Wahl Des Deutschen Bundespräsidenten 2010: 14. Bundesversammlung

Am 30. Juni 2010 wählte die 14.

Bundesversammlung im Reichstagsgebäude in Berlin Christian Wulff (CDU) als zehnten Bundespräsidenten zum Nachfolger des zurückgetretenen Bundespräsidenten Horst Köhler.

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Wahl des Bundespräsidenten
durch die 14. Bundesversammlung
(1244 Mitglieder – absolute Mehrheit: 623)
Standarte des Bundespräsidenten
Standarte des Bundespräsidenten
Berlin, 30. Juni 2010

Wahl Des Deutschen Bundespräsidenten 2010: Hintergrund und Wahltermin, Kandidaten, Bundesversammlung
Christian Wulff (CDU)
Erster Wahlgang 600  
Zweiter Wahlgang 615  
Dritter Wahlgang 625  
50,2 %
Wahl Des Deutschen Bundespräsidenten 2010: Hintergrund und Wahltermin, Kandidaten, Bundesversammlung
Joachim Gauck (parteilos)
Erster Wahlgang 499  
Zweiter Wahlgang 490  
Dritter Wahlgang 494  
39,7 %
Wahl Des Deutschen Bundespräsidenten 2010: Hintergrund und Wahltermin, Kandidaten, Bundesversammlung
Luc Jochimsen (Die Linke)
Erster Wahlgang 126  
Zweiter Wahlgang 123  
Dritter Wahlgang -  
0,0 %
Wahl Des Deutschen Bundespräsidenten 2010: Hintergrund und Wahltermin, Kandidaten, Bundesversammlung
Frank Rennicke (NPD)
Erster Wahlgang 3  
Zweiter Wahlgang 3  
Dritter Wahlgang -  
0,0 %

Bundespräsident
vor der Wahl
Jens Böhrnsen (geschäftsführend)
SPD
Sitzverteilung in der 14. Bundesversammlung
        
Insgesamt 1244 Sitze
Wahl Des Deutschen Bundespräsidenten 2010: Hintergrund und Wahltermin, Kandidaten, Bundesversammlung
Außerhalb des Reichstagsgebäudes in Berlin während der 14. Bundesversammlung am 30. Juni 2010

Hintergrund und Wahltermin

Am 31. Mai 2010 trat mit Horst Köhler zum ersten Mal ein deutscher Bundespräsident mit sofortiger Wirkung von seinem Amt zurück. Nach Art. 54 Abs. 4 Grundgesetz (GG) hatte die Bundesversammlung zur Neuwahl des Bundespräsidenten spätestens 30 Tage nach dem Rücktritt zusammenzutreten. Sie wurde demgemäß von dem dafür nach § 1 BPräsWahlG zuständigen Bundestagspräsidenten, Norbert Lammert, zum 30. Juni 2010 einberufen.

Kandidaten

Zum Bundespräsidenten wählbar ist nach Art. 54 Abs. 1 GG, wer als deutscher Staatsangehöriger das Wahlrecht zum Bundestag besitzt und mindestens 40 Jahre alt ist. Wahlvorschläge kann jedes Mitglied der Bundesversammlung einreichen; die schriftliche Zustimmungserklärung des Vorgeschlagenen ist beizufügen, § 9 Abs. 1 BPräsWahlG.

Im Vorfeld der Wahl wurden Meinungsumfragen in der Bevölkerung zu den Kandidaten durchgeführt, obwohl der Bundespräsident nicht in einer direkten Wahl durch das Volk gewählt wird. Diese Umfragen fanden eine große mediale Aufmerksamkeit. Bei einer Befragung von Infratest dimap am 14. und 15. Juni 2010 präferierten 43 Prozent der Befragten Joachim Gauck, 37 Prozent Christian Wulff und 2 Prozent Luc Jochimsen. Nach dem vierten Kandidaten, Frank Rennicke, wurde nicht gefragt.

Bundesversammlung

Die Bundesversammlung wurde gemäß § 8 BPräsWahlG von dem Präsidenten des Bundestages, Norbert Lammert, geleitet.

