Die Kraniche Ziehen: Film von Michail Kalatosow (1957)

Die Kraniche ziehen (russisch Летят журавли / Letjat shurawli; alternativer deutscher Verleihtitel: Wenn die Kraniche ziehen) ist ein sowjetischer Spielfilm des Studios Mosfilm aus dem Jahre 1957.

Das zur Zeit des Deutsch-Sowjetischen Kriegs spielende Melodram entstand unter der Regie des georgischen Regisseurs Michail Kalatosow. Als literarische Vorlage diente das bereits 1943 entstandene Drama Die ewig Lebenden (Вечно живые) von Wiktor Rosow, der auch das Drehbuch für den Film verfasste. Die Kraniche ziehen gewann bei den Filmfestspielen von Cannes 1958 die Goldene Palme.

Film
Titel
  • Die Kraniche ziehen /
  • Wenn die Kraniche ziehen
Originaltitel Летят журавли
Produktionsland UdSSR
Originalsprache Russisch
Erscheinungsjahr 1957
Länge 95 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Michail Kalatosow
Drehbuch Wiktor Rosow
Produktion Igor Wakar
Musik Moissei Wainberg
Kamera Sergei Urussewski
Schnitt Marija Timofejewa
Besetzung
  • Tatjana Samoilowa: Weronika
  • Alexei Batalow: Boris Borosdin
  • Wassili Merkurjew: Fjodor Iwanowitsch Borosdin
  • Alexander Schworin: Mark Borosdin
  • Swetlana Charitonowa: Irina Borosdina
  • Walentin Subkow: Stepan
  • Antonina Bogdanowa: Großmutter Warwara Kapitonowna
  • Konstantin Nikitin: Wolodja
  • Boris Kokowkin: Nikolai Iwanowitsch Tschernow
  • Jewgenija Kuprijanowa: Anna Michailowna
  • Leonid Knjasew: Satschkow
  • Georgi Kulikow: Ingenieur
  • Galina Stepanowa: Weronikas Mutter
  • Georgi Schamschurin: Weronikas Vater
  • Irina Preis: Antonina Monastyrskaja
  • Klarina Frolowa: Tante
  • Ljubow Sokolowa: Soldatin
  • Walentina Wladimirowa: Soldatin
  • Daniil Netrebin: Verwundeter
  • Nikolai Smortschkow: Verwundeter
  • Walentina Ananjina: Boris’ Kollegin
  • Olga Dsisko: Boris’ Kollegin
  • Sascha Popow: Borja
Synchronisation

In der DDR sahen den Film 2.836.058 Besucher, davon 347.986 in Ost-Berlin.

Handlung

Der Film beginnt 1941 in Moskau, kurz vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion. Boris und Weronika sind ein Liebespaar, sie lässt sich von ihm „Eichhörnchen“ nennen und die beiden beobachten den Zug der Kraniche über der Stadt. Nach dem Ausbruch des Krieges meldet sich Boris freiwillig an die Front und wird am Tag vor Weronikas Geburtstag eingezogen. Ihr gelingt es nicht, sich von ihm zu verabschieden, und Boris kann ihr nur sein Geburtstagsgeschenk, ein Spielzeug-Eichhörnchen, hinterlassen.

Bei einem Bombenangriff werden Weronikas Eltern getötet, und an der Stelle ihrer Wohnung klafft nur noch ein Loch. Weronika wird von Boris’ Familie aufgenommen. Boris’ Vater Fjodor Iwanowitsch ist Arzt, außerdem leben noch Boris’ Schwester Irina, sein Cousin, der Pianist Mark, und die Großmutter in der Wohnung. Mark war schon immer in Weronika verliebt und nutzt die Abwesenheit von Boris, um Weronika während eines Bombenangriffs zu vergewaltigen. Sie willigt ein, ihn zu heiraten. Währenddessen fällt Boris an der Front, nachdem er seinen verwundeten Kameraden Wolodja gerettet hat. Weronika erfährt aber nichts von seinem Tod und hält ihn weiterhin für vermisst.

Die Familie wird nach Sibirien evakuiert; Fjodor Iwanowitsch leitet dort ein Lazarett, in dem auch Irina und Weronika arbeiten. Weronika spricht mit der Geschichtslehrerin Anna Michailowna über ihren verlorenen Lebensmut. Als sie im Lazarett den Schmerz eines Verwundeten über seine Verlobte miterlebt, die in seiner Abwesenheit einen anderen geheiratet hat, will Weronika sich umbringen, rettet aber stattdessen zufällig einen kleinen Jungen vor einem Verkehrsunfall. Er heißt Boris („Borja“) und sie nimmt ihn bei sich auf.

Als Tschernow, der Leiter der Philharmonie, Fjodor Iwanowitsch um einen Gefallen bitten will, stellt sich heraus, dass Mark nur aufgrund einer Schmiergeldzahlung an Tschernow vom Fronteinsatz freigestellt worden war. Sein Onkel wirft ihn daraufhin aus dem Haus, bittet aber Weronika zu bleiben. Der von Boris gerettete Wolodja taucht auf, doch Weronika ist nicht überzeugt, dass Boris wirklich tot ist.

