Stanley Kubrick (; * 26.
Juli 1928 in New York City; † 7. März 1999 im Childwickbury Manor bei London) war ein US-amerikanischer Regisseur, Produzent, Drehbuchautor und Fotograf. Seine Filme werden vor allem für ihre tiefe intellektuelle Symbolik und ihre technische Perfektion gelobt. Kubrick versuchte, das Medium selbst zu erforschen, indem er jedes Genre analytisch zerlegte, um seine Bestandteile zu etwas Neuem zusammenzusetzen. Der Regisseur war aber auch berüchtigt dafür, jede Szene bis ins kleinste Detail zu perfektionieren und dabei die Schauspieler bis an ihre psychischen und physischen Grenzen zu führen. Seine Filme oszillieren zwischen Ordnung und Chaos und ergeben so eine filmische Conditio humana.
Filmschaffende und -kritiker zählen Kubrick zu den bedeutendsten Filmemachern aller Zeiten, obwohl er nie einen Oscar als bester Regisseur erhalten hat.
Stanley Kubrick war das erste von zwei Kindern. Seine Eltern Jacob Leonard Kubrick (1902–1985), ein Chirurg, und Sadie Gertrude Kubrick (geb. Perveler; 1903–1985), stammten aus jüdischen Familien, alle Großeltern waren aus dem österreichisch-ungarischen Galizien eingewandert. 1934 kam Kubricks Schwester Barbara Mary zur Welt.
Seine frühen Leidenschaften waren exzessive Lektüre, das Kino und das Schachspiel. Ab 1941 besuchte er die William Howard Taft High School in New York City, wo er Fotograf der Schülerzeitung war. Nach dem Schulabschluss begann er seine Karriere als Fotograf. Nachdem er zunächst Amateurfotos an das New Yorker Magazin Look verkauft hatte, bekam er mit 18 Jahren dort eine Festanstellung. Eine Fotogeschichte über einen Boxer, die er verfasste, führte ihn tiefer in die behandelte Materie ein.
Als Fotograf war er mit investigativer Berichterstattung vertraut; dementsprechend inszenierte er 1950 seinen ersten Dokumentarfilm Day of the Fight, eine, obwohl nur 16 Minuten lange, damals aufsehenerregende Studie über individuelle Leistungen im Boxring. Motiviert durch den Erfolg und die Anerkennung, die ihm durch das Erstwerk zugekommen waren, drehte er anschließend den Dokumentarfilm Flying Padre und den Gewerkschafts-Werbefilm The Seafarers.
Seine ersten, überwiegend mit geliehenem Geld finanzierten Spielfilme Fear and Desire (1953), ein allegorisches, zeitlich und geographisch unbestimmtes Kriegsdrama, und Der Tiger von New York (1955) zogen hingegen bereits die Aufmerksamkeit Hollywoods auf sich. Der Tiger von New York ist Kubricks letzter Film mit Happyend. Gegen Kubricks ursprüngliche Intention hatte die Produktionsfirma United Artists, die den Film für 100.000 US-Dollar ankaufte, einen guten Ausgang der Handlung reklamiert. Später ließen ihm die Studios fast uneingeschränkt freie Hand. Erst bei seinem letzten Film, Eyes Wide Shut, ist das Ende wieder offen und ambivalent.
Filmkennern wurde er mit dem klassischen Film noir Die Rechnung ging nicht auf ein Begriff, bevor ihm mit Wege zum Ruhm mit Kirk Douglas in der Hauptrolle der endgültige Durchbruch gelang. Der während des Ersten Weltkriegs spielende Film thematisiert die Grausamkeit und die Sinnlosigkeit des Krieges nur am Rande. Er ist durchaus ein antimilitaristischer Film, vor allem aber eine bitterböse Parabel auf Herrschaftsstrukturen und ein Bekenntnis gegen die Todesstrafe.
