Eine Prozession (von lateinisch procedere „vorrücken, voranschreiten“; in der Bedeutung „Bittprozession“ auch lateinisch Rogatio, von rogare „beten, bitten“) ist ein religiöses Ritual, bei dem eine Menschengruppe einen nach bestimmten Regeln geordneten feierlichen Umzug oder Umgang, meist zu Fuß, vollzieht.
Im säkularen Bereich entsprechen ihr Festzug, Parade, Trauerzug, Demonstration.
Eine Prozession wird definiert als ein „liturgisches Ab- und Umschreiten“ als „kollektive Gebärde einer Kultgemeinde“, die als Kulthandlung regelmäßig wiederkehrt. Bei einer Wallfahrt stehen dagegen nicht der Vorgang des Schreiten und der Weg, sondern das Ziel im Vordergrund, in der Regel ein Heiligtum. Der ungeordnete Zustrom zu einer Gnadenstätte wurde (im Gegensatz zur geordneten Prozession bzw. Wallfahrt) auch als Geläuf (mittelhochdeutsch gelauf) bezeichnet (Der Obrigkeit war „großes gelauf“, etwa im Jahr 1476 zum Pfeifer von Niklashause, suspekt).
Prozessionen werden seit der Antike in vielen Religionen praktiziert. Kennzeichen einer Prozession sind:
Man unterscheidet bei den Prozessionen Grundtypen, deren Aspekte sich häufig überschneiden:
Bei der Fronleichnamsprozession überschneiden sich das theophore (Mitführen des Allerheiligsten in der Monstranz) und das demonstrative Element. Mit dem viermaligen Vortrag des Evangeliums und der Erteilung des sakramentalen Segens in alle Himmelsrichtungen und über die Stadt werden auch Elemente der Flurumgänge aufgenommen. Im Rheinland wird die eucharistische Prozession mancherorts Gottestracht genannt (von mhd. trahte, Substantiv zu tragen).
Bei Prozessionen ist der Vorgang des feierlichen Schreitens entscheidend, während es kennzeichnend für Wallfahrten und Pilgerfahrten ist, dass sie zu einem – oftmals weit entfernten – Ziel führen. Wallfahrten werden oft auf dem letzten Stück vor Erreichen des Zieles, etwa dem Weg vom Ortsrand des Wallfahrtsortes zur Wallfahrtskirche, als Prozession gestaltet („Einholen“ der Wallfahrt).
Während einer Prozession können Litaneien, Psalmen oder Hymnen gebetet oder gesungen oder der Rosenkranz gebetet werden. Katholische Prozessionen in Mitteleuropa werden oft von Blasmusikkapellen begleitet. Diese intonieren Kirchenlieder oder Prozessionsmärsche, die die Andacht fördern und das gemeinsame Gehen erleichtern sollen. Die Straßenränder und Häuser sind häufig durch Fähnchen, frische Zweige und Blumen geschmückt. Im oberbayerischen Alpenvorland und im österreichischen alpenländischen Raum werden anstelle der Prozessionsfähnchen meist rote sogenannte „Ziertücher“, oft mit Goldbordüren versehen, an den Fensterbrettern der Häuser angebracht. Mancherorts werden auf dem Prozessionsweg kunstvolle Blumenteppiche gelegt. Früher waren auch „Triumphbögen“ über dem Weg üblich, heute noch als „Ehrenpforte“ in Mardorf bei Amöneburg in Hessen.
Sonderformen der Prozession sind
Im Tecklenburger Land wird die Bevergerner „Karfriedagsdracht“ praktiziert.
Das Prozessionale war bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil das liturgische Buch, das die Prozessionsgesänge enthielt. Heute ist es nicht mehr gebräuchlich.
In seinem Buch Das Kirchenjahr entdecken & erleben bezeichnet der Jesuit Eckhard Bieger (bis 2003 Beauftragter der Katholischen Kirche beim ZDF) es als eine „Grundidee“ des historischen Kirchenbaus, „Gottesdienst als Prozession zu verstehen“. Er nennt es „Prozessionsmodell des abendländischen Gottesdienstes“.
Auch in den asiatischen Religionen, wie z. B. dem Hinduismus oder Buddhismus, sind Prozessionen ein wichtiger Teil des religiösen Lebens.
Prozessionen waren wichtige Teile mehrerer antiker Kulte. Das bekannteste Beispiel ist die Panathenäen-Prozession von Athen auf die Akropolis.
Die in festgelegter Reihenfolge der Beteiligten durchgeführte Pompa zu Beginn von Zirkusveranstaltungen (pompa circensis) oder Theateraufführungen (pompa theatri) war seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. fester Bestandteil des öffentlichen Lebens. Ebenso gab es Trauerzüge (pompa funebris) bei Begräbnisfeierlichkeiten. Kaiserliche Triumphzüge (pompa triumphalis) bildeten einen wichtigen Teil des politischen Lebens des Dominats. Im Osten wurden sie seit dem Ende des 4. Jahrhunderts selten, öffentliche Auftritte des Kaisers fanden nun vor allem in der Rennbahn, dem byzantinischen Äquivalent des Fußballstadions, statt.
Den christlichen Autoren galten die heidnischen Prozessionen (pompae) als heidnische Sitte, der man wegen des Kaiser- und Vielgötterkultes als gläubiger Christ fernzubleiben hätte (siehe pompa diaboli). Zu Ostern fand jedoch in christlichen Gemeinden seit spätestens dem 4. Jh. eine Prozession an der Grabeskirche in Jerusalem statt. Prozessionen fanden auch bei der Überführung von Reliquien statt, wie Johannes Chrysostomos etwa für 398 und 403 (Phokas von Pontos) beschreibt. Die Teilnehmerzahl solcher Prozessionen war auch ein wichtiger Anhaltspunkt für die Stärke innerkirchlicher Fraktionen. Eine reiche Ausstattung konnte die Anziehung der jeweiligen Glaubensrichtung durchaus stärken. Auch die Überführung der Reliquien des Chrysostomus 438 war von einer Prozession begleitet.
626 fand eine Prozession um die Mauern von Konstantinopel statt, um einen Angriff der Awaren und Perser abzuwehren, angeführt durch den Patriarchen Sergios (610–638), der eine Ikone mit dem Abbild Christi trug. Seit dem Beginn des 9. Jh. wurde bei solchen Prozessionen der Mantel der Gottesmutter aus der Kirche Theotokos in den Blachernen mitgeführt.
Unter dem Patriarchen Timothäus sind für Konstantinopel ab 511 durch Theodor Lektor regelmäßige wöchentliche Prozessionen nachgewiesen, in diesem Falle zu der Kirche Theotokos Chalkoprateia.
Um 470 hielt Mamertus, wie es durch einen Brief von Sidonius Apollinaris belegt ist, eine Prozession in Vienne ab, die vermutlich um die Stadtmauern führte. Die erste schriftlich belegte Prozession in Rom fand 590 unter der Leitung von Gregor dem Großen nach Santa Maria Maggiore statt und sollte die Pest abwehren.
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