Kurs:Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019)/Vorlesung 18



Kummererweiterungen

Wir haben in der letzten Vorlesung gesehen, dass sich einige Eigenschaften einer Galoiserweiterung vereinfachen, wenn die Galoisgruppe abelsch ist. Beispielsweise ist dann jeder Zwischenkörper selbst galoissch über dem Grundkörper. Man spricht von abelschen Galoiserweiterungen.[1]Wichtige Beispiele solcher abelschen Körpererweiterungen sind Erweiterungen von endlichen Körpern und graduierte Körpererweiterungen, wenn hinreichend viele Einheitswurzeln im Grundkörper vorhanden sind.[2]Unter dieser Bedingung folgt umgekehrt, dass sich eine abelsche Erweiterung graduieren lässt. Dies ist der Inhalt der Kummertheorie.


Definition  

Es sei und sei einKörper,der eine -teprimitive Einheitswurzelenthält. EineGaloiserweiterungheißt eine Kummererweiterung zum Exponenten , wenn ihreGaloisgruppeabelschund ihrExponentein Teiler von ist.



Satz  

Es sei und sei einKörper,der eine -teprimitive Einheitswurzelenthält. Es seieineendliche Körpererweiterung. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Wenneine-graduierte Körpererweiterungist, so isteine Kummererweiterungzum Exponenten .
  2. Seieine Kummererweiterung zum Exponenten mitGaloisgruppe. Es seidieCharaktergruppevon . Zu sei[3]

    Dann isteine-graduierte Körpererweiterung.

Beweis  

(1). Dies ist eine Neuformulierung vonSatz 14.11.
(2). NachSatz Anhang 8.3sind sämtliche Automorphismendiagonalisierbar.Da die Galoisgruppeabelschist, folgtaus Satz Anhang 8.4.die simultane Diagonalisierbarkeit aller Automorphismen ().Das heißt, dass manmit eindimensionalen-Untervektorräumen schreiben kann, die unter jedem auf sich abgebildet werden. Zu jedem und jedem ist dabeifür jedes , das Element beschreibt also den Eigenwertvon auf . Die Zuordnung

ist dabei einCharakter.Es ist,da ja die zu gehörende Eigenraumbedingung erfüllt. Wegen

istund jeder Charakter tritt als ein auf. Also ist.Die Stufe zum konstanten Charakter ist . Für und und ist

also,so dass in der Tat eine graduierte Körpererweiterung vorliegt.


Ein Beispiel wiezeigt, dass eine graduierte Körpererweiterung galoissch sein kann mit einer nichtkommutativen Galoisgruppe.



Korollar  

Es sei und sei einKörper,der eine -teprimitive Einheitswurzelenthält. Es seieineKummererweiterungzum Exponenten mitGaloisgruppe, zugehöriger Charaktergruppeund zugehöriger Graduierung

Es seien die homogenen Elemente von .

Dann ist die natürliche Inklusion

einGruppenisomorphismus.

Beweis  

Die Charaktergruppebesitzt wegen der Voraussetzung über die Einheitswurzeln nachLemma 14.10den gleichenExponentenwie . Für ein homogenes Element gilt also insbesondere,[4]so dass die linke Menge eine Teilmenge der rechten ist. Die Multiplikation ist links und rechts gleich, so dass eineUntergruppevorliegt. Zum Nachweis derSurjektivitätsei mit vorgegeben. Wir zeigen, dass ein solches Element einenCharakterder Galoisgruppe definiert. Zu ist

Der Bruchist also eine -teEinheitswurzelund gehört somit zu . Für zwei Automorphismen ist dabei

so dass

ein Charakter ist. Wegenist , also homogen.



Korollar  

Es sei und sei einKörper,der eine -teprimitive Einheitswurzelenthält. Es seieineKummererweiterungzum Exponenten .

Dann isteineRadikalerweiterung.

Beweis  

Dies folgt direkt aus Satz 18.2und ausLemma 12.10  (5).


Innerhalb der Radikalerweiterungen sind die Kummererweiterungen speziell, nämlich von der folgenden Gestalt.


Satz  

Es sei und sei einKörper, der eine -teprimitive Einheitswurzelenthält. Es seieineKörpererweiterung.

Dann ist genau dann eineKummererweiterungzum Exponenten , wenn es eine Beschreibung

mit gibt.

