wikipedistik/Theoriebildung

Dieser Artikel stellt vor allem Gedanken des Benutzers Jeanpol dar.

Er fühlt sich folgender, im Artikel Wikipedia:Wikipedistik formulierten Zielsetzung verpflichtet:

  • Verstehen der Wikipedia: Warum und wie funktioniert Wikipedia?
  • Verbessern der Wikipedia: Wie kann Wikipedia verbessert werden?

Und:

  • Wie funktionieren die sozialen Prozesse in der Wikipedia? Warum beteiligen sich Menschen an Wikipedia? Wer beteiligt sich?


Die Wikipedia als Forschungsinstrument

Die Wikipedia zeigt alle Merkmale eines idealen Instruments kollektiver Wissenskonstruktion auf: leicht anzuwendende Technik, so dass jeder sich beteiligen kann, optimale Verlinkungsmöglichkeiten, so dass nicht nur alle Artikel (Wissensbausteine), sondern auch alle Benutzer miteinander vernetzt werden können, und dies weltweit, weil es WP in allen Weltsprachen gibt. Ein weiterer Faktor ist das Engagement der aktiven WP-Benutzer (220 Administratoren allein bei der deutschen Wikipedia), die das Instrument funktionstüchtig erhalten. Die WP könnte die Wissenschaft revolutionieren, denn sie bietet die Möglichkeit, unerschöpfliche intellektuelle Ressourcen zur Konstruktion von Wissen zu mobilisieren.

Für eine Analyse der WP muss zwischen drei Bereichen unterschieden werden:

  • die Kommunikationsplattform als Instrument (Möglichkeiten der Hard- und Software)
  • die Akteure und ihren Ziele (Interessen der Benutzer und Administratoren)
  • gemeinsame Ziele, Werte und Regeln (ihre Entstehung und Anwendung)

Zumindest in der deutschen WP scheint es an einer guten Theorie zu fehlen, was zu Widersprüchen in der Alltagshandhabung durch die aktiven Benutzer führt. Grundsätzlich scheint, über die leistungsfähige WP-Kommunikationsplattform hinaus, die WP als Sozialisationsraum für Benutzer zu dienen: die Grundregel „Unterstelle gute Absichten“ könnte das Verhalten der Benutzer nachhaltig positiv beeinflussen.

Ausgangspunkt

Im 19. und 20. Jahrhundert war die Wissenschaft durch die Herrschaft einer kleinen Gruppe von Experten (Forscher und Lehrer) geprägt, die Wissen mühsam und meist in Einzelarbeit zusammenstellten, um es an ausgewählte, meist unkritische Abhängige weiterzuleiten. Schüler, Studenten und sonstige Belehrte maßten sich in der Regel nicht an, das vom Experten präsentierte Wissen anzuzweifeln oder gar verändern zu wollen. Sie waren also nicht aktiv an der kollektiven Konstruktion von Wissen beteiligt. Auf diese Weise blieb das Wissen statisch, es gingen wertvolle Ressourcen verloren. Noch vor 10 Jahren war der Denkprozess aller Beteiligten durch Kommunikationshemmnisse eingeengt. Selbst Forscher, die gerne interagierten, mussten sich mit der Langsamkeit der Kommunikationsmittel abfinden. Der kollektive Denkprozess, sofern man davon sprechen kann, war extrem langsam, der einzelne Forscher musste auf Impulse warten, bevor er an einem Problem weiterarbeiten konnte. Wenn man die Interaktion von Forschern mit der Interaktion von Neuronen im Gehirn als Metapher benutzt, war diese Interaktion von der Menge, der Vernetztheit und der Geschwindigkeit her mit der Interaktion im Gehirn eines Bandwurms vergleichbar. Selbst das Denken des Einzelnen wurde verlangsamt, weil er auf neue Impulse seiner Kollegen warten musste.

Neue Kommunikationsmittel leiten Paradigmenwechsel ein

Seit der Verbreitung des Internets hat eine exponentielle Vermehrung der Vernetztheit, der Geschwindigkeit und der Neuronenpopulation stattgefunden. Allerdings musste eine Architektur gefunden werden, bei der die Energien der Neuronen und ihrer Interaktionen auf ein Ziel hin fokussiert werden konnte, nämlich auf die Konstruktion von Wissen, wie es auch die Aufgabe des Gehirns im Organismus ist.

Die Wikipedia bietet Struktur für intensive kollektive Reflexion

Die Wikipedia, die die Beteiligung aller intellektuellen Ressourcen in der Welt ermöglicht, bietet diese Architektur an. Allerdings müssen die Neuronen diese Gehirnachitektur auch erkennen und nutzen können. Der Paradigmenwechsel vom alten Wissenschaftssystem zum Neuen besteht darin, dass die als Wissen präsentierten Artikel nicht den Status unantastbarer Wahrheit beanspruchen, wie es im alten Wissenschaftsbetrieb war, sondern ganz im Gegenteil: da die Benutzer Laien sind, fühlen sie sich aufgefordert, an den Texten kritisch mitzuarbeiten. Den Autoren wird nicht von Anfang an ein Wissensvorsprung zugebilligt. Erst durch die wissenschaftliche Gleichstellung aller Benutzer wird ermöglicht, dass vorhandenes Wissen – auch Laienwissen – in die Enzyklopädie eingebracht wird. Dadurch kann auch die Kluft zwischen Theorie und Praxis (Verständlichkeit, Anwendbarkeit) zunehmend überwunden werden. Schließlich bewirkt die Tatsache, dass die einzelnen Teilnehmer an der gemeinsamen Wissenskonstruktion beteiligt sind, eine Wachheit im Alltag, eine selektive Aufmerksamkeit für Wissen in der realen Welt, die andere Menschen nicht in diesem Maße aufbringen, weil ihnen der Absatz für diese Denkleistungen fehlt. Diese neue Form der Wissenskonstruktion leitet den Übergang zu einer Wissensgesellschaft ein, die diesen Namen wirklich verdient.

Konsequenzen

Wenn es so ist, gibt es drei Ebenen, auf denen die Qualität des Wikipediagehirns optimiert werden kann:

  • Die Architektur des Wikipediagehirns

Das Wikipediainstrument als solches ist bereits sehr leistungsfähig. Die Möglichkeit, zu jeder Ebene stets eine Metaebene zu schaffen, entspricht der Struktur des Gehirns, bei dem Metaschichten aus Neuronenkonstellationen stets aufeinandergelegt werden können. Ferner sorgen Wikietiketten und sonstige Verhaltenscodizes dafür, dass die einzelnen Neuronen in ihren Interaktionen flüssig bleiben und der Interaktionsfluss nicht allzuoft durch Störungen gehemmt wird.

