Textdaten
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Autor:Franz Bendt
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Titel:Der Accumulator
Untertitel:
aus:Die Gartenlaube, Heft 6, S. 90–94
Herausgeber:Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum:1895
Verlag:Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort:Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle:Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Der Accumulator.

Von Franz Bendt.

Wie allbekannt, beginnt der Aufschwung der neueren Technik mit der Erfindung und der Ausgestaltung der Dampfmaschinen.Auch schon vordem besaß der Mensch Arbeitsvorrichtungen der verschiedensten Art, und geschickt verstand er die Fallkraft des Wassers und den Druck der Luft seinen Zwecken dienstbar zu machen.Aber erst durch die Dampfkraft ist die Maschine unabhängig von den zufälligen Kraftquellen, die sich am Orte befinden, gemacht worden. Die kondensierten Sonnenstrahlen, die im Boden derErde als Kohlen schlummern, bergen unermeßliche Kräfte in sich, die beliebig fortbewegt werden können und ihre Energie jederzeit zur Verfügung stellen. Durch die Kraft der Kohle wurden daher Bewegungsmaschinen, wie es z. B. die Lokomotive ist, möglich.Jedoch die Kohle – dieser natürliche Accumulator, d. h. Aufsammler – hat in ihrer Fülle eine Grenze, und die Zeit wird kommen, wo die Kohlenlager der Erde erschöpft sein werden! Doch auch abgesehen von dieser Gefahr haftet der Dampftechnik eine große Zahl von Übelständen an, von denen die Verbreitung von Ruß, Rauch und Hitze nicht die einzigen sind.

Mit der Entwicklung der Elektrotechnik während des letzten Viertels unseres Jahrhunderts hat sich die Technik von neuem verjüngt. Vermittelst der Methode der elektrischen Kraftübertragung, unter Benutzung der Dynamomaschine, können nunmehr alle Bewegungskräfte in der weiten Welt gebrauchstüchtig gemacht werden, gleichgültig, ob sie sich in der Kraft des Wasserfalles, im Stoß des Windes oder im Auf- und Niederstrom von Flut und Ebbe offenbaren.Man ist imstande, die mechanischen Kräfte, die die Natur uns zumeist direkt bietet, in Elektricität zu verwandeln. Und diese wiederum ist fähig, Wärme, Licht und mechanische und chemische Kraftäußerungen zu veranlassen; überhaupt jede Energieform anzunehmen, welche wünschenswert erscheint. Die Elektrotechnik geht in ihren Wirkungen also weit über die Dampftechnik hinaus; sie giebt dem Menschen Gewalt über alle Kräfte, die unsere Erde birgt, und macht ihn erst wirklichzum Herrn des Planeten.

Auch die Strom-Erzeugerin, die Dynamomaschine, bedarf zu ihrer Bewegung einer Betriebskraft. Die Elektrotechnik kann dann erst allen Anforderungen genügen, wenn sie über ein der Kohle entsprechendes Kraftreservoir verfügt, das die elektrische Energie gleichsam beweglich macht und unabhängig vom Orte. Das Genie der modernen Techniker hat einen solchen Apparat in den Accumulatoren geschaffen!

Ein Accumulator ist ein Mechanismus, in dem elektrische Kräfte aufgespeichert und für beliebige Zeit bewahrt werden können.Wenn man bedenkt, daß alle Energie, die auf der Erde wirkt, ein Geschenk der Sonne ist, so können die Accumulatoren als Vorrichtungen betrachtet werden, die mit Sonnenstrahlen geladen sind.

Ein Accumulator.