Beweis  

AusSatz 18.2undLemma 12.10  (3)folgt, dass eine Kummererweiterung die angegebene Radikaldarstellung besitzt.
Zum Beweis der Umkehrung seimit.Wir müssen zeigen, dass diese Erweiterung galoisschmit abelscher Galoisgruppeist. Es sei eineprimitive-teEinheitswurzel.Die Produkte erfüllen ebenfalls.Da man die als von verschieden annehmen kann, und primitiv ist, sind diese Produkte für jedes untereinander verschieden. Dies bedeutet, dass die Polynome über in verschiedene Linearfaktoren zerfallen. Damit ist der Zerfällungskörperdieserseparablen Polynome,so dass nachSatz 16.6eineGaloiserweiterungvorliegt. SeidieGaloisgruppedieser Erweiterung. Für jedes und jedes ist ebenfalls eine Lösung der Gleichungund daher ist mit einem gewissen(von und abhängigen). Für zwei Automorphismen ist daher

Somit wirken die Automorphismen auf dem Erzeugendensystem kommutativ und daher ist.Damit ist die Galoisgruppe abelsch.
Für jedes ist ferner

mit einem gewissen . Also ist,so dass ein Vielfaches desExponentenist.



Beispiel  

Der achte Kreisteilungskörper über , also die(siehe Beipiel 9.15)(mehrfach)graduierte Körpererweiterung

ist eineKummererweiterungzum Exponenten mit Galoisgruppe. Die gemäßSatz 18.2zugehörige -Graduierung ist

NachKorollar 18.3gilt,d.h. die Menge der rationalen Quadratwurzeln von sind einfach beschreibbar. Es gibt aber auch noch weitere Wurzeln aus rationalen Zahlen in , beispielsweise die achte Einheitswurzel , die eine vierte Wurzel von ist.




Das Lemma von Gauss und das Eisensteinkriterium

In der nächsten Vorlesung werden wir uns mit Kreisteilungskörpern beschäftigen. Dazu brauchen wir einige wichtige Irreduzibilitätskriterien für Polynome aus .

Die folgende Aussage heißt Lemma von Gauß.


Lemma  

Es seiein nichtkonstantes Polynom derart, dass in nur Faktorzerlegungen mit möglich sind.

Dann ist irreduzibelin .

Beweis  

 Nehmen wir an, es gebe eine nicht-triviale Faktorzerlegung mit nicht-konstanten Polynomen . Sowohl in als auch in kommen nur endlich viele Nenner aus vor, so dass man mit einem gemeinsamen Hauptnenner multiplizieren kann und somit eine Darstellung mit erhält. Dabei haben sich die Grade der beteiligten Polynome nicht geändert. Es seidie Primfaktorzerlegung von . NachAufgabe 3.19 ist auch im Polynomring prim. Da es das Produkt teilt, muss es einen der Faktoren teilen, sagen wir . Dann kann man mit kürzen und erhält eine Gleichung der Form

Dabei ändern sich wieder die Grade nicht. So kann man sukzessive alle Primfaktoren wegkürzen und erhält schließlich eine Zerlegung

mit nicht konstanten Polynomen im Widerspruch zur Voraussetzung.



Lemma  

Es sei ein Integritätsbereich und seiein Polynom. Es sei einPrimelementmit der Eigenschaft, dass den Leitkoeffizienten nicht teilt, alle anderen Koeffizienten teilt, aber dass nicht den konstanten Koeffizienten teilt.

Dann besitzt keine Zerlegungmit nicht-konstanten Polynomen .

Beweis  

 Es sei angenommen, dass es eine Zerlegungmit nicht-konstanten Polynomen gebe, und sei und . Dann istund dies ist ein Vielfaches von , aber nicht von . Da prim ist, teilt es einen der Faktoren, sagen wir , aber nicht den anderen. Es ist nicht jeder Koeffizient von ein Vielfaches von , da sonst und damit auch ein Vielfaches von wäre, was aber aufgrund der Bedingung an den Leitkoeffizienten ausgeschlossen ist. Es sei der kleinste Index derart, dass kein Vielfaches von ist. Es ist,da nicht konstant ist. Wir betrachten den Koeffizienten , für den

gilt. Hierbei sind und alle Summanden, ,Vielfache von . Daher muss auch der letzte Summand ein Vielfaches von sein. Dies ist aber ein Widerspruch, da und .


Das folgende Kriterium für die Irreduzibilität von Polynomen heißt Eisenstein-Kriterium.


Satz  

Es seiein Polynom. Es sei einePrimzahlmit der Eigenschaft, dass den Leitkoeffizienten nicht teilt, aber alle anderen Koeffizienten teilt, aber dass nicht den konstanten Koeffizienten teilt.

Dann ist irreduzibelin .

Beweis  

Dies folgt ausLemma 18.8 und Lemma 18.7.




Fußnoten
  1. Es ist eine generelle Bezeichnungsphilosophie, dass ein Eigenschaftswort zu einer Galoiserweiterung sich auf die Galoisgruppe bezieht.
  2. Eine weitere wichtige Beispielsklasse sind die Kreisteilungskörper, siehe die beiden nächsten Vorlesungen.
  3. Hier orientiert sich die Indizierung- entgegen der sonst üblichen additiven Schreibweise für eine graduierende Gruppe -an der multiplikativen Struktur von . Insbesondere ist die Stufe zum neutralen Element.
  4. Hier verwenden wir wieder additive Schreibweise.


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