Kurs:Riemannsche Flächen (Osnabrück 2022)/Vorlesung 3



Holomorphe Funktionen auf einer riemannschen Fläche

Definition  

Eine Funktionauf einerriemannschen Fläche heißtholomorph, wenn es eine offene Überdeckung

mit Karten

derart gibt, dass

holomorphsind.



Lemma

Es sei eineriemannschen Flächeundeine Funktion. Dann sind die folgenden Eigenschaften äquivalent.

  1. istholomorph.
  2. Für jede mit der komplexen Struktur kompatible Karte

    ist holomorph.

  3. ist in jedem Punkt durch eine komplexe Potenzreihebeschreibbar.

Beweis

SieheAufgabe 3.1.

Dabei ist die Potenzreihe auf dem Kartenbild definiert und hängt von der gewählten Karte ab. Die Eigenschaft (2) zeigt, dass man den Atlas durch kompatible Karten auffüllen kann, ohne dabei die holomorphen Funktionen zu verändern. Deshalb nimmt man häufig kompatible Karten hinzu, etwa solche, die zusammenhängend sind oder die homöomorph zu einer Kreisscheibe sind oder hinreichend klein, um gewissen Punkten auszuweichen und Ähnliches.



Korollar  

Für eineoffene Teilmengeund eine Funktion

bedeutet die Holomorphievon als Funktion derriemannschen Fläche einfach die Holomorphievon .

Beweis  

Dies folgt unmittelbar ausLemma 3.2.



Lemma

Es sei eineriemannsche Fläche. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Konstante Funktionen sindholomorph.
  2. Die Summe von holomorphen Funktionen ist holomorph.
  3. Das Produkt von holomorphen Funktionen ist holomorph.
  4. Zu einer nullstellenfreien holomorphen Funktion ist auch holomorph.

Beweis

SieheAufgabe 3.4.


Die letzte Teilaussage wird zumeist auf holomorphe Funktionen angewendet, die Nullstellen haben, und wo man dann auf die nullstellenfreie offene Teilmenge einschränkt und dort holomorph invertiert.


Viele substantielle Ergebnisse der komplexen Funktionentheorie übertragen sich direkt auf riemannsche Flächen. Gelegentlich braucht man die Bedingung, dass die riemannsche Fläche zusammenhängend ist. Häufig wird eine riemannsche Fläche als zusammenhängend definiert.


Satz  

Es sei einezusammenhängenderiemannsche Flächeund sei

eine von der Nullfunktion verschiedeneholomorphe Funktionauf .

Dann ist die Nullstellenmenge von eine diskrete Teilmengevon .

Beweis  

Nehmen wir an, dass die Nullstellenmenge nicht diskret ist. Dann gibt es einen Punktder Nullstelle derart, dass es in jeder offenen Umgebung von unendliche viele Punkte der Nullstellenmenge gibt. Es seieine Kartenumgebung und

die Kartenabbildung. NachSatz 1.3ist dann die Nullfunktion. Wir zeigen, dass dann überhaupt die Nullfunktion ist im Widerspruch zur Voraussetzung. Sei ein weiterer Punkt und sei

ein stetiger Weg, der mit verbindet. Es seien offene zusammenhängende Kartenumgebungen, die das(kompakte)Bild dieses Weges überdecken und dieerfüllen. Dann ist, wie eben bemerkt,.Da die holomorphe Funktion auf holomorph ist, und auf die Nullfunktion ist, folgt, wieder mitSatz 1.3,dass und damit auch die Nullfunktion ist. Induktiv fortfahrend ergibt sich, dass für alle die Nullfunktion ist und dass insbesondereist.



Satz  

Es sei einezusammenhängenderiemannsche Flächeund seien

holomorphe Funktionenauf . Es gebe eine Folge mit einemHäufungspunkt(der kein Folgenglied sei)derart, dass

fürist.

Dann ist .

Beweis  

Wir betrachten die Differenz,die nachLemma 3.4wieder holomorph ist. Es ist dann

und da die Folgenglieder einen Häufungspunkt besitzen, handelt es sich um eine nichtdiskrete Menge. NachSatz 3.5istund damit.



