Terf: Akronym

TERF ist ein Akronym für englisch Trans-Exclusionary Radical Feminist („Trans-ausschließende(r) Radikalfeminist(in)“).

Es soll ausdrücken, dass die damit bezeichnete Person transgeschlechtliche Personen, insbesondere Transfrauen diskriminiert oder die Transidentität als solche infrage stellt. Letzteres wird auch Transmisogynie genannt. Personen, die mit TERF bezeichnet werden, sehen dies meist als frauenfeindliche Beleidigung und als gegen sie gerichteten Kampfbegriff.

Begriffsgeschichte

Die Abkürzung wurde 2008 zum ersten Mal im englischsprachigen Raum benutzt. Als Akronym wurde sie Ende der 2000er Jahre von der feministischen Bloggerin Viv Smythe als „absichtlich technisch neutrale Bezeichnung“ geschaffen, mit der sich cis-Radikalfeministinnen von trans-exklusiven Ansätzen abgrenzen wollten. Smythe erklärt, der Begriff sei nicht beleidigend gemeint gewesen, und betont, dass sie mit vielen trans-inklusiven Radikalfeministinnen produktiv zusammengearbeitet habe. 2008 analysierte sie radikalfeministische Standpunkte und schuf mit TERF eine Bezeichnung für Gruppen, die trans Personen aus ihrem Feminismus ausschlossen. Radikalfeminismus konzentriert sich darauf, gesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse aus patriarchalen Strukturen zu analysieren. Ein Fokus liegt dabei beispielsweise in der Beseitigung bestehender Geschlechterrollen und damit verbundener Hierarchien.

Die Bezeichnung TERF wird häufig online und vor allem von trans-inklusiven Feministinnen verwendet. Von trans-exklusiven Aktivistinnen, die ihn als misogyne Beleidigung sehen, wird er abgelehnt. Die Bezeichnung wird inzwischen auch auf transfeindliche Personen und Gruppen angewandt, die sich nicht als radikalfeministisch verstehen, was auch unter trans-inklusiven Feministinnen zu Debatten über die Begriffsverwendung führte. Als die Verwendung von „TERF“ 2013 in sozialen Medien an Popularität gewann, begann die Anwältin und Aktivistin Elizabeth Hungerford die Bezeichnung „gender critical“ („genderkritisch“) zu popularisieren, die inzwischen zu einer verbreiteten Selbstbezeichnung der als TERFs Bezeichneten avanciert war.

Analog zu TERF wurde für den Ausschluss von Sexarbeiterinnen der Begriff SWERF (für Sex Worker Exclusionary Radical Feminism, „Sexarbeiterinnen ausschließender Radikalfeminismus“) geprägt.

Im Bedeutungsinhalt von TERF ist nicht definiert, wann Feminismus als „radikal“ anzusehen ist oder ab welcher Intensität „Invalidierung“ oder „Diskriminierung“ vorliegen. Es gibt sowohl trans-inklusive Radikalfeministinnen als auch als TERF bezeichnete Feministinnen, die nicht dem Radikalfeminismus zuzuordnen sind. Teilweise wird die Bezeichnung auch für Personen verwendet, die sich nicht als Feministinnen sehen. Innerhalb des Radikalfeminismus bezogen mehrere prominente Stimmen wie Catharine MacKinnon gegen die von ihnen als essentialistisch kritisierte Ideologie von „TERFs“ Position. Manche Feministinnen, die nicht dem Radikalfeminismus zuzuordnen sind, werden dennoch als TERF bezeichnet.

In der Boston Review äußerte sich der ehemalige Partner von Andrea Dworkin, John Stoltenberg, gegen die affirmative Bezugnahme auf Dworkin durch trans-exklusive Radikalfeministinnen und betonte, dass Dworkin sich gegen biologischen Essenzialismus und für trans Menschen eingesetzt habe.

Weitere Verbreitung fand der Begriff in Diskussionen um prominente Persönlichkeiten. Alice Schwarzer und die von ihr herausgegebene Zeitschrift Emma sah sich solchen Vorwürfen nach einem Aufsatz im Dezember 2019 konfrontiert. Im internationalen Bereich wurde der Begriff durch die Verwendung für Joanne K. Rowling einem breiten Publikum bekannt, nachdem diese ihn in sozialen Medien zu dem Themengebiet geäußert hatte.

Debatte um „TERF“ als Beleidigung

Talia Mae Bettcher konstatiert, dass die Bezeichnung "TERF" unabhängig davon, ob sie eine Beleidigung sei oder nicht, den Austausch über tiefe Differenzen hinweg erschwere.