In diesen Filmen finden sich bereits fast alle wesentlichen Stilelemente Kubricks: die zwischen Distanz und Involviertsein wechselnde Kamera, die sich für Handlungsabläufe mehr zu interessieren scheint als für die Motive der Handelnden; die Reduktion der Charaktere auf Spielfiguren auf einem symbolischen Schachbrett; die emotionale und moralische Gleichmütigkeit der Erzählung. Der passionierte Schachspieler Kubrick plante nach eigenen Angaben viele Filme und die handelnden Figuren analog zu den Konflikten und Bewegungen auf einem Schachbrett. Immer wieder sieht man in seinen Filmen Schachbrettmuster als Bodenbelag, so auch in dem französischen Schloss, in dem Wege zum Ruhm spielt, wo die Soldaten oft wie lebensgroße Schachfiguren wirken.
Kirk Douglas, Hauptdarsteller und Produzent (Executive Producer) des Monumentalfilms Spartacus, engagierte Kubrick als Regisseur, nachdem der ursprüngliche Regisseur Anthony Mann nach wenigen Drehtagen gefeuert worden war. Der Film wurde zu einem Kassenerfolg, der Kubrick die finanziellen Mittel für seine folgenden Filme lieferte. Er selbst war jedoch aufgrund seines geringen Einflusses auf Drehbuch und Produktionsbedingungen sehr unzufrieden, weswegen er Spartacus als ein „notwendiges Übel“ bezeichnete. Kubrick nahm sich vor, nie wieder einen Film zu drehen, bei dem er nicht von der Drehbucherstellung bis zum Schnitt volle Kontrolle über die Produktion haben würde. Er verließ das Hollywood-System und blieb für die Protagonisten dort bis zum Ende seines Lebens ein öffentlichkeitsscheuer Außenseiter.
In den Jahren 1948 bis 1955 war Kubrick mit seiner Jugendliebe Toba Metz verheiratet, von 1955 bis 1957 mit der österreichischen Balletttänzerin Ruth Sobotka. Bei den Dreharbeiten zu Wege zum Ruhm lernte er Christiane Harlan kennen, die er 1957 heiratete. Zusammen mit ihr, den beiden gemeinsamen Töchtern Anya Renata (1959 –2009) und Vivian (* 1960) sowie seiner Stieftochter Katharina (* 1953) zog er in den frühen 1960ern nach England. Dort ließ er sich zunächst in der Nähe der Elstree-Studios bei London nieder; später kaufte er das Anwesen Childwickbury Manor im District St. Albans, wo er in den ehemaligen Stallungen Studio- und Schnitträume einrichtete. Für die Presse und in Hollywood galt er als jemand, der extrem zurückgezogen lebte; Bekannte erzählten allerdings, dass er den größten Teil seiner Zeit in der Umgebung von Familie, Freunden und Bekannten verbrachte.
Sein erster in England gedrehter Film war Lolita (1962). Kubrick arbeitete eng mit Vladimir Nabokov zusammen, dem Autor des gleichnamigen Romans. Das mehrere hundert Seiten umfassende Drehbuch, das Nabokov selbst schrieb, veränderte Kubrick entscheidend, so dass die als Skandalbuch rezipierte Handlung verfilmt werden konnte, ohne dass der Film weltweit auf dem Index landete. Kubrick besetzte Peter Sellers in der Nebenrolle des Quilty, der sich, um den Protagonisten zu täuschen, als Schulpsychologe verkleidet.
Kubrick fragte an, ob Sellers in seinem nächsten Film Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben gleich vier Rollen übernehmen könne. Dieser sagte zu, spielte anschließend jedoch nur drei Figuren. Die vierte, den Kommandanten des Bombers, übernahm Slim Pickens. Sellers wollte sie nicht spielen und brach sich bei einem Versuch prompt ein Bein. Das große Risiko bei Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben, die Konfrontation zu Zeiten des Kalten Kriegs als schwarze Komödie aufzuführen, zahlte sich aus.
