Unter der Bezeichnung Neue Seidenstraße (chinesisch 新絲綢之路 / 新丝绸之路, Pinyin Xīn Sīchóuzhīlù) werden seit 2013 Projekte zum Auf- und Ausbau interkontinentaler Handels- und Infrastruktur-Netze zwischen der Volksrepublik China und über 100 weiteren Ländern weltweit geplant und zur Umsetzung gebracht.
Der Name ist in Anlehnung an die historische Seidenstraße gewählt. Die offizielle chinesische Bezeichnung für die Projekte lautet 一帶一路 / 一带一路, Yīdài Yīlù – „Ein Gürtel, eine Straße“; hiervon ist der englische Begriff Belt and Road Initiative (BRI) abgeleitet.
Eine prominente Rolle bei der Propagierung des Projektes spielt Chinas seit 2013 amtierender Staatspräsident Xi Jinping. Einige westliche Kommentatoren haben das Vorhaben geradezu als Marketing-Idee für Xi Jinping bezeichnet, „das sich als Infrastrukturprojekt tarnt“. Von offizieller chinesischer Seite wird stets betont, dass die Projekte nicht nur chinesischen Interessen dienten, sondern der ganzen Welt. Kritiker der Projekte werfen China vor, dass es ärmere Länder in eine Schuldenfalle führe, was zur Folge habe, dass diese ihre Rohstoffe und Ressourcen an die Großmacht verkaufen und verpachten müssten. Einige Ökonomen haben diese Behauptung kritisiert, da sie nicht durch empirische Studien belegt sei.
Parallel- und Konkurrenzprojekte zur Neuen Seidenstraße sind die EU-Asien-Konnektivitätsstrategie und der Verkehrskorridor Europa-Kaukasus-Asien (TRACECA).
Das Projekt knüpft an die alten Handelsrouten an, die China einst mit dem Westen verbanden, Marco Polos Seidenstraße im Norden und die maritimen Expeditionsrouten des Admirals Zheng He im Süden. Die Belt and Road Initiative bezieht sich nun auf den gesamten geografischen Raum des historischen, bereits in der Antike genutzten internationalen Handelskorridors „Seidenstraße“. Sie umfasst zwei Bereiche:
Während einige Staaten das Projekt wegen möglicher chinesischer Einflussnahme kritisch betrachten, verweisen andere auf die Schaffung eines neuen globalen Wachstumsmotors durch ein Verbinden und Zusammenrücken von Asien, Europa und Afrika.
Im März 2019 wurde Italien als einziges G7-Industrieland Partner zur Entwicklung des Projektes. Italien unterschrieb dabei eine automatische Verlängerungsklausel, weshalb eine Kündigung vor der ersten Verlängerung im Jahr 2024 nach Meinung von Medien wahrscheinlich wurde. Ende Juli 2023 kam die Meldung: „Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni wird bei einem Treffen mit US-Präsidenten Joe Biden […] in Washington ankündigen, dass sich Italien bis Ende dieses Jahres aus einem umstrittenen Investitionspakt […] zurückziehen wird.“ Verteidigungsminister Guido Crosetto erklärte nach Melonis Besuch im Weißen Haus, die Entscheidung der Vorgänger-Regierung sei „improvisiert und perfide“ gewesen. Italien wolle sich bis Ende dieses Jahres aus einem umstrittenen Investitionspakt mit China, der „Seidenstraße“-Initiative, zurückziehen. Die italienische Regierung teilte China dies Anfang Dezember 2023 offiziell mit.
Das Gesamtprojekt betrifft nach Schätzungen heute mehr als 60 % der Weltbevölkerung und ca. 35 % der Weltwirtschaft. Der Handel entlang der Seidenstraße könnte bald knapp 40 % des gesamten Welthandels umfassen, wobei ein Großteil auf den Seeweg entfällt. Der Landweg der Seidenstraße scheint auch in Zukunft im Hinblick auf das Transportvolumen ein Nischenprojekt zu bleiben. Bei der maritimen Seidenstraße, schon heute die Route für mehr als die Hälfte aller weltweit bewegten Container, werden Tiefwasserhäfen ausgebaut, logistische Knotenpunkte errichtet und insbesondere neue Verkehrswege ins Hinterland geschaffen. In Verbindung mit dem Seidenstraßen-Projekt versucht China auch, weltweite Forschungstätigkeiten zu vernetzen. Dabei gibt es internationale Partnerschaften der Chinesischen Akademie der Wissenschaften wie z. B. mit der World Academy of Science in Triest.
