Die Endosymbiontentheorie (altgriechisch ἔνδον éndon ‚innen‘ und συμβίωσις symbíōsis ‚Zusammenleben‘) besagt, dass Eukaryoten aus einer Endosymbiose prokaryotischer Vorläuferorganismen hervorgegangen sind.
Demnach sind chemo- und phototrophe Bakterien von Archaeen aufgenommen worden, in denen sie sich zu Zellorganellen ihrer Wirtszellen entwickelt haben, darunter Mitochondrien und Plastiden. Allerdings gibt es auch Eukaryoten, die weder Zellatmung noch Photosynthese betreiben und keine derartigen Organellen haben, wobei angenommen wird, dass diese Zellbestandteile nachträglich verloren gegangen sind.
Der Gedanke der Endosymbiontentheorie ist erstmals von dem Botaniker Andreas Franz Wilhelm Schimper im Jahr 1883 veröffentlicht worden, der damit die Entstehung der Chloroplasten zu erklären versuchte. Ähnliche Ideen vertreten zur damaligen Zeit Julius Sachs und Richard Altmann. Die Hypothese wurde erneut 1905 von dem russischen Evolutionsbiologen Konstantin S. Mereschkowski, 1922 von Ivan Wallin und 1924 von Boris Koso-Poljanski aufgegriffen. Doch erst 1967 mit der Veröffentlichung von Lynn Margulis wurde sie bekannter.
Die Endosymbiontentheorie geht davon aus, dass Mitochondrien und Plastiden sich aus eigenständigen prokaryotischen Lebewesen entwickelt haben. Im Zuge des Evolutionsprozesses sind diese Einzeller eine Endosymbiose mit einer anderen Zelle eingegangen, das heißt, sie leben in ihrer Wirtszelle zum gegenseitigen Vorteil. Auch heute noch kann man beobachten, dass amöboide Einzeller (also solche mit einer „weichen“ Membran) Cyanobakterien aufnehmen, ohne sie zu verdauen.
Das Zusammenspiel der beiden zellulären Organismen hat sich dann im Verlauf der Evolution zu einer gegenseitigen Abhängigkeit entwickelt, in der keiner der beiden Partner mehr ohne den anderen überleben konnte, das heißt, es entstand eine Symbiose. Diese wird Endosymbiose genannt. Die Abhängigkeit geht so weit, dass die Organellen Teile ihres (nicht mehr benötigten) genetischen Materials verloren haben oder die entsprechenden Gene teilweise in das Kern-Genom integriert wurden. Einzelne Protein-Komplexe in den Organellen, wie z. B. die ATP-Synthase, werden so zum Teil aus kerncodierten, zum Teil aus mitochondrial codierten Untereinheiten zusammengesetzt.
Analysen der Genome deuten darauf hin, dass Plastiden von Cyanobakterien abstammen, während Mitochondrien von aeroben α-Proteobakterien (früher favorisiert: Rickettsiales, neuerdings, d. h. seit 2023: Iodidimonadales) abstammen. Diese Form der Endosymbiose zwischen einem Eukaryoten und einem Bakterium wird als primäre Endosymbiose bezeichnet. Entstand das Zellorganell durch die Aufnahme eines Eukaryoten, der bereits ein primäres Endosymbioseereignis erfahren hat, wird dies als sekundäre Endosymbiose bezeichnet.
Primäre Plastiden sind von zwei Hüllmembranen umgeben, die den beiden Membranen des aufgenommenen Cyanobakteriums entsprechen, während die bei der Phagocytose entstehende darum herumliegende, ursprüngliche dritte Membran nicht mehr vorhanden ist. Insgesamt gibt es vier Linien von primären Plastiden und somit von autotrophen primären Endosymbionten:
Bei all diesen Linien wurden die einst aufgenommenen Cyanobakterien so stark angepasst, dass sie frei nicht mehr lebensfähig sind, und zum Organell, dem Plastiden bzw. Chloroplasten wurden. Dies geschah durch ‚endosymbiotischen Gentransfer‘ (EGT, ein Spezialfall des horizontalen Gentransfers HGT) von Genen des Organells auf den Zellkern. Es wurde lange diskutiert, ob so entstandene primäre Chloroplasten aus einem einzigen endosymbiotischen Ereignis oder aus mehreren unabhängigen Ereignissen in verschiedenen eukaryotischen Abstammungslinien stammen. Es wird heute allgemein angenommen, dass praktisch alle Organismen mit primären Chloroplasten einen einzigen gemeinsamen Vorfahren haben, der aus einer primären Endosymbiose vor etwa 600 Millionen bis 2 Milliarden Jahren entstand. Das damals aufgenommene Cyanobakterium stand offenbar nahe der heutigen Spezies Gloeomargarita lithophora, diese befindet basal sich im Stammbaum der Cyanobakterien nahe der Gattung Synechococcus. Die Alge Cyanophora, ein Glaucophyt, gilt als einer der ursprünglichsten Organismen, die einen Chloroplasten enthalten.
Sekundäre Plastiden verfügen über drei oder sogar vier Hüllmembranen. Es ist kein Fall bekannt, in dem eine Aufnahme eines Glaucophyten zu einer sekundären Endosymbiose geführt hätte. Dagegen existiert eine Fülle von Organismengruppen, die eine Rotalge aufgenommen und sie in unterschiedlichem Maße reduziert haben. Einige Autoren nehmen an, dass dieses Ereignis nur einmal in der Evolution stattgefunden hat, und definieren so das Monophylum der Chromalveolata. In diese Gruppe gehören die Braunalgen, Gelbgrünalgen, Goldalgen, Cryptophyceen, Haptophyceen (Kalkalgen), und die Apicomplexa (z. B. Malaria-Erreger Plasmodium).
