Kurs:Riemannsche Flächen (Osnabrück 2022)/Vorlesung 16



Reell-differenzierbare Funktionen

Es seien und komplexe Mannigfaltigkeiten.Neben den holomorphen Abbildungenvon nach sind auch reell-differenzierbare Abbildungen wichtig, wobei man sich zumeist auf -Abbildungen beschränkt. Besonders wichtig ist der Fall,dann geht es um die komplexwertigen reell-differenzierbaren Funktionen. Zwar interessiert man sich im Kontext von komplexen Mannigfaltigkeiten in erster Linie für holomorphe Abbildungen, doch treten differenzierbare Funktionen(und differenzierbare Differentialformen)als wichtiges Hilfsmittel auf. Wichtige Aspekte sind.

  1. Charakterisierung von holomorphen Abbildungen unter den differenzierbaren Abbildungen(sieheSatz 1.8,Satz 16.14).
  2. Approximationsprozesse durch differenzierbare Abbildungen.
  3. Höhere Flexibilität der differenzierbaren Funktionen(platte Funktionen, Partition der Eins).
  4. Engere Beziehung zur Topologie, Homologiegruppen, Fundamentalgruppe, Integrale über stetige Wege.
  5. Maßtheoretische Aspekte, Flächeninhalte.
  6. Garbentheoretische Auflösung(sieheSatz 16.14,Satz 16.15), Kohomologieberechnung(sieheSatz 25.5,Korollar 25.6).

Definition  

Auf einerkomplexen Mannigfaltigkeit bezeichnet man mit

die Menge aller komplexwertigen Funktionen auf , die im reellen Sinn unendlich oft differenzierbarsind.

Da die Übergangsabbildungen bei einem Kartenwechsel biholomorph sind, sind diese auch -diffeomorph und daher ist die unendliche Differenzierbarkeit von reellwertigen und komplexwertigen Funktionen wohldefiniert.



Lemma

Es sei einekomplexe Mannigfaltigkeit. Dann gelten die folgenden Aussagen.

  1. Die Zuordnung zuoffen ist eineGarbevon kommutativen Ringenauf .
  2. DieStrukturgarbe ist eine Untergarbevon .

Beweis

SieheAufgabe 16.1.

Der Tangentialraum einer komplexen Mannigfaltigkeit in einem Punktist einfach der reelle Tangentialraum der zugrundeliegenden differenzierbaren Mannigfaltigkeit, allerdings mit einer komplexen Vektorraumstruktur, die unmittelbar von der komplexen Mannigfaltigkeitsstruktur herrührt, sieheLemma 4.13.Die Tangentialabbildung zu einer holomorphen Abbildungführt nachLemma 5.1und insbesondereLemma 5.3  (3)zu einer-linearen Abbildung

Eine differenzierbare Abbildungführt zu einer -linearen Abbildung

Diese Abbildung respektiert nur die reelle, aber nicht die komplexe Struktur auf den beiden komplexen Vektorräumen. NachLemma Anhang 1.2besitzt aber jede reelle lineare Abbildung zwischen komplexen Vektorräumen eine eindeutige Summenzerlegung in eine -lineare und eine-antilineareAbbildung.



Lemma  

Es seieine(reell)differenzierbare Abbildungzwischen den komplexen Mannigfaltigkeiten und .

Dann besitzt dieTangentialabbildung

eine eindeutige Zerlegung

wobei -linearund -antilinearist.

Beweis  


Wir schreiben

und nennen die holomorphe Tangentialabbildung und die antiholomorphe Tangentialabbildung. Es ist keineswegs so, dass eine differenzierbare Abbildung(sagen wir nach )eine Zerlegung in eine holomorphe und eine antiholomorphe Funktion besitzt, dies gilt nur auf der Ebene der Linearisierungen.