Satz  

Es sei einekompaktezusammenhängenderiemannsche Fläche.

Dann gibt es auf nur die konstantenholomorphen Funktionen.

Beweis  

NachSatz Anhang 2.9ist das Bild von unter der stetigen Abbildung wieder kompakt. Nachdem Satz von Heine-Borelist somit das Bild von abgeschlossen und beschränkt. Das bedeutet insbesondere, dass das Maximum von unter der Funktion angenommen wird. Es gibt also einmit für alle Punkte.Es sei ein zusammenhängendes Kartengebiet. Ausdem Maximumsprinzip,angewendet auf folgt, dass konstant ist. Also ist nachSatz 3.5überhaupt konstant.



Definition  

Zu einerriemannschen Fläche bezeichnet man den Ring der holomorphen Funktionenauf mit

und spricht von der (globalen Auswertung der)Strukturgarbe auf .

Es ist also

Zu jeder offenen Telmengeist wieder eine riemannsche Fläche und somit ist auch

definiert. Man spricht von der Auswertung der Strukturgarbe auf . Wir werden später das abstrakte Garbenkonzept kennenlernen. Die wichtigsten Eigenschaften werden in der folgenden Aussage zusammengefasst.



Lemma  

Es sei eineriemannsche Fläche. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Zu offenen Mengenvon und einerholomorphen Funktion

    ist die Einschränkung eine holomorphe Funktion auf .

  2. Zu offenen Mengenist die Einschränkungsabbildung

    ein-Algebrahomomorphismus.

  3. Zu offenen Mengenmit zusammenhängendundist die Einschränkungsabbildung

    injektiv.

  4. Es sei eine offene Menge undeine offene Überdeckungund seien holomorphe Funktionenmit

    für alle gegeben. Dann ist.

  5. Es sei eine offene Menge undeine offene Überdeckungund seien holomorphe Funktionenmit

    für alle gegeben. Dann gibt es eine holomorphe Funktionmit

    alle .

Beweis  

  1. ist klar aufgrund der lokalen Definition von holomorph.
  2. ist klar, da die algebraischen Operationen punktweise definiert sind.
  3. folgt ausSatz 3.5.
  4. ist klar, da die Gleichheit von Funktionen punktweise definiert ist.
  5. Zunächst ergibt sich durch punktweise Festlegung direkt eine Funktion,die auf die vorgegebenen Funktionen einschränkt. Diese ist holomorph, da die Holomorphie eine lokale Eigenschaft ist.



Holomorphe Abbildungen

Definition  

Es seien und riemannsche Flächenund sei

einestetige Abbildung.Man nennt holomorph,wenn für jede offene Teilmengeund jede holomorphe Funktiondie zusammengesetzte Funktion holomorph ist.

Gemäß der Definition muss man also für jede offene Mengeund jede holomorphe Funktiondie Hintereinanderschaltung

betrachten und als holomorph aufnachweisen.



Lemma  

Es seien und riemannsche Flächenund sei

einestetige Abbildung. Dann sind folgende Eigenschaften äquivalent.

  1. ist holomorph.
  2. Für jedes Kartengebietund für jedeholomorphe Funktionist holomorph.
  3. Es gibt eineoffene Überdeckungmit Kartengebieten derart, dass für jedeholomorphe Funktionauch holomorph ist.
  4. Für beliebige Kartengebieteund

    mit Kartenabbildungenundist

    holomorph.

  5. Es gibt eine offene Überdeckungmit Kartengebieten und offene Überdeckungenmit Kartengebieten von derart, dass die Hintereinanderschaltungen

    holomorph sind.

Beweis  

Von (1) nach (2) und von (2) nach (3) sind Einschränkungen. Es sei (3) erfüllt. Es seieine offene Teilmenge undeine holomorphe Funktion. Die Durchschnitte, ,bilden dann eine offene Überdeckung von . Nach (3) sind dann die

holomorph. Da die Holomorphie eine lokale Eigenschaft ist, ist selbst holomorph.