  • Die Qualität der einzelnen Neuronen (Benutzer)

Die Benutzer könnten so etwas wie die intellektuelle Elite von morgen bilden. Die aktive Teilnahme an der gemeinsamen Wissenskonstruktion im Rahmen der Wikipedia könnte zu folgenden Verhaltensänderungen führen:

    a) Das Kommunikations- und Interaktionsverhalten wird optimiert, weil Verhaltensregeln herrschen, welche für die Kommunikation dienlich sind. Freundlichkeit, Empathie, Solidarität sichern einen raschen, befriedigenden Kommunikationsfluss. Allerdings scheint es, dass die Wikiner gegenwärtig noch an diesem Punkt arbeiten (müssen). Das könnte daran liegen, dass sie zu wenig Zeit in die theoretische Reflexion investieren und auf diese Weise die Möglichkeiten, welche in der Wikipedia für die Entwicklung der Wissenschaft – und für die Entwicklung der Wikipedianer selbst – stecken, nicht erkennen (siehe „Ein tolles Instrument von Idioten beherrscht?“ Benutzer_Diskussion:Elian).
    b) Die „Intelligenz“ der Benutzer, verstanden als Menge und Vernetzung von Wissen und Denkgeschwindigkeit, könnte exponentiell wachsen, denn im Gegensatz zur realen Welt, wo das Denken permanent unterbrochen wird, kann im Rahmen der Wikipedia kontinuierlich kollektiv nachgedacht werden. Allerdings scheint es, dass im Augenblick der „Cortex“ als Instanz, welche die kollektive Reflexion organisiert und ihr ein Ziel gibt, noch nicht stark genug ausgebildet ist (siehe a)).
    c) Da alle Benutzer über ähnliche Erfahrungen und Verhaltensweisen auf Grund ihres „Wikipedia-Lebens“ verfügen, reduziert sich der Explikationsbedarf, was die Geschwindigkeit des kollektiven Denkens fördert. Das merkt man am besten, wenn man mit „Internet-Verweigerern“ in der realen Welt spricht. Hier wird man stets aufgehalten durch Einwände, welche keine Relevanz besitzen, wie das Problem des Informationsmülls oder der Spamflut. Auch wenn diese Fragen legitim sind, wer im Rahmen der Wikipedia arbeitet, kennt die Lösungen und möchte zügig zur Diskussion echter Weltprobleme überleiten.
    d) Schließlich lernen die aktiven Wikipedia-Benutzer – insbesondere die Administratoren – wie man große Mengen von Informationen zügig verarbeitet.
  • gemeinsame Ziele, Werte und Regeln
    Themenkomplexe sind:
    • schnelle Auffindbarkeit, Qualität der Artikelinhalte und deren Verständlichkeit, synergetische Vernetzung
    • angenehme und inspirierende konstruktive Zusammenarbeit (WP muss Spass machen)
    • Werte und Ziele
    • Regeln (Entstehung, Beschluss, Kontrolle, Veränderung)
    • Rollen (Verantwortung und Kompetenzen, Schnittstellen, wer wird wie was)
    • Prozesse (genaue Beschreibung)
    • Qualitätsmanagement (KVP)

Ähnliche Strukturen in der realen Welt

Im Rahmen der Methode Lernen durch Lehren wird seit 1980 ein Lehr- und Lernmodell erprobt, das ähnliche Merkmale aufweist wie die Wikipedia als Wissenskonstruktionsgebilde. Hier unterrichten sich die Schüler gegenseitig, so dass der Stoff, wie in der Wikipedia, nicht von unantastbaren Experten, sondern von Laien präsentiert wird. Auch hier wird das eingeführte Wissen von den Abnehmern in Frage gestellt und modifiziert, bis am Ende das zu diesem Zeitpunkt optimale Wissen im Rahmen der kollektiven Reflexion emergiert.

Offene Fragen

In ihrer Mehrheit geben die Autoren der Wikipedia als Ziel ihrer Aktivitäten an, „nur eine Enzyklopädie, sonst nichts“ aufbauen zu wollen. Sie verlangen für ihre erheblichen Leistungen keine materielle Vergütung. Insofern handelt es sich hier um ein Unternehmen, das von „idealistischen“ Zielen geleitet wird. Die an der kollektiven Konstruktion von Wissen beteiligten Menschen bekommen ideelle Belohnungen (sozialer Anschluss, Anerkennung, Erhöhung des Selbstwertgefühls, usw.). Eine vertiefte Reflexion über alle Implikationen dieses Prozesses wollen sie nicht angehen. Das führt zu Inadäquatheiten: die von den Betreibern aufgestellten Prinzipien orientieren sich im Wesentlichen an den Vorstellungen, die Enzyklopädien aus dem 19. und 20. Jahrhundert prägten (z.B. „Ausgewogenheit der Artikel“). Für die Erstellung einer auf Wikipedia-Technik aufbauende Enzyklopädie müssten aber ganz andere Prinzipien aufgestellt werden, die ein Ausschöpfen der neuen Möglichkeiten nicht nur erlaubt, sondern sogar fördert. Beispielsweise sollte die Exzellenz eines Artikels nicht nur nach Bebilderung, Aufbau und Stil bewertet werden, sondern auch nach dem Grad der Vernetzung mit anderen Artikeln, nach der Menge der Leute, die sich an der Erstellung beteiligt haben, nach der Menge und Qualität der Übersetzungen in andere Sprachen, nach der Menge der Zugriffe, nach der Präsentation des Artikels nach außen (Verweise in Web-Homepages auf den Wikipedia-Artikel) usw. Dies wiederum würde die Autoren anregen, die Vernetzungsmöglichkeiten voll auszuschöpfen und einen Paradigmenwechsel auch im Denken der Benutzer einleiten. Wie es im Augenblick betrieben wird, könnte der Eindruck entstehen, dass Menschen aus dem 19.Jahrhundert mit großem Engagement und Können ein Instrument betreiben und pflegen, das für das 21.Jahrhundert konzipiert wurde. (Wohlgemerkt: das ist nur eine Hypothese).

Machtstrukturen: Feudalsystem?

Man muss zwischen der Wikipedia als Instrument kollektiver Wissenskonstruktion und der Wikipedia als Organisation unterscheiden. Die Wikipedia als Instrument funktioniert eher wie ein Gehirn. Die WP als Organisation zeigt dagegen Ähnlichkeiten mit dem Feudalsystem (nicht negativ gemeint). Das Feudalsystem entwickelte sich, als die zentrale Gewalt, die durch mächtige Herrscher ausgeübt war, zu zerfallen begann. Die zentralistische Verwaltungsstruktur wurde schrittweise ersetzt durch ein System von dezentralisierten Vertrauensbeziehungen und Abhängigkeitsverhältnissen (zum Begriff „Vertrauen“ siehe die interessanten Ausführungen von Niklas Luhmann, 1989).

Wie im Feudalsystem beruht die Arbeitsbeziehung der Administratoren auf Vertrauen

Im Feudalsystem beruhte die Kohäsion der Akteure auf Vertrauen (Truewe). Das war nur möglich in einem System, in dem die Akteure sich gegenseitig kannten, die Zahl also überschaubar war. Die WP-Administratoren bilden eine überschaubare Gruppe (150), wo das Vertrauenssystem noch funktionieren kann (sichtbar an den Vertrauenskundgebungen in den einzelnen Benutzerseiten). Im Sinne der Feudalstruktur kann beispielsweise gedeutet werden, dass interessante Diskussionen nicht auf einem „Marktplatz“ geführt werden (beispielsweise in Wikipedia:Fragen zu Wikipedia), sondern in den Seiten von besonders prominenten Administratoren (auch wenn sie selbst gar nicht dabei sind). So kann es passieren, dass tagelang Benutzer sich auf der Seite von Benutzer:Elian austauschen, ohne dass sie selbst interveniert. Das erinnert an das Territorium eines Burgherrn, der Leute aus dem Umfeld in seiner Burg unter seinem Schutz aufnimmt, ohne selbst vielleicht in der Burg zu sein. Ähnliches geschieht, wenn Benutzer angegriffen werden: sie bitten um Hilfe bei Mächtigeren, also bei Administratoren. Das Hilfebegehren jedoch wird nach Interessenlage behandelt. Noch einmal: dies soll die Stuktur nicht verspotten oder kritisieren, sondern nur historisch tradierte Strukturmerkmale verdeutlichen. Eine weitere Plattform für Informations- und Meinungsaustausch bilden die Stammtische. Das System funktioniert ganz gut, allerdings nur solange die Akteure von der Menge her überschaubar bleiben. Ab einer bestimmten Größe funktioniert das System der Treue nicht mehr und die Beziehungen müssen verrechtlicht werden. Welche Lösung die WP zur Bewältigung des Problems der Unüberschaubarkeit finden wird, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall muss ein Ausgleich zwischen Integration (Gesamtsystem und dessen Verwaltung) und Differenzierung (kleinere, autonomere Einheiten) gefunden werden.

