Kurs:Algebraische Zahlentheorie (Osnabrück 2020-2021)/Vorlesung 17



Kreisteilungskörper

Wir rekapitulieren ohne Beweis die wichtigsten Ergebnisse über Kreisteilungskörper, wie sie in der Galoistheorie bewiesen werden.


Definition  

Der -te Kreisteilungskörper ist derZerfällungskörperdes Polynoms

über .

Die Kreisteilungskörper über bezeichnen wir mit . Offenbar ist eine Nullstelle von , daher kann man durch teilen und erhält

Wegenist daher der -te Kreisteilungskörper auch der Zerfällungskörper von

Da auf die inLemma 2.10 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019))beschriebene Art über in Linearfaktoren zerfällt, nämlich

kann man als Unterkörper von realisieren, und zwar ist der von allen -ten Einheitswurzeln erzeugte Unterkörper von . Dieser wird sogar schon von einer einzigen primitiven Einheitswurzel erzeugt.


Lemma

Es sei. Dann wird der -teKreisteilungskörperüber

von erzeugt.

Der -te Kreisteilungskörper ist also

Insbesondere ist jeder Kreisteilungskörper eineeinfache Körpererweiterungvon .[1]

Statt kann man auch jede andere -te primitive Einheitswurzel aus als Erzeuger nehmen.


Beispiel  

Wir bestimmen einige Kreisteilungskörper für kleine . Beioder ist der Kreisteilungskörper gleich . Beiist

und der zweite Faktor zerfällt

Daher ist der dritte Kreisteilungskörper der vonerzeugte Körper, es ist alsoeinequadratische Körpererweiterungder rationalen Zahlen.

Beiist natürlich

Der vierte Kreisteilungskörper ist somit,also ebenfalls eine quadratische Körpererweiterung von .



Lemma

Es sei eine Primzahl.

Dann ist der -teKreisteilungskörpergleich

Insbesondere besitzt der -te Kreisteilungskörper denGrad über .


Beispiel  

Der fünfte Kreisteilungskörper wird von der komplexen Zahl erzeugt. Er hat aufgrund vonLemma 17.4die Gestalt

wobei die Variable als (oder eine andere primitive Einheitswurzel)zu interpretieren ist. Seiund setze.Aus Symmetriegründen muss dies eine reelle Zahl sein. Es ist

Es ist also(die positive Wurzel)und somit haben wir eine Folge von quadratischen Körpererweiterungen


Die Menge der -ten Einheitswurzeln in bilden eine zyklische GruppederOrdnung und die primitiven Einheitswurzeln sind die Erzeuger davon. Ihre Anzahl stimmt damit generell mit der Anzahl der Erzeuger der additiven Gruppe überein. Diese Anzahl bekommt einen eigenen Namen.


Definition  

Zu einer natürlichen Zahl bezeichnet die Anzahl der Elemente von . Man nennt die Eulersche Funktion.


Definition  

Es seiund seien dieprimitivenkomplexen Einheitswurzeln. Dann heißt das Polynom

das -te Kreisteilungspolynom.


Lemma

Die Koeffizienten der Kreisteilungspolynome

liegen in .


Satz

DieKreisteilungspolynome sindirreduzibelüber .


Satz

Der -te Kreisteilungskörper über hat die Beschreibung

wobei das -teKreisteilungspolynombezeichnet.

Der Grad des -ten Kreisteilungskörpers ist .


Satz

Es sei der-te Kreisteilungskörper.

Dann isteineGaloiserweiterungmit der Galoisgruppe

Dabei entspricht der Einheit derjenige Automorphismus , der eine -te Einheitswurzel auf abbildet.



Kreisteilungsringe

Definition  

Es sei.Der Ring der ganzen Zahlenim -ten Kreisteilungskörperheißt -terKreisteilungsring.

Wir bezeichnen diesen Kreisteilungsring mit und möchten die Gleichheitnachweisen, was bedeutet, dass der Kreisteilungsring durch die selbe Gleichung beschrieben wird wie der Kreisteilungskörper. Fürist der Kreisteilungsring der Ring der Eisensteinzahlen, und für diesen gilt in der Tat die Beschreibung und fürist der vierte Kreisteilungsring der Ring der Gaußschen Zahlen , und ist das vierte Kreisteilungspolynom. Aber schon für diese niedrigen Zahlen ist das Resultat nicht selbstverständlich, sondern beruht auf der expliziten Beschreibung der quadratischen Zahlbereiche im Sinne vonSatz 9.8.

Wir werden die Behauptung zuerst für eine Primzahlzeigen. Wenn eine primitive -te Einheitswurzel ist, so spielt das Element eine besondere Rolle.


Lemma  

Es sei einePrimzahlund seieineprimitive-teEinheitswurzel.

Dann ist das einzigePrimidealim -tenKreisteilungsringoberhalb von das Primhauptideal .

Beweis  

Wir setzen

Das -te Kreisteilungspolynom zerfällt

über und auch über . Fürergibt sich speziell die Gleichung

Aufgrund der endlichen geometrischen Reihe ist

und dieses Element gehört zu . Da zwischen und ist, gibt es jeweils ein mit.Wegenund

gehört dieses Element ebenfalls zu , d.h. die Elemente sind Einheiten in . Deshalb ist

mit einer Einheit aus . Deshalb gilt in und damit auch im ganzen Abschluss die Idealgleichheit .