Ebenso berühmt wurden seine beiden folgenden Filme 2001: Odyssee im Weltraum (1968) und Uhrwerk Orange (1971). Alle drei Filme provozierten durch eine ironische Theatralisierung bei ihrem Erscheinen heftige öffentliche Kontroversen und werden in der Filmwissenschaft immer noch in Bezug sowohl auf Themen und Handlung als auch auf die in ihnen enthaltene Symbolik diskutiert.
Dagegen wurde 1975 sein Film Barry Lyndon nach dem Roman von William Makepeace Thackeray (1844) ein kommerzieller Misserfolg. Die Schönheit der Malerei und Musik des Rokoko filmisch erlebbar zu machen und das Leben jener Zeit anhand einer fiktiven Biographie von Barry Lyndon authentisch wiederzugeben, durch natürliches Kerzenlicht in allen Innenaufnahmen, brachte keinen Erfolg an der Kinokasse. Allerdings beeinflusste der Film andere Regisseure, darunter Peter Greenaway (Der Kontrakt des Zeichners) Lars von Trier (Dogville), Peter Webber (Das Mädchen mit dem Perlenohrring) und Yorgos Lanthimos (The Favourite).
Nach Barry Lyndon nahm Kubricks Produktionstempo ab. In den letzten 25 Jahren seines Lebens produzierte er noch drei weitere Filme. Allerdings waren sein Ruhm und das ihn umgebende „Mysterium“ derart groß, dass jede Veröffentlichung weltweit mit großen Erwartungen aufgenommen wurde. Wichtiger für Kubrick und wohl einmalig in der Geschichte Hollywoods war, dass er bei jedem Film von den großen Studios weitgehend freie Hand und ein beinahe unbeschränktes Zeitbudget bekam.
Mit Jack Nicholson drehte Kubrick den Film Shining (1980), eine Adaption des Buches von Stephen King. Insbesondere King-Fans waren unzufrieden mit dem Film, obgleich Kubrick buchstäblich Fluten von Blut entfesselte, da er sich die Handlung des Buches betreffend große Freiheiten herausnahm. Im Zentrum des Films steht der Entwurf eines luxuriösen Raumes der Moderne. In dem Film wird Geschichte zur ewigen Wiederkehr des Gleichen: der Gewalt, der keine Ordnung widerstehen kann. King selbst bezeichnete Kubricks Shining als schlechteste Verfilmung eines seiner Bücher. Obwohl nicht so enthusiastisch von der zeitgenössischen Kritik rezipiert wie frühere Werke, gilt Shining mittlerweile als Klassiker des Mystery-Thrillers.
Der im Vietnamkrieg spielende Film Full Metal Jacket (1987) war Kubricks einziger Film, der aus seiner Sicht zu spät kam. Trotz strengster Geheimhaltung wurde kurz vor Fertigstellung des Films das Thema in der Öffentlichkeit bekannt. Daraufhin stellte Oliver Stone seinen Film Platoon schneller als geplant fertig und brachte ihn wenige Wochen vor Full Metal Jacket in die Kinos. In Deutschland war die Kinopremiere von Full Metal Jacket ein halbes Jahr nach der von Platoon.
