Kurs:Algebraische Zahlentheorie (Osnabrück 2020-2021)/Vorlesung 7



Zahlbereiche

Wir werden uns in diesem Kurs hauptsächlich für den ganzen Abschluss von in einem endlichen Erweiterungskörperder rationalen Zahlen interessieren.


Definition  

Es seieineendliche Körpererweiterung.Dann nennt man den ganzen Abschlussvon in den Ring der ganzen Zahlen in . Solche Ringe nennt man auch Zahlbereiche.

Den endlichen Erweiterungskörper von nennt man übrigens einen Zahlkörper. Diese Zahlbereiche sind der Gegenstand der algebraischen Zahlentheorie. Wir interessieren uns in der algebraischen Zahlentheorie insbesondere für folgende Fragen.

  1. Wann ist einZahlbereich ein Hauptidealbereichund wann ist er faktoriell?
  2. Wenn kein Hauptidealbereich ist, gibt es dann andere Versionen, die die eindeutige Primfaktorzerlegung ersetzen?(Ja: Lokal und auf Idealebene, sieheKorollar 10.18,Satz 10.17,Bemerkung 10.9einerseits undSatz 12.2andererseits.)
  3. Wenn kein Hauptidealbereich ist, kann man dann die Abweichung von der Eigenschaft, ein Hauptidealbereich zu sein, in irgendeiner Form messen? (Ja: Durch die sogenannte Klassengruppe. SieheSatz 14.2undSatz 26.6.)
  4. Was passiert mit den Primzahlen in den Zahlbereichen? Gibt es eine Regelmäßigkeit, wie diese in zerlegt werden?(sieheKorollar 8.8.)
  5. Was kann man über die Einheiten in einem Zahlbereich sagen?(SieheSatz 28.7.)
  6. Inwiefern reflektieren Eigenschaften von Zahlbereichen Eigenschaften der ganzen Zahlen selbst?



Satz  

Es sei ein Zahlbereich.

Dann ist ein normaler Integritätsbereich.

Beweis  

Nach Lemma 6.16ist der Quotientenkörper des Ganzheitsrings . Istganz über , so ist nachAufgabe 6.24auch ganz über und gehört selbst zu .


Ein Ganzheitsring ist im Allgemeinen nicht faktoriell.


Lemma

Es seieineendliche Körpererweiterungund es seiein Unterring mit den folgenden Eigenschaften:

  1. istganzüber .
  2. Es ist.
  3. istnormal.

Dann ist der Ring der ganzen Zahlenvon .

Beweis

SieheAufgabe 7.1.



Beispiel  

Wir betrachten die Körpererweiterung,der die Ringe

enthält, wobeiist, d.h. ist der Ring der Eisenstein-Zahlen.Der Quotientenkörper von beiden Ringen ist . Das Element erfüllt die Ganzheitsgleichung

und somit ist ganz über . Ferner ist normal.Dies ergibt sich ausSatz Anhang 2.7,Satz Anhang 2.8,[[Hauptidealbereich/Ist faktoriell (ohne Begriff)/Fakt|Satz 2.19 ]]undSatz 6.12.NachLemma 7.3ist also insgesamt der Ring der Eisenstein-Zahlen der Ring der ganzen Zahlen in .




Satz  

Es sei ein Zahlbereichund sei.Dann ist genau dann ganzüber , wenn die Koeffizienten des Minimalpolynomsvon über alle ganzzahlig sind.

Beweis  

Das Minimalpolynom von über ist ein normiertes irreduzibles Polynom mit Koeffizienten aus . Wenn die Koeffizienten sogar ganzzahlig sind, so liegt direkt eine Ganzheitsgleichungfür über vor.

Es sei umgekehrt ganz über , und seiein normiertes ganzzahliges Polynom mit,das wir als irreduzibel in annehmen dürfen. Wir betrachten.Dort gilt

Da nachdem Lemma von Gaußein irreduzibles Polynom von auch in irreduzibel ist, folgt und daher sind alle Koeffizienten von ganzzahlig.




Ideale in Zahlbereichen

In ist jedes Ideal ein Hauptideal und es ist

(die letzte Gleichung setzt voraus, dass es sich nicht um das Nullideal handelt).Eine ähnlich einfache Gruppenstruktur gilt für jedes Ideal in einem Zahlbereich, was wir inKorollar 8.5beweisen werden.



Lemma  

Es sei ein Zahlbereich.

