The Merry Men: Erzählung des schottischen Schriftstellers Robert Louis Stevenson

The Merry Men, deutsch Die tollen Männer, ist eine Erzählung des schottischen Schriftstellers Robert Louis Stevenson (1850–1894).

Sie erschien erstmals 1882 im Cornhill Magazine; 1887 nahm Stevenson sie in etwas überarbeiteter Form in seine Sammlung The Merry Men and Other Tales and Fables auf.

Wie Stevensons etwa gleichzeitig entstandener Abenteuerroman Treasure Island (Die Schatzinsel) handelt sie von einer Schatzsuche auf einer entlegenen Insel, doch verliert der frömmelnde Ich-Erzähler Charles Darnaway dieses Ziel zunehmend aus den Augen, da er sich zunächst mit seinem Onkel Gordon auseinandersetzen muss, der offenbar den Verstand verloren und sich womöglich eines Mordes schuldig gemacht hat. Die wenigen Literaturkritiker, die sich eingehender mit The Merry Men befasst haben, befinden fast einhellig, dass die Geschichte als solche recht missraten sei, einzelne Episoden und besonders die Naturschilderungen für sich genommen jedoch atmosphärisch dicht und stilistisch brillant ausgefallen seien; seiner Frau Fanny Stevenson zufolge war auch der Autor selbst ähnlicher Ansicht.

Inhalt

Schottland im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts: Der Ich-Erzähler Charles hat an der Universität Edinburgh bei dem Historiker William Robertson studiert. In alten Archivalien ist er auf Hinweise auf eines der Schiffe der Spanischen Armada gestoßen, die im August 1588 nach der Niederlage in der entscheidenden Seeschlacht gegen die Flotte Englands über die Nordsee zerstreut wurden und schließlich spurlos verschwanden. Er schlussfolgert, dass sich das Wrack der Espirito Santo mitsamt ihrem Goldschatz auf dem Meeresgrund vor der Hebrideninsel Aros befinden muss, auf der sein Onkel Gordon und seine Base Mary einen ärmlichen Hof bewirtschaften. Im Sommer macht er sich auf die Reise dorthin und erkennt das Innere des Bauernhauses kaum wieder: Es ist bis unters Dach gefüllt mit fremden Kostbarkeiten. Mary erzählt von einem bedauerlichen Schiffbruch, kann aber nichts Genaues über die Herkunft des Strandguts sagen. Onkel Gordon setzt den Neffen ins Bild. Vor ein paar Monaten, genauer, am 10. Februar, sei ganz in der Nähe die Brigg Christ-Anna bei Hochflut in den „Totentanz“ der „tollen Männer“ geraten und hernach vor Ort gestrandet. Die „tollen Männer“ sind gewaltige, verwirbelte Sturzbrecher, die zwischen den der Insel vorgelagerten Felsen bei anstürmender Brandung mit mächtigen furchtbaren Stimmen aufbrausen und ein Schiff mit Mann und Maus in ihren Strudel hinabziehen können. Als Charles den Onkel nach Überlebenden der Schiffskatastrophe fragt, bekommt er ausweichende Antwort.

An der Stelle, wo er das Wrack vermutet, findet Charles bei einem ersten Tauchgang eine Schuhschnalle, beim zweiten einen menschlichen Beinknochen, außerdem entdeckt er an der Küste ein frisches Grab und mutmaßt, dass es sich um das Grab eines Seemanns der Christ-Anna handelt, der den Schiffbruch im Februar überlebt hat, aber von Strandräubern, wahrscheinlich also von Onkel Gordon selbst, ermordet wurde. Entsetzt von diesen bösen Vorzeichen, aber auch eines aufkommenden Sturmes wegen muss der Schatzsucher die Unternehmung abbrechen. In dem stürmischen Gewässer ist offenbar auch noch eine fremde Bootsbesatzung auf Goldsuche unterwegs. Charles muss zusehen, wie das Boot im Sturm untergeht, ebenso sein Onkel Gordon; dieser genießt den Todeskampf der Besatzung von der felsigen Steilküste aus mit „wollüstiger Kennermiene“. Nach dem „grauenvollen Schauspiel“ stellt Charles den Onkel am oben genannten frischen Grab zur Rede und bezichtigt ihn in einer erbarmungslosen Moralpredigt des Mordes aus Habgier. In dem Moment erscheint auf dem Kajütdach des gescheiterten Bootes plötzlich ein schwarzer Mann. Den Anblick erträgt Onkel Gordon nicht, offenbar meint er, es sei der Geist des Ermordeten, wenn nicht der Teufel selbst; er tobt, augenscheinlich wahnsinnig, und nimmt Reißaus. An der verhängnisvollen Suche nach dem Geisteskranken beteiligt sich auch der dunkelhäutige Schiffbrüchige, der sich als Mensch aus Fleisch und Blut erwiesen hat. Er jagt hinter Gordon Darnaway her, weil er den Kranken einfangen will, doch beide stürzen über die Steilküste in den Tod. Charles nennt das Ende des Onkels ein „seltsames Gottesurteil“.