Wir wollen diese Zerlegung auf reell-differenzierbare Funktionen von nach genauer studieren. Eine reell-differenzierbare Funktionauf einer komplexen Mannigfaltigkeit definiert für jeden Punkteine -lineare Abbildung

Diese Abbildung ist weder ein Element des komplexen Kotangentialraumes, da sie nicht -linear ist, noch ein Element des reellen Kotangentialraumes, da die Zielmenge und nicht ist. Es gibt aber eine kanonische Zerlegung

in eine-Linearform (die ein Element des komplexen Kotangentialraumes ist)und eine -antilineare Form . Diese Zerlegung erfasst man mit der folgenden Definition.


Definition  

Es sei eine komplexe Mannigfaltigkeitundein Punkt. Man nennt den komplexenVektorraum

der-antilinearen HomomorphismendesTangentialraumes an nach denantiholomorphen Kotangentialraum an . Er wird mit

bezeichnet.

Es ist also



Differenzierbare Differentialformen

Wir setzen

dies ist ein reelles Vektorbündel über vom Rang , wenn die komplexe Dimension von bezeichnet. Lokal besitzt es eine Darstellung der Form für ein Kartengebiet . Daher ist auch klar, was man unter einem stetigen oder einem differenzierbaren Schnitt in diesem Bündel versteht. Das Bündel besitzt ferner eine Zerlegung

in das holomorphe und das antiholomorphe Kotangentialbündel, das analog zum holomorphen Kotangentialbündel definiert wird.


Definition  

Es sei einekomplexe Mannigfaltigkeit.Unter einerdifferenzierbaren 1-Form auf versteht man eine -Abbildung

mit.

Die Menge aller differenzierbaren 1-Formen auf wird mit bezeichnet.


Definition  

Es sei einekomplexe Mannigfaltigkeit.Einedifferenzierbare 1-Formheißt vom Typ , wennfür alleist.

Insbesondere ist eine holomorphe Differentialform eine -Form. Wenn eine holomorphe Differentialform ist und eine reell-differenzierbare komplexwertige Funktion, so ist eine -Form, aber nur bei holomorph selbst wieder eine holomorphe Differentialform.


Definition  

Es sei einekomplexe Mannigfaltigkeit.Einedifferenzierbare 1-Formheißt vom Typ , wennfür alleist.


Beispiel  

Auf einer offenen Mengemit der Variablen ist diejenigeholomorphe Differentialform,die in jedem Punkt die Identität auf(dem Tangentialraum) ist und ist diejenigedifferenzierbare Differentialform,die in jedem Punkt die komplexe Konjugationauf ist. Eine beliebige reell-differenzierbare Differentialform auf besitzt die Darstellung

mit komplexwertigen -Funktionen und auf , und dies ist die Zerlegung von im Sinne vonLemma Anhang 1.2.Die Form ist vom Typ genau dann, wennist. In diesem Fall ist die Form genau dann holomorph, wenn eine holomorphe Funktionist.




Lemma

Auf einerkomplexen Mannigfaltigkeit bilden die differenzierbaren 1-Formen und die differenzierbaren 1-Formen bzw. vom Typ bzw.

Garben.

Beweis

SieheAufgabe 16.9.


Die Garbe der holomorphen Differentialformen ist eine Untergarbe der Garbe der -Formen.



Lemma

Auf einerkomplexen Mannigfaltigkeit besitzt die Garbe der differenzierbaren 1-Formen

eine kanonische Zerlegung

Beweis

SieheAufgabe 16.10.


