Kurs:Algebraische Zahlentheorie (Osnabrück 2020-2021)/Vorlesung 2

Schon in der ersten Vorlesung haben wir zahlentheoretische Fragestellungen algebraisch mit Ringen formuliert. In dieser Vorlesung werden wir grundlegende ringtheoretische Konzepte einführen, und zwar insbesondere solche, die mit der Teilbarkeit zu tun haben.



Einige ringtheoretische Konzepte

In einem Körperfolgt aus,dass ein Faktor sein muss. Diese Eigenschaft gilt nicht für beliebige Ringe. Ein Elementin einem kommutativen Ring heißt Nichtnullteiler, wenn ausstetsfolgt. Man nennt einen Ring nullteilerfrei, wenn der einzige Nullteiler ist.


Definition  

Einkommutativer, nullteilerfreier,von verschiedener Ringheißt Integritätsbereich.

Der Ring der ganzen Zahlen und die Polynomringe über einem Körper sind Integritätsbereiche. Das sind für uns besonders wichtigste Beispiele. Ein Unterring eines Körpers ist ein Integritätsbereich.


Definition  

Es sei einkommutativer Ring,und Elemente in . Man sagt, dass das Element teilt(oder dass von geteilt wird, oder dass ein Vielfaches von ist),wenn es einderart gibt, dassist. Man schreibt dafür auch .

Eine Einheit kann man als einen Teiler der auffassen. Idealtheoretisch kann man die Eigenschaft, dass das Element teilt, als Zugehörigkeitauffassen.


Definition  

Es sei einkommutativer Ring. Man sagt, dass zwei Elemente teilerfremd sind, wenn jedes Element,das sowohl als auch teilt,eine Einheitist.


Definition  

EineNichteinheit in einemkommutativen Ringheißt irreduzibel(oder unzerlegbar),wenn eine Faktorisierungnur dann möglich ist, wenn einer der Faktoren eine Einheit ist.

Diese Begriffsbildung orientiert sich offenbar an den Primzahlen. Dagegen taucht das Wort „prim“ in der folgenden Definition auf.


Definition  

EineNichteinheitin einemkommutativen Ring heißt prim (oder ein Primelement),wenn folgendes gilt: Teilt ein Produkt mit ,so teilt einen der Faktoren.

Eine Einheit ist also nach Definition nie ein Primelement. Dies ist eine Verallgemeinerung des Standpunktes, dass keine Primzahl ist. Dabei ist die nicht deshalb keine Primzahl, weil sie „zu schlecht“ ist, sondern weil sie „zu gut“ ist. Für die ganzen Zahlen und für viele weitere Ringe fallen die beiden Begriffe prim und irreduzibel zusammen. Im Allgemeinen ist irreduzibel einfacher nachzuweisen, und prim ist der stärkere Begriff, jedenfalls für Integritätsbereiche.



Lemma  

Beweis  

Angenommen, wir haben eine Zerlegung.Wegen der Primeigenschaft teilt einen Faktor, sagen wir.Dann istbzw..Da kein Nullteiler ist, folgt,so dass also eine Einheitist.



Irreduzible Polynome

Beispiel  

Ein nichtkonstantesPolynom,wobei einen Körperbezeichne, ist genau dannirreduzibel,wenn es keine Produktdarstellunggibt, die dieGradbedingung

erfüllt.


Die irreduziblen Polynome sind gerade die irreduziblen Elemente im Polynomring im Sinne der obigen allgemeinen ringtheoretischen Definition. Nach der weiter unten zu beweisenden Aussage könnte man auch von Primelementen bzw. Primpolynomen sprechen. Eine weitere wichtige Charakterisierung ist die Restklassencharakterisierung, die wir inLemma 3.8kennenlernen werden.