Nachdem Kubrick Full Metal Jacket fertiggestellt hatte, arbeitete er unter dem Arbeitstitel Aryan Papers an einer Verfilmung des Romans Lügen in Zeiten des Krieges von Louis Begley und der Science-Fiction-Geschichte A.I. Als Steven Spielberg 1993 Schindlers Liste veröffentlichte, verwarf Kubrick sein Projekt Aryan Papers, um nicht in eine ähnliche Situation zu kommen, wie sie sich bei Full Metal Jacket ergeben hatte. Dabei war das Projekt schon weit gediehen, man stand kurz vor Drehbeginn. Er ging davon aus, dass das Publikum auf absehbare Zeit vermutlich keinen weiteren Film zum Thema Holocaust würde sehen wollen. Er arbeitete zunächst weiter an A.I. und begann parallel dazu mit den Arbeiten für eine Verfilmung der Traumnovelle von Arthur Schnitzler, die er schon seit Ende der 1960er Jahre geplant hatte. Da er schließlich befürchtete, dass die Geschichte eines Roboters, der ein echter Mensch werden möchte, in seinen Händen zu philosophisch werden könnte, übertrug er das Projekt Steven Spielberg und widmete von da an seine volle Aufmerksamkeit der Bearbeitung der Traumnovelle. Nach zwei Jahren Drehzeit legte Kubrick am 5. März 1999 die fertig geschnittene Fassung der Verfilmung unter dem Titel Eyes Wide Shut (1999) vor. In dieser Zeit gab sich ein Hochstapler namens Alan Conway als Kubrick aus, während der echte Kubrick mit den Dreharbeiten beschäftigt war. Diese Geschichte wurde 2005 unter dem Titel Colour Me Kubrick mit John Malkovich verfilmt.
Am 7. März 1999 starb Stanley Kubrick im Alter von 70 Jahren in seinem Haus an den Folgen eines Herzinfarkts.
Kubrick war dafür berühmt und berüchtigt, jede Szene so oft wiederholen zu lassen, bis sie in seinen Augen perfekt war. Als berühmtes Beispiel gilt eine Szene aus seinem Film Shining, in der Shelley Duvall einen Stapel von über dreihundert Blatt Papier findet, auf denen immer wieder derselbe Satz steht: All work and no play makes Jack a dull boy. Kubrick weigerte sich, für die einzelnen Seiten Kopien zu verwenden, selbst bei Seiten, die man unmöglich genau sehen konnte. Mehrere Schreiber waren damit beschäftigt, jede Seite im Original zu tippen. Im Making-of zum Film wird die Härte gegenüber der jungen Shelley Duvall sichtbar, die Kubrick gezielt einsetzt, damit sie sich besser in ihre Rolle hineinversetzen kann.
Sein Drang zum Perfektionismus wird Kubrick nicht nur als Stärke, sondern teilweise auch als Schwäche ausgelegt. So sagte seine Frau über ihn, dass er zwar hervorragende Arbeit ablieferte, jedoch oft sehr langsam arbeitete. Neben einigen nicht realisierten Projekten kam Kubrick dadurch wirtschaftlich mit Full Metal Jacket in Bedrängnis; der Film konnte erst nach Platoon veröffentlicht werden.
R: Regisseur, D: Drehbuchautor, P: Produzent
Kubricks großer Einfluss zeigt sich unter anderem daran, dass er der einzige Regisseur ist, der insgesamt fünf Mal in der Liste der 100 Filme mit den besten Kritikerbewertungen auf „They Shoot Pictures“ vertreten ist (Platzierungen 2020 siehe Tabelle).
Platz | Film |
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61 | Shining |
62 | Wege zum Ruhm |
69 | Dr. Seltsam, oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben |
92 | 2001: Odyssee im Weltraum |
102 | Uhrwerk Orange |
103 | Full Metal Jacket |
199 | Barry Lyndon |
Platz | Film |
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3 | 2001: Odyssee im Weltraum |
49 | Dr. Seltsam, oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben |
53 | Barry Lyndon |
80 | Uhrwerk Orange |
91 | Shining |
Oscarverleihung
Golden Globe Award
BAFTA Film Award
Internationale Filmfestspiele von Venedig
David di Donatello
Weitere Auszeichnungen und Nominierungen (Auswahl)
Personendaten | |
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NAME | Kubrick, Stanley |
KURZBESCHREIBUNG | US-amerikanischer Regisseur, Produzent und Drehbuchautor |
GEBURTSDATUM | 26. Juli 1928 |
GEBURTSORT | New York City, New York, USA |
STERBEDATUM | 7. März 1999 |
STERBEORT | Childwickbury Manor bei London, Großbritannien |
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