Entstehungs- und Publikationsgeschichte

The Merry Men: Inhalt, Entstehungs- und Publikationsgeschichte, Quellen und Einflüsse 
Robert Louis Stevenson, fotografiert 1882 in Davos

Eine erste, nicht erhaltene Fassung der Geschichte verfasste Stevenson im Juni und Juli 1881 in seiner Sommerfrische Kinnaird Cottage nahe Pitlochry in Perthshire; aus seiner Korrespondenz geht hervor, dass die Geschichte zunächst den Titel The Wreck of the Susanna trug. Ebenso wie die zur selben Zeit begonnenen Erzählungen Thrawn Janet und The Body Snatcher war sie ursprünglich für einen Kurzgeschichtenband mit dem Arbeitstitel The Black Man and Other Tales („Der Schwarze Mann und andere Geschichten“) vorgesehen, der aber letztlich nie erschien. Nachdem er gegen Mitte Juli die ersten vier Kapitel der Geschichte zu Papier gebracht hatte, zeigte er sich mit dem Ergebnis nicht vollkommen zufrieden und kündigte in einem Brief umfassende Revisionen an, doch ließ er die Arbeit an der Geschichte ab August zunächst ruhen, um seinen ersten Roman Treasure Island fertigzustellen. Erst im Winter, den er im schweizerischen Davos verbrachte, stellte er die erste publizierte Fassung fertig. Sie erschien 1882, zunächst anonym, in zwei Tranchen im Juni- und Juliheft des Cornhill Magazine.

1884 äußerte Stevenson in einem Brief an seinen Vater die Absicht, die Geschichte erheblich auszubauen und ihr ein vollkommen neues Ende (Dénouement) zu verpassen, dessen Gestalt ihm jedoch selbst noch nicht ganz klar sei. Im Februar 1887 erschien dann die zweite, heute maßgebliche Fassung als erste Geschichte seines Kurzgeschichtenbands The Merry Men and Other Stories and Fables. Entgegen Stevensons Ankündigung ist sie mit der ersten Fassung über weite Strecken identisch, die umfangreichsten Änderungen betreffen dabei die Dialoge zwischen Charles und Mary Ellen im zweiten und vierten Kapitel sowie die Darstellung des schiffbrüchigen „Schwarzen Mannes“ im fünften Kapitel; insgesamt fällt die zweite Fassung sogar etwas kürzer aus.