Auch der Accumulator ist nicht unvorbereitet dem Menschengeschlecht geschenkt worden. Aus einer großen Anzahl von Apparaten hat sich dieser moderne Zauberkasten nach und nach entwickelt.Seine unmittelbaren Vorfahren besitzt man seit lange in den allbekannten galvanischen Elementen, welche bisher die Ströme für die Telegraphen lieferten, die sich in unseren Klingelapparaten befinden und sonst so mannigfache Verwendung gefunden haben.Wir erinnern nur an die galvanischen Batterien von Daniel, Bunsen und Leclanchez. In diesen wird zumeist durch die Berührung von Metallen und Säuren ein chemischer Zustand erzeugt, der sich in Form elektrischer Ströme äußert. Ist auch der Accumulator, wie wir bemerkten, eine naturgemäße Folge dieser Einrichtungen, so war es doch auch hier, wie so häufig bei ähnlichen Erfindungen, eine zufällige Beobachtung, die, von kundigem Auge verfolgt, den Anstoß zu dem neuen Apparate gab. Bei einem gelegentlichen Versuche hatte Sinsteden bemerkt, daß Bleiplatten, die in einer Säurelösung stehen und die ein elektrischer Strom längere Zeit durchfließt, selbst die Fähigkeit erhalten, Strom zu spenden, wenn man sie durch einen Kupferdraht verbindet. Auf den unbefangenen Beobachter wirkt dieser Vorgang, als ob die erzeugenden Ströme sich in die Platten festgesaugt hätten, dort ruhen und durch den Zwang einer neuen Verbindung wieder zum thätigen Leben erweckt würden. Es bedurfte vieler Arbeit, ehe die merkwürdige Erscheinung unter der Hand genialer Experimentatoren zu einer praktischen Schöpfung ausgebildet wurde.

Der Ruhm der Erfindung wirksamer Accumulatoren gebührt dem französischen Physiker Planté, der schon im Jahre 1860 einen praktischen Apparat herstellte, aber erst 1879 mit der vollendeten Erfindung vor die Oeffentlichkeit trat, nachdem durch unseren Werner von Siemens die Dynamomaschine erfunden worden war, und sich damit die Möglichkeit ergab, auf billige Weise elektrische Ströme von beliebiger Stärke aller Orten zu erzeugen. Wie unsere Zeichnung veranschaulicht, besteht solch ein elektrischer Kraftsammler aus einem Glasgefäß, in dem sich eine Anzahl Bleiplatten aufgestellt findet. Der übrige Raum ist ganz mit Säure ausgefüllt.

Als Planté sich um die Konstruktion und Verbesserung der Accumulatoren bemühte, trug er sich mit der Absicht, eine bessere Stromquelle für die Telegraphie zu schaffen, als man sie in den oben erwähnten galvanischen Batterien bereits besaß, Aber erst in jüngster Zeit wurden die genannten Apparate für diesen wichtigen Teil der Technik bedeutungsvoll; und das verdankt man hauptsächlich den Ingenieuren derdeutschen Reichspost. Es sind ökonomische undpraktische Vorteile, welche die Einführung der „Sammler“ in den Telegraphenbetrieb wünschenswert gemacht haben. So bedurfte man beispielsweise früher zum Betrieb des Haupttelegraphenamtes in Berlin 12770 der altenKupferelemente, deren Preis etwa 14000 Mark beträgt. Die Aufstellung einer so bedeutenden Anzahl von Batterien erforderte einen sehr großen Raum und ihre Wartung ein umfangreiches Beamtenpersonal. Dieselbe Leistung wird jetzt im Haupttelegraphenamte mit 170 relativ kleinen Accumulatoren erzielt, zu deren Wartung ein Mann ausreicht. Auch zur Strombeschickung der Klingelapparate im Telephonverkehr ging man vielfach mit Vorteil zu den Plantéschen Apparaten über.

Von großer Bedeutung ist die Verwendung des Sammlers in der elektrischen Beleuchtung. Das Licht, das der Accumulator erzeugt, zeichnet sich durch große Ruhe aus, was nicht verwunderlich ist, wenn man bedenkt, daß ein so hervorgerufener Strom nicht von den Schwankungen der Maschine abhängt. Durch den Accumulator wird es möglich, allüberall, auch dort wo keine elektrischen Centralen sich vorfinden, das elektrische Licht einzuführen. So hat z. B. die Firma Siemens und Halske in Wien ein Institut geschaffen, welches geladene Accumulatoren an Villenbesitzer in der Wiener Vorstadt gegen ein Billiges versendet und somit einem jeden die elektrische Beleuchtung innerhalb seiner Häuslichkeit zugänglich macht.