Die USA wollen der Neuen Seidenstraße und damit der Verlagerung von Wirtschaftsströmen über China nach Europa entgegentreten und planen ein Zertifizierungsprogramm für Infrastrukturprojekte in Asien. Japan und Australien unterstützen das Programm.
Der Silk Road Economic Belt („Seidenstraßen-Wirtschaftsgürtel“, 丝绸之路经济带, Sīchóuzhīlù Jīngjìdài) erstreckt sich zu Land von verschiedenen Bereichen Chinas aus über Süd-, West- und Zentralasien mit Ländern wie Iran, Türkei, Pakistan und West-Russland nach Mittel- und Westeuropa. Die internationalen ökonomischen Kooperationen lassen sich mit China als Ausgangsland geografisch in sechs Korridore gruppieren:
Verbindet China mit den indochinesischen Ländern Kambodscha, Laos und Vietnam sowie mit Malaysia, Singapur, Thailand und Indonesien.
Das 62-Mrd.-US-Dollar-Projekt des China-Pakistan Economic Corridor (CPEC) mit der Querung von Pakistans Landmitte zwischen dem rund 4.700 m hoch gelegenen Kunjirap-Pass und der am Arabischen Meer gelegenen Hafenstadt Gwadar, teils auf dem Karakorum Highway wird als ambitioniertester Teil des Projekts bewertet. In Gwadar entsteht ein Tiefwasserhafen in strategischer Nähe zur Zufahrt zum Persischen Golf.
Eine Route der Neuen eurasischen Kontinentalbrücke führt durch China, Kasachstan, Russland, die Ukraine und die Slowakei bis nach Mitteleuropa. An der chinesisch-kasachischen und der ukrainisch-slowakischen Grenze wird von der Eisenbahn-Normalspur auf Breitspur bzw. zurückgewechselt. Eine andere Route verbindet Chongqing (via Kasachstan, Russland, Belarus und Polen) und Duisburg (siehe Trans-Eurasia-Express). In Dostyk oder Altynkol in Kasachstan und an der polnisch-belarussischen Grenze werden die Container wegen der unterschiedlichen Spurweiten der beteiligten Bahnen umgeladen.
Die Zollabfertigung wurde durch die seit Januar 2012 vollständig in Kraft getretene Zollunion Belarus-Kasachstan-Russland vereinfacht. Besonders Duisburg, am Ende der 11.000 Kilometer langen Route gelegen, ist ein wichtiger multimodaler Logistikknoten. Die Duisburg-Ruhrorter Häfen gelten als der größte Binnenhafen Europas und der Rhein als wichtigste Wasserstraße in Westeuropa.
Die Zahl der Containerzüge, die von der China Railway Express Co. zwischen China und Europa gefahren wurden, entwickelte sich wie folgt:
Jahr | Insgesamt | China–Europa | Europa–China | In % | Anmerkung |
---|---|---|---|---|---|
2011 | 17 | 17 | 0 | 0 | |
2012 | 42 | 42 | 0 | 0 | |
2013 | 80 | 80 | 0 | 0 | |
2014 | 308 | 280 | 28 | 10 | |
2015 | 815 | 550 | 265 | 48 | |
2016 | 1702 | 1130 | 572 | 51 | |
2017 | 3673 | 2399 | 1274 | 53 | |
2020 | 12.400 | ||||
2022 (1. Hj.) | 7.473 | 4.000 Züge starteten vom Logistikzentrum Xi’an. |
Nahezu alle Routen der Neuen Seidenstraße führen auch durch Russland. Die nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ausgesprochenen Sanktionen gegen Russland beeinträchtigten den Eisenbahngüterverkehr zwischen China und Europa anfangs nicht wesentlich. Allerdings sank das Transportvolumen erheblich, verursacht durch eine Abkehr der Logistiker von dieser Route, die nun auch wieder auf den Seeweg auswichen. Ende 2023 war die Beeinträchtigung derart stark, dass als Verkehrstage für die entsprechenden Züge nahezu ausschließlich noch „verkehrt nur bei Bedarf“ (“on request”) angegeben wurde.