Quellen und Einflüsse

In einem Brief vom Juli 1881 schrieb Stevenson, dass seine „seltsame“ Geschichte vor allem seine eigene Schöpfung sei, die allenfalls Walter Scotts Roman The Pirate (1821) einige Anleihen zu verdanken habe; spätere Quellenforschungen weisen jedoch auf eine Reihe weiterer möglicher literarischer Vorbilder hin. Sicher scheint, dass weniger Scott als vielmehr William Edmonstoune Aytouns 1842 erschienene Erzählung The Santa Trinidada das unmittelbare Vorbild für The Merry Men darstellt: Wie Stevensons Erzählung ist sie im 18. Jahrhundert angesiedelt und handelt von der Suche nach dem Goldschatz einer Galeone der spanischen Armada, der ‚Santa Trinidada‘ („Heilige Dreifaltigkeit“), die 1588 an der Küste der Hebriden zerschellt sei. Wie aus einem Brief hervorgeht, trug das versunkene spanische Schiff in der nicht erhaltenen Urfassung von The Merry Men noch den Namen ‚Santma Trinid (d. h. Santissima Trinidad, also „Heiligste Dreifaltigkeit“). Aytouns Protagonisten sind die Brüder Malcolm und Donald McLean; aus dem Clan MacLean stammt in Stevensons Erzählung auch Gordon Darnaways verstorbene Frau. In The Santa Trinidada taucht zudem ebenso unvermittelt ein fremdes Boot auf, ohne Segel oder Ruder, aber bemannt mit einer einsamen Gestalt, womöglich der Teufel selbst. Diese Erscheinung scheint die Stelle des versunkenen Schatzes anzuzeigen, und so taucht Malcolm hinab in die Tiefen des Meeres und findet tatsächlich eine Truhe voller Silber; bei seinem zweiten Tauchgang wird er jedoch von einem Gezeitenstrudel erfasst und ertrinkt.

Für die Schilderung des Sturms im vierten Kapitel kommt als Vorbild ein weiteres Exemplar der „gotischen“ Schauerliteratur des frühen 19. Jahrhunderts in Frage, Charles Robert Maturins Melmoth the Wanderer (1820). Die Gestaltung des Sujets ist indes vor allem von den drei Hauptvertretern der etwas verspätet einsetzenden „dunklen“ amerikanischen Romantik geprägt: Nathaniel Hawthorne, Herman Melville und Edgar Allan Poe. Der Einfluss von Poes Horrorgeschichten wie seiner theoretischen Schriften (wie The Philosophy of Composition) auf Stevensons Prosa ist grundlegend, gut dokumentiert und wurde schon von den frühesten Rezensenten erkannt. Burton R. Pollin und J. A. Greenwood machen in The Merry Men Anklänge an The Fall of the House of Usher und The Gold-Bug aus, insbesondere aber an A Descent into the Maelström. Mehr noch fühlte sich Stevenson indes zu Hawthornes Romanen und Kurzgeschichten hingezogen, da sie – im Gegensatz zu Poes oft bloß ästhetischen Grotesken und Arabesken – stets auch komplexe moralische Fragen in den Vordergrund rücken. Im Falle von The Merry Men ist die Nähe zu Hawthorne insbesondere durch die Darstellung des religiösen Fanatismus greifbar, der Gordon Darnaways Denken und Handeln bestimmt, und in ihn schließlich in den Wahnsinn und ins Verderben, wenn nicht sogar in die Verdammnis treibt. Wie in Hawthornes Erzählungen über die Puritaner Neuenglands ist es eine besonders rigorose Spielart des Calvinismus, die solch finstere Folgen zeitigt: Gordon Darnaway ist ein Anhänger der Cameronians (einer presbyterianischen Splittergruppe, die sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts von der Church of Scotland gelöst hatte), „er pflegte ausführlich in der Bibel zu lesen und betete viel, nach Art der Kameronier, unter denen er aufgewachsen war. Ja, vielfach gemahnte er mich an einen Hochlandsprediger aus den mörderischen Zeiten vor der Revolution. Allein er schöpfte niemals sonderlichen Trost und, so viel ich weiß, nicht einmal Rat aus seiner Frömmigkeit. Er pflegte seine schwarzen Stunden zu haben, in denen er sich vor der Hölle fürchtete; aber er hatte ein rauhes Leben geführt, auf das er voller Neid zurückblickte, und war nach wie vor ein rauher, kalter, finsterer Mann.“ Auf Melville, dessen Romane Stevenson auf Anregung Charles Warren Stoddards 1880 während seiner Zeit in San Francisco gelesen hatte, deutet schließlich die Darstellung der See in The Merry Men, die zugleich erhaben und zerstörerisch erscheint.

