Die Raduga Ch-22 Burja (russisch Радуга Х-22 Буря, dt.
Sturm) ist ein flugzeuggestützter Seezielflugkörper und Marschflugkörper aus sowjetischer Produktion. Der Systemindex der Sowjetarmee für den Raketenkomplex lautet K-22, im GRAU-Index wird der Raketenkomplex als D-2 bezeichnet, der NATO-Codename lautet AS-4 Kitchen.
Ch-22 | |
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Allgemeine Angaben | |
Typ | Seezielflugkörper, Marschflugkörper |
Heimische Bezeichnung | Ch-22, Burja, D-2, K-22 |
NATO-Bezeichnung | AS-4 Kitchen |
Herkunftsland | Sowjetunion |
Hersteller | MKB Raduga, OKB Tupolew, OKB Mikojan-Gurewitsch |
Entwicklung | 1958 |
Indienststellung | 1964 |
Einsatzzeit | im Dienst |
Technische Daten | |
Länge | 11,65 m |
Durchmesser | 920 mm |
Gefechtsgewicht | 5297–5635 kg |
Spannweite | 3000 mm |
Antrieb | Raketenmotor für Flüssigtreibstoff |
Geschwindigkeit | Mach 3,4–4,6 |
Reichweite | 400–550 km |
Dienstgipfelhöhe | 18.500–27.000m |
Ausstattung | |
Lenkung | Trägheitsnavigationsplattform, Datenlink |
Zielortung | aktive und passive Radarzielsuche |
Gefechtskopf | 930 kg hochexplosiv-panzerbrechend oder Nukleargefechtskopf mit 350 kT |
Waffenplattformen | Flugzeuge |
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Die Ch-22 wurde als Langstrecken-Seezielflugkörper und als Marschflugkörper gegen Landziele konzipiert. Die Entwicklung im Konstruktionsbüro Raduga begann 1958. Die ersten Raketen wurden 1964 an die sowjetischen Marine-Fliegerstreitkräfte ausgeliefert, 1988 war ein Bestand von 760 Flugkörpern vorhanden, 1997 noch 300. Das russische Verteidigungsministerium sprach 2018 von knapp 3000 produzierten Ch-22. Die Lenkwaffe dient primär zur Bekämpfung von Flugzeugträgerkampfgruppen und Seekriegsverbänden und wurde dafür konzipiert, ein großes Kriegsschiff mit einem Treffer zu versenken oder zumindest operationsunfähig zu machen. Mit der nuklearen Variante kann ein ganzer Flottenverband mit einem Schlag vernichtet werden.
Daten aus
Vor dem Start wird dem Navigationssystem der Lenkwaffe die grobe Position sowie der Kurs zum Ziel eingegeben. Nach dem Abwurf folgt eine kurze antriebslose Phase. In sicherem Abstand zum Flugzeug zündet das R-201-300-Raketentriebwerk im Lenkwaffenheck. Die Ch-22 wird von dem Zweikammer-Triebwerk für Flüssigtreibstoff angetrieben. Im Lenkwaffenrumpf befinden sich 3049 kg Treibstoff TG-02 und 1015 kg Oxidator AK-2. Die Rakete muss unmittelbar vor ihrem Einsatz auf dem Stützpunkt mit den toxischen Flüssigkeiten betankt werden. Nach dem Lenkwaffenstart entwickelt das Triebwerk einen Schub von 83 kN. Während des Marschfluges liegt die Schubkraft bei 5,9 kN. Erst beschleunigt das Triebwerk die Lenkwaffe auf eine Geschwindigkeit von rund Mach 3,4 (Mach 3,44 ±0,05). Danach erfolgt der Marschflug in einer Flughöhe von 18,5 bis 27 km, mit Weiterbeschleunigung auf eine Geschwindigkeit von Mach 4,6 (ca. 4900 km/h). Der Flug ins Zielgebiet erfolgt autonom mit Hilfe des APK-22A-Autopiloten. Aktualisierte Zieldaten können mittels eines Datenlinks von der Startplattform zur Lenkwaffe gesendet werden. Ein Radarhöhenmesser sorgt für den nötigen Sicherheitsabstand zwischen der Lenkwaffe und der Meeresoberfläche. Für den Zielanflug kommt der bordeigene – entweder aktive oder passive – Radarsuchkopf zum Einsatz. Wurde das Ziel erfasst, wird es in einem steilen Sturzflug von 30 bis 60° angeflogen.
Als Marschflugkörper kann die Ch-22 gegen stationäre, radarreflektierende Landziele eingesetzt werden. Dabei scheint sich der Suchkopf auf eine große einzelne Struktur mit einem entsprechend großen Radarquerschnitt zu richten. In diesem Fall ist die Ch-22 mit einem Nukleargefechtskopf oder einem Splittergefechtskopf bestückt. Weiterhin existierte für den Angriff auf Landziele ein Gefechtskopf mit chemischem Kampfstoff. Dieser 9-A-3261-Gefechtskopf (russisch БЧ-22ВС , BTsch-22WS) war mit 572 kg VX (russische Bezeichnung R-33) beladen.
