Kurs:Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019)/Vorlesung 19



Kreisteilungskörper

Definition  

Der -te Kreisteilungskörper ist derZerfällungskörperdes Polynoms

über .

Offenbar ist eine Nullstelle von . Daher kann man durch teilen und erhält, wie man schnell nachrechnen kann,

Wegenist daher der -te Kreisteilungskörper auch der Zerfällungskörper von

Es gibt auch Kreisteilungskörper über anderen Körpern, da es ja stets Zerfällungskörper gibt. Wir beschränken uns aber weitgehend auf die Kreisteilungskörper über , die wir auch mit bezeichnen. Da auf die inLemma 2.10beschriebenen Art über in Linearfaktoren zerfällt, kann man als Unterkörper von realisieren, und zwar ist der von allen -ten Einheitswurzeln erzeugte Unterkörper von . Dieser wird sogar schon von einer einzigen primitiven Einheitswurzel erzeugt.



Lemma  

Es sei. Dann wird der -teKreisteilungskörperüber

von erzeugt.

Der -te Kreisteilungskörper ist also

Insbesondere ist jeder Kreisteilungskörper eineeinfache Körpererweiterungvon .[1]

Beweis  

Es sei der -te Kreisteilungskörper über . Wegenist . Wegengehören auch alle anderen Einheitswurzeln zu , also ist.


Statt kann man auch jede andere -te primitive Einheitswurzel aus als Erzeuger nehmen.


Beispiel  

Wir bestimmen einige Kreisteilungskörper für kleine . Beioder ist der Kreisteilungskörper gleich . Beiist

und der zweite Faktor zerfällt

Daher ist der dritte Kreisteilungskörper der vonerzeugte Körper, es ist alsoeinequadratische Körpererweiterungder rationalen Zahlen.

Beiist natürlich

Der vierte Kreisteilungskörper ist somit,also ebenfalls eine quadratische Körpererweiterung von .




Lemma  

Es sei eine Primzahl.

Dann ist der -teKreisteilungskörpergleich

Insbesondere besitzt der -te Kreisteilungskörper denGrad über .

Beweis  

Der -teKreisteilungskörperwird nachLemma 19.2von erzeugt, er ist also isomorph zu , wobei dasMinimalpolynomvon bezeichnet. Als Einheitswurzel ist eine Nullstelle von und wegenist eine Nullstelle von . Das Polynom ist irreduzibel nachAufgabe 18.19und daher handelt es sich nachLemma 7.12  (2)um das Minimalpolynom von .



Beispiel  

Der fünfte Kreisteilungskörper wird von der komplexen Zahl erzeugt. Er hat aufgrund vonLemma 19.4die Gestalt

wobei die Variable als (oder eine andere primitive Einheitswurzel)zu interpretieren ist. Seiund setze.Aus Symmetriegründen muss dies eine reelle Zahl sein. Es ist

Es ist also(die positive Wurzel)und somit haben wir eine Folge von quadratischen Körpererweiterungen


Weiter unten werden wir für jedes die Minimalpolynome der primitiven -ten Einheitswurzeln bestimmen.



Die Eulersche Funktion

Zur Bestimmung der Galoisgruppe des -ten Kreisteilungskörpers sind die Einheiten im Restklassenring entscheidend.


Definition  

Zu einer natürlichen Zahl bezeichnet die Anzahl der Elemente von . Man nennt die Eulersche Funktion.

Die Zahl gibt also an, wie viele natürliche Zahlen, ,teilerfremd zu sind. In einem Körper, in dem es überhaupt eine -te primitive Einheitswurzelgibt, gibt es genau primitive Einheitswurzeln, da dann die Gruppe der -ten Einheitswurzeln isomorph zur zyklischen Gruppe der Ordnung ist. Für eine Primzahl ist .



Lemma

Es sei eine positive natürliche Zahl mit kanonischer Primfaktorzerlegung

(die seien also verschieden und ).

Dann ist

Beweis

SieheAufgabe 19.4.