Einen bemerkenswerten ökonomischen Vorteil bieten in den Weltstädten die Accumulatoren den großen elektrischen Centralen, die zum Zwecke der Beleuchtung begründet wurden. Am interessantesten und bedeutungsvollsten sind die Anlagen in der deutschen Reichshauptstadt. Sie besitzt fünf Centralen größter Form. In vier derselben sind riesige Dynamomaschinen aufgestellt, die die Ströme erzeugen, welche Berlin mit Licht versorgen. Die fünfte Station wurde erst vor einem Jahre im Tiergartenviertel errichtet, und sie dient dazu, die Privatwohnungen jener Gegend elektrisch zu erleuchten. Der Bedarf beschränkt sich hier im allgemeinen auf wenige Stunden täglich. Es wäre daher wenig vorteilhaft gewesen, wenn man auch diese Station mit Dynamomaschinen ausgerüstet hätte. Großmaschinen sind nur ökonomisch, wenn sie sich möglichst ununterbrochen in Thätigkeit befinden. Die Station ist daher mit Accumulatoren ausgerüstet. Hier stehen in drei mächtigen Sälen 138 Elemente der größten Form. Am Tage, wenn auch die übrigen Stationen nur wenig belastet sind, verwenden sie einen Teil ihrer überflüssigen Kraft, um die Accumulatoren der fünften Station zu laden. Und am Abend, wenn das Lichtbedürfnis beginnt, senden nunmehr die merkwürdigen[91] Zauberkräften ihre aufgespeicherten Ströme in die Leitungen undschaffen Licht.

So unscheinbar äußerlich eine Accumulatorenanstalt auchausschaut, ein merkwürdiges Ding ist sie doch bei näherer Betrachtung. Rauscht und klappert es auf den mit Dynamomaschinenausgestatteten Centralen wie in der Werkstatt Vulkans, herrschtüberall Leben, so stellt eine Accumulatorenstation dagegen ein Bildvollkommener Ruhe dar. In langen Reihen sind hier die mitSäuren und Platten gefüllten Gefäße aufgestellt. In einigen Elementen kocht es, aber auch nur ruhig und gesetzt. Die Zelle istgeladen, in der die Gasblasen aufsteigen. Sonst aber hört mannur den Schlag irgend eines Hebels, der sich selbständig einstellt.Zur Wartung des sechsstöckigen Hauses dient ein Beamter. Dochauch er ist für den Betrieb des Ganzen nicht notwendig, denn alleswirkt hier automatisch. Das Genie des Technikers hat jedes Ereignis voraus berechnet und dafür gesorgt, daß es selbstthätig erfüllt wird. Und dennoch, was für Kräfte schlummern hier! Dieerzeugte elektrische Energie ist auf der Station im Tiergartenviertel von Berlin imstande, allein 4800 gleichzeitig brennendeLampen, deren jede einer Lichtstärke von 16 Kerzen entspricht, mitStrom zu beschicken. Man bezeichnet die technische Wissenschaftzuweilen als kalt und nüchtern; liegt aber nicht ein eigentümlichgeheimnisvoller Zauber über der Accumulatorenstation mit ihrenstill wirkenden und doch so mächtigen Kraftäußerungen? –