Während des Ersten Golfkriegs (Iran-Irak-Krieg) griffen irakische Tu-22B-Bomber mehrfach iranische Flugabwehrraketen-Stellungen mit Ch-22MP an. Bei diesen Einsätzen wurde eine große Zahl von Lenkwaffen auf verschiedene MIM-23B-I-HAWK-Stellungen abgefeuert, allerdings nur ein einziger Treffer erzielt. Die Gründe dafür waren die schlechte Ausbildung der Tu-22-Besatzungen, die mangelhafte Wartung der Lenkwaffen und Schwierigkeiten des passiven Radarsuchkopfes der Ch-22MP, die Radarstrahlung der MIM-23 auf große Distanzen zu lokalisieren. Deshalb mussten die Lenkwaffen aus Entfernungen von 60 km oder weniger gestartet werden.
Weitere Ch-22 wurden von Tu-16-Bombern gegen Flächenziele im Iran gestartet. Wiederholt wurden Erdölraffinerien sowie Teheran und andere Städte angegriffen.
Beim russischen Überfall auf die Ukraine 2022 starteten russische Tu-22M-Bomber im Mai 2022 eine unbekannte Anzahl Ch-22. Die Raketen wurden gegen Landziele in der Region Donezk, Serhijiwka und Odessa eingesetzt. Bei diesen Einsätzen kam vermutlich auch erstmalig die Ausführung Ch-32 zum Einsatz.
Am Pfingstsonntag 5. Juni 2022 morgens wurden unter anderem fünf Ch-22 von russischen Bombern, wohl vom Kaspischen Meer aus, in Richtung Kiew abgefeuert, von denen eine abgefangen werden konnte (was später dementiert wurde). Vier Ch-22 trafen das Waggonwerk Darnyzja in Kiew. Während das russische Verteidigungsministerium behauptete, in diesem Werk im Zuge der Auslandshilfen für die Ukraine gelieferte T-72-Panzer vernichtet zu haben, dementierte Kiews Bahnchef Oleksandr Kamyshin dies. Weitere Ch-22 sollen aus dem Luftraum von Belarus gegen Kiew gestartet worden sein.
Am 27. Juni feuerte Russland zwei Ch-22 auf ein vermeintliches Ziel im 100 km von der Frontlinie entfernten Krementschuk. Zum Zeitpunkt des Angriffs befanden sich etwa 300 Menschen in einem dabei getroffenen Einkaufszentrum, mindestens 20 Menschen wurden getötet und rund 60 verwundet, die Anzahl der Verschütteten war unbekannt. Eine zweite Ch-22 schlug rund 500 m nördlich in ein Industriegebiet ein. 21 Zivilisten starben bei einem Angriff am 1. Juli mit zwei Raketen auf Serhijiwka, wo laut Amnesty International ein Hotel und ein Wohngebäude getroffen wurden. In der Ukraine war davon die Rede, dass der Angriff eine Vergeltung für den erzwungenen Abzug der russischen Truppen von der Schlangeninsel war. Am 14. September meldete der Verwaltungschef des Gebiets Dnipropetrowsk, russische Kampfflugzeuge hätten sieben oder acht Ch-22 auf zivile Infrastruktur abgefeuert. Sie zerstörten ein Pumpwerk am Karatschuniwka-Stausee, der der Versorgung von 625.000 Einwohnern, vor allem in Krywyj Rih, dient. Auch die Transportinfrastruktur der Stadt sei angegriffen worden.
45 Zivilisten wurden am 14. Januar 2023 in Dnipro bei einem weiteren russischen Einsatz der Ch-22 getötet, als eine Rakete in einem großen Wohnblock einschlug. Nach ukrainischen Angaben seien bis Januar 2023 schon 208 Ch-22 Raketen auf die Ukraine abgefeuert worden. Die Ukraine verfüge (Stand Januar 2023) nicht über Waffen, die in der Lage seien, diese Art von Raketen abzuschießen. Frühere Berichte über Abschüsse seien falsch gewesen, gab die Ukraine bekannt. Ende Juli 2023 setzte Russland Ch-22 gegen Ziele in Odessa ein. Dabei konnten nach ukrainischen Angaben nur einzelne Ch-22-Flugköper bekämpft werden, weil die dafür geeigneten Abfangssysteme, wie Patriot, der Ukraine nur in geringer Stückzahl verfügbar und für den Schutz Kiews stationiert waren.
Gemäß ukrainischen Schätzungen sollen die Streitkräfte Russlands bis Ende 2022 über 200 und bis Ende 2023 rund 300 Ch-22/-32 gegen Ziele in der Ukraine gestartet haben. Die Bekämpfung der Ch-22/-32-Lenkflugkörper gestaltet sich für die ukrainische Flugabwehr schwierig. Durch die hohe Fluggeschwindigkeit sowie den steilen Sturzflug im Zielanflug, ist eine Bekämpfung der Ch-22/32 schwer realisierbar. Erst am 19. April 2024 soll es der Ukraine erstmals gelungen sein eine Ch-32 abzuschießen.
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