Nach Art. 54 Abs. 5 GG ist gewählt, wer im ersten oder zweiten Wahlgang „die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung erhält“. 2010 waren hierzu 623 Stimmen notwendig. In dem weiteren 3. Wahlgang ist der Kandidat mit den meisten Stimmen gewählt. Die die Bundesregierung tragenden Parteien CDU, CSU und FDP stellten 644 der 1244 Mitglieder der Bundesversammlung, die sich im Einzelnen wie folgt zusammensetzte:

Partei Mitglieder
gesamt Bund Länder
CDU/CSU 496 239 257
SPD 333 146 187
FDP 148 93 55
Bündnis 90/Die Grünen 129 68 61
Die Linke 124 76 48
Freie Wähler 10 0 10
NPD 3 0 3
SSW 1 0 1
Summe 1244 622 622

Wahlergebnis

Im ersten und zweiten Wahlgang erzielte kein Kandidat die notwendige absolute Mehrheit. Danach kandidierten Luc Jochimsen und Frank Rennicke nicht mehr. Die Linke kündigte an, dass sich die Mehrheit ihrer Wahlleute im dritten Wahlgang enthalten werde. Die drei NPD-Wahlmänner kündigten an, nun für Gauck zu stimmen. Im dritten Wahlgang erreichte Christian Wulff mit 625 Stimmen die absolute Mehrheit (bei 494 Stimmen für Gauck und 121 Stimmenthaltungen). Mit Rücksicht auf Art. 55 Abs. 1 GG legte er daraufhin sein Amt als niedersächsischer Ministerpräsident nieder, bevor er die Annahme der Wahl erklärte. Seine Vereidigung als Bundespräsident erfolgte am 2. Juli 2010.

Wahl Des Deutschen Bundespräsidenten 2010: Hintergrund und Wahltermin, Kandidaten, Bundesversammlung 
Wahlergebnisse
Kandidat 1. Wahlgang 2. Wahlgang 3. Wahlgang
Stimmen Anteil Stimmen Anteil Stimmen Anteil
Christian Wulff 600 48,2 % 615 49,4 % 625 50,2 %
Joachim Gauck 499 40,1 % 490 39,4 % 494 39,7 %
Luc Jochimsen 126 10,1 % 123 9,9 % Kandidaturen
zurückgezogen
Frank Rennicke 3 0,2 % 3 0,2 %
Enthaltungen 13 1,0 % 7 0,6 % 121 9,7 %
Mögliche Stimmen 1.244 100,0 % 1.244 100,0 % 1.244 100,0 %
  davon abgegebene Stimmen 1.242 99,8 % 1.239 99,6 % 1.242 99,8 %
  davon gültige Stimmen 1.241 99,8 % 1.238 99,5 % 1.240 99,7 %
  davon ungültige Stimmen 1 0,1 % 1 0,1 % 2 0,2 %
  nicht abgestimmt haben 2 0,2 % 5 0,4 % 2 0,2 %
Anmerkungen:

Debatte zur Wahl

Mit Joachim Gauck wurde von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ein Kandidat nominiert, der auch im Lager von CDU/CSU und FDP großes Ansehen genießt.

Holger Zastrow, Torsten Herbst und Tino Günther aus der sächsischen FDP-Landtagsfraktion sowie der Bremer FDP-Chef Oliver Möllenstädt kündigten offen an, in der Bundesversammlung für Joachim Gauck zu stimmen. Drei Abgeordnete der CDU-Fraktion im sächsischen Landtag stimmten bei der Wahl der Vertreter in der Bundesversammlung für die Liste der Opposition, zwei blieben der Abstimmung fern und einer gab eine ungültige Stimme ab. Deshalb konnten SPD und B’90/Grüne jeweils einen Wahlmann mehr entsenden als prognostiziert.

Mehrere hohe CDU-Politiker bekundeten offen ihren Unmut darüber, dass die Regierungskoalition nicht selbst Joachim Gauck nominiert habe, kündigten aber an, dennoch für Wulff zu stimmen. Vor diesem Hintergrund wurde der Fortbestand der Regierungskoalition aus Union und FDP von Kommentatoren mehrfach von der Wahl Wulffs zum Bundespräsidenten abhängig gemacht. Dies führte zu Debatten über die Zulässigkeit einer Verknüpfung der Wahl mit Fragen der Parteipolitik und über die Gewissensfreiheit der Mitglieder der Bundesversammlung. Der frühere sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf forderte die Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Zeitungsbeitrag auf, den CDU-Mitgliedern freie Wahl zu lassen. Auch Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker forderte, bei der Wahl den Fraktionszwang aufzuheben. Alt-Präsident Roman Herzog äußerte im SWR, er verstehe Biedenkopfs Forderung nicht, weil die geheime Abstimmung und die Zusammensetzung der Bundesversammlung von vornherein sicherstelle, dass die Wahlentscheidung jedes einzelnen Mitglieds „völlig frei“ sei. Fraktionszwang sei in der Bundesversammlung nicht praktikabel.

Luc Jochimsen sprach in einem Interview im Hamburger Abendblatt vom 17. Juni 2010 davon, Gauck sei als Befürworter des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan und als jemand, der, im Umgang mit Bürgern der ehemaligen DDR nicht versöhnlich, die Linke für überflüssig halte, für diese ebenso wenig wählbar wie Wulff. „Das würde sich in einem dritten Wahlgang nicht plötzlich ändern.“

Commons: Bundespräsident (Deutschland) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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