Theoriebildung im WP-Kontext

Ausgangspunkt: Distanz gegenüber Theoriebildung

In ihrer Mehrheit lehnen die Wikipediaakteure allzu vertiefte theoretische Reflexionen ab. Dies ist nicht verwunderlich. Auch wenn die Wikipedianer sich im Prinzip einer intellektuellen Aufgabe widmen, trotzdem ist die WP eine Massenveranstaltung und sie verhält sich auch so: abstraktes Denken bleibt einigen wenigen vorbehalten und wird vom Gros der Akteure mit Misstrauen begegnet. Erst durch eine bessere Rekrutierungspolitik wird die Bereitschaft zur theoretischen Reflexion zu erhöhen sein. Gegenwärtig führt die Theorieresistenz zu Inadäquatheiten. Insbesondere werden nicht alle Möglichkeiten der Wikipedia ausgeschöpft.

Die Wikipediaakteure orientieren sich an ihren Alltagstheorien

I. Wiki und Wissenskonstruktion

1. Wissen entsteht dann, wenn Informationen sortiert, gewichtet, geordnet und vor allem wenn sie synergetisch miteinander verknüpft werden. Die in der Wikipedia geleistete Arbeit ist also Wissensproduktion. Hypothese: Diese Einsicht hat noch keine Mehrheit unter Wikipedianern gefunden. Hier ein Beleg: Benutzer:Zahnstein (siehe Wikipedia_Diskussion:Wikipedistik/Hypothesen: „Zum einen wird in der WP kein neues Wissen geschaffen, sondern nur vorhandenes zusammengefasst ..“

    Dazu (Benutzer:jeanpol): „Zusammenfassen und Ordnen von Wissensbausteinen ist „Neues Wissen“ schaffen.“

2. Jeder Mensch verfügt über Wissen, nicht nur Experten. Die Möglichkeit, welche die Wikipedia bietet, ist dass das bisher unveröffentlichte Laienwissen für die Allgemeinheit erschlossen wird. Dieses Wissen reichert das stets von Versteinerung bedrohte „Expertenwissen“ an und dynamisiert es. Hypothese: Diese Einsicht hat noch keine Mehrheit unter Wikipedianern gefunden. Hier ein Beleg (Benutzer:Zahnstein): „Wenn Hinz und Kunz ihre Texte umschreiben können, dann verflüchtigt sich das Expertentum.“

    Dazu (Benutzer:jeanpol): „Breites Wissen kann nur entstehen, wenn Hinz und Kunz ihr unveröffentliches Wissen einbringen. Da sind Experten tendenziell ein Hindernis auf dem Weg zur gemeinsamen Wissensproduktion, weil sie allein durch ihren Status Interventionen von „Laien“ erschweren.“

3. Die traditionelle Form der Wissenschaft behindert eine effektive Nutzung der intellektuellen Ressourcen aller. Forscher und Wissenschaftler werden mit administrativen Aufgaben eingedeckt (darunter gehört auch der Zwang, über alles und überall zu publizieren). Neue Formen der kollektiven Wissenskonstruktion sind erforderlich. Die Wikipedia bietet diese Chance. Hypothese: Diese Einsicht hat noch keine Mehrheit unter Wikipedianern gefunden. Hier ein Beleg (Benutzer:Zahnstein): „Als Wissensschaftler ist man in Institutionen eingespannt, die gewisse Vorgaben machen (z.B. Zwang zum Publizieren, Gelder einwerben, Beamtenrecht, etc.)“

    Dazu (Benutzer:jeanpol): „Gerade diese Zwänge behindern Wissenschaft, gerade deshalb ist eine „Revolution“ notwendig und Wikipedia wäre ein Instrument dazu.“

II. Selbstorganisation

Nimmt man den Organismus als Metapher für ein sich selbst halbwegs organisierendes System, und vor allem innerhalb des Organismus das Nervensystem, so stellt man fest, dass, um die Selbstorganisation zu koordinieren, eine ordnende Instanz unabdingbar ist. So ist der Cortex (vereinfachend) zuständig für die Gesamtorganisation, insbesondere für die Entwicklung längerfristiger Ziele. Hypothese: Diese Einsicht hat noch keine Mehrheit unter Wikipedianern gefunden. Hier ein Beleg (Benutzer:Zahnstein): „Und bei der Frage der Optimierung, habe ich eine gewise Unsicherheit, ob ein selbstorganisierter Prozeß überhaupt optimierbar ist? Oder genauer: Wie optimiert sich so ein Prozeß selber?“

III.Reflexion über die eigene Motivation

Natürlich sperren sich Menschen, zumal Leute, die an der Hochschule arbeiten und daran gewöhnt sind, permanent zu „differenzieren“, gegen „Vereinfachungen“. Das hat den großen Nachteil, dass sie dadurch oft handlungsunfähig werden. Vor gut 60 Jahren hat Abraham Maslow eine Beschreibung menschlicher Grundbedürfnisse und Motivationen aufgestellt, die sehr brauchbar ist und heute noch – mit Recht – als Referenz in allen Sozialwissenschaften benutzt wird (mit leichten Modifikationen – z.B. heute geht man nicht mehr von einer Bedürfnishierarchie aus). Hypothese: Diese Einsicht hat noch keine Mehrheit unter Wikipedianern gefunden. Hier ein Beleg (Benutzer:Saperaud): „Ich muss staunen, mehr nicht? Sabbernde Hunde und das wars? Diese These ist dünnes Eis und nur sinnvoll wenn man sie zerpflückt. Es gibt bei der WP Idealisten, Selbstdarsteller, Hobbyschreiber, Gelegenheitsschreiber, Selbstdarsteller, Rechtschreibfanatiker, Hausfrauen, Wissenschaftler ...... es gibt so gut wie alles, nur lebende Untote und Ausserirdische sind mir bei der Wikipedia noch nicht begegnet.“

    Dazu (Benutzer:jeanpol): „Nun lassen sich alle in diesem Beitrag beschriebenen Motivationen als Unterkategorien der Maslowschen Pyramide einordnen und somit „operationalisieren“. Insbsondere der Begriff „Idealisten“ ist sehr verführerisch, weil er positive Eigenschaften unterstellt und zu verhängnisvollen „Selbstidealisierungen“ führt. Wenn man betrachtet, wie das tatsächliche Verhalten der Wikipedianer realisiert wird, sieht man, dass es keinen Anlass zur Selbstidealisierung gibt. Selbstidealisierende begründen gerne das positive Selbstbild durch den unterstellten altruistischen Charakter ihres Handelns. Inadäquat ist diese „falsche“ Selbsttheorie deshalb, weil sie resistent gegen Kritik von außen macht und die Bereitschaft zur Verhaltensänderung schwächt. Besonders offensichtlich ist dieser Widerspruch wenn man die überraschende verbale Aggressivität mancher Wikipedia-Idealisten beobachtet. Es würde genügen, wenn man als Motiv für das eigene Wikipedia-Handeln (nach Maslow) folgende Bedürfnisse nennen würde: sozialer Anschluss, soziale Anerkennung, Bedürfnis nach Sinn (= etwas Sinnvolles tun). Das erspart einem die Selbstidealisierung.“

Jüngere Entwicklungen

Die Wikipediaerfolge werden zunehmend in den öffentlichen Medien dargestellt. Dadurch bekommen die theorieorientierten Benutzer Rückenwind, denn die positive öffentliche Wahrnehmung fördert den Einzug von wissenschaftlich qualifizierten, an Theorie interessierten Benutzern. Dies wirkt sich positiv auf die Qualität des Diskurses aus, der an Rationalität gewinnt. Besonders bemerkbar macht sich diese Entwicklung im Mediationsbereich (siehe Wikipedia:Vermittlungsausschuss).