Themen und Motive

Natur und Landschaft

Aros, der Schauplatz der Handlung sowohl von The Merry Men als auch einiger Kapitel seines Romans Kidnapped (1886), ist eine fiktionalisierte Version von Earraid, wie Stevenson 1887 in seinem Aufsatz Memoirs of an Islet verriet. Auf dieser der Isle of Mull vorgelagerten Gezeiteninsel hatte er den Sommer des Jahres 1870 verbracht, um seinem Vater Thomas Stevenson und seinem Onkel David Stevenson Gesellschaft zu leisten, die von hier aus im Auftrag der Northern Lighthouse Board als Chefingenieure den Bau des Leuchtturms auf dem Felsenriff Dubh Artach leiteten. Die Schilderung der rauen Landschaft der Hebriden nimmt in The Merry Men einen breiten Raum ein und steht in literaturgeschichtlicher Hinsicht in der Tradition der schottischen Romantik des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts; insbesondere ist sie dem Vorbild Scotts verpflichtet, der 1820 eine ganz ähnliche Reise an die Westküste Schottlands unternahm und seine Eindrücke in The Pirate einfließen ließ. Wie Scott gibt auch Stevenson zumindest in den Dialogen den breiten schottischen Dialekt der Inselbewohner wieder, um das Lokalkolorit zu unterstreichen, und knüpft in typisch romantischer Manier auch an schottische Volkssagen über den Teufel, Meermänner, Seepferde und dergleichen an.

The Merry Men: Inhalt, Entstehungs- und Publikationsgeschichte, Quellen und Einflüsse 
Blick vom Gipfel des Cnoc Mor auf das Meer um Earraid. Von dieser Warte beobachtet Gordon Darnaway mit „wollüstiger Kennermiene“ in Seenot geratene Schiffe.
The Merry Men: Inhalt, Entstehungs- und Publikationsgeschichte, Quellen und Einflüsse 
Bell Rock Lighthouse – Wasserfarbenzeichnung von William Turner, 1819.
Dieses Bild entstand als Auftragsarbeit für R. L. Stevensons Großvater Robert Stevenson, der den Leuchtturm auf Bell Rock 1807–1810 erbaute, und ziert als Frontispiz dessen Memoiren (Account of the Bell Rock Lighthouse, 1824). Das Original hängt heute in Edinburgh in der Schottischen Nationalgalerie.

Mehr noch als die karge Heidelandschaft der Insel hatte es Stevenson der Anblick ihrer windumtosten Felsküste angetan. In einem Brief an Sidney Colvin bezeichnete Stevenson seine Erzählung (hier noch die nicht erhaltene Urfassung) als eine „fantastische Sonate über das Meer und Wracks“, gegenüber William Ernest Henley deutete er an, dass das Tun und Lassen der Protagonisten nachrangig sei, es handele sich schlicht um einen „Meerblick“, eine „Geschichte über Wracks, wie sie dem Küstenbewohner erscheinen.“ Seiner Faszination von der stürmischen See verlieh er bereits vor 1880 in seinem Gedicht Storm in lyrischen Bildern Ausdruck, die sich in The Merry Men wiederfinden, so apostrophiert er die Brandung in den letzten Zeilen mit den Worten:

Ei! merry companions,
Your madness infects me.
My whole soul rises and falls and leaps and tumbles with you!
I shout aloud and incite you, O white-headed merry companions.
The sight of you alone is better than drinking.
The brazen band is loosened from off my forehead;
My breast and my brain are moistened and cool;
And still I yell in answer
To your hoarse inarticulate voices,
O big, strong, bullying, boisterous waves,
That are of all things in nature the nearest thoughts to human,
Because you are wicked and foolish,
Mad and destructive.

In The Merry Men ist Gordon Darnaway von der Zerstörungskraft des Meeres so verzückt, dass er sich in jedem Sturm draußen auf die Lauer legt, um mit „wollüstiger Kennermiene“ die Schiffe auf hoher See zu beobachten, immer in der Hoffnung, eines möge an den Felsen zerschellen. Aus seinen Monologen spricht dabei aber keine romantische Begeisterung für das Erhabene der Naturgewalten, vielmehr sieht er sie als konkreten Ausdruck der Verderbtheit der Welt. Wie viele Puritaner des 17. Jahrhunderts sieht er in Naturereignissen göttliche oder auch teuflische Mächte am Werk, verleiht ihnen also eine theologische Sinndeutung. Hier zeigen sich deutliche Parallelen zu Melvilles Moby-Dick, insbesondere in einer Passage im zweiten Kapitel, die ihrerseits wohl das Vorbild für Kurtz’ berühmte letzte Worte („The horror! The horror!“) in Joseph Conrads Novelle Heart of Darkness (1899) darstellt:

