Als österreichische Unabhängigkeitserklärung wird die am 27.
April 1945 im Wiener Rathaus von Vertretern der drei Gründungsparteien der Zweiten Republik (SPÖ, ÖVP und KPÖ) unterzeichnete Proklamation über die Selbstständigkeit Österreichs bezeichnet, mit welcher der „Anschluss“ der Republik Österreich an das Deutsche Reich vom 13. März 1938 für null und nichtig erklärt wurde. Die Erklärung war als politische sowie verfassungs- und staatsrechtliche Willenserklärung Basis für die am gleichen Tag erfolgte Konstituierung der Provisorischen Staatsregierung unter Vorsitz von Karl Renner.
Basisdaten | |
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Titel: | Unabhängigkeitserklärung |
Langtitel: | Proklamation über die Selbständigkeit Österreichs |
Typ: | unklar; teilweise als Bundesverfassungsgesetz bezeichnet |
Geltungsbereich: | Republik Österreich |
Rechtsmaterie: | Bundesverfassung |
Fundstelle: | StGBl. Nr. 1/1945 |
Datum des Gesetzes: | 27. April 1945 |
Inkrafttretensdatum: | 1. Mai 1945 |
Gesetzestext: | ris.bka |
Bitte beachte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung! |
Am 29. März 1945 hatte die Rote Armee, aus Ungarn kommend, die deutsche Reichsgrenze und ehemalige österreichische Staatsgrenze überschritten. Am 13. April konnte sie den Kampf um Wien, bei dem rund 19.000 Wehrmachts- und 18.000 sowjetische Soldaten starben, für sich entscheiden. Im späten April und Anfang Mai drangen zudem die Westalliierten von Westen her in die „Donau- und Alpenreichsgaue“ vor, so dass zum Zeitpunkt der Kapitulation der deutschen Streitkräfte am 8. Mai 1945, die den Zweiten Weltkrieg in Europa beendete, weite Teile des heutigen Österreichs unter der Kontrolle der vier Siegermächte standen.
In der Moskauer Deklaration von 1943 hatten die Alliierten (USA, Großbritannien und Sowjetunion, wenig später auch das „Französische Komitee für die Nationale Befreiung“) festgelegt, dass sie den Anschluss Österreichs und des Sudetenlandes 1938 an das Deutsche Reich für null und nichtig erachten und die Befreiung Österreichs eines ihrer Kriegsziele sei. Schon seit 1941 gab es sowjetische Pläne, nach Kriegsende den Staat Österreich wiederherzustellen. Vor der Übereinkunft der Alliierten hatte es, vor allem in Großbritannien, auch andere Denkmodelle gegeben, die neben einem eigenen Staat auch einen föderalistischen „Alpenstaat“ mit Bayern oder eine „Donaukonföderation“, ähnlich der ehemaligen Donaumonarchie, beinhalteten.
Am 3. April 1945 hatte Karl Renner, der erste Staatskanzler der Ersten Republik, Kontakt mit den sowjetischen Truppen aufgenommen, die in das Burgenland vorgedrungen waren. Von den Sowjets erhielt er die Zustimmung zur Bildung einer neuen österreichischen Regierung. In der Folge kam es am 14. April zur Gründung der SPÖ (aus Sozialdemokraten und „Revolutionären Sozialisten“) in Wien sowie am 17. April der ÖVP (Christlichsoziale und Landbund) und der KPÖ.
Am 27. April 1945 – also noch vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges – wurde von diesen drei Parteien die Unabhängigkeit Österreichs erklärt. Am gleichen Tag trat die neu gebildete provisorische Staatsregierung zusammen (zehn Vertreter der SPÖ, neun der ÖVP, sieben der KPÖ und drei Unabhängige). Die Vertreter der KPÖ kamen zumeist direkt aus Moskau, wo sie im Exil gelebt hatten; die Vertreter der beiden anderen Parteien waren im Land verblieben, ihre ins westliche Ausland geflüchteten Gesinnungsgenossen konnten erst ab Sommer 1945 nach Wien zurückkehren. Renner, der ursprünglich nur bei der Konstituierung behilflich sein wollte, wurde Vorsitzender der Regierung und somit Staatskanzler. Ziel der Regierung war die Wiederherstellung der Österreichischen Republik auf der Grundlage der Verfassung von 1920 und der Novelle von 1929.