Offenheit bringt mehr Vor- als Nachteile

These 1: Ein mögliches Defizit der Wikipedia wird durch die anonyme Mitarbeit ausgelöst. Während ein Anmeldezwang und die Angabe des Realnamens die Hemmschwelle heben könnte, die Wikipedia für Falschinformationen zu missbrauchen, können in der Wikipedia all diejenigen mitarbeiten, die Geschichte fälschen, Artikel sabotieren oder populärwissenschaftliche Meinungen als gesicherte Tatsachen integrieren möchten. Der fehlende wissenschaftliche Stil, stets Quellen anzugeben, tut sein Übriges. Oft vermögen nur echte Fachleute, die Fehler überhaupt als solche zu erkennen. Besonders schwer wiegt dieses Defizit, weil die Wikipedia im Web eine einmalige, quasimonopolistische Stellung einnimmt.

Gegenthese: Das Einmalige an der Wikipedia ist, dass die Offenheit des Systems Menschen anregt, ihr Wissen einzubringen, welches sie sonst nicht veröffentlichen würden (verborgenes Wissen). Jede Anmeldungspflicht würde allein durch ihren Aufwand die Leute davon abschrecken, ihr Wissen einzubringen. Die traditionnelle Wissenschaft krankt ja daran, dass der Zwang, jede auch noch so banale Behauptung zu belegen, den Gedankenaustausch sehr verlangsamt. Eine interessierte, aktive und tolerante Gemeinschaft nimmt jedoch lieber ein paar Fehlinformationen in Kauf (schließlich kann sie selbst diese Informationen noch einmal überprüfen), als potenzielle Wissensquellen durch bürokratische Hürden davon abzuhalten, ihr Wissen schnell der Öffentlichkeit zu „schenken“.
Man kann die Hoffnung hegen, dass durch massive Anwerbung von Menschen, die ernsthaft an der gemeinsamen Konstruktion von Wissen interessiert sind, eine Eindämmung des Vandalismus stattfinden wird.
Durch Anonymität kann auch „unbeliebtes“, nicht dem Mainstream entsprechendes Wissen leichter öffentlich werden. So können Wissensträger unabhängig von ihrer möglichen beruflichen oder gesellschaftlichen Abhängigkeit publizieren.
Zur Optimierung der Kommunikation innerhalb der Wikipedia würde mehr Offenheit (beispielsweise Veröffentlichung von Fotos in den Benutzerseiten) ein Plus darstellen. Als Korrelat dazu wäre eine Art Zero-Toleranz-Regel für aggressives Verhalten einzuführen.

These 2 (bezieht sich auf das Internet insgesamt): Informationen im Netz sind überall zugänglich, so dass Menschen leicht Opfer von Verleumdung werden können.

Gegenthese: entscheidend sind nicht die Einzelinformationen sondern die "Emergenz", also das Gesamtprofil, das als Summe aller Informationen (Spitze des Eisbergs) über einen Menschen auftaucht. Allerdings müssen die Benutzer sich daran gewöhnen, dass Einzelinformationen wenig Aussagewert besitzen. Ein konkretes Beispiel: per Zufall stieß ich auf die Bewertung eines von mir geschätzten Kollegen in der Seite MeinProf. Es ging um eine Vorlesung und das Bild war verheerend. Ich klickte weiter und sah, dass die Benotungen seiner anderen Veranstaltungen viel besser waren. Das Fazit: "urteile nicht auf der Grundlage von Einzelbelegen, auch wenn sie scheinbar aussagekräftig sind und lasse dich selbst nicht von negativen Belegen über dich verunsichern. Nicht der Einzelbeleg ist entscheidend, sondern die Emergenz."

Geschwindigkeit kann kontraproduktiv sein

1. Geschwindigkeit bei Löschaktionen

    Damit die Wikipedia wirklich funktioniert (Gehirnmodell: Geschwindigkeit und Vernetzung) müssen die Interventionen sehr rasch geschehen (so wie auch im Nervensystem die Interaktionen zwischen den Neuronen mit hoher Geschwindigkeit erfolgen). Gerade bei Löschaktivitäten besteht allerdings die Gefahr, dass wertvolle Inhalte vom Löscher gar nicht erkannt oder falsch verstanden und prompt gelöscht werden. Hier stehen sich zwei Prinzipien gegenüber: das Gebot der Geschwindigkeit auf der einen Seite und auf der anderen Seite das Gebot, sich Zeit zu lassen, um Inhalte, die nicht sofort einzuordnen sind, nach ihrer Qualität zu prüfen. Hypothese: die Qualität der Wikipedia würde sich erhöhen, wenn die Wikipedianer den tendenziellen Widerspruch zwischen Geschwindigkeit und Gründlichkeit erkennen und angehen würden.

2. Wenig Nachhaltigkeit

    Wikiner huschen von einem Thema zum anderen, von einem Gesprächspartner zum anderen und verfahren absolut unlinear. Das ist im Prinzip sinnvoll, denn auch das Gehirn funktioniert nicht linear. Es werden Informationen überall gepickt und erst im nachhinein in einen vorzugsweise sinnvollen Zusammenhang gebracht. Der Nachteil ist allerdings, dass wenig Aktionen konsequent durchgeführt werden können. Hat ein Benutzer einen Gesprächspartner für drei Interaktionen gewonnen und möchte dann auf dieser (noch dünnen) Basis eine Aktion aufbauen, so kann es sein, dass der Gesprächspartner nach kurzer Zeit gar nicht mehr zur Verfügung steht, sich bereits mit ganz anderen Themen befasst und deshalb keine Antwort mehr gibt. Betrachtet man, wie beispielsweise Elian mühsam an ihrem Artikel über die „Wikipedia“ arbeitet und immer wieder durch unproduktive Aktionen behindert wird (z.B. „Kofferwortdiskussion“), so sieht man, wie nachhaltige Arbeit behindert wird. Hier sei Benutzer:Hans Bug zitiert: „(...)das Internet ist ein flüchtiges Medium, das nur „auf Zeit“ gebaut ist, das nie auf die Ewigkeit baut). -- Hans Bug Neue Selbstgespräche 08:49, 25. Mär 2005 (CET)“. Als Hypothese könnte formuliert werden: Durch mehr zielbezogene Nachhaltigkeit in den Beziehungen ist die Qualität der Wikipedia zu erhöhen. Hier ist ein Modell zu empfehlen, bei dem eine kurzfristige Verpflichtung zwischen Benutzern (Miniprojekt) zur Erstellung eines Artikels eingegangen wird. Hilfreich wäre auch, wenn jede Spezialisierung (Mediation, Tutorenprogramm, Qualitätssicherung, KVP, Löschen, Theoriebildung, etc.) immer auf der Grundlage gemeinsamer Ziele erfolgt und entsprechend kontrolliert wird und wenn Spezialisierung nur als Ergänzung zur eigenen Tätigkeit als Autor erlaubt ist.