Zu den Unglücksfällen, welche die unentbehrlichen neuenKulturmittel leider auch im Gefolge haben, gehören neuerdingsvielfach die Zugbrände. Sie werden zumeist durch die bisher verwendeten Beleuchtungsquellen veranlaßt oder doch vermehrt. Bekanntlich verwendet man auf fast allen Bahnstrecken augenblicklich noch die Fettgaslampe. Neben ihren gefahrbringenden Eigenschaften entspricht diese Methode auch nicht mehr den Anforderungen, die der moderne Mensch an die Beleuchtung stellt; istes doch fast unmöglich, längere Zeit bei der jetzigen Beleuchtungohne starke Anstrengung der Augen zu lesen. Schon oft ist daherwiederholt der Wunsch nach elektrischer Zugbeleuchtung ausgesprochen worden. Mit unseren neuen vortrefflichen Accumulatoren ist man in der That fähig, diesem Wunsche leicht gerechtzu werden, und auf mehreren Bahnstrecken haben sich die Versuchevortrefflich bewährt. Es bedient sich beispielsweise seit etwa einemJahre die Kaiser Ferdinand-Nordbahn in Oesterreich der Accumulatoren zur elektrischen Beleuchtung, und seit fünf Jahren erfreutsich die Strecke Savona-Navarra in Italien elektrisch erleuchteterZüge. Auch im kleinen Dänemark wird seit zwei Jahren in achtSchnellzügen das elektrische Licht angewendet. Die Einrichtung dürfteaus dem Grunde allgemein leicht einführbar sein, daß die Kostennicht höher sind als die der alten Fettgasbeleuchtung. Nach denkürzlich veröffentlichten Betriebsergebnissen der Dortmund–Gronau–Enscheder Bahnverwaltung in den Wintermonaten 1893 bis 1894hat die elektrische Beleuchtung gegen die Fettgasbeleuchtung sogareine Ersparnis von 34 Prozent ergeben. Die Reichspostverwaltungentschloß sich daher, ihren Dienstwagen das elektrische Licht zugeben. Die Passagierwagen scheinen vorläufig noch in der Düsternisverharren zu sollen.

Auch die Bergingenieure sind durch die Gefahr, welche die älterenBeleuchtungsarten in sich bergen, dem elektrischen Lichte zugeführtworden. Bekanntlich tritt die Zündung der schlagenden Wetterzumeist dadurch ein, daß der Bergmann den schützenden Mantelseiner Lampe – der sogenannten Davylampe – löst und dadurchdie gefährlichen Gase mit der Flamme in Berührung bringt. Inenglischen und amerikanischen Gruben hat man die unterirdischenRäume mit Glühlicht versehen. Solche Anlagen sind aber immerhin nicht wohlfeil und übersteigen für viele kleine Gruben inDeutschland die Grenzen, welche einem wirtschaftlichen Betrieb gezogen sind. Auch hier hat der Accumulator sich als Retter in derNot eingestellt. Der Elektrotechniker Vorster in Jena konstruiertevor kurzem Grubenlampen, die hauptsächlich aus einem kleinenleichten Accumulator von praktischer Form bestehen. In seinerHöhlung befindet sich eine Glühlampe, die der Accumulator speist;wird durch einen Zufall die Glasbirne zerschmettert, dann erlischt,wie bekannt, im Augenblick die Lampe, und die Gefahr einer Zündung ist somit ausgeschlossen.

Noch auf einem anderen Gebiete zeigt sich der Accumulatorals ein Hilfsmittel in Unglücksfällen. Ein jedes größere Schiffführt bekanntlich sogenannte Rettungsbojen mit sich, um „demMann über Bord“ die Möglichkeit zu geben, sicher und schnelldem nassen Elemente zu entfliehen. In der Regel besteht einesolche Vorrichtung aus einem größeren Balle, der an einerLeine befestigt und fähig ist, einen Mann zu tragen. In dunklenNächten waren diese Rettungsapparate, wie begreiflich, nurwenig verwendbar. Man versieht jetzt die Rettungsbojen miteiner Glühlampe größter Form, nebst einem Accumulator, undhat die Schaltung so vollzogen, daß die Glühlampe in demAugenblick, wo die Boje den Wasserspiegel berührt, ihre Thätigkeit von selbst beginnt und mit ihren Strahlen weithin das Meererhellt.

Wo elektrische Ströme zur Verfügung stehen, da sind auchKräfte aller Art zu erwecken. Der stromerzeugende Accumulator kann somit nicht allein Licht, sondern auch mechanischeArbeit veranlassen. Er ist denn auch vielfach zur Bewegung vonMaschinen der verschiedensten Art verwendet worden. – EineDynamomaschine besteht hauptsächlich aus einer Anzahl großerElektromagnete, zwischen denen sich ein beweglicher Teil, der sogenannte Anker, dreht. Schickt man nun elektrische Ströme – wie sie beispielsweise unser Accumulator entwickelt – in die Elektromagnete, dann rotiert der Anker und ist imstande, Räder zu drehenund Maschinen in Bewegung zu setzen. Eine Dynamomaschine, die dieses vermag, nennt man einen Motor.