Kreisteilungspolynome

Definition  

Es seiund seien dieprimitivenkomplexen Einheitswurzeln. Dann heißt das Polynom

das -te Kreisteilungspolynom.

Nach Konstruktion hat das -te Kreisteilungspolynom den Grad .


Lemma  

Es sei.

Dann gilt in die Gleichung

Beweis  

Jede der verschiedenen -ten Einheitswurzeln besitzt eine Ordnung, die ein Teiler von ist. Eine -te Einheitswurzel der Ordnung ist eine primitive-te Einheitswurzel. Die Aussage folgt daher aus



Lemma  

Die Koeffizienten der Kreisteilungspolynome

liegen in .

Beweis  

Induktion über . Fürist. Für beliebiges betrachten wir die inLemma 19.9bewiesene Darstellung

Der linke Faktor ist ein normiertes Polynom und er besitzt nach der Induktionsvoraussetzung Koeffizienten in . Daraus folgt mitAufgabe 18.11,dass auch Koeffizienten in besitzt.


Grundlegend ist die folgende Aussage.


Satz  

DieKreisteilungspolynome sindirreduzibelüber .

Beweis  

 Nehmen wir an, dass nicht irreduzibel über ist. Dann gibt es nachLemma 18.7eine Zerlegungmit normierten Polynomen von kleinerem Grad. Wir fixieren eineprimitive-te Einheitswurzel . Dann ist nach Definition der Kreisteilungspolynomeund daher ist(ohne Einschränkung).Wir können annehmen, dass irreduzibel und normiert ist, also das Minimalpolynom von ist.  Wir werden zeigen, dass jede primitive -te Einheitswurzel ebenfalls eine Nullstelle von ist. Dann folgt aus Gradgründenim Widerspruch zur Reduzibilität. Jede primitive Einheitswurzel kann man als mit einer zu teilerfremden Zahl schreiben. Es genügt dabei, den Fall mit einer zu teilerfremden Primzahl zu betrachten, da sich jedes sukzessive als -Potenz von erhalten lässt(wobei man sukzessive durch ersetzt undverwendet).  Nehmen wir also an, dassist. Dann musssein. Daher ist eine Nullstelle des Polynoms und daher giltmit , da ja das Minimalpolynom von ist. WegenAufgabe 18.11gehören die Koeffizienten von zu . Wir betrachten nun die Polynome modulo , also als Polynome in , wobei wir dafür usw. schreiben. Aufgrund des Frobeniushomomorphismus in Charakteristik und wegendes kleinen Fermat'schen Satzesgilt

Daher ist

Es sei nunder Zerfällungskörper von über , so dass über insbesondere auch und damit auch in Linearfaktoren zerfällt. Es sei eine Nullstelle von . Dann ist wegen der obigen Teilbarkeitsbeziehung auch eine Nullstelle von . Wegenist dann eine mehrfache Nullstelle von . Damit besitzt auch eine mehrfache Nullstelle in . Nach dem formalen Ableitungskriterium ist aberund dieser Koeffizient ist wegen der vorausgesetzten Teilerfremdheit nicht . Also erzeugt das Polynom und seine Ableitung das Einheitsideal, so dass es nachAufgabe 11.29keine mehrfache Nullstellen geben kann und wir einen Widerspruch erhalten.



Korollar  

Der -te Kreisteilungskörper über hat die Beschreibung

wobei das -teKreisteilungspolynombezeichnet.

Der Grad des -ten Kreisteilungskörpers ist .

Beweis  

Es ist,wobei eineprimitive-te Einheitswurzel ist. Nach Definition des Kreisteilungspolynoms istund nachSatz 19.11ist das Kreisteilungspolynom irreduzibel, so dass es sich um dasMinimalpolynomvon handeln muss. Also ist nachSatz 7.11.

Das im vorstehenden Beweis verwendete Beweisverfahren nennt man Reduktion zu positiver Charakteristik.



Fußnoten
  1. Dies ist natürlich auch klar aufgrund des Satzes vom primitiven Element.


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