Eine Alternative auf dem Landweg ist die Verbindung von China über Kasachstan, Aserbaidschan, Georgien und die Türkei oder Rumänien. Dies schließt ein Trajekt über das Kaspische Meer und im Fall der Verbindung Georgien–Rumänien ein zweites Trajekt über das Schwarze Meer ein. Ein erster Container-Zug über diese Verbindung startete am 10. Mai 2022 von Chongqing aus. Die „Mittlere Route“ gewinnt an Bedeutung, da Logistiker und ihre Kunden die nördliche Route über die Transsibirische Eisenbahn zunehmend meiden.
Zwischen Kasachstan und dem Iran wurde ein Memorandum of Understanding unterzeichnet, das darauf zielt, Güterzüge zwischen China und Europa durch diese Länder („Südliche Route“) in die Türkei und weiterzuführen.
Die Regierungen der Volksrepublik China, Kirgistans und Usbekistans streben eine neue, 523 km lange Bahnstrecke an, die die bisherige Eisenbahn-Verbindung zwischen China und Usbekistan um 900 km verkürzen und auch dem Verkehr der „Neuen Seidenstraße“ dienen soll.
Südlich von China erstreckt sich der größte Teil der Maritime Silk Road (海上丝绸之路, Hǎishàng Sīchóuzhīlù, auch „21st Century Maritime Silk Road“, dt. „Maritime Seidenstraße“ bzw. „Seidenstraße zur See“), die den Silk Road Economic Belt auf den Seehandel ausdehnen soll. Als maritime Seidenstraße werden ebenso die seit der Antike bekannten Seerouten im Rahmen des Indienhandels bezeichnet. Schon heute bewegt sich mehr als die Hälfte des Welt-Container-Aufkommens über diese lange Route, welche entsprechend der chinesischen Initiative über Anknüpfungen an Tiefwasserhäfen logistisch und technisch ausgebaut wird. Es sind umfangreiche Infrastrukturmaßnahmen geplant bzw. in Arbeit, die China und ganz Südostasien auf dem Seeweg mit dem Mittleren Osten, Ostafrika und Europa verbinden sollen.
Die maritime Seidenstraße verläuft mit ihren Anknüpfungen von der chinesischen Küste nach Süden über Hanoi weiter nach Jakarta, Singapur und Kuala Lumpur durch die Straße von Malakka über das srilankesische Colombo gegenüber der Südspitze Indiens über Malé, die Hauptstadt der Malediven, zum ostafrikanischen Mombasa, von da aus nach Dschibuti, dann durch das Rote Meer über den Suezkanal ins Mittelmeer, dort über Haifa, Istanbul und Athen bis in den oberadriatischen Raum zum norditalienischen Knotenpunkt Triest mit seinem internationalen Freihafen sowie seinen Bahnverbindungen nach Zentraleuropa und zur Nordsee.
An der maritimen Seidenstraße liegen die 2017 bedeutendsten und größten Containerhäfen weltweit, wie die von Shanghai (40 Mio. TEU), Singapur (33 Mio. TEU), Shenzhen (25 Mio. TEU), Ningbo-Zhoushan (24 Mio. TEU), Busan (Korea, 21 Mio. TEU), Hongkong (20 Mio. TEU), Guangzhou (20 Mio. TEU), Qingdao (18 Mio. TEU), Dubai (15 Mio. TEU), Tianjin (15 Mio. TEU), Port Klang (Malaysia, 12 Mio. TEU), Xiamen (10 Mio. TEU), Kaohsiung (Taiwan, 10 Mio. TEU), Dalian (9 Mio. TEU), Tanjung Pelepas (Malaysia, 8 Mio. TEU) und Laem Chabang (Thailand, 7 Mio. TEU). Zum Vergleich: Rotterdam (13 Mio. TEU) und Hamburg (9 Mio. TEU).
Nach Schätzungen im Jahr 2019 bleibt der Landweg der Seidenstraße ein Nischenprojekt und der Großteil des Seidenstraßenhandels wird weiter über den Seeweg abgewickelt. Die Gründe liegen in erster Linie an den Kosten für den Containertransport. Die maritime Seidenstraße gilt auch für den Handel als besonders attraktiv, weil im Gegensatz zur durch das dünn besiedelte Zentralasien führenden landgebundenen Seidenstraße einerseits weit mehr Staaten auf dem Weg nach Europa liegen und andererseits deren Märkte, Entwicklungsmöglichkeiten und Bevölkerungszahl weit größer sind. Insbesondere gibt es viele landgestützte Anknüpfungen wie zum Beispiel den Bangladesh-China-India-Myanmar-Corridor (BCIM). Durch die Attraktivität dieser nun geförderten Seeroute und der diesbezüglichen Investitionen gibt es in den letzten Jahren große Verschiebungen in den Logistikketten des Schifffahrtssektors. Das betrifft auch die Bildung und Weiterentwicklung länderübergreifender Logistik- und Handelsknotenpunkte beziehungsweise Partnerschaften wie in oder zwischen Singapur, Shenzhen, Kuala Lumpur oder Triest.