TERF ist eine Beleidigung

Viele der als TERF Bezeichneten sehen in der Bezeichnung eine misogyne Beleidigung. In Reaktion auf einen Artikel in der Zeitschrift Philosophy and Phenomenological Research äußerten sieben britische und australische Philosophinnen, dass „TERF im schlimmsten Fall eine Beleidigung („slur“) und bestenfalls abwertend“ sei, um Lesben, die „das dominante Narrativ zu Trans-Fragen nicht teilen“, zu verunglimpfen und abzutun.

Judith Suissa und Alice Sullivan stellen die Bezeichnung in eine Reihe mit historischen Versuchen, Frauen abzuwerten und zum Verstummen zu bringen. Die Bezeichnung werde im Englischen als Ersatz für Schimpfwörter wie witch, bitch oder cunt verwendet.

Auch die österreichische Politikerin Faika El-Nagashi (Grüne) bezeichnet TERF als „ein Schimpfwort, eine Attacke“.

Laut Inge Bell war TERF wohl ursprünglich als Beschreibung gemeint. Seit 2020 werde das Wort als Schimpfwort verwendet, um Frauenrechtlerinnen aus dem öffentlichen Diskurs auszuschließen. Bell klagte vor dem Landgericht München I gegen die baden-württembergische Grünen-Politikerin und Transfrau Maike Pfuderer, die Bell öffentlich als TERF beleidigt hatte. Das Urteil untersagt Pfuderer unter Androhung von 250.000 Euro Ordnungsgeld oder Ordnungshaft, Bell weiterhin als TERF zu beleidigen oder weiter zu behaupten, Bell würde mit Rechtspopulisten auftreten.

Die britische Medienaufsichtsbehörde OfCom ordnet das Kürzel TERF in ihrem 2021 erschienenen Handbuch zu „beleidigender Sprache“ (offensive language) als milde Form von beleidigender Sprache ein, die in den meisten Fällen nicht besorgniserregend ist und weist zudem darauf hin, dass von den Teilnehmern einer von Ipsos MORI durchgeführten Untersuchung zu diesem Thema nur weniger als 40 % diesen Begriff kannten.

TERF ist keine Beleidigung

Christopher Davis und Elin McCready brachten hingegen vor, dass sich TERF nicht als Abwertung bezeichnen lasse. Die Bezeichnung drücke zwar Wut oder Abwertung gegenüber den so Bezeichneten aus, allerdings handele sich beim TERF-Sein nicht um eine der Personen inhärente Eigenschaft, sondern um eine Ideologie. Ob die so Bezeichneten einer ausgegrenzten Gruppe angehörten, sei strittig, schließlich fühlten sich gerade trans Menschen von trans-exklusiven Feministinnen ausgegrenzt.

Ruth Pearce, Sonja Erikainen und Ben Vincent halten es für wichtig, bei der Debatte Machtverhältnisse zu berücksichtigen; in vielen Fällen stelle die Verwendung durch Angehörige einer marginalisierten Gruppe und ihre Verbündete eine Art dar, Wut und Frustration gegenüber einer Ideologie auszudrücken, die primär von systemisch privilegierten cis Menschen ausgehe.

Laut der Trans-Historikerin Cristan Williams hat der Ausdruck „wenig schmeichelhafte Beiklänge“, genau wie die Ausdrücke „Scheinheiliger“, Frauenfeind oder „Rassist“, die auch von so Bezeichneten abgelehnt würden, obwohl sie notwendig sein könnten, um bestimmte Einstellungen, Vorurteile, Verhaltens- und Ausdrucksweisen sowie die daraus entstehenden Unterdrückungsstrukturen zu benennen. Sie äußert die Vorstellung, es gebe einen TERF-Aktivismus, der teilweise ein „unterdrückerisches, gewalttätiges, ja mörderisches anti-trans-Verhalten“ zeige.

Die Philosophin Judith Butler zeigte sich verwundert darüber, dass TERF von manchen als Beleidigung angesehen wird. Sie stellte die (rhetorische) Frage, wie diese Menschen, die den Ausschluss (englisch exclusion) von trans Frauen aus Frauenräumen bevorzugen und die sich selbst einer Strömung des Radikalfeminismus, die gegen Geschlechtsangleichung ist, angehörig fühlen, sonst bezeichnen werden möchten. Die Position von TERFs greife allerdings die Würde von trans Menschen an.

Literatur

  • Ben Vincent, Sonja Erikainen, Ruth Pearce (Hrsg.): TERF wars. Feminism and the fight for transgender futures. (= Sociological Review Monograph Series, 68/4). Sage, London 2020.
Wiktionary: TERF – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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