Von den durch Motoren bewirkten Betriebsanstalten stehenaugenblicklich die elektrischen Eisenbahnen im Vordergrundedes Interesses. Zum größten Teil – wie man es in Halle, Bremen,Hamburg und an vielen anderen Orten beobachten kann – wirdder Motor, der sich immer unterhalb eines elektrisch betriebenenWagens vorfindet, dadurch bewegt, daß man durch oberirdischeoder unterirdische Drähte ihm Strom von irgend einer elektrischenCentrale aus zuleitet. Diese modernen Transportmittel haben sichvortrefflich bewährt. Sie können aber deshalb nicht als technischvollendet betrachtet werden, weil die stromführenden Leitungsdrähte das architektonische Bild der Straße stören und überhauptdem ganzen System etwas Schwerfälliges verleihen. Das waru. a. der Grund, weshalb man in der Vaterstadt der elektrischenBahnen, in Berlin selbst, sich nicht zur Einführung derselbenentschließen konnte, so dringend auch dafür der Bedarf des Verkehres spricht. Seit längerer Zeit hat man sich nun mit demPlane getragen, die elektrischen Bahnen mit Accumulatoren zubetreiben. Es ist dabei nur erforderlich, eine entsprechende Anzahl unserer Kraftkästen unter die Sitzbänke der Wagen einzustellen und sie mit dem Bewegungsmechanismus zu verbinden.Dann rollt der Wagen als ein selbständiges Ganzes dahin, ohneDraht und ohne Rückleitung! Bis vor kurzem waren die Accumulatoren zu schwer und auch in ihrem ganzen Gefüge nicht genügend technisch durchgebildet, um diesen Zwecken mit Vorteildienen zu können. Die Accumulatorentechniker sind aber nunmehrzu Formen gelangt, denen die Uebelstände nicht mehr anhaften,und damit ist das Kapitel „elektrische Bahnen“ in ein neuesStadium getreten. Auf verschiedene Weise hat man versucht, bewegliche Accumulatoren zu schaffen. Man ersetzte z. B. die flüssigeMasse durch einen gelatinösen Körper, der aus Wasserglas,Schwefelsäure und Asbest besteht. Vortreffliche Erfahrungen mitAccumulatoren für Bahnen erzielte man in New York. Dortwurde von der Stadtverwaltung die oberirdische Stromzuführungverboten, und die Bahngesellschaften mußten sich notgedrungen derAccumulatoren bedienen. Der Zwang hat, wie so oft, auch hierzu vortrefflichen Neuerungen geführt. Die amerikanischen Accumulatoren bestehen aus verzinktem Eisenblech und Platten ausKupferdrähten, die gemeinsam in einer Alkalilösung stehen. Siesind hinreichend leicht und leistungsfähig und entsprechen durchausden Anfordernden der Bahntechniker.

Nunmehr regt’s sich allüberall in den Kreisen der Elektriker,und ein heftiger Kampf ist entbrannt zwischen den Vertretern deralten Methoden der oberirdischen Stromzuführung und den Verehrern der Accumulatoren. Ein Kampf, aus dem vermutlich dieletzteren als Sieger hervorgehen werden. Eine elektrische Bahnin großem Maßstabe, die ihren Antrieb durch Accumulatoren empfängt, wurde vor einiger Zeit in Paris eingerichtet. Sie gehtvon Paris nach St. Denis. Ihre Wagen fassen, wie die größtenPferdebahnfahrzeuge, 52 Personen. Sie bewegen sich innerhalbder Stadt mit 12 Kilometern und außerhalb der Stadtgrenzen mit16 Kilometern Geschwindigkeit in der Stunde. Außerhalb der[92] Stadt hängt man ihnen zudem noch einen zweiten Wagen an.Während eines Tages durchläuft der Wagen 135 Kilometer. Unterhalb der Sitze eines vollständig mit den Bewegungsmaschinen ausgerüsteten Fahrzeuges befindet sich eine Accumulatorenbatterie, dieaus 108 Zellen besteht. Sie wiegt mit allem Zubehör 2760 Kilogramm. Die Anlage in Paris ist deshalb besonders bemerkenswert, weil sich die Strecke bald senkt und bald hebt, also ungünstigenBedingungen zu genügen hat.