Erst als Weronika bei der Rückkehr der Soldaten zur Siegesparade in Moskau nach dem Krieg auf dem Bahnhof Boris’ Freund und Frontkameraden Stepan wiedertrifft, kann sie Boris’ Tod akzeptieren und bricht in heilloses Schluchzen aus. Stepan hält darauf eine kurze, aber kraftvolle Rede zum Gedächtnis an alle, die nicht zurückkehrten. Die für Boris mitgebrachten Blumen verteilt Weronika an zurückgekehrte Soldaten.

Hintergrund

Die Kraniche ziehen war nach Friedrich Ermlers Die große Wende (1946) der zweite sowjetische Film, der die Goldene Palme in Cannes gewann. Er repräsentiert eine Phase des sowjetischen Kinos, die in der Tauwetter-Periode nach dem Tod Stalins (1953) und dem XX. Parteitag der KPdSU (1956) einsetzte und zu deren Klassikern außerdem noch Filme wie Grigori Tschuchrais Die Ballade vom Soldaten (1959), Michail Romms Neun Tage eines Jahres (1962) und Andrei Tarkowskis Iwans Kindheit (1962) gezählt werden.

Neben dem Hauptpreis des Wettbewerbs erhielt der Film in Cannes auch den Technikpreis; zudem wurde eine „lobende Erwähnung“ der Jury für die Hauptdarstellerin Tatjana Samoilowa ausgesprochen. 1959 erhielt Samoilowa außerdem den Étoile de Cristal als beste ausländische Darstellerin.

Kalatosows Film ist geprägt durch die expressive, teilweise mit der Handkamera realisierte Arbeit des Kameramanns Sergei Urussewski, mit dem Kalatosow bereits 1955 bei Der erste Zug (Первый эшелон) zusammengearbeitet hatte. Auch die nächsten beiden Arbeiten Kalatosows, der wiederum mit Tatjana Samoilowa besetzte Ein Brief, der nie ankam (1959) und der auf Spanisch gedrehte Ich, Kuba (auch als Ich bin Kuba; 1964), waren stark von Urussewskis Stil, der von der Kritik als „emotionale Kamera“ bezeichnet wurde, geprägt. Besonders der erst in den 1990er Jahren dank Martin Scorsese und Francis Ford Coppola international wiederentdeckte Ich, Kuba wird mittlerweile als Klassiker des Kinos angesehen.

Kritiken

„[Kalatosow] greift auf filmische Stilmittel zurück, die in der Zeit von Pudowkins und Dowschenkos heroischen Revolutionsfilmen populär waren. […] Dank [seiner] Regie und der exzellenten […] Samoilowa […] übermittelt der Film ein äußerst starkes Gefühl von Anteilnahme.“

Bosley Crowther, New York Times, 22. März 1960

„Ein zeitloses, erschütterndes Melodram, das auch den abgeklärtesten Zuschauer mit feuchten Augen zurücklässt.“

David Fear, Time Out New York

„Der sensibel gestaltete Film [verdankt seine] Wirkung […] vor allem seiner selbstkritisch-patriotischen Sicht bei nur geringer politischer Lehrhaftigkeit sowie der wunderbaren Kameraarbeit.“

„Ein bewegendes Zeugnis warmer Menschlichkeit, ein filmisches und darstellerisches Meisterwerk. Ab 16 sehr zu empfehlen.“

Evangelischer Filmbeobachter

Synchronisation

Die deutsche Synchronfassung der DEFA wurde am 6. Juni 1958 unter dem Titel Die Kraniche ziehen in Ost-Berlin uraufgeführt. Das Synchrondrehbuch schrieb Wito Eichel, für die Dialogregie war Helmut Brandis verantwortlich.

Rolle Deutscher Sprecher
Weronika Eva-Maria Hagen
Boris Horst Schön
Fjodor Iwanowitsch Hans Wehrl
Mark Rainer Brandt
Irina Erika Müller-Fürstenau
Stepan Helmut Müller-Lankow
Großmutter Maria Hofen
Wolodja Manfred Borges
Tschernow Karl Eugen Lehnkering
Anna Michailowna Marga Legal

In der BRD wurde eine alternative Synchronfassung hergestellt und unter dem Titel Wenn die Kraniche ziehen am 22. Juli 1958 in die Kinos gebracht.

Veröffentlichungen

Die im September 2005 von Icestorm Entertainment veröffentlichte DVD enthält die DEFA-Synchronfassung ohne russische Tonspur. Eine DVD mit russischem Originalton ist seit April 2002 in der amerikanischen Criterion Collection erhältlich. Lange Zeit lieferte die 2005 von Крупный План auf dem russischen Markt veröffentlichte DVD-Fassung die beste Bildqualität, die auch mit deutschen Untertiteln bei trigon-film erhältlich ist. Im Jahr 2018 stellte das Filmstudio Mosfilm eine restaurierte HD-Fassung des Films vor, die anschließend auf dem YouTube-Kanal des Konzerns hochgeladen wurde. Diese HD-Fassung ist bislang noch nicht mit deutschen Untertiteln oder in einer der deutschen Synchronfassungen erhältlich.

Belege

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