Bürokratisierung anthropologisch bedingt

Wenn man davon ausgeht, dass das Bedürfnis nach Kontrolle aus phylogenetischen Gründen das alles überragende Handlungsmotiv ist, dann tendiert jeder Mensch – auch der Wikipedianer – seinen Lebensbereich unter Kontrolle zu bringen. Die Kontrollhandlungen entwickeln eine Dynamik, die nur dann zu regulieren ist, wenn man sich dieser Dynamik bewusst ist. Bezogen auf die Wikipedia bedeutet es, dass die Benutzer die größtmögliche Offenheit anstreben (soviele Menschen wie möglich müssen am Aufbau der Enzyklopädie wirken), aber aufgrund ihres Bedürfnisses nach Kontrolle (Komplexitätsreduktion, Raum überschaubar halten) Verfahren entwickeln, die im Widerspruch zum Ziel stehen. Das ist nicht typisch für die Wikipedia, sondern typisch für jede soziale Gruppe, insbesondere für Verwaltungen (Aktenzeichen, Beamtensprache, usw.). Hier ein Beispiel: Liste der Abkürzungen (Netzjargon). Diese für Insider leicht zu beherrschenden Regeln und die entsprechende Sprache sind für Außenstehenden immer schwerer zu durchschauen. Hypothese: bezogen auf die Verhinderung eines Bürokratisierungsprozesses in der Wikipedia besteht ein Bedarf an vertiefter Reflexion über mögliche Widersprüche zwischen Zielen und Verfahren.

Identifikation der Autoren mit Artikeln steht im Widerspruch zur Offenheit

Zwangsläufig entsteht, wenn die Hauptautoren viel Wissen und Zeit in „ihre“ Artikel investieren, eine starke Identifikation mit der eigenen Arbeit an diesen Artikeln. Jede Modifikation von außen wird – je nach Qualität – als Unterstützung oder als Angriff empfunden, mit den entsprechenden emotionalen Reaktionen. Einen bereits bestehenden Artikel wesentlich zu verändern, verlangt von den Neu-Dazukommenden viel Wissen und Energie, vor allem wenn sie nicht nur Details, sondern zentrale Aspekte verändern wollen. Das könnte zu einer gewissen Erstarrung der Artikel führen. Dies würde auch erklären, warum ein Teil der WP-Autoren lieber eigene Artikel verfasst, als dass sie an schon bestehenden, mit Lücken behafteten Einträgen mitarbeiten würden.

Das Verhältnis zwischen Experten und Laien

Je bekannter die Wikipedia wird, desto mehr werden Experten den Wert der Wikipedia für die Verbreitung ihrer Ideen erkennen. Dadurch wird zwangsläufig die Qualität der Artikel erhöht. Die Aufgabe der Laien wird es sein, allzu penetrante Selbstdarstellungen einzudämmen und Ideen einzubringen, die dem Experten aufgrund seiner Fachfixierung gar nicht einfallen können (siehe auch „Der Elfenbeinturm“). Das „Vorbeischauen“ von Laien hält den Experten wach und in Bewegung. Der Preis, den der Experte bezahlt, ist dass seine Artikel immer wieder von Laien „nebenbei“ verändert, ja „beschädigt“ werden, oder dass er immer wieder erklären muss, warum ein Eintrag von ihm sinnvoll ist. Besonders anstrengend für Experten wird es sein, wenn sie nach einer langen Überzeugungsphase gegenüber einem Benutzer/Administrator, kurz danach erneut Löschaktionen von anderen zufälligen Artikelbesuchern mit hohem argumentativen Aufwand abwehren müssen.

Andererseits ist die Mitarbeit von nicht spezialisierten Menschen ausgesprochen hilfreich für die Verständlichkeit und Anwendbarkeit von Wissen. Nur verstehbares und anwendbares Wissen ist relevant.

WP als Enzyklopädie oder als Raum für Lehre und Forschung?

Die Potenziale, die im Rahmen der WP angeboten werden, reichen weit über die bloße Erstellung einer „Enzyklopädie“ hinaus. Es könnte sogar sein, dass das Ziel, eine Enzyklopädie zu erstellen, die Entfaltung der WP als Forschungsinstrument behindert. Die Dynamik, die durch die Möglichkeit entfaltet wird, gemeinsam an einem wissenschaftlichen Problem zu arbeiten und die Ergebnisse zu veröffentlichen, verträgt sich schlecht mit der Absicht, nur etablierte und ausgewogene Inhalte zu präsentieren. Vielmehr könnten in den Artikeln die jüngsten Erkenntnisse der Forschung vorgestellt werden und damit weitere Innovationsschübe und einen Wettbewerb der Ideen auslösen. Das Prinzip der Enzyklopädie lässt die Darstellung der jüngsten Forschungsergebnisse nicht zu, und könnte so den – in der WP ohnehin sehr intensiven – Wettbewerb der Ideen lähmen.

Dabei ist gleichzeitig auf Übersichtlichkeit zu achten. Nur Wissen, das bei Bedarf auch gefunden werden kann ist hilfreich.

Die Wikipedia-Akteure: gemeinsam Wissen konstruieren

Ausgangspunkt dieses Prozesses

Das enorme Denkpotenzial, das Menschen weltweit anbieten, kann mit Hilfe der WP viel besser mobilisiert und der Öffentlichkeit angeboten werden als es mit früheren Kommunikationsmitteln der Fall war. Die WP bietet folgende Möglichkeit an:

1. Menschen (also Wissens- und Energieträger) kommen zusammen und bringen ihr individuelles Wissen ein.
2. Dieses individuelle Wissen ist noch kein Problemlösewissen, sondern es muss in Interaktion mit anderen Akteuren sortiert, hierarchisiert, zu Handlungswissen umgeformt werden.
3. Nach diesem kommunikationsintensiven Prozess muss dieses Wissen gespeichert und der Öffentlichkeit angeboten werden.

Zu 1: Damit eine höhere Qualität erreicht wird, ist es sinnvoll, wenn dieser Prozess nicht dem Zufall überlassen, sondern systematisch angegangen wird. Es sollen also Menschen angesprochen werden, die beruflich an Wissen interessiert sind (Schüler, Studenten und alle anderen Wissensorientierten). Damit ferner das Wissen der einzelnen Akteure für alle anderen Mitkonstrukteure sichtbar wird, müssen die Akteure möglichst viele Informationen über ihr bereits existierendes Wissen bereithalten. Dies setzt voraus, dass sie mehr Vertrauen in die positive Kraft des WP-Systems und dessen Akteure als Angst vor dem möglichen Missbrauch durch die Preisgabe ihrer persönlichen Daten haben.

Zu 2: Dieser Prozess ist im Rahmen der WP schon fortgeschritten. Allerdings müssten Verfahren gefunden werden, die Zerstörung von Wissen minimieren (Löschaktionen durch Laien, Vandalismus, usw.). Grundsätzlich sind Verfahren zur Optimierung der Interaktionen zur gemeinsamen Wissenskonstruktion weiterzuentwickeln.

Zu 3: Die WP bietet durch ihre Enzyklopädie-Struktur genau dieses.

Aufmerksamkeit als Währung der Zukunft

In der Wissens- und Kommunikationsgesellschaft ist Aufmerksamkeit ein rares Gut, um das alle kämpfen. Aufmerksamkeit kann man sich dann verschaffen, wenn man Produkte (Wissen, Ideen) anbietet, die neu und für viele Menschen relevant sind. Die Erstellung neuen Wissens und neuer Ideen kann nicht in Einsamkeit erfolgen sondern nur in Gruppen. All dies spricht für eine stärkere Zusammenkunft von Menschen, wie die Wikipediatechnik es auch ermöglicht. Dies spricht auch dafür, dass in der Wikipedia nicht nur bereits vorhandenes und konsensfähiges („für die Oma verständliches“) Wissen präsentiert wird, sondern die neuesten verfügbaren – noch nicht verbreiteten und abgesegneten – Forschungsergebnisse.