Zunächst wurde die Regierung einzig von der Sowjetunion anerkannt und war de facto nur in der sowjetisch besetzten Zone im Osten Österreichs voll wirkmächtig; Renner, dem Stalin zuvor sein Vertrauen ausgesprochen hatte (er kannte Renner noch aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg), stand bei den Westalliierten sogar im Verdacht, mit den Sowjets zu kollaborieren. Erst am 20. Oktober 1945 folgten die USA, Großbritannien und Frankreich per Beschluss des Alliierten Rates. Am 25. November 1945 fanden die ersten Nationalratswahlen statt.
Die Unabhängigkeitserklärung besteht aus zwei Teilen. In der Präambel wird auf das völkerrechtswidrige Zustandekommen der Vereinigung und auf das ausbeuterische Verhalten des Deutschen Reichs gegenüber Österreich hingewiesen. Des Weiteren wird auf den Willen der Alliierten hingewiesen, ein freies und unabhängiges Österreich wieder erstehen lassen zu wollen. Im Anschluss folgt die eigentliche Unabhängigkeitserklärung.
Aus zeitgeschichtlicher Sicht ist bemerkenswert, dass in der Präambel Entrechtung, Beraubung, Vertreibung und Ermordung jüdischer Österreicher und anderer „rassischer“ und religiöser Minderheiten (zum Beispiel Roma und Sinti, Zeugen Jehovas) verschwiegen werden, ebenso die Beteiligung zahlreicher Österreicher am Terrorregime und am Völkermord.
Die Unterzeichner bildeten den Politischen Kabinettsrat der Provisorischen Staatsregierung, bestehend aus dem Staatskanzler und je einem politischen Staatssekretär [= Minister] von ÖVP, SPÖ und KPÖ.
Renner wurde noch im gleichen Jahr zum ersten Bundespräsidenten der Zweiten Republik gewählt. Schärf war zwölf Jahre lang Vizekanzler, bevor er 1957 ebenfalls zum Bundespräsidenten gewählt wurde. Kunschak wurde zum Präsidenten des Nationalrats gewählt und blieb dies bis zu seinem Tod 1953. Koplenig war bis 1959, als die KPÖ aus dem Nationalrat ausschied, Nationalratsabgeordneter.
Bei der Wiedererrichtung der Republik Österreich wurden, wie bei der Staatsgründung 1918, vorerst mit dem Wort Staat beginnende Begriffe verwendet (Staatskanzler, Staatssekretär [= Minister], Unterstaatssekretär [= Staatssekretär], Staatsamt [= Ministerium], Provisorische Staatsregierung usw.). Dementsprechend wurde die Gesetzesverlautbarung vorerst noch wie früher Staatsgesetzblatt (StGBl.) und erst später als Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich (BGBl.), je Ausgabe als Stück bezeichnet. Stück 1 der Zweiten Republik im Jahrgang 1945 wurde am 1. Mai 1945 publiziert: In diesem wurde als Nr. 1 die Unabhängigkeitserklärung der fortlaufend nummerierten Gesetze verlautbart. Daran anschließend folgte als Nr. 2 die Kundmachung über die Einsetzung einer provisorischen Staatsregierung und deren Ressortverteilung und Ministerliste, sowie als Nr. 3 die erste Regierungserklärung, ausdrücklich gerichtet an die „Männer und Frauen von Österreich!“
Im Gedenken an die Unabhängigkeitserklärung wurde am 25. Oktober 1966 im Wiener Schweizergarten das Staatsgründungsdenkmal errichtet. Auf dem Boden vor dem Denkmal befinden sich Schriftpulte aus Stein und Beton, die den Text der Unabhängigkeitserklärung aufweisen. Auszüge der Unabhängigkeitserklärung sowie die Namen ihrer Unterzeichner sind auf dem „Stein der Republik“, einem Teil des 1988 in Wien errichteten Mahnmals gegen Krieg und Faschismus, eingemeißelt.
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