Der Spürsinn der Elektriker hat übrigens versucht, aus dieserSchwierigkeit wiederum einen Vorteil zu gewinnen. Rollt derWagen einen Berg hinunter, dann ist die Dynamomaschine unbeschäftigt. Sie empfängt durch die Drehung der Triebräder Bewegung, kann also Strom erzeugen und hierdurch wiederum dieAccumulatoren laden. Doch das ist vorläufig noch Projekt! Ambedeutungsvollsten bei allen Neueinführungen dieser Art ist ihrewirtschaftliche Seite. Bei der Pariser Bahn ist das finanzielleErgebnis ein sehr günstiges. Für den Kilometer betragen dieKosten im elektrischen Betriebe 4,24 Mark gegen 4,48 Markbeim Pferdebetrieb. Der Pferdebetrieb der Allgemeinen Omnibusgesellschaft in Paris beträgt sogar 4,8 Mark für den Kilometer.Die Folge ist, daß der Fahrpreis für die mit Accumulatorenbetriebenen Fahrzeuge sich verhältnismäßig sehr niedrig stellt, undzwar 8,8 Pfennig für den Kilometer und die Person. Die Pferdebahn nimmt für die gleiche Strecke 12 Pfennig. Innerhalb derfranzösischen Hauptstadt werden jährlich durch die Pferdebahnetwa 50 Millionen Kilometer befahren. Mit Accumulatorenbetriebwürden sich die Jahreseinnahmen somit um zwei Millionen Markerhöhen.

Auch in Berlin ist man gegenwärtig mit Versuchen beschäftigt, um zu ermitteln, ob sich der Accumulatorenbetrieb fürdeutsche Verhältnisse eignet. Die Versuche sind gut ausgefallen;hoffentlich wird die Reichshauptstadt mit der Einführung vonAccumulatorenbahnen den deutschen Städten mit gutem Beispielvorangehen.

Durch den Accumulator ist das Fahrzeug von der den elektrischen Strom erzeugenden Station gelöst und es wird nunmehrauch möglich sein, einzelne Wagen, die etwa unseren Droschken, demOmnibus, dem Kremser ähneln, den Antrieb durch Accumulatorenzu verleihen und sie damit unseren Wünschen entsprechend in einmechanisch getriebenes Fahrzeug umzugestalten. In der That sinddenn auch bereits in London und anderen Städten elektrisch betriebene Omnibusse in Betrieb.

