer Untersuchung konnten Forscher aus Cambridge und Delft darlegen, dass es deshalb neben Autoren, die die Kreislaufwirtschaft für eine Voraussetzung für ein nachhaltiges Wirtschaftssystem sehen, auch Wissenschaftler gibt, die die kreislaufwirtschaftliche Überlegungen als eine von vielen Strategien sehen oder das Konzept sogar als nachteilig beschreiben.

Es wird ebenfalls oft darauf hingewiesen, dass das Konzept Grenzen hat, die unter anderem auf den Gesetzen der Thermodynamik beruhen. Gemäß dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik sind alle spontan ablaufenden Prozesse irreversibel und mit einer Zunahme an Entropie verbunden. Das idealisierte Konzept der Kreislaufwirtschaft sieht jedoch einen vollständig reversiblen Kreisprozess vor. Daraus folgt, dass bei einer realen Umsetzung des Konzeptes entweder von der perfekten Reversibilität abgewichen werden müsste, um einen Entropiezuwachs durch Abfallproduktion zu erzeugen, was im Endeffekt auf linearwirtschaftliche Anteile hinauslaufen würde oder ungeheure Mengen an Energie nötig wären (die teilweise dissipiert werden müssten, um dadurch einen Zuwachs der Gesamtentropie zu erzeugen), um eine vollständige Reversibilität zu ermöglichen. Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch der European Academies Science Advisory Council (EASAC) in seiner Stellungnahme.

In einem Sammelband zur Problematik argumentieren Forschende des Umweltbundesamts (UBA) für eine kritische Orientierung am Paradigma der Kreislaufwirtschaft und plädieren für parallele Eindämmung von Rebound-Effekten durch Systemdenken, Degrowth und Ressourceneffizienz.

Siehe auch

Literatur

    Bücher
    Zeitschriften
  • Michael Brunn: Worüber reden wir eigentlich? (Titelgeschichte) In: Recycling Magazin, Nr. 4/2020, S. 24–29; ein Beitrag zu den Leitsätzen der Kreislaufwirtschaft.
  • Das Ende des Mülls: Wie die Kreislaufwirtschaft gelingen kann. (Titelgeschichte) In: National Geographic Deutschland März 2020, S. 42–67; übersetzt aus dem Englischen.
  • Neue Strategien für die zirkuläre Wirtschaft. In: MIT Technology Review, Nr. 2/2022, S. 14–21.

Einzelnachweise

Tags:

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