Parlamentsauflösung: Auflösung eines Parlaments

Eine Parlamentsauflösung bedeutet, dass das Parlament seine Arbeit vor Ende der Legislaturperiode beendet und ein neues Parlament gewählt wird.

Berechtigte zur Parlamentsauflösung

Parlamentsauflösung durch die Regierung

Historisch verfügte der Monarch über das alleinige Recht, das Parlament einzuberufen, zu vertagen oder aufzulösen. Dieses Recht war der Ausdruck der Stellung des Herrschers (Monarchisches Prinzip), aber auch ein Gedanke der Gewaltenteilung, da die Gewalten einander kontrollieren können sollen. Der Monarch konnte auf diese Weise das Volk befragen, ob es die Politik des Monarchen (der monarchischen Regierung) unterstützte. Allein schon die Drohung mit der Auflösung schüchterte die Abgeordneten oftmals genug ein, um doch noch Regierungsvorlagen zuzustimmen. Doch genauso gut war es möglich, dass eine Neuwahl die Opposition stärkte.

Mit der Herausbildung von Regierungen, gerade auch mit eigener Verantwortung, spielte die Regierung eine immer größer werdende Rolle bei der Auflösung, entweder de facto oder gar verfassungsmäßig. In manchen Republiken ist es der Staatspräsident, der über die Parlamentsauflösung entscheidet, zum Beispiel in Frankreich.

Parlamentsauflösung durch das Parlament

Ebenfalls verbreitet sind Selbstauflösungsrechte des jeweiligen Parlamentes. Beispiele sind Belgien, Österreich und die Niederlande.

Parlamentsauflösung durch Volksentscheid

Eine dritte Variante ist die Abberufung eines Parlaments durch einen Volksentscheid. So kann in den Schweizer Kantonen Bern, Uri, Schaffhausen, Solothurn und Thurgau die Abberufung des Kantonsparlaments vor Ablauf der Legislaturperiode verlangt werden. In den deutschen Bundesländern sehen die Verfassungen von Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen und Rheinland-Pfalz eine solche Möglichkeit vor. In der Weimarer Republik wurde 1932 der Oldenburgische Landtag auf diese Weise abberufen. Entsprechende Versuche in anderen Ländern schlugen fehl, so auch 1926 die Volksabstimmung über die Auflösung des dritten hessischen Landtags und 1931 der Volksentscheid zur Auflösung des preußischen Landtages.

Situation in einzelnen Ländern

Deutschland

In den meisten Ländern des Deutschen Bundes wurden gemäß Art. 13 der Deutschen Bundesakte landständische Verfassungen eingerichtet. Diese sahen die Auflösung des Parlamentes durch den Fürsten vor. Im Deutschen Kaiserreich regelte Artikel 24 der Verfassung, dass zu einer Auflösung des Reichstags ein Beschluss des Bundesrates und die Zustimmung des Kaisers notwendig sei. In der Praxis ging die Entscheidung vom Kanzler aus.

In der Weimarer Verfassung konnte der Reichspräsident den Reichstag gemäß Artikel 25 allein auflösen, wenn auch offiziell nur je einmal aus demselben Grund. Diese Einschränkung war in der Praxis unbedeutend. In der Weimarer Zeit wurde jeder Reichstag vorzeitig aufgelöst.

Bundesrepublik Deutschland

Bei der Gründung der Bundesrepublik 1948/1949 sah man die Weimarer Regelung als schädlich an, da die Parlamentsauflösung zu leicht gemacht worden sei. Darum darf sich der Bundestag nicht einfach selbst auflösen, noch darf dies allein der Bundespräsident oder die Regierung. Der Bundestag kann in zwei Fällen aufgelöst werden:

  • Scheitern der Kanzlerwahl (Art. 63 Abs. 4 GG): Der Bundestag wählt innerhalb von vierzehn Tagen keinen Bundeskanzler – weder den vom Bundespräsidenten vorgeschlagen noch einen von Bundestagsabgeordneten vorgeschlagenen Kandidaten – mit der Mehrheit seiner Mitglieder (sogenannte Kanzlermehrheit). In diesem Fall muss „unverzüglich“ ein weiterer Wahlgang erfolgen, in dem gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Erreicht der Gewählte diese „Kanzlermehrheit“, so muss der Bundespräsident ihn binnen sieben Tagen nach der Wahl ernennen. Erreicht der Gewählte diese Mehrheit nicht, so hat der Bundespräsident binnen sieben Tagen entweder ihn zu ernennen oder den Bundestag aufzulösen.
  • Scheitern der Vertrauensfrage (Art. 68 GG):

(1) Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen. Das Recht zur Auflösung erlischt, sobald der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt.

Der erste Fall ist noch nie eingetreten, da stets der vom Bundespräsidenten präsentierte Kanzlerkandidat mit absoluter Mehrheit gewählt wurde. Den zweiten Fall gab es in den Jahren 1972, 1983 und 2005. Brandt, Kohl und Schröder nutzten das Instrument der Vertrauensfrage, um den Bundestag aufzulösen. Teile der Regierungsfraktionen stimmten nach Absprache nicht für die Aussprache des Vertrauens, sodass die Vertrauensfrage durch die Stimmen der Opposition scheiterte und der Bundespräsident den Bundestag auflösen konnte. Der Bundespräsident folgte dem Wunsch von Kanzler und Parlamentsmehrheit und löste den Bundestag auf.

Vereinigtes Königreich

Im Vereinigten Königreich hatte der Premierminister bis 2011 das Recht, den Monarchen jederzeit um eine vorzeitige Auflösung des Parlamentes zu bitten. Dies erlaubte der Regierung, die Wahl zu dem Zeitpunkt anzusetzen, der ihr am erfolgversprechendsten erscheint.

Seitdem der Fixed-term Parliaments Act 2011 in Kraft getreten ist, dauert die Amtsperiode des Parlamentes grundsätzlich fünf Jahre. Vorgezogene Neuwahlen sind nur noch unter engen Bedingungen möglich. Einerseits besitzt das Unterhaus ein Selbstauflösungsrecht, allerdings muss ein Antrag von zwei Drittel aller Mitglieder des Unterhauses (einschließlich unbesetzter Sitze) genehmigt werden. Zu vorgezogenen Neuwahlen kommt es andererseits auch wenn das Unterhaus der Regierung das Misstrauen ausspricht und nicht innerhalb von zwei Wochen einer neuen Regierung das Vertrauen ausgesprochen wird.

Einzelnachweise

Literatur

Gesetze

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