Martin Sonneborn: Deutscher Satiriker und Politiker (Die PARTEI), MdEP

Martin Hans Sonneborn (* 15.

Mai">15. Mai 1965 in Göttingen) ist ein deutscher Satiriker, Journalist und Politiker. Bei der Europawahl 2014 wurde er als Spitzenkandidat der Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die PARTEI), deren Bundesvorsitzender er ist, zum Mitglied des Europäischen Parlaments gewählt und zog 2019 erneut ins Parlament ein.

Martin Sonneborn: Biografie, Satire-Aktionen, Wirken
Martin Sonneborn (2014) Unterschrift von Martin Sonneborn

Biografie

Martin Sonneborn: Biografie, Satire-Aktionen, Wirken 
Sonneborn mit Parteikollegen Nico Wehnemann und Maximilian Hahn auf der Frankfurter Buchmesse 2018
Martin Sonneborn (2014)

Sonneborn ist der Sohn des Berufsberaters Engelbert Sonneborn; seine Mutter ist Hausfrau. Er wuchs zusammen mit einem Bruder auf. Er besuchte die Ursulaschule, ein katholisches Privatgymnasium in Osnabrück, an der er sein Abitur ablegte.

Nach dem Grundwehrdienst 1990 und dem Abschluss einer Ausbildung als Versicherungskaufmann in Osnabrück studierte er Publizistik, Germanistik und Politikwissenschaft in Münster, Wien und Berlin. Seine Magisterarbeit schrieb er über das Satiremagazin Titanic und „die absolute Wirkungslosigkeit moderner Satire“. 1995 machte er ein Praktikum beim Satiremagazin Eulenspiegel und arbeitete anschließend als Redakteur bei der Konkurrenzzeitschrift Titanic, deren Chefredakteur er 2000 wurde. Diese Stellung gab er im Oktober 2005 an seinen Redaktionskollegen Thomas Gsella ab. Von 2006 bis 2016 war Sonneborn verantwortlicher Redakteur der Satire-Rubrik „Spam“ auf Spiegel Online bis zu deren Einstellung.

Sonneborn ist mit einer Armenierin verheiratet und hat zwei Töchter.

Satire-Aktionen

Aufsehen erregte sein Bestechungsversuch bei der FIFAWie Titanic einmal die Fußball-WM 2006 nach Deutschland holte“.

Sonneborn trat gemeinsam mit Redaktionskollegen der Titanic mehrfach als vermeintlicher Politiker großer deutscher Parteien auf und parodierte mit fiktiven politischen Positionen und Äußerungen landes- und bundespolitische Wahlkämpfe:

  • Im thüringischen Eisenach trat er als vermeintlicher FDP-Politiker im Straßenwahlkampf auf und verwendete dabei Parolen wie „Deutsche wehrt euch – Wählt FDP“ und „Gib endlich Friedman – Judenfrei und Spaß dabei.“ Hintergrund waren Angriffe des damaligen FDP-Spitzenpolitikers Jürgen Möllemann auf den Journalisten und Politiker Michel Friedman.
  • In Hessen gab sich Martin Sonneborn 2003 als SPD-Spitzenkandidat Gerhard Bökel aus und leistete in einer Wohnsiedlung mit gefälschten Wahlhandzetteln „Basiswahlkampf“, indem er von Tür zu Tür ging und sich vorstellte. Den meisten Anwohnern fiel der Schwindel nicht auf.
  • Während des bayerischen Wahlkampfs 2003 trat Martin Sonneborn als SPD-Politiker mit den Slogans „Mit Anstand verlieren“ und „Wir geben auf“ in Erscheinung.
  • 1998 mobilisierte er als angeblicher Büroleiter von DVU-Chef Gerhard Frey Mirko Mokry und andere frischgewählte DVU-Abgeordnete zum „Marsch auf Berlin“ unter dem Motto „Arbeit macht Frey“ und zur Beschaffung eines Ariernachweises.