Dann enthält jedes von verschiedene Idealeine Zahlmit.

Beweis  

Sei.Dieses Element ist nach der Definition eines Zahlbereiches ganzüber und erfüllt demnach eine Ganzheitsgleichung

mit ganzen Zahlen . Beikann man die Gleichung mit kürzen, daein Nichtnullteiler ist. So kann man sukzessive fortfahren und erhält schließlich eine Ganzheitsgleichung, bei der der konstante Term nicht ist. Es sei also in obiger Gleichung.Dann ist

und somit ist.



Lemma  

Es seieine endliche Körpererweiterungvom Grad und der zugehörige Zahlbereich.Es sei ein von verschiedenes Idealin . Dann enthält Elemente , die eine-Basisvon sind.

Beweis  

Es sei eine -Basis von . Das Ideal enthält nach Lemma 7.6ein Element.Nach(dem Beweis von) Lemma 6.16kann man mitundschreiben. Dann sind dieund sie bilden ebenfalls eine -Basis von .



Spur und Norm

Zu einer-Algebra definiert jedes Elementeinen-Modulhomomorphismus, ,die Multiplikationsabbildung. Wenn eine endlich erzeugte freie -Algebra ist, ihre additive Struktur also die Formbesitzt, so wird dieser Multiplikationshomomorphismus bezüglich einer -Basis von durch eine -Matrix beschrieben, die die Multiplikationsmatrix(zu bezüglich dieser Basis)heißt. In diesem Fall kann man Konzepte der Matrixtheorie der linearen Algebra auf diese Multiplikationsabbildung anwenden. Diese Situation liegt bei einer endlichen Körpererweiterungvor, aber auch ein Zahlbereich ist stets nachKorollar 8.6eine freie -Algebra. Aber auch wennIntegritätsbereichesind mit endlich erzeugt als-Modul,so kann man auch im nichtfreien Fall über die Quotientenkörper die folgenden Konzepte anwenden.


Definition  

Es sei einkommutativer Ringund sei eine kommutativeendlichefreie-Algebra.Zu einem Elementnennt man die Spurdes-Modulhomomorphismus

die Spur von . Sie wird mit bezeichnet.


Definition  

Es sei einkommutativer Ringund sei eine kommutativeendlichefreie-Algebra.Zu einem Elementnennt man die Determinantedes-Modulhomomorphismus

die Norm von . Sie wird mit bezeichnet.

Bei einer freien -Algebra ist die Spur

-linear und insbesondere additiv und die Norm

ist multiplikativ. Darin liegen ihre jeweiligen Bedeutungen, dass mit ihrer Hilfe additive bzw. multiplikative Eigenschaften von in widergespiegelt werden können. Einen Ringhomomorphismus von nach gibt es nur sehr selten, deshalb sind Spur und Norm in gewissem Sinne optimal.

Die Interpretation eines Elementes als lineare Abbildung hilft auch dabei, das Minimalpolynom zu bestimmen.


Lemma  

Es seieine endliche Körpererweiterungundein Element mit der Multiplikationsabbildung

Dann ist in dascharakteristische Polynomvon ein Vielfaches desMinimalpolynomsvon .

Beistimmt das charakteristische Polynom mit dem Minimalpolynom überein.

Beweis  

Die Zuordnung

ist ein injektiver Ringhomomorphismus. Es sei dascharakteristische Polynomvon . NachCayley-Hamiltonist

im Endomorphismenring. Damit ist auch

in . NachSatz 2.12ist somit das Minimalpolynom ein Teiler des charakteristischen Polynoms. Beibesitzt das Minimalpolynom und das charakteristische Polynom den gleichen Grad, also stimmen sie überein.


Da wir noch nicht gezeigt haben, dass Zahlbereiche frei sind, verwenden wir Spur und Norm über die Quotientenkörper. Allerdings können wir hier schon begründen, dass die Spur und die Norm eines ganzen Elementes zum Grundring gehört.


Korollar  

Es sei ein Zahlbereichund sei.

Dann ist dieSpurund dieNormvon ganzzahlig.

Beweis  

Eine Verfeinerung der Argumentation zuLemma 7.10zeigt, dass das charakteristische Polynom zu eine Potenz des Minimalpolynoms zu ist. Da nachSatz 7.5die Koeffizienten des Minimalpolynoms ganzzahlig sind, überträgt sich dies auf das charakteristische Polynom. Spur und Norm treten aber nachAufgabe 7.19undAufgabe 7.20als Koeffizienten des charakteristischen Polynoms auf.