But, troth, if it wasnae prentit in the Bible, I wad whiles be temp’it to think it wasnae the Lord, but the muckle, black deil that made the sea […] If ye had sailed it for as lang as me, ye would hate the thocht of it as I do. If ye had but used the een God gave ye, ye would hae learned the wickedness o’ that fause, saut, cauld, bullering creature, and of a’ that's in it by the Lord’s permission: labsters an’ partans, an’ sic like, howking in the deid; muckle, gutsy, blawing whales; an’ fish – the hale clan o’ them – cauld-wamed, blind-eed uncanny ferlies. O, sirs,’ he cried, ’the horror – the horror o’ the sea!

„Meiner Seel, wenn’s nicht in der Bibel stände, ich wäre versucht zu glauben, daß nicht der Herr, sondern der Böse selbst das Meer geschaffen hat […] Hättet Ihr es so lange befahren wie ich, Ihr würdet den Gedanken an das Meer hassen, wie ich es tue. Hättet Ihr Euch der Augen bedient, die Euch der Herrgott gegeben, Ihr wäret der Bosheit jenes falschen, bitteren, kalten, unsteten Geschöpfes und alles dessen, was nach Gottes Ratschluß in ihm lebt, inne geworden: Hummer und Krebse und dergleichen, die von den Toten leben; und mächtige, großmäulige, schnaubende Wale, und die Fische samt all’ ihresgleichen – kaltblütiges, blindäugiges, unheimliches Gezücht. »Oh,« schrie er, »oh über das Grauen – das Grauen des Meeres!«.“

Edwin M. Eigner verweist zum Vergleich auf das 58. Kapitel von Melvilles Moby-Dick (1851):

Consider the subtleness of the sea; how its most dreaded creatures glide under water, unapparent for the most part, and treacherously hidden beneath the loveliest tints of azure. Consider also the devilish brilliance and beauty of many of its most remorseless tribes, as the dainty embellished shape of many species of sharks. Consider once more, the universal cannibalism of the sea; all whose creatures prey upon each other, carrying on eternal war since the world began. Consider all this; and then turn to this green, gentle, and most docile earth; consider them both, the sea and the land; and do you not find a strange analogy to something in yourself? For as this appalling ocean surrounds the verdant land, so in the soul of man there lies one insular Tahiti, full of peace and joy, but encompassed by all the horrors of the half known life. God keep thee! Push not off from that isle, thou canst never return!

„Bedenke die Tücke des Meeres; vergiß nicht, dass seine furchtbarsten Bewohner unter dem Wasser dahingleiten, kaum sichtbar, arglistig verborgen unter dem himmlischsten Azur. Bedenke die Pracht und die Satanssschönheit ihrer unbarmherzigsten Geschlechter, die zierliche, anmutige Wohlgestalt vieler Haie. Bedenke immer wieder die Mordgier des Meeres, dessen Kinder einander vertilgen, einer des anderen Beute, in ewigem Kriege, seit die Welt erschaffen ward. Bedenke das alles, und wende den Blick nun der grünen, freundlichen, unendlich fügsamen Erde zu; betrachte sie beide, das Meer und das Land – findest du nicht, daß etwas in deiner eigenen Seele mit diesen widerstreitenden Elementen zusammenstimmt? Denn wie das blühende Land rings von dem grausigen Ozean umschlossen ist, so liegt in der Menschenbrust ein Tahiti, ein friedvolles, seliges Eiland – doch umwogt von allen Schrecken des nur dunkel bewußten Lebens. Gott bewahre dich! Stoß nie ab von der Insel, du kannst nie mehr zurück!“