Von ähnlicher Bedeutung wie die elektrischen Eisenbahnensind die elektrisch betriebenen Boote. Diese Fahrzeuge, welchein größerer Menge auf der Weltausstellung in Chicago, aber auchschon auf der Elektrischen Ausstellung in Frankfurt a. M. vorgeführtwurden, haben gezeigt, daß sie reif sind, jede Konkurrenz auszuhalten.Die Einrichtung eines solchen Fahrzeuges weicht nicht viel von derjenigen der elektrisch bewegten Wagen ab. Auch hier haben wir eineDynamomaschine, die als Motor wirkt und deren Anker direkt mitder Schiffsschraube in Verbindung steht. Eine entsprechend großeBatterie von Accumulatoren liefert den Strom zur Bewegung desMotors. Genau betrachtet, sind die „Sammler“ für den Bootsbetrieb ganz besonders geeignet. Sie dienen zugleich als Ballastund können in jeder gewünschten Form Aufstellung finden. IhreLast wirkt also nicht störend wie bei den elektrischen Bahnen. Eineandere vortreffliche technische Eigenschaft ist es ferner, daß dieAchse des Ankers direkt mit der Schiffsschraube in Verbindungstehen kann. Dadurch wird die Bewegung sehr regelmäßig undfast geräuschlos. Und damit sind die Vorteile der elektrischen Betriebsart den anderen Methoden gegenüber noch. keineswegs erschöpft: das elektrische Boot ist frei von Dampf, Ruß und Hitze,die Maschinenteile bedürfen keiner Schmiermittel und der üble Dunst von Petroleum oder Benzin beleidigt nicht die Geruchsorgane der Fahrgäste. Die von dem hervorragendsten Ingenieurauf diesem Felde, Reckenzaun, erbauten Boote zu Chicago bewegtensich mit einer. Geschwindigkeit von 10 bis 13 Kilometern in derStunde. Sie können aber doppelt so große Geschwindigkeit erreichen.Sie haben eine Länge von 11 Metern, eine Breite von fast 2 Meternund einen Tiefgang von etwa 66 Centimetern. Unter den Sitzplätzen der Fahrgäste befinden sich 72 stromerzeugende Accumulatoren, die ein Gesamtgewicht von 1300 Kilogramm darstellen.Ein solches Boot kann 32 Personen und 2 Mann Bedienung aufnehmen. Neuestens hat man sich bemüht, die Geschwindigkeit derneuen Fahrzeuge durch genaueste Anpassung an das neue Betriebsmittel zu erhöhen. So besitzt die Accumulatoren-Gesellschaftzu Hagen ein kleines elektrisches Probeboot, das wie ein Pfeildahinschnellt und allen übrigen mit Dampf betriebenen Schiffenden Rang abläuft.

Daß sich ein Fahrzeug mit solchen Eigenschaften vortrefflichfür Kriegszwecke eignet, ist wohl nicht nötig, des weiteren auseinanderzusetzen. In der That hat man denn auch bereits vielfachVersuche gemacht, Torpedobooten, die sich möglichst geräuschlosund schnell bewegen sollen, auf elektrischem Wege, d. h. durchAccumulatoren, ihren Antrieb zu verleihen. Es wurden dabeiKonstruktionen ausgeführt, die das höchste Interesse verdienen.Eigentümliche Kriegsfahrzeuge sind beispielsweise die in verschiedenen Typen entworfenen Unterseeboote, welche sich je nachBelieben oberhalb oder unterhalb des Wasserspiegels bewegenkönnen. Am bekanntesten von ihnen ist der in England erbaute„Nautilus“ und das ganz elektrisch eingerichtete französische Kriegsboot „Gymnote“. Der Mangel aller dieser Fahrzeuge liegt bisherdarin, daß ihre Geschwindigkeit nur eine relativ geringe ist. Eswerden fortdauernd von den Marineverwaltungen aller StaatenExperimente mit Unterseebooten angestellt, deren Ergebnisse jedochaus guten Gründen nicht veröffentlicht werden. Neben den ganzversenkbaren Kriegsbooten hat man halb versenkbare konstruiert,die gleichfalls durch Accumulatoren ihren Antrieb erhalten undsich vortrefflich zu Torpedoschleuderern eignen.

Auch in anderen Zweigen der Kriegstechnik bedient man sichjetzt mit Vorliebe der Accumulatoren. Man gab ihnen aus diesemGrunde eine möglichst handliche und bequeme Form, so daß sie derFußsoldat im Tornister und der Kavallerist auf dem Pferde bequemmit sich führen kann. So hat man eine kriegstüchtige Batterie fürden Telegraphen und zur Beschickung von Signallichtern undScheinwerfern, wie sie jetzt allüberall bei den Manövern zur Verwendung gelangen.

Wir möchten noch einer Anwendung des „Sammlers“ gedenken, die allerdings einem etwas phantastischen Gebiete zugehört.Die Erfinder, die sich mit der Konstruktion lenkbarer Luftschiffebeschäftigen, pflegen bei ihren Plänen als zukünftige Betriebskraftsich auf den Accumulator zu berufen. Er könnte allerdings in Verbindung mit einem leichten Motor zur Lösung des vielumworbenenProblems viel beitragen. Leider ist an eine Erfüllung diesesWunsches vorläufig nicht zu denken.