Das Projekt ist nach Klaus Schweinsberg aber nicht nur eine Investition in Infrastruktur, vielmehr würden chinesische Standards verbreitet, Kontakte geknüpft und die Verbreitung chinesischer Technologie vorangetrieben (z. B. Elektromobilität, industrielles Internet, künstliche Intelligenz und Quanten-Computer).
Aus chinesischer Sicht ist Afrika wichtig als Markt, Rohstofflieferant und Plattform für den Ausbau der neuen Seidenstraße – die Küsten Afrikas sollen eingebunden werden. In Kenias Hafen Mombasa hat China eine Schienen- und Straßenverbindung ins Binnenland und zur Hauptstadt Nairobi gebaut. Nordöstlich von Mombasa wird ein großer Hafen mit 32 Liegeplätzen samt angrenzendem Industrieareal einschließlich Infrastruktur mit neuen Verkehrskorridoren bis in den Südsudan und nach Äthiopien errichtet. Im tansanischen Bagamoyo wird ein moderner Tiefwasserhafen, eine Satellitenstadt, ein Flugplatz und ein Industriegebiet gebaut. Weiter Richtung Mittelmeer entsteht nahe der ägyptischen Küstenstadt Ain Suchna als chinesisch-ägyptisches Gemeinschaftsvorhaben die Sonderwirtschaftszone Teda Egypt.
China beteiligt sich im Rahmen seiner Seidenstraßen-Strategie in weiten Gebieten Afrikas am Bau und Betrieb von Zugstrecken, Straßen, Flughäfen und Industrie. In mehreren Staaten wie Sambia, Äthiopien und Ghana wurden mit chinesischer Hilfe Staudämme errichtet. In Nairobi finanziert China den Bau des höchsten Gebäudes Afrikas, die Pinnacle Towers. Mit den im September 2018 angekündigten chinesischen Investitionen für Afrika von 60 Milliarden Dollar werden nun einerseits Absatzmärkte geschaffen beziehungsweise die lokale Wirtschaft gefördert und andererseits afrikanische Rohstoffe für China verfügbar gemacht.
In Israel wird unter chinesischer Beteiligung an der Bahnstrecke zwischen Eilat am Roten Meer und dem Hafen Aschdod bzw. Tel Aviv am Mittelmeer geplant und gebaut. Die Bahnstrecke gilt als alternative Handelsroute zwischen Asien und Europa, die den Suezkanal umgeht. So könnten Lieferungen, die in Eilat ankommen, per Bahn in die israelischen Mittelmeerhäfen transportiert werden und von dort mit Schiffen nach Europa gelangen. Die Strecke trägt den Namen „Red‐Med‐Linie“, da sie das Rote Meer mit dem Mittelmeer verbindet, und soll über zwei Schienensysteme verfügen, eines für den Personenverkehr, eines für Güterverkehr. Seit 2018 baut außerdem die Shanghai International Port Group einen neuen Containerhafen in der israelischen Hafenstadt Haifa.
Einer der chinesischen Brückenköpfe in Europa ist der Hafen von Piräus. Insgesamt sollen chinesische Unternehmen dort bis ins Jahr 2026 die Summe von 350 Millionen Euro direkt in die Hafenanlagen investieren und weitere 200 Millionen Euro in angegliederte Projekte wie zum Beispiel Hotels. In Europa will China weiter in Portugal mit seinem Tiefwasserhafen in Sines, aber insbesondere in Italien und da beim adriatischen Logistikknoten um Triest investieren. Venedig, der historisch bedeutende europäische Endpunkt der maritimen Seidenstraße, hat heute infolge der geringen Tiefe beziehungsweise Verschlammung seines Hafens zunehmend weniger handelswirtschaftliche Bedeutung.
