Frauenrechte In Kurdistan: Politische, soziale und rechtliche Stellung von Frauen in kurdischen Siedlungsgebieten

Der Artikel Frauenrechte in Kurdistan befasst sich mit der politischen, sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Stellung der Frauen in den kurdischen Siedlungsgebieten.

Geschichte

Stellung der kurdischen Frau

Şerefhan, ein Autor des 16. Jahrhunderts, berichtet über die Frauen der seinerzeit herrschenden kurdischen Klasse. Demnach waren die Frauen vom öffentlichen Leben und der Ausübung von Herrschaft ausgeschlossen. Es herrschte gemäß islamischer Tradition Polygamie und Frauen wurden bei kriegerischen Auseinandersetzung als Kriegsbeute betrachtet. Der Autor erwähnt allerdings auch drei kurdische Frauen, die nach dem Tod ihrer Ehemänner interimsweise die Herrschaft ausübten, bis die Söhne die Herrschaft übernehmen konnten. Evliya Çelebi erwähnte im 17. Jahrhundert, dass es kurdische Frauen nicht gestattet war, alleine zum Markt zu gehen, es aber gelegentlich geschah, dass Frauen die Macht ausübten. Einflussreiche Frauen in der kurdischen Geschichte der letzten Jahrhunderte waren unter anderem: Fürstin Adela von Jaff, Fürstin Halima von Hakkâri, Prinzessin Fatma, die ein jesidisches Klanoberhaupt war, oder Fürstin Maryam von Nehri, welche während des Ersten Weltkrieges mit dem Russischen Kaiserreich Verhandlungen führte.

Die Fremdheit der Frau gegenüber der Abstammungsgruppe, in die sie einheiratet, und das Misstrauen gegenüber der Frau und ihrer Sexualität als „Inkarnation des Unbeherrschbaren“ (Fatima Mernissi) begründen einen Komplex von Regeln, die der Frau eine benachteiligte Stellung zuweisen. Bei der Eheschließung erscheint die Ehe mit der Cousine, besonders die von väterlicher Seite (Sorani: kiç-î mam) als ethische Norm: Frauen oder Schwiegertöchter, die der gleichen Abstammungsgruppe angehören, gelten als am wenigsten unrein.

Besonders unter nicht-tribalen Kurden kommt es auch zu jin be jin-Ehen („Frau gegen Frau“), bei denen zwei Männer je eine Schwester oder Tochter „tauschen“; Grund hierfür ist oft der Wunsch, Brautgeld (mahr) zu sparen. Andere Formen der Eheschließung sind gaure be piçuk („groß gegen klein“), wo eine Frau gegen das Versprechen eines zum Zeitpunkt der Ehe noch nicht heiratsfähigen Mädchens in eine andere Familie gegeben wird, und jin be xwên („Frau gegen Blut“), wo eine Frau verheiratet wird, um eine Blutfehde zu verhindern; hierbei bleibt aber bei allen Beteiligten ein Gefühl der Schande zurück, da es sich nach islamischem Recht hierbei um Konkubinat handelt. Das Brautgeld, das persönliches Eigentum der Frau wird und alleine ihrer Verfügungsgewalt untersteht, ist eine zwingende Voraussetzung für eine legale Ehe.

Heutige Situation nach Regionen

Autonome Region Kurdistan

Die Position der Frau innerhalb der Autonomen Region Kurdistan unterscheidet sich vom Rest des Irak. Es besteht eine Frauenquote von 30 % im kurdischen Regionalparlament (im nationalen Parlament besteht eine Frauenquote von 25 %). Mit verschiedenen Gesetzesinitiativen sollen Frauenrechte verbessert werden. Während zum Teil positive Tendenzen in der Entwicklung der Frauenrechte im kurdischen Teil des Iraks gesehen werden, wird aber auch kritisiert, dass sich praktisch für Frauen wenig geändert habe. Unter Mitwirkung der Regierung in Erbil konnten mehr Frauenhäuser und Frauenrechtsorganisationen gegründet werden als im Rest Iraks.

Probleme mit Anzeigen

Eine präzise Aussage über häusliche Gewalt gegen Frauen und Mädchen kann bis dato nicht getroffen werden. Es werden nur selten Meldungen bei der Polizei gemacht. Dies liegt vor allem an den örtlichen kulturellen Gegebenheiten, welche die Erwähnung von Problemen des eigenen Haushaltes als unfein ansehen.

Gegen sexuelle Unterdrückung der Frauen in Teilen der kurdischen Gesellschaft kämpfen immer mehr kurdische Organisationen an, welche versuchen die Themen zu enttabuisieren, wie WADİ oder HAUKARI e. V, ICAHK, sowie NWE, die von der deutschen Frauenrechtsorganisation medica mondiale gefördert wird.

Rechtliche Situation

Klageerhebungen gegen häusliche Gewalt und allgemein gegen Gewalt an Frauen und Mädchen treffen hier auf verschiedene Barrieren. Es gibt bei der kurdischen Polizei nur wenige weibliche Beamte. Dies hindert schon von Beginn an die Opfer sich bei der Polizei zu melden, da sie sich Männern nicht anvertrauen können.

Rojava

In der von der PKK-Schwesterorganisation PYD angeführten de facto autonomen kurdischen Region „Rojava“ (Westkurdistan) wird in allen Bereichen eine Frauenquote von 40 % und per Dekret Frauen die gleichen Rechte wie Männern zugesichert. Frauen und Männer müssten „in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens gleich“ sein, zitierte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte aus dem Erlass der Provinz Hasakeh im Nordosten Syriens.

Während der Kämpfe gegen den Islamischen Staat (IS) im Bürgerkrieg in Syrien erregten vor allem die kurdischen Kämpferinnen von der YPJ weltweite mediale Aufmerksamkeit.

Südosten der Türkei

In den Kurdengebieten der Türkei gelten aufgrund mangelnder autonomer Selbstverwaltung der Kurden türkische Gesetze. Dennoch hat auch hier der Einfluss der BDP im Südosten des Landes zu außergewöhnlichen Situationen geführt. So kandidieren in den kurdischen Gebieten jeweils zwei Personen für denselben Posten des Bürgermeisters (Ko-Bürgermeister), eine Frau und ein Mann, obwohl das türkische Kommunalrecht dies nicht anerkennt. Allerdings hatten nur 79 % der von der BDP gewonnenen 97 Bürgermeisterämter eine gemischte Doppelspitze und nur 24 % der Frauen waren als tatsächlicher Kandidat gesetzt.

In der manchmal als „Kurden-Partei“ beschriebenen HDP ist die Spitze ebenfalls doppelt besetzt, zudem ist sie die einzige Partei in der Türkei mit einer Frauenquote. Der gesellschaftliche Wandel wird auf die feministische Ideologie des Inhaftierten PKK-Chefs Öcalan zurückgeführt.

Iran

In Kurdistan und anderen kurdischen Provinzen des Iran gelten iranische Gesetze. Frauen in Kurdistan und die dortige feministische Bewegung sind maßgeblich an regimekritischen Protesten in Iran beteiligt.

Einzelnachweise

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