Christliche Symbolik

Die dichte christliche Symbolik der Erzählung ist wohl vor allem eine Zugabe der ersten Revisionen Stevensons im Winter 1882. Zahlreich sind dabei insbesondere Anspielungen auf den Paraklet, also auf den Heiligen Geist im Allgemeinen und im Besonderen auf das Pfingstwunder, wie es im Neuen Testament beschrieben wird: „Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.“ (Apg 2,1-4 EU). Prominent eingeführt wird diese Thematik in The Merry Men im Namen des versunkenen spanischen Schiffes, der Espirito Santo (spanisch für „Heiliger Geist“); Aros Jay wiederum, der gälische Name der Insel, bedeutet dem Erzähler zufolge „das Haus Gottes.“ Die vertrauten biblischen Topoi erscheinen hier jedoch auf seltsame Weise in ihr Gegenteil verkehrt, so sind es auf Aros nicht Feuerzungen, die von oben herab kommen und „sprechen“, sondern die todbringende See, eben die stets als „tolle Männer“ personifizierten Sturzbrecher:

Intervals of a groping twilight alternated with spells of utter blackness; and it was impossible to trace the reason of these changes in the flying horror of the sky. The wind blew the breath out of a man’s nostrils; all heaven seemed to thunder overhead like one huge sail […] Now louder in one place, now lower in another, like the combinations of orchestral music, the constant mass of sound was hardly varied for a moment. And loud above all this hurly-burly I could hear the changeful voices of the Roost and the intermittent roaring of the Merry Men. At that hour, there flashed into my mind the reason of the name that they were called. For the noise of them seemed almost mirthful, as it out-topped the other noises of the night; or if not mirthful, yet instinct with a portentous joviality. Nay, and it seemed even human. As when savage men have drunk away their reason, and, discarding speech, bawl together in their madness by the hour; so, to my ears, these deadly breakers shouted by Aros in the night.

„Tastendes Zwielicht wechselte mit der tiefsten Finsternis, ohne daß man die Ursache hierfür aus den sausenden Schrecken des Himmels herauszulesen vermochte. Der Sturm sog einem den Atem aus den Nüstern; das ganze Himmelsgewölbe glich einem einzigen, ungeheuren, donnernden Segel […] Bald laut, bald leise, wie die Klangsymphonie eines Orchesters, schwoll diese stetige Tonflut. Und hoch über allem Wirrwarr erklangen die wechselnden Stimmen der Roost und das abgerissene Gebrüll der ›Tollen Männer‹. In jener Stunde wurde mir blitzschnell klar, woher diese ihren Namen bezogen. Denn ihr Lärmen, das die anderen Geräusche der Nacht überschrie, erschien mir, wenn nicht gar ausgelassen lustig, so doch von unheimlicher, fast menschlicher Jovialität. Wie eine Schar wilder Männer, die ihren Verstand vertrunken und sich der Macht der Rede begeben haben, ihren Wahnsinn stundenlang in die Nacht hinausschreien, so schrien in meinen Ohren und tollten diese tödlichen Wirbel an Aros vorbei.“

Während in der Apostelgeschichte die Ausgießung des Heiligen Geistes die Gläubigen in die Lage versetzt, in ihnen zuvor fremden Sprachen die Frohe Botschaft zu predigen, ihnen Mut, Zuversicht, und einigen auch die Gabe der Weissagung (vgl. 1 Kor 14,1-19 EU) schenkte, so ist das „Geschrei“ des Meeres vollkommen unverständlich und erfüllt Charles Darnaway mit schierer Furcht, seinen Onkel gar mit Wahnsinn und dämonischer Bosheit. Gordon Darnaway identifiziert sich mit den nicht nur zerstörerisch, sondern teuflisch anmutenden Merry Men so sehr, dass er an einer Stelle verkündet, er sei sich sicher, selbst der Verdammnis anheimzufallen:

‚Ou,‘ he returned, ‚if it wasnae sin, I dinnae ken that I would care for’t. Ye see, man, it’s defiance. There’s a sair spang o’ the auld sin o’ the warld in you sea; it’s an unchristian business at the best o’t; an’ whiles when it gets up, an’ the wind skreights – the wind an’ her are a kind of sib, I’m thinkin’ – an’ thae Merry Men, the daft callants, blawin’ and lauchin’, and puir souls in the deid thraws warstlin’ the leelang nicht wi’ their bit ships – weel, it comes ower me like a glamour. I’m a deil, I ken’t. But I think naething o’ the puir sailor lads; I’m wi' the sea, I’m just like ane o’ her ain Merry Men.