Im ganzen Abschluss liegt nachSatz 12.2eine Idealzerlegung

vor und daher gilt dort

Da der Grad der Erweiterung gleich ist, folgt direktund somit, dass ein Primideal ist, und zwar das einzige über .



Lemma  

Es sei einePrimzahlund seieineprimitive-teEinheitswurzel.

Dann ist der -te Kreisteilungsringgleich .

Beweis  

Wir zeigen, dass

bereitsnormalist, also mit seinem ganzen Abschluss übereinstimmt. Dazu genügt es zu zeigen, dass dieLokalisierungvon an jedem Primideal eindiskreter Bewertungsringist. Es sei

mit einer Primzahl und wir machen eine Fallunterscheidung je nachdem, obist oder nicht. BeizeigtLemma 17.13,dassein Hauptideal ist, was sich auf die Lokalisierung überträgt. Beilokalisieren wir die Situation an . Da und seine Ableitung teilerfremd in sind, gilt dies auch für das Kreisteilungspolynom und seine Ableitung. Deshalb sind die Primteiler des Kreisteilungspolynoms in einfach. Somit sind die Lokalisierungen oberhalb von nachLemma 15.1diskrete Bewertungsringe.

Insbesondere ist eineGanzheitsbasisdes Kreisteilungsringes.


Beispiel  

Das exemplarische Zerlegungsverhalten im fünften Kreisteilungsring umd im quadratischen Zahlbereich zu .

Es seider fünfte Kreisteilungsring.Wir verwenden den Zwischenring(vergleicheBeispiel 17.5)

mit

und.Wir beschreiben exemplarisch das Verhalten von Primzahlen in diesem Zahlbereich. Zu einer Primzahl kommen als Restekörper der Primideale in oberhalb von nachKorollar 8.8nur die Körper in Frage(die Möglichkeit werden wir gleich ausschließen), und zwar muss es in den Restekörpern fünf Einheitswurzeln(über fallen die zusammen)geben. WegenSatz 9.6 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019))ist dies genau dann der Fall, wenn ein Vielfaches von ist. Daraus ergeben sich die Möglichkeiten.Wir geben Beispiele für typisches Zerlegungsverhalten.

Sei.Es ist ein Körper mit vier Elementen und es ist ein Körper mit Elementen.

Sei.Hier ist über

und somit.Es gibt also nur ein Primideal oberhalb von und dessen Restklassenkörper ist , was auch vonLemma 17.13her klar ist.

Beisind fünfte Einheitswurzeln und das Kreisteilungspolynom hat die Zerlegung

Oberhalb von liegen in vier Primideale, alle mit dem Restekörper . Dabei liegen und über und und über in .

Beiist,in gibt es somit zwei Primideale oberhalb von , beide mit dem Restekörper . In gibt es aber keine fünfte Einheitswurzeln, deshalb liegen oberhalbvon in zwei Primideale, beide mit dem Restekörper . Über liegt die Faktorzerlegung

vor.




Lemma  

Es sei einePrimzahlund eineprimitive-teEinheitswurzel.

Dann ist dieDiskriminanteder-Basis des -tenKreisteilungskörpersgleich

Beweis  

Das -te Kreisteilungspolynomist

Es ist nachLemma 8.11

Wenn man die Übergangsmatrix zwischen den beiden Basen und betrachtet, so ist deren Determinante gleich und deshalb kann manwegen Lemma 8.2genauso gut berechnen.

Wir verwenden nun zwei verschiedene Möglichkeiten, die Ableitung des Kreisteilungspolynoms zu bestimmen. Die Ableitung von ist nach der Produktregel gleich

Wenn man darin, ,einsetzt, so werden alle Summanden mit der einzigen Ausnahme fürzu , und der verbleibende Summand ist

Somit ist die Diskriminante gleich

wobei die Galoisgruppe durchläuft undLemma 7.14verwendet wurde. Aufgrund von

gilt für die Ableitung auch die Beziehung

Wenn man darin einsetzt, so erhält man

und somit

Die Norm von ist

Deshalb ist die Diskriminante nachLemma 8.7 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019))undLemma 10.2gleich



Lemma

Es sei einePrimzahl,und eineprimitive-teEinheitswurzelund

Dann ist dieDiskriminanteder-Basis des -tenKreisteilungskörpersgleich

Beweis

Dies wird ähnlich wieLemma 17.16bewiesen.



Satz

Seiund seieineprimitive-teEinheitswurzel.

Dann ist der -te Kreisteilungsringgleich .

Beweis

Dies wird zuerst ausgehend vonLemma 17.14für Primzahlpotenzen bewiesen. Beiergibt sich eine Ganzheitsbasis des Ganzheitsringes wegen der nachLemma 17.17teilerfremden Diskiminanten aus den Produkten der Ganzheitsbasen der einzelnen Kreisteilungsringen zu den Primzahlpotenzen.


Es ist also

wobei das -te Kreisteilungspolynom bezeichnet.



Fußnoten
  1. Dies ist natürlich auch klar aufgrund des Satzes vom primitiven Element.


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