Von (2) nach (4) und von (4) nach (5) ist klar. Es sei also (5) erfüllt, wir werden (3) zeigen. Ohne Einschränkung können wir,

offen und

mit Kartengebieten annehmen. Es sei eine holomorphe Funktion auf . Es ist die Holomorphie von

für jedes nachzuweisen. Somit ist zu zeigen, dass

holomorph ist. Nach Voraussetzung (5) ist holomorph und somit ist auch diese Hintereinanderschaltung mit holomorph.


Die Situation inLemma 3.11  (4)kann man sich durch das kommutative Diagramm

veranschaulichen, wobei sich die untere Zeile allein in abspielt.



Lemma  

Es sei eineriemannsche Fläche.

Dann ist eine holomorphe Funktionauf und eineholomorphe Abbildungvon nach dasselbe.

Beweis  

Dies folgt ausLemma 3.2undLemma 3.11.



Lemma

  1. Die Identitätauf einer riemannschen Flächeist eineholomorphe Abbildung.
  2. Zu einer offenen Mengeeiner riemannschen Fläche ist die Inklusion

    eine holomorphe Abbildung.

  3. Es seienundholomorphe Abbildungen zwischen riemannschen Flächen . Dann ist auch die Hintereinanderschaltung

    holomorph.

Beweis

SieheAufgabe 3.10.


Eine direkte Verallgemeinerung vonLemma 3.9ist die folgende Aussage.


Lemma

Es seien und riemannsche Flächenund sei eine offene Überdeckung. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Holomorphe Abbildungen

    stimmen genau dann überein, wenn die Einschränkungen und für alle übereinstimmen.

  2. Es seien holomorphe Abbildungengegeben, diefür alle erfüllen. Dann gibt es eine holomorphe Abbildungmit

    für alle .

Beweis

SieheAufgabe 3.12.



Satz  

Es seieine nichtkonstanteholomorphe Abbildungzwischenzusammenhängendenriemannschen Flächen.

Dann ist offen.

Beweis  

Dies folgt ausdem Offenheitssatzfür holomorphe Funktionen.



Satz  

Es seien und riemannsche Flächenund seieinebijektiveholomorphe Abbildung.

Dann ist auch dieUmkehrabbildungholomorph.

Beweis  

WegenSatz 3.15ist auch die Umkehrabbildung stetig. Die Holomorphe der Umkehrabbildung folgt mitLemma 3.11  (5)aus der lokalen VersionSatz 2.3.



Definition  

Zwei riemannsche Flächen und heißenbiholomorph, wenn es holomorphe Abbildungenundgibt mitund.

Statt biholomorph sagt man häufig auch einfach isomorph. Satz 3.16besagt, dass eine bijektive holomorphe Abbildung automatisch biholomorph ist. Biholomorphe riemannsche Flächen sind insbesonderehomöomorphund als reelle Mannigfaltigkeitendiffeomorph.Die Umkehrung gilt dabei nicht, wie das folgende Beispiel zeigt.


Beispiel  

Die komplexen Zahlen und die offene Kreisscheibe sind nicht biholomorph,da jedeholomorphe FunktionnachSatz 1.7konstant ist.




Lemma  

Es seiein nichtkonstantes Polynomvom Grad.

Dann definiert eineholomorphe Abbildung,die auf

mit übereinstimmt, die auf abbildet und die lokal in einer offenen Umgebung von eine -te Potenzierung ist.

Beweis  

Wir setzen,für die endliche Nullstellenmenge von undfür das Bild davon unter der Invertierungsabbildung. Auf kommutiert das Diagramm( gibt es noch nicht)

auf . Auf ist

Wegenist das Nennerpolynom im Nullpunkt(für )invertierbar, es sei die inverse holomorphe Funktion dazu, also

Diese Funktion kann man in den Nullpunkt(von unten links, also von oben links)fortsetzen mit dem Wert , sie ist also auf einer offenen Umgebung von definiert und stimmt auf dem Übergang mit überein. Daher wird nachLemma 3.14eine Funktion auf ganz festgelegt. Wegen

ist die lokale Gestalt .


Die vorstehende Aussage werden wir inSatz 18.6wesentlich verallgemeinern.


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