Wirken

Am 2. August 2004 gründete Sonneborn gemeinsam mit weiteren Redakteuren der Titanic die Partei „Die PARTEI“, als deren Bundesvorsitzender er amtiert und in deren Jargon er „GröVaZ – Größter Vorsitzender aller Zeiten“ genannt wird; siehe Gröfaz. Während des Bundestagswahlkampfs 2005 war Sonneborn in mehreren Fernsehwahlwerbespots zu sehen. Diese wurden von seiner Partei im Vorfeld als „TV-Werbezeit im ZDF“ zur Versteigerung angeboten und enthielten bei Ausstrahlung massive Werbung für das Flugunternehmen Hapag-Lloyd Express. Dies führte zu einer Debatte in den Medien und unter Politikern über eine Verschärfung der Bestimmungen für Wahlwerbespots. Sonneborn erklärte, man habe sich lediglich wie die ARD verhalten: „Auffällig unauffällig Schleichwerbung platzieren.“

Am 2. Oktober 2008 erschien der Kinofilm Heimatkunde, in dem der Dokumentarfilmer Andreas Coerper Sonneborn bei einer Umwanderung Berlins begleitet.

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Martin Sonneborn (2009)

Vom 26. Mai 2009 bis zum 26. September 2014 war Sonneborn in der Rolle eines Außenreporters im Ensemble der ZDF-Satiresendung heute-show zu sehen. Nach der Ausstrahlung eines Interviews zwischen ihm und dem Pharmalobbyisten Peter Schmidt am 14. Mai 2010 geriet die Sendung in die Kritik, da Sonneborn in den Interviewpausen geäußerte Aussagen Schmidts nutzte, obwohl diese nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Schmidt zeigte sich über die Ausstrahlung verärgert und bezeichnete sie als „echte Schweinerei“, da Sonneborn ihn mit der Anfrage für ein ZDF-Interview gelockt habe, das man „nach Möglichkeit in einer der ‚heute‘-Sendungen, bevorzugt im ‚heute-journal‘, platzieren“ wolle. Thomas Bellut, Programmdirektor des ZDF, untersagte der Redaktion der heute-show daraufhin, mit den Marken heute und heute-journal zu arbeiten. Diplomatische Verstimmungen zwischen Deutschland und der Volksrepublik China löste Sonneborn im Herbst 2009 aus, als er auf der Frankfurter Buchmesse, die in jenem Jahr als Gastland China eingeladen hatte, ahnungslosen chinesischen Schriftstellern Sätze über Menschenrechtsverletzungen in China in den Mund legte.

Die für den 4. Oktober 2009 geplante Folge der Sendung Zimmer frei! mit Sonneborn als Gast wurde vom WDR nicht wie vorgesehen ausgestrahlt. Eine Sendersprecherin erklärte, Sonneborn habe in der Sendung als Privatmann auftreten sollen, stattdessen habe er sich nur in die Rolle des „PARTEI“-Chefs begeben. Beim WDR war man der Meinung, dass dies für eine 60-Minuten-Sendung uninteressant und nicht lustig gewesen sei. Sonneborn bestätigte, dass es von Seiten des WDR die Bitte gab, nicht als „PARTEI“-Vorsitzender aufzutreten, jedoch habe man ihm auch die Freiheit gelassen, in der Sendung zu tun, was ihm gefällt. Sonneborn war der Ansicht, Moderatorin Christine Westermann sei nicht mit ihm klargekommen. Anschuldigungen, dass die Nichtausstrahlung der Sendung mit Sonneborns Boykottaufruf bei GEZ-Gebühren oder der Bezeichnung von Johannes B. Kerner als überbezahlten Moderator zusammenhänge, entgegnete der WDR: „Wenn man den ehemaligen Chefredakteur der Titanic einlädt, dann sicher nicht, um eine politisch korrekte Sendung zu machen“. Nach einem medialen Wirbel und zahlreichen Zuschaueranfragen wurde die Ausstrahlung schließlich am 20. Oktober 2009 kurz nach Mitternacht nachgeholt.

