Banū N-Nadīr

Die Banū n-Nadīr (arabisch بنو النضير, DMG Banū al-Naḍīr) waren neben den Banū Qainuqāʿ und den Banū Quraiza einer der drei wichtigsten jüdischen Stämme von Yathrib, dem vorislamischen Medina.

Sie sind vor allem durch ihren Konflikt mit Mohammed bekannt, der sie nach einem vermuteten Mordversuch an ihm aus Yathrib vertrieb. Das Gebiet der Banū n-Nadīr in Yathrib gilt als das erste Gebiet, das Mohammed eroberte. Auf die Unterwerfung und Vertreibung der Banū n-Nadīr bezieht sich nach allgemeiner Ansicht die im Koran zu findende Sure 59, die deswegen auch Nadīr-Sure genannt wird.

Banū N-Nadīr
Mohammed unterwirft die Banu Nadir. Aus dem Dschami' at-tawarich, 14. Jhd.

Herkunft der Banū n-Nadīr

Die Banu Nadir – wie auch die Banu Quraiza – waren der islamischen Historiographie zufolge ein priesterlicher Stamm und werden von islamischen Quellen als Kohanim bezeichnet. Außerdem waren sie als Banū Hārūn (Söhne des Aaron) bekannt. Man ist sich in der gegenwärtigen Forschung nicht darüber einig, ob sie nach der Niederlage gegen Rom im Jüdischen Krieg 70 n. Chr. nach Yathrib zogen oder arabische Proselyten waren.

Wie die anderen Juden Yathribs trugen sie arabische Namen, zugleich war ihre Wirtschaft durch Ackerbau, Geldverleih, Waffenhandel und die Produktion von Juwelen charakterisiert. Sie hatten ihre eigene Sprache mit einer dazugehörigen Schrift.

Politische Situation vor und bei der Ankunft Mohammeds

Es wird überliefert, dass die Banu Nadir – in Zeiten persischer Herrschaft über bestimmte Gebiete des Hedschas – in Medina Steuereintreiber für den iranischen Schah gewesen waren.

In vorislamischer Zeit waren die Banu Nadir Bundesgenossen der Banu Aus und hatten sie in deren damaligen Auseinandersetzungen mit den Chasradsch unterstützt; des Weiteren sind sie bei der Ankunft Mohammeds 622 in Yathrib – zusammen mit den Aus – der sogenannten Gemeindeordnung von Medina beigetreten, in der die künftigen Beziehungen der Stämme Yathribs zueinander geregelt wurden. In der Form der Gemeindeordnung, wie sie in der von Ibn Hischām editierten Prophetenbiographie Ibn Ishaqs vorzufinden ist, werden die Nadir, ebenso wie die Quraiza und Qainuqa, nicht erwähnt. Die Gemeindeordnung bezieht sich – so Watt – zweifellos auf eine nach der Exekution der Quraiza entstandene Version; die drei jüdischen Stämme wurden wahrscheinlich in einer früheren Version erwähnt.

Vertreibung

Im August 625 machte Mohammed sich mit einigen seiner Gefährten zum Gebiet der Banu Nadir auf, um mit ihnen über die Begleichung einer Blutschuld zu verhandeln. Während der Verhandlungen sollen die Banu Nadir sich dazu entschlossen haben, Mohammed zu töten. Der arabische Historiker Ibn Ishāq beschreibt in seiner grundlegenden Prophetenbiographie die Szenerie folgendermaßen:

„Sodann begab sich der Prophet zu dem jüdischen Stamm der Banu Nadir. Er wollte sie bitten, ihm bei der Bezahlung der Blutschuld für jene beiden Männer zu helfen, die Amr ibn Umayya zuvor umgebracht hatte. Andererseits waren die beiden Stämme Nadir und Amir Bundesgenossen. Als der Prophet nun mit seiner Bitte zu den Banu Nadir kam, erklärten sie sich bereit, ihm zu helfen. Dann zogen sie sich zur Beratung zurück und sprachen zueinander: 'In eine so günstige Lage bekommen wir diesen Mann nie wieder' der Prophet saß nämlich neben der Wand eines ihrer Häuser -; 'wer steigt also auf das Haus, wirft einen Stein auf ihn und befreit uns so von ihm?'