Das internationale Freihafengebiet von Triest sieht insbesondere spezielle Areale zur Lagerung, Be- und Verarbeitung sowie Transitzonen für Waren vor. Gleichzeitig investieren Logistik- und Schifffahrtsunternehmen in ihre Technik und Standorte, um an der laufenden Entwicklung zu profitieren. Das betrifft auch die für die Seidenstraße wichtigen Logistikverbindungen zwischen der Türkei zum Freihafen Triest und von dort per Bahn nach Rotterdam und Zeebrugge. Dazu gibt es auch direkte Kooperationen, wie zum Beispiel zwischen Triest, Bettembourg und der chinesischen Provinz Sichuan. Während direkte Zugverbindungen von China nach Europa wie von Chengdu nach Wien über den Landweg teilweise stagnieren oder aufgelassen wurden, gibt es (Stand 2019) zur maritimen Seidenstraße neue wöchentliche Eisenbahn-Umläufe zwischen Wolfurt und Triest beziehungsweise zwischen Triest, Wien und Linz.
Dazu gibt es auch umfangreiche innereuropäische Infrastrukturprojekte, um die Handelsströme an die derzeitigen Bedürfnisse anzupassen. Konkrete Projekte (sowie deren Finanzierung), die die Verbindung der Mittelmeer-Häfen mit dem europäischen Hinterland sicherstellen sollen, werden unter anderem an den 2012 ins Leben gerufenen, jährlichen China-Mittel-Ost-Europa-Gipfeln beschlossen. Das betrifft zum Beispiel den Ausbau der Bahnlinie Belgrad-Budapest bzw. Verbindungen auf der Adria-Baltikum- und Adria-Nordsee-Achse. Durch viele Verknüpfungen werden auch Polen, das Baltikum, Nordeuropa und Mitteleuropa an die maritime Seidenstraße angebunden und damit über die Adriahäfen und Piräus nach Ostafrika, Indien und China logistisch vernetzt. Insgesamt werden dadurch die Schiffsverbindungen für Containertransporte zwischen Asien und Europa neu geordnet. Dabei verkürzt, im Gegensatz zum längeren Ostasienverkehr über Nordwesteuropa, der südlich gelegene Seeweg durch den Suezkanal Richtung Brückenkopf Triest den Warentransport um mindestens vier Tage.
Nach einer Studie der Universität Antwerpen werden durch die maritime Route über Triest die Transportkosten dramatisch gesenkt. Am Beispiel München zeigt sich, dass der Transport dorthin aus Shanghai über Triest 33 Tage dauert, während die Nordroute 43 Tage beträgt. Von Hongkong reduziert die Südroute den Transport nach München von 37 auf 28 Tage. Der kürzere Transport bedeutet somit einerseits eine bessere Nutzung der Linienschiffe für die Reedereien und andererseits erhebliche ökologische Vorteile, auch im Hinblick auf die geringeren CO2-Emissionen, denn die Schifffahrt belastet das Klima stark. Daher ergeben sich im Mittelmeerraum, wo die Wirtschaftszone der Blauen Banane mit funktionierenden Eisenbahnanschlüssen und Tiefwasserhäfen zusammentrifft, erhebliche Wachstumszonen. So erkennt auch Henning Vöpel, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, dass die Nordrange (d. h. der Transport über die Nordseehäfen nach Europa) nicht unbedingt jene ist, die mittelfristig die dominante Bedeutung behalten wird.
Ab 2032 wird zusätzlich der Brennerbasistunnel die obere Adria mit dem süddeutschen Raum verknüpfen. Der Hafen von Triest, neben Gioia Tauro der einzige Tiefwasserhafen im zentralen Mittelmeer für Containerschiffe der siebten Generation, ist demnach besonderes Ziel chinesischer Investitionen. So hat im März 2019 die China Communications Construction Company (CCCC) Vereinbarungen zur Förderung der Häfen von Triest und Genua unterschrieben. Dementsprechend wird in Triest einerseits die jährliche Abfertigungskapazität des Hafens von 10.000 auf 25.000 Züge erhöht (Trihub-Projekt) und andererseits eine wechselseitige Plattform zur Förderung und Abwicklung des Handels zwischen Europa und China geschaffen. Dabei geht es auch um Logistikförderung zwischen dem nordadriatischen Hafen und Shanghai bzw. Guangdong. Das beinhaltet auch eine staatliche ungarische Investition in der Höhe von 60 bis 100 Millionen Euro für ein 32 Hektar großes Logistiktzentrum bzw. eine Förderung der Europäischen Union im Jahr 2020 in der Höhe von 45 Mio. Euro für die Entwicklung des Eisenbahnwesens in der Hafenstadt. Im September 2020 hat zusätzlich der Hamburger Hafenlogistikkonzern HHLA in die Logistikplattform des Hafens von Triest (PLT) investiert. Mit der Übernahme von 50,1 % der Anteile eines 28 Hektar großen Tiefwasser-Terminals durch den norddeutschen Konzern wird dieser direkter an die Seidenstraße angeknüpft.