Die Wikipedia als Sozialisationsraum

Wer sich viel in der Wikipedia aufhält, wird von den in ihr herrschenden Regeln und Werten geprägt. Dies betrifft sowohl das gesamte Ziel (eine Enzyklopädie schaffen) als auch die Verhaltensregeln. Die Wikipedia stellt also einen spezifischen Sozialisationsraum dar. Da die Wikipedia die Schaffung ganz unterschiedlicher Felder erlaubt, sofern die Hauptregeln beachtet werden, ist es auch möglich, Zielsetzungen der Schule, der Hochschule und der Forschung im Rahmen der Wikipedia zu verfolgen. Von ihrer Vorstellung her schließt die Wikipedia nicht aus, dass in ihr eine bessere Schule, eine bessere Hochschule und eine bessere Forschung verwirklicht werden.

Lernziel Netzsensibilität

Als Vernetzungsmaschine (diese Funktion wird oft von den Wikipedianern ignoriert oder unterschätzt) bietet die WP einen optimalen Raum zum Aufbau von Kontext- und Netzsensibilität bei den Nutzern. Dabei geht es nicht um das in pädagogischen Fibeln stets betonte vernetzte Denken, also die kognitive Durchdringung von Vernetzungsstrukturen, sondern um vernetztes Fühlen, also das reflexartige Reagieren auf Kontexveränderungen. Da es sich hier um eine völlig neue Denk- und Verhaltensweise handelt, die alle Bereiche des Lebens prägt, muss die Netzsensibilität sehr früh entwickelt werden, damit sie „in Fleisch und Blut“ übergeht. Die Arbeit in der Wikipedia fördert diese Sensibilität in hohem Maße.

Aufbauend auf die Netzsensibilität könnten als weitere Lernziele angestrebt werden:

  • Vernetzungsbereitschaft, mit dem Ziel der Netznutzungskompetenz;
  • Vernetzungsinteresse, in Verbindung mit dem Ziel des Netzverantwortungsbewusstseins;
  • Vernetzungsautonomie, mit dem Ziel des reflektierten und differenzierten Netzgebrauchs.

Das Curriculum wäre dann erfolgreich durchlaufen, wenn am Ende als übergeordnetes Lernziel die individuelle Netzsouveränität erreicht ist.

Anthropologische Grundlagen

Zunächst stellt sich die Frage, was Menschen motivieren kann, Energie in ein Unternehmen einzubringen, das keine materielle Belohnung für sie bereithält. Hier liefert die Maslowsche Bedürfnispyramide Auskunft :

Bedürfnispyramide nach Maslow

Selbstverwirklichung

Soziale Anerkennung

Soziale Beziehungen

Sicherheit

Körperliche Grundbedürfnisse

Zwar hilft die kollektive Wissenskonstruktion nicht bei der Befriedigung der körperlichen Grundbedüfnisse, aber bereits die zweite Bedürfnisebene (Sicherheit) wird angesprochen. Die Zusammenarbeit im Hinblick auf ein sozial anerkanntes Ziel (Aufbau einer Enzyklopädie) kann Sicherheit vermitteln. Dies gilt erst recht für die Ebene der sozialen Beziehungen, der sozialen Anerkennung und der Selbstverwirklichgung. Besonders das hierarchisch höchste Bedürfnis nach Transzendenz kann im Rahmen einer kollektiven, sinnvollen Arbeit befriedigt werden. Der Mensch ist bestrebt, seine Fähigkeiten und Potenziale zur vollen Entfaltung zu bringen. Noch mehr: er möchte seinen Handlungen einen Sinn verleihen und über sich hinauswachsen. Man kann davon ausgehen, dass die Menschen dann bereit sind, intensiv und dauerhaft miteinander zu kommunizieren, wenn sie das Gefühl bekommen, dass diese Kommunikation hilft, ein Wissen zu konstruieren, das wesentliche Probleme der Menschheit zu lösen erlaubt.

(Grafik entnommen aus: Maslowsche Bedürfnispyramide)

Wikiner reduzieren Komplexität

Die WP kann als Instrument zur Reduktion von Komplexität beschrieben werden. Wer mitarbeitet, muss sich in die Unschärfe, in die Unbestimmheit, in die Komplexität begeben. Dies betrifft nicht nur die Unschärfe des zu bearbeitenden Stoffes, sondern auch die Mitarbeiter- und Klimasituation (zu den Unschärfen zählt auch Vandalismus, Unfreundlichkeit, Unzuverlässigkeit). In dieser Hinsicht ist Mitarbeit in der WP gleichzeitig auch Vorbereitung auf die heutige Arbeitswelt, in der kompetenter Umgang mit Unschärfe und Unbestimmtheit als professionnelle Grundvoraussetzung gilt. In einem zweiten Schritt reduzieren die Akteure individuell oder in Gruppen Komplexität, indem sie Artikel schreiben. Daher ist es nicht erstaunlich, wenn Wikipedianer als besonders akkurat und ordnungsliebend erscheinen. Die sehr ungeordnete Umwelt zwingt sie, ordnend zu handeln, die unsichere WP-Umwelt induziert ein verstärktes Sicherheit schaffendes Verhalten bei den Benutzern (siehe auch oben: Bürokratisierung anthropologisch bedingt).

Admins als Modelle
In der sehr unüberschaubaren Wikipedia-Welt spielen die Admins, ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht, eine wichtige Rolle. Sie „reduzieren Komplexität“ für die neuen Benutzer. Sie sind ihre ersten Ansprechpartner und helfen ihnen, sich zurecht zu finden. Dadurch üben sie Vorbildfunktion. Insofern ist es besonders bedeutsam, dass sie für eine erfolgreiche Arbeit unabdingbare Grundregeln beachten, insbesondere „Freundlichkeit“, „Nachhaltigkeit“ und „Zuverlässigkeit“. Unfreundlichkeit von Admins wirkt sich, weil sie die Aggressivitäts-Hemmschwelle anderer Benutzer senkt, besonders negativ auf das Arbeitsklima innerhalb der WP aus. Je stärker die Admins ihre Vorbildfunktion erkennen und annehmen, desto besser für die Zusammenarbeit.

Hierarchisierung
Eine Hierarchisierung wird zwar abgelehnt, sie findet dennoch de facto statt. So wird immer wieder überlegt, ob Benutzer nicht erst nach 200 Bearbeitungen einen Artikel einstellen dürften. Ferner wird in Diskussionen gerne suggeriert, dass die WP ein sehr komplexes Gebilde ist, das man erst nach langer Mitarbeit überschauen kann. Auch dies ist eine – unbewusste – Technik der Hierarchisierung: es impliziert, dass wer länger dabei ist, einen besseren Durchblick besitzt und dem anderen überlegen ist. Das ist nicht zwingend der Fall, denn kluge Benutzer sind es bereits vor der ersten Bearbeitung und schlichte Benutzer sind auch nach der 3500sten Bearbeitung (noch relativ) schlicht. Ferner lassen sich die WP-Strukturen für geübte Blicke auch nach wenigen Wochen erkennen. Desto mehr die Wikipedianer sich dieser Prozesse bewusst werden, desto schneller können künstlich geschaffene Hierarchisierungen abgebaut und die damit verbundenen Klimaprobleme angegangen werden.

Kollektive Forschung

In der realen Welt werden die Forschungsfelder durch die Einschränkung der Speicherkapazitäten (Fachzeitschriften), der materiellen Räume (Schulen und Universitäten) und der körperlichen Präsenz der Forscher und Dozenten begrenzt. Der einzelne Forscher ist darauf bedacht, dass seine Erkenntnisse nur unter seinem Namen veröffentlicht werden. In der Wikipediawelt wirkt nicht die einzelne Erkenntnis, sondern ein Hof, ein Schwarm von Erkenntnissen. Es müssen schon bahnbrechende Ideen sein, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, dann aber das gesamte System in Schwingung bringen. Wenn eine Idee von anderen übernommen wird und in die eigenen Texte integriert wird, dann entsteht Redundanz und Resonanz. In der Wikipedia ist besonders letztere, im Sinne der Wissensvermehrung, erwünscht. Insofern ist es im Interesse der Forschergruppe, dass in der WP möglichst viele Menschen deren Ideen aufgreifen und verbreiten. „Kopiert“ werden wird nicht als Gefahr empfunden, sondern als eine Möglichkeit, Wissen zu verbreiten.