Die Funktionen sind unendlich oft differenzierbar, was eine lokale Eigenschaft ist, es gibt aber keine Ableitungsfunktion auf . Stattdessen ist die Ableitung eine differenzierbare -Form, nämlich , also für jeden Punktdie -lineare Abbildung

So erhält man eine Gesamtableitung

bzw. die Garbenversion davon auf jeder offenen Menge. Mit der inLemma 16.10gezeigten Zerlegungerhält man auch die holomorphe Ableitung

und die antiholomorphe Ableitung

Lokal kann man diese Abbildungen folgendermaßen beschreiben. Für eine offene Teilmengemit den komplexen Koordinatenfunktionen

mit den reellwertigen Koordinatenfunktionen und eine reell-differenzierbare komplexwertige Funktion setzt man daher

und



Lemma  

Es seieinedifferenzierbare Funktionauf einerkomplexen Mannigfaltigkeit und es sei

die kanonische Zerlegung der zugehörigen Differentialform.Es seiein Kartengebiet mit lokalen Koordinaten .

Dann gelten auf die Identitäten

und

Beweis  

Wir können direktannehmen. Sei

Es ist

und die Summe links gehört zu .



Der Dolbeault-Komplex



Lemma  

Es sei eineriemannsche Fläche.

Dann ist der Komplex

exakt.

Beweis  

Die Untergarbenbeziehung wurde schon inLemma 16.2gezeigt. Zum Nachweis der Exaktheit können wir annehmen, dasseine offene Teilmenge ist. NachLemma 16.11wird durch beschrieben. Die Holomorphie von ist dann nachCauchy-Riemannäquivalent zu.


Die Exaktheit rechts ist schwieriger zu zeigen, sie beruht auf dem folgenden Satz der Funktionentheorie, den wir hier nicht beweisen.


Satz

Es seieine offene Kreisscheibe(wobei der Fallerlaubt ist)und.

Dann gibt es einmit



Satz  

Es sei eineriemannsche Fläche.

Dann ist der Komplex

exakt.

Beweis  

Dies folgt ausLemma 16.12und, da man die Exaktheit lokal testen kann, unter Verwendung vonLemma 16.11ausSatz 16.13.



Äußere Ableitung

Für Formen von höherem Grad und äußerer Ableitung siehe

Differentialformen auf Mannigfaltigkeiten/Einführung/Textabschnitt und Differentialformen/Äußere Ableitung/Einführung/Textabschnitt


Im Zweidimensionalen besitzt eine -Form die lokale Gestalt

mit einer reell- oder komplexwertigen differenzierbaren Funktion . Im Komplexen gilt die Beziehung

Die äußere Ableitung bildet eine -Form auf

ab. Eine Form wird auf abgebildet.



Satz  

Es sei eineriemannsche Fläche.

Dann ist der Komplex

exakt.

Beweis  

Da die Exaktheit eine lokale Frage ist, können wir direkt annehmen, dass eine offene Kreisscheibe ist. Eine Differentialform in der Mitte besitzt die Gestalt mit,sie wird auf abgebildet. Dies ist genau dann , wenn gleich ist. Deshalb folgt die Exaktheit in der Mitte aus der Cauchy-Riemann-Differentialgleichung und die Exaktheit rechts ausSatz 16.13.


NachSatz 88.10 (Analysis (Osnabrück 2014-2016))gibt es auf einer riemannschen Fläche mit abzählbarer Topologie eine differenzierbare nullstellenfreie Flächenform . Dabei gilt

Daraus folgt im kompakten Fall mitSatz 89.2 (Analysis (Osnabrück 2014-2016)),dass zu einer -Form die Ableitung nicht die Flächenform ist. Eine positive Flächenform liegt also in der Situation des vorstehenden Satzes nicht im globalen Bild und wird auf eine nichttriviale erste Kohomologieklasse in abgebildet.



Lemma  

Zu einerholomorphen Differentialformauf einerriemannschen Fläche

gehört das kommutative Diagramm

vonGarbenmit exakten Zeilen.

Beweis  

Die Exaktheit der ersten Zeile istSatz 16.14,die Exaktheit der zweiten Zeile istSatz 16.15.Zu einer Funktionist nachSatz 86.4 (Analysis (Osnabrück 2014-2016))  (3)

da ja die holomorphe Form geschlossen ist.



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