Die Finanzierung erfolgt über den „Seidenstraßen-Fonds“ und seit 2016 über die Asiatische Infrastrukturinvestmentbank (AIIB), eine ebenso wie die gleichfalls beteiligte New Development Bank der BRICS-Staaten auf chinesische Initiative neu gegründete Entwicklungsbank. Die drei Institutionen wurden mit Mitteln zwischen jeweils 40 bis 100 Mrd. US-Dollar ausgestattet. Insgesamt wurde geschätzt, dass 1,1 Billionen US-Dollar für die OBOR-Initiative benötigt werden.
China stellt zwar keine politischen Bedingungen, knüpft jedoch Kreditzusagen oftmals an die Bedingung, dass bei den Bauprojekten chinesische Firmen den Vorrang erhalten, somit kommen einheimische Unternehmen nur beschränkt zum Zuge. China ist seit 2014 bestrebt, die Kreditvereinbarungen mit den Entwicklungsländern geheim zu halten. Mit den Investitionen steigt der Einfluss der Volksrepublik im Ausland. Das gilt besonders für die ärmeren Staaten Asiens, Afrikas und Osteuropas, wohin die Investitionen gehen. China kann auf diesem Weg seine Unternehmen und Produkte auf dem Weltmarkt etablieren und als Kredit- und Geldgeber seine Geschäftsbedingungen mit oft sehr hohen Zinsen diktieren sowie chinesische Schulden die zehn Prozent oder mehr ihres Bruttoinlandsproduktes ausmachen. Um dies zu erreichen, ist China bestrebt, dass die Projekte über bilaterale Abkommen geregelt werden und dass die Ausschreibungen Beschränkungen unterliegen; bei Ländern der Europäischen Union (EU) steht dies in Konflikt mit der Vorgabe zu EU-weiten öffentlichen Ausschreibungen, bei denen nicht sicher ist, dass chinesische Firmen den Zuschlag erhalten.
Grundsätzlich besteht im Rahmen dieser geopolitischen Neuordnung der Handelsrouten zwischen China und Europa mit den verschiedenen Interessen beteiligter Länder in Asien und Afrika samt den weltweiten US-Strategien die Gefahr, dass die von Peking unterstützen Länder durch die chinesischen Kredite und Investitionen in eine Schuldenfalle beziehungsweise in chinesische Abhängigkeit gelangen. Nach Schätzungen wurden bis ins Jahr 2019 für das Projekt Neue Seidenstraße weltweit Kredite in Höhe von mehr als 200 Milliarden Dollar vergeben, wobei sich diese Summe in den kommenden zehn Jahren verfünffachen könnte.
Eine 2019 veröffentlichte Studie von Wissenschaftlern der Universität Duisburg-Essen im Auftrag der Bertelsmann Stiftung relativierte jedoch die Angst vor dem wachsenden chinesischen Einfluss. Sie sah den Westen bei den Investitionen in Länder der neuen Seidenstraße gleichauf mit China. Mitunter habe der Westen sogar größeren Einfluss als China. Für die Untersuchung wurden westliche und chinesische Finanzströme in 25 Schwellenländern Zentralasiens und Afrikas verglichen.
Ziele des Projekts sind für China in erster Linie:
Von einer neuen Seidenstraße war schon lange vor Xi Jinping immer wieder die Rede. Seit der Parteivorsitzende das Projekt als seine Idee proklamiert, weisen Beamte und Politiker ihn als Erfinder des Konzepts aus. Tatsächlich wurden seit 2013 die Investitionen für internationale Infrastruktur nicht erhöht, so dass es keinen Hinweis darauf gibt, dass OBOR tatsächlich Infrastruktur fördert.
In den Augen von Kritikern ist die Neue Seidenstraße kein Projekt der Kooperation und der gleichberechtigten Zusammenarbeit, sondern ein Großvorhaben, das wirtschaftlichen und geopolitischen Zielen Chinas diene.