Rekrutierung

Die Wikipedia ist als Sozialisationsraum attraktiv, weil sie Leute anzieht, die Wissen gemeinsam konstruieren wollen. Natürlich gibt es vielfältige Motivationen, um in der Wikipedia mitzumachen, aber das Ziel, gemeinsam Wissen zu konstruieren, ist eines davon.

Unterstelle gute Absichten, sei freundlich

Ferner ist die Wikipedia attraktiv, weil sie mit dem Motto „Unerstelle gute Absichten“ (von englisch: „assume good faith“) und „Sei freundlich“ zumindest von der Intention her, auf die Verbreitung humaner Verhaltensweisen abzielt. Zwar schafft die WP Freiräume für allerlei Missbräuche, aber alle Teilnehmer können sich bei ihrem Handeln und vor allem bei Konflikten auf die Regel „Unterstelle gute Absichten“ berufen. Das stellt gegenüber den Verhaltensregeln in der realen Welt einen erheblichen Fortschritt dar. Bis diese plakativ exponierten Prinzipien jedoch wirklich auch in der breiten (Wikipedia-)Mehrheit umgesetzt werden, bedarf es allerdings eines Reflexionsschubs jedes einzelnen Individuums. So werden die Verhaltensempfehlungen „Sei freundlich“ und „Unterstelle gute Absichten“ ausschließlich mit dem vorwissenschaftlichen Ziel begründet, es würde mehr „Spaß“ machen. Um die Forderung nach „Freundlichkeit“ wirklich durchzusetzen, müsste der ökonomische Wert von Freundlichkeit besser herausgestellt werden (Freundlichkeit fördert die Kommunikation, den Austausch von Informationen und das gemeinsame Konstruieren von Wissen). Sollte die WP einmal in professionnelle Hände geraten, so wird die Technik „Sei freundlich“ sich als Verhaltensbasis zügig etablieren. Gegenwärtig hat die Nichtbeachtung dieses Prinzips jedoch positive Nebenwirkungen. Benutzer können lernen, wie man mit allerlei Störungen umgeht, eine Fähigkeit, welche sich für die reale Welt als sehr nützlich erweisen kann.

Systematische Rekrutierung kompetenter Akteure

Ein Wikipedia-Problem liegt im Rekrutierungsverfahren. Grundsätzlich geht es darum, dass ein Wissen, das sonst verborgen bleibt, mobilisiert wird. Das bedeutet, dass auch Akteure, die zu den traditionell theoriefernen Gruppen der Gesellschaft gehören, aufgefordert werden, ihr Wissen einzubringen und bei der kollektiven Konstruktion von Wissen mitzuwirken. Dieses hervorragende Konzept enthält eine kleine, negative Nebenwirkung: es besteht die Gefahr, dass die traditionell theoriefernen Akteure die Reflexion – und somit die Weiterentwicklung des Projektes – unterbinden. Vor die Wahl gestellt und auf dem Hintergrund einer prinzipiellen Ressourcen-Orientierung ist eine Öffnung zu den traditionell theoriefernen Akteuren vorzuziehen. Man muss aber die negativen Nebenwirkungen erkennen und eine Gegenstrategie entwickeln. Hier würde eine stärkere Beachtung und Einhaltung der Wikipedia-Prinzipien „Unterstelle gute Absichten“ und „Sei freundlich“ schon Abhilfe schaffen, denn so würden komplexe Sachverhalte, wenn auch von einigen nicht verstanden, ungestört Eingang in den WP-Rahmen finden.

Aus alledem folgt: Der Schwerpunkt der Arbeit muss liegen auf
a) der Mobilisierung von zusätzlichen Akteuren (Schüler, Studenten und sonstige Gerndenker), und zwar weltweit (Ausbau von Benutzerseiten in anderen Sprachen)
b) der Verbesserung der Interaktionen zwischen diesen Akteuren (Verbesserung der Selbstpräsentationen in den Benutzerseiten, stärkere Verlinkung zwischen den Akteuren, den Benutzerseiten in anderen Sprachen, den Artikeln in anderen WPs, usw.)

Gegenwärtig werden im Rahmen des IPKs folgende studentische Projekte durchgeführt: Benutzer:jeanpol/IPK

Zur Fruchtbarkeit der Gehirnmetapher

Ist es legitim, Netzwerkeffekte und die Möglichkeiten intensiver Selbstreferenzialität im Rahmen des Wikipedia-Auftrages zu nutzen? Und wie werden Neuronen-Konstellationen „berühmt“ im Gehirn?

Die Ziele der Wikipedia und die Gehirnanalogie

Ziel der Wikipedia ist es, eine Enzyklopädie aufzubauen. Das Open-Source-Verfahren ermöglicht es, ein unerschöpfliches Reservoir an Wissensressourcen zu mobilisieren. Wenn man davon ausgeht, dass die meisten WP-Benutzer und Autoren sich dem Ziel der WP verpflichtet fühlen und etwas „Gutes“ machen wollen (dieser Wunsch lässt sich anthropologisch begründen), dann besteht die Hoffnung, dass schrittweise aus dem anfänglich vagen Wissensmagma durch zahlreiche Interaktionen zwischen den Benutzern qualitativ hochstehende Artikel „emergieren“. Dies lässt sich mit der Arbeitsweise des Gehirns vergleichen. Im Gehirn interagieren Milliarden von Neuronen, wobei Untergruppen jeweils unterschiedliche Bereiche bearbeiten: je wichtiger der Bereich für den Organismus und sein Überleben, desto mehr Neurone werden mobilisiert (Neuronengruppen). Nicht alle Aktivitäten gelangen ins Bewusstsein und werden vom Frontalcortex bearbeitet. So verlaufen alle Prozesse, die vom vegetativen System bearbeitet werden, automatisch und ohne Intervention des Cortexes (im Rahmen der WP wären es beispielsweise alle Aktivitäten die außerhalb des Artikelraumes erfolgen). Wenn ein Bereich an Bedeutung für den Organismus gewinnt, werden immer mehr Neurone mobilisiert und das entsprechende Thema „emergiert“ und wird „berühmt im Hirn“, es bekommt also die Aufmerksamkeit des Cortexes. Man könnte die WP-Artikel mit Emergenzen der WP-Arbeit vergleichen. Auch innerhalb der Artikel gibt es solche, die zwar emergieren, aber nicht prominent. Es sind solche, die nur mit wenigen anderen Neuronen (Links) verknüpft sind. Andere dagegen emergieren prominent, wenn sie mit zahlreichen anderen Neuronen verlinkt sind, die selbst starke und zahlreiche Verknüpfungen aufweisen.

Exkurs: Mehr Denotation, weniger Konnotation

Bei der Erstellung von Artikeln und bei Diskussionen entstehen starke Emotionen. Dies ist förderlich für die Artikel-Arbeit, denn es steigert die Motivation. Allerdings besteht die Gefahr, dass ein zuviel an Emotionen, die oft bei Konflikten einen aggressiven Charakter annehmen, die Artikelarbeit verlangsamt wird. Dies steht dem Prinzip der Geschwindigkeit der Interaktionen, die im Nervensystem von großer Bedeutung ist, im Wege. Die WP-Autoren und Benutzer müssten also schrittweise die Fähigkeit entwickeln und automatisieren, sich ganz auf die Inhalte zu konzentrieren und sich von stark emotional überladenen Beiträgen (wenig Denotation, viel Konnotation) nicht ablenken zu lassen.