Einer von ihnen, Amr ibn Djihash, erklärte sich dazu bereit und stieg auf das Haus, um einen Stein auf den Propheten zu schleudern. Dieser saß dort mit einigen seiner Gefährten, (...) als ihn eine Botschaft vom Himmel erreichte, in der ihm das Vorhaben jener Leute geoffenbart wurde. Er machte sich deshalb sogleich auf den Rückweg nach Medina, ohne aber seinen Gefährten etwas davon gesagt zu haben.“

Ibn Ishaq: Das Leben des Propheten. Aus dem Arabischen von Gernot Rotter. Kandern, 2004. S. 160

Mohammed wurde sich während der Verhandlungen der feindseligen Haltung der Nadir ihm gegenüber bewusst und verdächtigte sie des Mordversuchs an ihm, weshalb er sich dazu entschloss, sie zu vertreiben. Bei seiner Ankunft in Medina befahl er ihnen über einen seiner Anhänger, Muhammad ibn Maslama, die Stadt innerhalb von zehn Tagen zu verlassen und dabei all ihre beweglichen Güter mitzunehmen; des Weiteren erlaubte er ihnen, einmal im Jahr zurückzukehren, um die Ernte ihrer Palmenhaine einzubringen.

Die Banu Nadir willigten zunächst ein, beschlossen aber anschließend unter ihrem Stammesoberhaupt Huyayy ibn Achtab, in ihren Festungen bei Medina Widerstand zu leisten. Nach einer etwa zwei Wochen andauernden Belagerung, als die Anhänger Mohammeds begannen, ihre Palmenhaine zu zerstören – ein in der späteren islamischen Jurisprudenz kontrovers diskutierter Präzedenzfall – ergaben sich die Banu Nadir. Daraufhin befahl ihnen Mohammed, die Stadt zu verlassen und nur mitzunehmen, was sie auf 600 Kamelen transportieren konnten. Einige Familien zogen nach Syrien, andere ließen sich bei ihren Glaubensgeschwistern in Chaibar nieder.

Im Kontext der Vertreibung des Stammes fand auch das Attentat auf Kaʿb ibn al-Aschraf statt. Während der sechstägigen Belagerung der Banu Nadir soll das islamische Weinverbot offenbart worden sein. Zwei Männer der Nadir nahmen den Islam an und wurden dadurch verschont.

Die Grabenschlacht und der Zug nach Chaibar

Die in Chaibar, einer etwa 150 Kilometer nördlich von Medina gelegenen Oase ansässigen Anhänger der Banu Nadir haben mit der Absicht, das vor ihrer Vertreibung von ihnen bewohnte Gebiet Medinas zurückzuerobern die Quraisch bei der Planung eines Angriffs auf Medina, der sogenannten Grabenschlacht, und der Bildung eines entsprechenden Stammeszusammenschlusses energisch unterstützt und waren Teil des dadurch entstandenen Bundes, das sich aus den Mekkanern, gewissen anderen Stämmen und abessinischen Söldnern zusammensetzte.

Die entscheidende Rolle der Nadir bei den Vorbereitungen für die Grabenschlacht und ihre Durchführung sowie der Umstand, dass sie auch in den folgenden Monaten zusammen mit anderen jüdischen Stämmen Chaibars versuchten, weiterhin arabische Stämme gegen Mohammed und seine Anhänger aufzuwiegeln, waren die primären militärischen Gründe für den Angriff auf die Oase 628. Neben diesen Gründen spielte auch die Tatsache, dass Mohammed durch die Eroberung dieser Oase und den entsprechenden Beuteertrag sich der Enttäuschung seiner Anhänger über den Vertrag von Hudaibiyya entgegenstellen konnte, eine Rolle bei der Entscheidung des Propheten, Chaibar anzugreifen.

Nach etwa sechs Wochen des Kampfes wurde Chaibar erobert und unter die Kontrolle des islamischen Gemeinwesens gebracht. Die dort verbliebenen Anhänger der Banu Nadir durften im Gegensatz zu den anderen dortigen Stämmen nicht mehr in der Oase verbleiben, sondern mussten – gemäß dem Vertrag, den sie mit Mohammed nach der Eroberung der Oase geschlossen hatten – Chaibar verlassen und ihren Besitz den Muslimen überlassen. Sie gingen nach Adhri'at, eine Stadt mit zu dieser Zeit bedeutender jüdischer Gemeinde.

Literatur

Belege

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