Wirtschaftspolitisch ginge es dem Land um die Verringerung von Überkapazitäten (insbesondere in der Stahl-, Zement- und Aluminiumindustrie), den Ausbau von Chinas Rolle in internationalen Märkten, die Schaffung neuer Exportmärkte und um die Sicherung des Rohstoff-Zugangs. Bei den Projekten würden Umwelt- oder Sozialstandards nicht eingehalten. Die Ausschreibungen seien weder transparent noch fair; eine Studie des Center for Strategic and International Studies zeigte 2019, dass neun von zehn Aufträgen an oft subventionierte chinesische Firmen gingen.
Der frühere deutsche Außenminister Sigmar Gabriel vertritt die Ansicht, die Neue Seidenstraße sei „eine geostrategische Jahrhundertidee, mit der China seine Ordnungsvorstellungen und Machtprojektion durchzusetzen entschlossen ist“. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron warnte davor, dass Staaten, die sich an dieser Initiative beteiligten, zu Vasallen Chinas werden könnten. Botschafter der EU-Staaten in Peking kritisierten 2018 in einem gemeinsamen Bericht die Tendenz Chinas, die Union spalten zu wollen und bilaterale Abkommen mit EU-Einzelstaaten anzustreben. Chinesischer Druck auf Regierungen, deren Staaten sich an der neuen Seidenstraße beteiligen, habe bereits dazu geführt, dass der Widerspruch gegen Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen abgeschwächt worden sei. So erwirkten Griechenland, Ungarn und Kroatien 2016, dass die EU die Zurückweisung von Pekings Gebietsansprüchen im Südchinesischen Meer durch den Ständigen Schiedshof in Den Haag nur „zur Kenntnis“ nahm und nicht „begrüßte“. Ein Jahr später verhinderte ein Veto Griechenlands eine Stellungnahme der EU zur Menschenrechtslage in China, nachdem chinesische Investoren 2009 den Hafen von Piräus mehrheitlich übernommen hatten.
Kritiker weisen überdies darauf hin, dass Länder durch umfassende Kredite Chinas für Projekte der Neuen Seidenstraße in eine Schuldenkrise geraten können. Als Beispiele werden Pakistan, Sri Lanka, Laos und Malaysia angeführt. Auch auf Tadschikistan, Kirgisistan, die Mongolei, die Malediven, Montenegro und Dschibuti wird in diesem Kontext hingewiesen. Christine Lagarde, Präsidentin des Internationalen Währungsfonds, warnte 2018 ebenfalls vor diesem Risiko. Denkfabriken wie Chatham House, Lowy Institute oder Rhodium Group wiesen jedoch 2020 bzw. 2021 darauf hin, dass die Befundlage gegen diese Anschuldigungen spreche. Auch wenn Umschuldungsverhandlungen durchaus gängig sind, beinhalten sie in der Regel ein positives Ergebnis für den Kreditnehmer. Tatsächlich ist das häufigste Ergebnis solcher Neuverhandlungen ein teilweiser oder sogar vollständiger Schuldenerlass von chinesischer Seite. Auch laut der OECD gibt es für gefährliche Neuverschuldungen aufgrund von chinesischen Krediten „kaum einen Beleg“ Deborah Bräutigam, Professorin für politische Ökonomie an der Johns-Hopkins-Universität, wies die Anschuldigungen nach mehreren Untersuchungen als Mem zurück, das sich trotz seiner Unvereinbarkeit mit empirischen Studien schnell in den Medien und einigen Regierungen verbreitete. Dem gegenüber steht eine Untersuchung mit Beteiligung des IfW Kiel aus dem Jahr 2022, laut der 60 % der chinesischen Auslandskredite von Zahlungsausfall bedroht sind. Um den Einfluss auf die heimischen Banken zu minimieren, habe China demnach ein eigenes System für grenzüberschreitende Rettungsdarlehen aufgebaut, was laut Brad Parks, einem der Co-Autoren der Studie "bedenklich ist, da die Lösung von Staatsschuldenkrisen in der Regel ein gewisses Maß an Koordination zwischen den Gläubigern erfordert".
Anfang 2019 wies ein internationales Forscherteam im Fachmagazin Current Biology auf die Gefahr hin, dass in einigen Weltregionen durch die Einschleppung gebietsfremder Arten die Biodiversität beeinträchtigt und dadurch die Ökosysteme geschädigt werden könnten.
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