Konsequenzen für die Verlinkungen und die Selbstreferenzialität

Wenn es darum geht, bestimmte Wissenschaftsbereiche in der Wikipedia darzustellen, so ist unvermeidbar, dass Begriffe, die zu einem Paradigma gehören, gegenseitig verlinkt werden. Dies schafft hohe Selbstreferenzialität und gleichzeitig hohe Redundanz. Je mehr Begriffe zu einem Gesamtparadigma zusammengefügt werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass dieses Ensemble stärker als andere „emergiert“. Die Qualität des dargestellten Paradigmas hängt stark von der Qualität der Begriffe (Bausteine) ab, aus dem es besteht.

Chancen und Gefahren der Selbstreferenzialität

Die Selbstreferenzialität hat den Vorteil, dass durch einen Satz von Begriffen, die in entsprechenden Diskurs-Räumen wiederkehren (Redundanz) schnell Resonanz geschaffen werden kann. Das System gerät in Schwingung. So beispielsweise der literaturwissenschaftliche Diskurs: eine überschaubare Menge von Referenzbegriffen (Moderne, Foucault, Episteme, Konstruktion/Dekonstruktion), die in einem relativ geschlossenen Raum mit wenigen Akteuren redundant auftreten, sichert schnelle Resonanz im System und Schwingung. Die Gefahr allerdings besteht darin, dass diese Schwingung gleichzeitig Rauschen ist. Man wird taub für die Schwingungen der Außenwelt. Das System erschöpft sich, weil es keine Impulse von außen wahrnimmt (die Sprache ist im Binnenraum ein Kommunikationsmittel, in Bezug auf die Außenwelt eine Mauer und in Bezug auf die Innenwelt ein Gefängnis). Um diesem Phänomen zu begegnen, muss ein Feld aufgesucht werden, das so weiträumig ist wie überhaupt möglich. So mein Kollege Grzega: als Linguist arbeitet er an der Entwicklung eines „Globalenglisch“-Projektes. In diesem Rahmen hat er Kontakt zu vielen relevanten Stellen der Gesellschaft im In- und Ausland. Er bringt seine Ideen im Hochschulkontext ein (z.B. Fortbildungen im Hochschuldidaktischen Zentrum Ingolstadt), aber auch in der Grund- und Hauptschule (Projekt in Bayreuth) oder in Fachoberschulen (Heilbronn). Auf diese Weise ist er selbst gezwungen, die Interessen dieser Felder zu berücksichtigen und in ein Ganzes zu integrieren. Das von ihm konstruierte Paradigma ist sehr umfassend und ein solches weiträumige Feld in Resonanz zu bringen kostet viel Energie und Kraft. Wenn es einem aber gelungen ist, ein solches Feld in Schwingung zu bringen, dann sind die Auswirkungen gewaltig.

Legitime Selbstreferenzialität

Im Zusammenhang der Wikipedia als der größten Plattform zur Darstellung von Paradigmen stellt sich die Frage, wann die Selbstreferenzialität legitim ist oder nicht. Dieses Problem kann nur dadurch gelöst werden, dass jeder selbstreferenzielle Eintrag in einem Artikel zweifelsfrei gerechtfertigt ist. Durch die große Anzahl der Mitverfasser kann gewährleistet werden, dass die Selbstreferenzen in den jeweiligen Kontexten unanfechtbar sind. Wenn beispielsweise „Lernen durch Lehren“ im Artikel „Handlungsorientierter Unterricht“ erscheint, dann muss sicher sein, dass der Eintrag in Umfang und Inhalt zur Qualität des Artikels beiträgt. Ein Indiz für „illegitime“ Selbstreferenzialität liefert die Einordnung in „Siehe auch“. Hier erscheinen assoziativ eingefügte Links, die meist als Aufmerksamkeitsspots dienen und nicht für die Kohärenz des Artikels notwendig sind.

Artikel als polyvalente Module

Nehmen wir als Beispiel den Artikel „Handlungsorientierter Unterricht“. Er wurde zunächst angelegt von Benutzer:JPTimm, einem absoluten Kenner der Materie. JPTimm hat zunächst die Begriffe eingefügt, die für den handlungsorientierten Unterricht von Bedeutung sind und somit eine Art Paradigma aufgestellt. Innerhalb dieses Paradigmas herrscht Selbstreferenzialität. Nun war Benutzer:Michaelk der Ansicht, dass der Artikel zu kompakt sei und einer Aufsplitterung bedürfe. So hat er folgende Unterartikel eröffnet: Ganzheitlichkeit (Pädagogik) und Lernerautonomie. Die Qualität des Artikels „Handlungsorientierter Unterricht“ hängt also stark von der Qualität der Unterartikel ab. Wenn man dazu bedenkt, dass der „Handlungsorientierte Unterricht“ inhaltlich auf die Methode „Lernen durch Lehren“ fokussiert, dann ergibt sich die Pyramide von der unteren Ebene („Ganzheitlichkeit“) über die mittlere Ebene („Handlungsorientierter Unterricht“) bis zur höchsten Ebene („Lernen durch Lehren“). Andererseits sind Bausteine der untersten Ebene Module, welche frei kombinierbar sind. Je höher die Hierarchieebene, desto weniger sind die entsprechenden Bausteine kombinierbar. Im Prinzip kann „Ganzheitlichkeit“ als Basisbaustein in einer Fülle von Artikeln eingebaut werden und weist die höchste Vieldeutigkeit auf.

Blick in die Zukunft der Wikipedia

Seitdem ich 2005 die Wikipedia entdeckt habe, dränge ich meine Schüler und Studenten, Artikel über ihr Spezialgebiet in die WP hochzuladen, also das „Feld zu besetzen“. Wenn man sich ein bisschen mit Systemtheorie und Netzeffekten befasst, weiß man, dass die Wikipedia in der nächsten Zeit zur ersten Referenz bei Recherchen werden MUSS. Es gibt keinen Grund, warum mehrere Artikel zum selben Thema in hunderten von Zeitschriften weltweit verfasst werden sollten. Ein Artikel genügt. Natürlich gibt es Ausdifferenzierungen, aber ein Artikel beispielsweise zur „Biene“ weltweit ist ausreichend, dieser Artikel wird in der Wikipedia stehen und das wird auch die weltweite Kommunikation zum Thema „Biene“ erleichtern, denn jeder wird über dieselben Referenzen verfügen (sofern auch derselbe Sprachraum verwendet wird).

Einzelnachweise

  • Albert-László Barbási (2002): Linked. The new science of networks. Cambridge:Perseus publishing
  • Stan Davis und Christopher Meyer (1998): Das Prinzip Unschärfe: Managen in Echtzeit – neue Spielregeln, neue Märkte, neue Chancen in einer venetzten Welt, Wiesbaden: Gabler
  • Niklas Luhmann (1989): Vertrauen – Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität. 3., durchgesehene Auflage. Stuttgart: Ferdinand Enke.
  • Jean-Pol Martin (1998): Forschungshomepage - Homepageforschung, in: E. Piepho, A. Kubanek-German (Hrsg.): 'I beg to differ'. Beiträge zum sperrigen interkulturellen Nachdenken über eine Welt in Frieden. Festschrift für Hans Hunfeld. München: Judicum 1998: 205-213,(PDF-Datei).
  • Florian Rötzer (1999): Megamaschine Wissen: Vision: Überleben im Netz. New York:Campus Verlag
  • Deliberative Prozesse in der Wiki eine Seminararbeit welche versucht Habermas' Idee der deliberative Demokratie auf WP anzuwenden.

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