Auch sekundäre Endosymbiosen zwischen Eukaryoten und Grün- oder Rotalgen (d. h. primären Endosymbionten) sind bekannt. So wird angenommen, dass die Euglenozoa und die Chlorarachniophyta unabhängig voneinander primäre Endosymbionten in sich aufgenommen haben.
Offenbar ist es auch zu tertiären Endosymbiosen gekommen. Die drei ungewöhnlich pigmentierten Dinoflagellaten-Spezies Gymnodinium galatheanum und Gymnodinium breve und Gyrodinium aureolum (ein Synonym für Gymnodinium aureolum) haben Plastiden, die 19′-Hexanoyloxy-Fucoxanthin als Hauptcarotinoid besitzen und nicht das für die meisten Dinoflagellaten charakteristische Peridinin. Analysen der SSU rDNA aus dem Plastid und dem Kerngenom dieser Dinoflagellaten deuten darauf hin, dass sie ihre Plastiden durch Endosymbiose eines Haptophyten erworben haben. Bei den Haptophyten selbst geht man davon aus, dass ihre Plastiden sekundären Ursprungs sind; daher scheinen diese Dinoflagellaten tertiäre Plastiden zu besitzen.
Es gibt einige Protozoen („Archezoa“), die keine Mitochondrien (und auch keine Plastiden) besitzen. Zunächst wurde angenommen, sie seien primitiv und unmittelbar aus der urtümlichen Wirtszelle der Endosymbionten hervorgegangen. Dies ist vermutlich falsch. Die meisten dieser Organismen besitzen mit den Hydrogenosomen bzw. Mitosomen Organellen, die offenbar entweder von Mitochondrien abstammen oder mit diesen einen gemeinsamen Ursprung in den α-Proteobakterien haben. In einigen Fällen sind sogar noch eigene DNA und Ribosomen vorhanden.
Mitochondrien und ähnliche (d. h. abgeleitete) Organellen wie Hydrogenosomen und Mitosomen werden daher zusammen als „mitochondrienverwandte Organellen“ (englisch mitochondrion-related organelles, MROs), auch „mitochondrien-ähnliche Organellen“ (en. mitochondrion-like organelles, MLOs) genannt, klassifiziert. Zu diesen gehören auch die anaeroben und DNA-freien Organellen von Henneguya salminicola (alias H. zschokkei, Myxozoa).
Eine Ausnahme ist die Gattung Monocercomonoides (Excavata), die keine Organellen aus dieser Gruppe aufweist. Man nimmt an, dass diese Einzeller durch horizontalen Gentransfer ein zytosolisches System erworben hatten, um für die Proteinsynthese erforderliche Eisen-Schwefel-Cluster bereitzustellen. Danach waren ihre mitochondrialen Organellen in all ihren Funktionen überflüssig und gingen verloren. In all diesen Fällen enthält die DNA im Zellkern Sequenzen, die eindeutig mitochondrialen Ursprungs sind. Wahrscheinlich haben alle amitochondrialen Eukaryoten ihre Mitochondrien sekundär verloren oder umgewandelt.
Eine im Herbst 2020 veröffentlichte Studie legt anhand von umfangreichen Genomanlysen nahe, dass – obwohl bisher noch keine primär amitochondrialen Eukaryoten gefunden wurden – die Vorfahren der Eukaryoten zuerst ihre komplexes Genom mit den zugehörigen Strukturen und danach die Mitochondrien (oder Vorläufer davon) erworben haben.
Weitere MLOs mit eigenem Genom wurden bei Einzellern der Gattung Blastocystis gefunden.
Im Jahr 2023 identifizierten Laura Eme, Daniel Tamarit et al. auf Basis einer vergleichenden Analyse von Asgard-Genomen die Ordnung Hodarchaeales innerhalb der Heimdallarchaeia als Schwesterklade der Eukaryoten unter den zu diesem Zeitpunkt bekannten Archaeen.
Lynn Margulis hatte 1970 vermutet, die eukaryotischen Geißeln könnten ihren Ursprung in epibiontischen Spirochaeten haben, die sich symbiotisch an die Ur-Eukaryoten angelagert hätten (Spirochaeten-Hypothese). Zwar gibt es Beispiele für epibiontische Bakterien bei Eukaryoten (siehe Epixenosoma/Euplotidium). Jedoch konnten Hinweise auf DNA in eukaryotischen Basalkörpern bzw. Zentriolen nie bestätigt werden (ganz anders als in Mitochondrien und Chloroplasten). Der Fund, dass Naegleria gruberi beim Übergang vom Amöben- zum begeißelten Flagellaten-Stadium diese Basalkörper bzw. Zentriolen de novo synthetisiert, spricht weiter gegen die Spirochaeten-Hypothese (dies ist von Plastiden und MROs nicht bekannt). Der Ursprung der eukaryotischen Geißeln bleibt aber ungeklärt bzw. in Diskussion. Dabei wurden auch für den Ursprung dieser Organellen und ihrer Mikrotubuli-Struktur andersartige Symbiosen vorgeschlagen. Andererseits wurden 2022 bei Vertretern der Odinarchaeota Tubulin-Vorstufen gefunden (OdinTubuilin), die Ähnlichkeiten zu prokaryotischen Zellteilungsproteinen (FtsZ) zeigen, was gegen eines symbiotischen Erwerb sprechen könnte.
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