Beispiel  

Die Irreduzibilität eines Polynoms hängt wesentlich vom Grundkörper ab. Zum Beispiel ist das reelle Polynom irreduzibel, dagegen zerfällt es als Polynom in als

Ebenso ist das Polynom irreduzibel, aber über hat es die Zerlegung

Übrigens kann die Zerlegung über einem größeren Körper manchmal dazu benutzt werden um zu zeigen, dass ein Polynom über dem gegebenen Körper irreduzibel ist.


Die Existenz der Faktorzerlegung in der folgenden Aussage folgt unmittelbar aus der Definition von irreduzibel, für die Eindeutigkeit muss man aber wissen, dass in einem Polynomring die irreduziblen Polynome auch Primpolynome sind(siehe unten).


Lemma

Es sei einKörper und sei ein von verschiedenes Polynom.

Dann gibt es eine (bis auf die Reihenfolge der Faktoren)eindeutige Produktdarstellung

mitundirreduziblennormiertenPolynomen, .

Beweis

SieheAufgabe 2.27.




Hauptidealbereiche

Definition  

EinIntegritätsbereich,in dem jedesIdealeinHauptidealist, heißt Hauptidealbereich.



Satz  

Der Ring der ganzen Zahlen

ist einHauptidealbereich.

Beweis  

Zunächst ist einIntegritätsbereich.Es seieinIdeal.Damit ist insbesondere eine(additive)Untergruppevon und hat nachSatz 44.3 (Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018))die Gestalt.Damit handelt es sich um ein Hauptideal.



Satz  

EinPolynomringüber einemKörper

ist einHauptidealbereich.

Beweis  

Es sei ein von verschiedenes Idealin . Betrachte die nichtleere Menge

Diese Menge hat ein Minimum,das von einem Element, ,herrührt, sagen wir.Wir behaupten, dassist. Die Inklusion ist klar. Zum Beweis von sei gegeben. Aufgrundvon Satz 19.4 (Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018))gilt

Wegen und der Minimalität von kann der erste Fall nicht eintreten. Also istund ist ein Vielfaches von .


In jedem Hauptidealbereich gibt es stes eine Zerlegung in irreduzible Elmente.


Lemma  

In einemHauptidealbereichlässt sich jede Nichteinheitals ein Produkt von irreduziblen Elementen darstellen.

Beweis  

Angenommen, jede Zerlegungenthalte nicht irreduzible Elemente. Dann gibt es in jedem solchen Produkt einen Faktor, der ebenfalls keine Zerlegung in irreduzible Faktoren besitzt. Wir erhalten also eine unendliche Kette , wobei ein nicht-trivialer Teiler von ist. Somit haben wir eine echt aufsteigende Idealkette

Die Vereinigung dieser Ideale ist aber nachAufgabe 2.13ebenfalls ein Ideal und nach Voraussetzung ein Hauptideal. Dies ist ein Widerspruch.


Über diese Aussage hinaus ist aber in einem Hauptidealbereich jedes irreduzible Element auch prim und damit gibt es auch stets eine Faktorzerlegung in Primelemente. Der Nachweis davon braucht einige Vorbereitungen, nämlich das Lemma von Bezout und das Lemma von Euklid.


Lemma  

Es sei einHauptidealbereich und seienteilerfremdeElemente.

Dann kann man die als Linearkombination von und darstellen, d.h. es gibt Elementemit.

Beweis  

Wir betrachten das von und erzeugte Ideal.Da einHauptidealbereichist, gibt es ein mit.Daher ist ein Teilervon und von . Die Teilerfremdheit impliziert, dass eine Einheitist. Wegen gibt es eine Darstellung.Multiplikation mit ergibt die Darstellung der .



Lemma  

Es sei ein Hauptidealbereichund. Es seien und teilerfremdund teile das Produkt . Dann teilt den Faktor .

Beweis  

Da und teilerfremd sind, gibt es nachdem Lemma von BezoutElemente mit. Die Voraussetzung, dass das Produkt teilt, schreiben wir als.Damit gilt

was zeigt, dass ein Vielfaches von ist.