Nachdem wir nunmehr in großen Zügen die verschiedenenAnwendungsformen des Accumulators betrachtet haben, ist esZeit, zum Schluß noch seine Technik selbst uns in Kürze zu veranschaulichen. Gewiß ist die Beschäftigung mit einer so wertvollenund für die Zukunft so bedeutungsvollen Vorrichtung den Lesernder „Gartenlaube“ interessant genug, um auch die Dürre einertechnischen Schilderung mit in Kauf zu nehmen.

In seiner einfachsten Konstruktion besteht ein Accumulator auszwei Bleiplatten, die sich in einer Lösung von verdünnter Schwefelsäure befinden. Man verbindet die beiden Platten mit den Poleneiner Dynamomaschine oder einer galvanischen Batterie undschickt den Strom durch die Vorrichtung. Der elektrische Stromzerreißt die Bestandteile der Flüssigkeit und zwingt sie sodannwiederum, sich mit dem Blei innig zu verbinden. Ist die Ladungdes Sammlers vollendet, dann erscheint die eine Platte mit einerblauschwarzen Masse überzogen, die der Chemiker als Bleiüberoxydbezeichnet. Die andere Platte hat sich mit einer schwammartigenMasse bedeckt, die Bleischwamm genannt wird. So einfach verläuft jedoch der Vorgang nicht, wie wir ihn hier schildern,sondern Planté mußte, um die Ladung zu erzielen, sich einerganzen Reihe eigentümlicher Kunstgriffe bedienen. Hatte derStrom einige Wochen hindurch den zukünftigen Accumulator ineiner bestimmten Richtung durchflossen, dann schaltete der Erfinderden Strom aus und ließ die Vorrichtung ruhen. Nach dieserPause wurde der Strom von neuem durch die Kombination gesendet, aber in der entgegengesetzten Richtung wie vordem. Indieser Weise muß mehrere Jahre hindurch in dauerndem Richtungswechsel und entsprechenden Pausen der Apparat beschickt werden.Ist das geschehen, hat der Apparat das oben geschilderte Aussehenerhalten, dann ist er zum Gebrauche fertig und giebt nunmehreinen sehr gleichmäßigen Strom, der nur noch nach einer Richtungfließt. Der Vorgang bei der Ladung von Accumulatoren bestehtsomit darin, daß auf den Bleiplatten chemische Veränderungen[93] hervorgerufen werden. Die chemische Arbeit erzeugt bei der Entladung Elektrizität.

Der „Sammler“ wurde erst industriell verwertbar, als es Camille Faure gelang, eine neue vermittelnde Methode zu entdecken. Faure trägt die Masse, die sich langsam beim Planté-Prozesse bildet, schon fast vollendet auf die Platten auf. Er verwendet hierfür Mennige, eine technisch vielgebrauchte Sauerstoffverbindung des Bleis. Ueberzieht man die Bleiplatten mit dieser Masse und sendet den Strom durch die Batterien, dann vollzieht sich die Ladung in einigen Stunden. Der Fehler des Faureschen Accumulators liegt wiederum darin, daß er relativ leicht beschädigt werden kann, da die aufgetragene Masse schon bei geringen Erschütterungen abfällt. Durch die mannigfaltigsten Kunstgriffe ist es aber gelungen, diesen Fehler zu heben. Sämtliche gegenwärtig zur Verwendung gelangenden Accumulatoren beruhen auf dem Faureschen Verfahren.

Eine der interessantesten Abänderungen des Faureschen Accumulators wurde im Jahre 1882 Tudor patentiert. Der Erfinder verbindet das Planté- und Faure-Verfahren in sehr glücklicher Weise. Er läßt zunächst den Strom 2–3 Monate durch die Platten hindurchgehen. Das so behandelte Metall wird nunmehr mit Mennige bestrichen und von neuem mit Strom beschickt.Nach etwa einem Vierteljahr ist der „Sammler“ betriebsfähig.Die Tudor-Accumulatoren sind diejenigen, die allen Ansprüchen bisher am meisten gerecht werden, und sie haben sich daher, besonders auch in Deutschland, bereits allgemein eingebürgert.