„Ja, wenn’s keine Sünde wäre,« entgegnete er, »würd’ ich wohl gar nicht danach fragen. Es ist schierer Trotz, siehst du. In dem Meere dort lebt ein gut Stück von der alten Erbsünde; unchristlich bleibt’s, und wenn man’s noch so milde betrachtet. Wenn es nun gar tobt und der Wind schreit – das Meer und der Wind sind so eine Art Vettern, mein ich, – und die ›Tollen Männer‹, die verrückten Burschen, brüllen und lachen, und die armen Seelen so die liebe lange Nacht da draußen in der Öde auf ihren Nußschälchen gegen den Tod ankämpfen – ja dann kommt’s über mich wie Besessenheit. Ich bin ein Teufel, ich weiß es. An die armen Schifferleute denk ich gar nicht; ich bin für das Meer, ich bin wie einer seiner eigensten ›Tollen Männer‹“

Ähnlich wie Kapitän Ahab, der tragische Held von Moby-Dick, sieht Gordon Darnaway also gerade auch sein persönliches Schicksal und Seelenheil mit den Unbilden des Meeres verbunden und geht schließlich darin unter. Seine Identifikation mit den teuflischen „tollen Männern“ kommt dabei, wiederum ganz ähnlich wie im Falle Ahabs, einem Aufbegehren gegen Gott gleich, zwischendurch lässt er sich zu der blasphemisch anmutenden Aussage hinreißen, „zuletzt wird der Herr triumphieren; daran zweifle ich nicht. Aber hier auf Erden wagen die törichten Menschen ihm ins Gesicht zu trotzen. Es ist nicht klug; ich sage nicht, daß es klug ist; aber es ist Lebenslust, Augenweide, Würze der Freude.“ Als der dunkelhäutige Schiffbrüchige an der Küste erscheint, glaubt er daher nicht überraschenderweise, dass es wohl der Teufel selbst ist, der gekommen ist, um ihn zu holen (in vielen schottischen Volkssagen tritt er in Gestalt eines schwarzen Mannes auf), mindestens aber der Geist des Schiffbrüchigen, den er Wochen zuvor ermordet hatte, zumindest wenn man den Mutmaßungen seines Neffen Glauben schenken möchte.

The Merry Men als doppelte psychologische Fallstudie

Wie Edwin M. Eigner konstatiert, ist Stevenson als Freidenker nicht an metaphysischen Spekulationen über die letzten Dinge gelegen, vielmehr beobachtet er aus kritischer Distanz, „wie Christen die Welt sehen mögen, wie ihr Glaube es ihnen unmöglich macht, die Natur, oder die menschliche Natur, zu akzeptieren.“ Die „duale Natur des Menschen“ (so die klassische, von Stevenson selbst geprägte Wendung) ist auch Gegenstand von Stevensons heute wohl bekanntester Erzählung, The Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde (1886). Ähnlich wie Jekyll seine Triebhaftigkeit einzudämmen versucht, indem er sie auf sein Alter Ego Hyde überträgt (aber gerade daran zugrunde geht), mag Gordon Darnaway im schwarzen Schiffbrüchigen ein Abbild seines sündhaften Selbst sehen. Dass die beiden – wie Jekyll und Hyde – gleichzeitig den Tod in den Fluten finden, ist ein Hinweis darauf, dass es sich hier um eine Variation des Doppelgänger-Motivs handelt, das Stevenson wiederum von Poes William Wilson kannte, aber mit James Hoggs The Private Memoirs and Confessions of a Justified Sinner (1824) auch schon zuvor in der schottischen Schauerliteratur anzutreffen war; ein weiteres Mal findet sich ein solcher gleichzeitiger Tod in Stevensons letztem Roman The Master of Ballantrae (1889).