Einbettungen in die komplexen Zahlen



Satz  

Es seieineendliche Körpererweiterungvom Grad. Dann gibt es genau Einbettungen von in die komplexen Zahlen .

Beweis  

Nach dem Satz vom primitiven Elementwird durch ein Element erzeugt, es ist also

mit einem irreduziblen Polynom vom Grad . Da irreduzibel ist und da die Ableitungist und kleineren Grad besitzt, folgt, dass und teilerfremdsind. Nach Satz 2.12ergibt sich, dass und das Einheitsidealerzeugen, alsoist. Wir betrachten diese Polynome nun als Polynome in , wobei die polynomialen Identitäten erhalten bleiben. Über den komplexen Zahlen zerfallen und in Linearfaktoren, und wegen der Teilerfremdheit bzw. der daraus resultierenden Identität haben und keine gemeinsame Nullstelle. Daraus folgt wiederum, dass keine mehrfache Nullstelle besitzt, sondern genau verschiedene komplexe Zahlen als Nullstellen besitzt. Jedes definiert nun einen Ringhomomorphismus

Da ein Körper ist, ist diese Abbildung injektiv. Da dabei auf verschiedene Elemente abgebildet wird, liegen verschiedene Abbildungen vor. Es kann auch keine weiteren Ringhomomorphismen geben, da jeder solche durch gegeben ist undsein muss.


Statt von komplexen Einbettungen spricht man auch von komplexen Realisierungen. Man beachte im vorstehenden Satz, dass das Bild von verschiedenen Einbettungen

der gleiche Unterkörper von sein kann. Dies gilt bereits für quadratische Erweiterungen wie . Man hat die beiden Einbettung,wobei die eine Abbildung auf und die andere auf schickt. Das Bild ist aber in beiden Fällen gleich.

Wenn das Bild einer Einbettung ganz in den reellen Zahlen liegt, so spricht man auch von einer reellen Einbettung. Die Anzahl der reellen Einbettungen und die Anzahl der imaginären Einbettungen spielt eine wichtige Rolle in der algebraischen Zahlentheorie. Zu einem Elementnennt man die verschiedenen komplexen Zahlen

zueinander konjugiert. Diese sind allesamt Nullstellen eines irreduziblen Polynoms mit rationalen Koeffizienten vom Grad .



Lemma  

Es seieine endliche Körpererweiterungundein Element. Es seien

die verschiedenen komplexen Einbettungen und es seidie Menge der verschiedenen Werte . Dann gilt in für das Minimalpolynom von die Gleichung

Beweis  

Es seider von erzeugte Unterkörper von . Es ist dann

mit dem(normierten)Minimalpolynom von und (bzw. )haben den Grad über . GemäßSatz 7.12gibt es Einbettungen, die den komplexen Nullstellen von entsprechen, und daher ist

Die Einbettungen induzieren jeweils eine Einbettung und somit ist,also.Andererseits lässt sich eine Einbettung zu einer Einbettung fortsetzen, da über separabelist und nach dem Satz vom primitiven Elementvon einem Element erzeugt wird und das zugehörige Minimalpolynom über zerfällt. Daher ist auch .



Lemma  

Es seieineendliche KörpererweiterungvomGrad und seiendie verschiedenen komplexen Einbettungen. Es seiund,.Dann ist

Beweis  

Es sei zunächstvom Grad . NachLemma 7.10ist das Minimalpolynom gleich dem charakteristischen Polynom und nachLemma 7.13ist das Minimalpolynom gleich . Der Vergleich des konstanten Koeffizienten und des Koeffizienten zu ergibt die Behauptung.

Im Allgemeinen sei

und es sei die Matrix über , die die Multiplikation mit auf bezüglich einer -Basis beschreibt. Zu einer -Basis von ist eine -Basis von , und die Multiplikation mit auf wird durch die Blockmatrix

beschrieben. Deren Spur ist das -Fache der Spur von und deren Determinante ist die -te Potenz der Determinante von . Ebenso treten die verschiedenen komplexen Zahlen jeweils -fach auf.

Die verschiedenen Einbettungen für endliche Körpererweiterungen von führen auch zur Gittertheorie für Zahlbereiche, die wir ab der 25. Vorlesung behandeln.


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