Korollar  

Es sei einHauptidealbereich. Dann ist ein Element genau dann prim,

wenn es irreduzibel ist.

Beweis  

Ein Primelement in einem Integritätsbereich ist nachLemma 2.6stets irreduzibel. Es sei also umgekehrt irreduzibel, und nehmen wir an, dass das Produkt teilt, sagen wir. Nehmen wir an, dass kein Vielfaches von ist. Dann sind aber und teilerfremd, da eine echte Inklusionskette der Irreduzibilität von widerspricht. Damit teilt nachdem Lemma von Euklidden anderen Faktor .



Eindeutige Primfaktorzerlegung

Definition  

Ein Integritätsbereichheißt faktorieller Bereich, wenn jedeNichteinheitsich als ein Produkt vonPrimelementenschreiben lässt.



Satz  

Es sei ein Integritätsbereich. Dann sind folgende Aussagen äquivalent.

  1. istfaktoriell.
  2. Jede Nichteinheitbesitzt eine Faktorzerlegung inirreduzible Elemente,und diese Zerlegung ist bis auf Umordnung undAssoziiertheiteindeutig.
  3. Jede Nichteinheitbesitzt eine Faktorzerlegung in irreduzible Elemente, und jedes irreduzible Element ist ein Primelement.

Beweis  

. Seieine Nichteinheit. Die Faktorisierung in Primelemente ist insbesondere eine Zerlegung in irreduzible Elemente, so dass also lediglich die Eindeutigkeit zu zeigen ist.Dies geschieht durch Induktion über die minimale Anzahl der Primelemente in einer Faktorzerlegung. Wenn es eine Darstellungmit einem Primelement gibt, undeine weitere Zerlegung in irreduzible Faktoren ist, so teilt einen der Faktoren und nach Kürzen durch erhält man, dass das Produkt der übrigen Faktoren rechts eine Einheit sein muss. Das bedeutet aber, dass es keine weiteren Faktoren geben kann. Es sei nunund diese Aussage sei für Elemente mit kleineren Faktorisierungen in Primelemente bereits bewiesen. Es sei

eine weitere Zerlegung mit irreduziblen Elementen. Dann teilt wieder einen der Faktoren rechts, sagen wir.Dann muss eine Einheit sein und wir können durch kürzen, wobei wir mit verarbeiten können, was ein zu assoziiertes Element ergibt. Das gekürzte Element hat eine Faktorzerlegung mit Primelementen, so dass wir die Induktionsvoraussetzung anwenden können.
. Wir müssen zeigen, dass ein irreduzibles Element auch prim ist. Es sei also irreduzibel und es teile das Produkt , sagen wir

Für und gibt es Faktorzerlegungen in irreduzible Elemente, so dass sich insgesamt die Gleichung

ergibt. Es liegen also zwei Zerlegungen in irreduzible Element vor, die nach Voraussetzung im Wesentlichen übereinstimmen müssen. D.h. insbesondere, dass es auf der rechten Seite einen Faktor gibt, sagen wir , der assoziiert zu ist. Dann teilt auch den ursprünglichen Faktor .
. Das ist trivial.



Satz  

Beweis  

Dies folgt sofort ausKorollar 2.16,Lemma 2.13 undSatz 2.18.



Korollar  

Es sei ein faktorieller Ringund seien und zwei Elemente mit Primfaktorzerlegungen

(wobei die Einheitensind und die Exponenten auch sein können).Dann gilt genau dann, wennfür alle Exponentenist.

Beweis  

Wenn die Exponentenbedingung erfüllt ist, so istund man kann

schreiben, was die Teilbarkeit bedeutet. Die Umkehrung folgt aus der Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung in einem faktoriellen Ring.


<< | Kurs:Algebraische Zahlentheorie (Osnabrück 2020-2021) | >>

PDF-Version dieser Vorlesung

Arbeitsblatt zur Vorlesung(PDF)