Ein entscheidendes Problem bei der Interpretation stellt die Erzählsituation dar, denn das Geschehen wird dem Leser ausschließlich aus der Ich-Perspektive Charles Darnaways vermittelt, dessen Urteilskraft aber in Frage gestellt werden darf und der mithin als unzuverlässiger Erzähler gelten kann. So ist keineswegs gewiss, dass sich Gordon Darnaway tatsächlich eines Mordes schuldig gemacht hat, da sein Neffe keine Anstalten macht, das vermeintliche Grab des Opfers näher zu untersuchen. Trifft Charles’ Mutmaßung nicht zu, trägt er selbst nicht geringe Schuld am tragischen Ende seines Onkels, in dem er stattdessen ein „seltsames Gotturteil“ zu erkennen glaubt. Zwar vergewissert er, der aufgeklärte Student der Universität Edinburgh, sich wiederholt seiner Rationalität („Wohl tausendmal habe ich betont, daß ich nicht abergläubisch bin“) und tut die Ängste seines Onkels, aber auch seines Gehilfen Rory als „kindischen Aberglauben“ ab, doch ist er selbst nicht frei von dem Hang, übernatürliche oder göttliche Erklärungen für den Gang der Dinge zu suchen. Von seiner Familie schreibt er, dass „keinem jenes Geschlechtes“ je „sonderlich viel Glück beschieden war“, die Insel nennt er mehr als einmal beiläufig „verflucht“, und als sein Onkel schließlich den Verstand verliert, sieht er in ihm nicht oder nicht nur das bedauernswerte Opfer einer Geisteskrankheit, sondern sieht vielmehr die Mächte des Bösen am Werk: „In das Tosen der Roost mischte sich, bald schrill und durchdringend, bald fast ersterbend, der Klang einer menschlichen Stimme. Ich erkannte sie als die meines Onkels; und eine große Furcht vor den Strafen Gottes und vor dem Bösen in der Welt bemächtigte sich meiner. Ich flüchtete mich in das Dunkel des Hauses wie an eine Freistatt und lag lang grübelnd über diese Mysterien im Bette wach.“ Letztlich ist er in mehrfacher Hinsicht derjenige, der „der dem Wahnsinnigen den letzten Ausweg abschnitt“ und seinen Sprung in den Tod befördert, doch kommt ihm eine Mitschuld nicht in den Sinn: „die Sache war über Menschenkraft hinausgewachsen; hier waren Gottes Ratschlüsse, die sich vor unseren Augen vollzogen.“ Die Erzählung als Ganzes ist somit nicht nur eine psychologische Fallstudie des Wahnsinns Gordon Darnaways, sondern offenbart zugleich die selbstgefällige und frömmelnde Arroganz des Erzählers.

Literatur

Ausgaben

Englisch

Die erste Fassung findet sich in:

  • Anon.: The Merry Men. 1. Teil (Kapitel I–III) in: Cornhill Magazine, Band 45, Nr. 270, Juni 1882, S. 676–695, 2. Teil (Kapitel IV–V) in: Cornhill Magazine, Band 45, Nr. 271, Juli 1882, S. 56–72. Digitalisate auf den Seiten des Internet Archive: 1. Teil, 2. Teil.

Die zweite Fassung ist die heute maßgebliche:

  • The Merry Men. In: The Merry Men and Other Tales and Fables. Chatto & Windus, London 1887 (englische Erstausgabe); Charles Scribner’s Sons, New York 1887 (amerikanische Erstausgabe).

Deutsch

  • Die tollen Männer. Deutsch von Marguerite Thesing und Curt Thesing. Verlag Hamburgische Bücherei, Hamburg 1947. Auch in: Robert Louis Stevenson: Der weite Horizont. Erzählungen. 6., erweiterte Auflage, Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1987, ISBN 3-7350-0026-6.
  • Die Tollen Männer. Deutsch von Richard Mummendey. In: Robert Louis Stevenson: Erzählungen. Winkler, München 1960; Neuauflage: Parkland Verlag, Stuttgart 1976, ISBN 3-88059-043-5.

Sekundärliteratur

Wikisource: The Merry Men – Quellen und Volltexte (englisch)

Einzelnachweise

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