Zusammen mit den ehemaligen Titanic-Chefredakteuren Thomas Gsella und Oliver Maria Schmitt tritt Martin Sonneborn seit 1996 als Satirikertrio unter dem Namen Titanic Boy Group auf. Nachdem im Januar 2012 bekannt geworden war, dass der Verfassungsschutz 27 Abgeordnete der Linkspartei überwacht, beteiligte sich Sonneborn an der Aktion „Hallo, Verfassungsschutz! Überwacht uns auch!“.

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Martin Sonneborn (2013)

Die ab 10. Oktober 2013 ausgestrahlte dreiteilige Serie Sonneborn rettet die Welt auf ZDFneo wurde 2014 mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet.

Bei der Europawahl 2014 wurde er als PARTEI-Spitzenkandidat in das Europäische Parlament gewählt; Die PARTEI erreichte 0,6 % der Stimmen. Sein „Bericht aus Brüssel“ wird seither in der Titanic veröffentlicht. Seit Juli 2014 ist er Mitglied im Ausschuss für Kultur und Bildung, in der Delegation für die Beziehungen zur Koreanischen Halbinsel und war stellvertretendes Mitglied im Haushaltskontrollausschuss bis Juni 2015. Seit Januar 2017 ist er stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten. Seine medialen Tätigkeiten lässt er seitdem ruhen. Seine Mitwirkung an der heute-show wurde durch den Sender beendet.

Auf Vorschlag der Fraktion der Piratenpartei wurde Sonneborn vom Landtag Nordrhein-Westfalen zum Mitglied der 16. Bundesversammlung gewählt. Hier schlug er seinen Vater Engelbert Sonneborn als Bundespräsidenten vor. In der Wahl am 12. Februar 2017 unterlag dieser Frank-Walter Steinmeier und den anderen drei Kandidaten im ersten Wahlgang.

Sonneborn erklärte am 22. August 2018 in Brüssel, wieder zur Wahl für das Europarlament anzutreten. Der Kabarettist Nico Semsrott gehörte zu seinem Team. Man wolle auch Kandidaten mit Nachnamen von bekannten Nazigrößen mit aufstellen, um AfD-Wähler und eventuell „verwirrte CSU-Wähler“ oder „demente CDU-Wähler“ zu einem Kreuz für Die PARTEI zu verleiten. Hintergrund ist, dass CDU/CSU und SPD eine Sperrklausel planen, die deutschen Kleinstparteien ab 2024 den Einzug ins Europaparlament erschweren würde.

Im August 2018 traf sich Sonneborn mit dem armenischen Premierminister Nikol Paschinjan, welcher sich bei ihm für seine pro-armenischen Aktivitäten im Europarlament bedankt hat, insbesondere im Hinblick auf den Völkermord an den Armeniern und den Bergkarabachkonflikt. Sonneborn kritisierte mehrfach den Umgang mit dem nicht anerkannten Staat Arzach vor allem von Seiten Aserbaidschans. Er betonte, Arzach sei im Gegensatz zu Aserbaidschan eine Demokratie, die Europäische Union solle Arzach deshalb unterstützen.

Auf dem 35. Chaos Communication Congress 2018 des Chaos Computer Club hielt Martin Sonneborn einen Vortrag über seine Arbeit im Europaparlament.

2019 wurden Sonneborn und Semsrott zu Mitgliedern des Europäischen Parlaments gewählt. Die PARTEI konnte gegenüber der Wahl 2014 ihren Anteil etwa vervierfachen. Während sich Semsrott der Fraktion der Grünen anschloss, blieb Sonneborn weiterhin fraktionsloser Abgeordneter.

Um Die PARTEI ins Berliner Abgeordnetenhaus zu führen, ließ sich Sonneborn trotz seiner Tätigkeit im Europaparlament auch bei der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) 2021 aufstellen, als „Maskottchen“, d. h. von einem hinteren Listenplatz aus. Die Partei erreichte mit 33 000 Zweitstimmen Platz 2 hinter der 5-Prozent-Hürde und zwei Sitze in der BVV von Friedrichshain-Kreuzberg. Auch bei der Wahlwiederholung trat er wieder an.

Am 24. November 2022 stimmte Sonneborn gegen eine Resolution des Europäischen Parlamentes, die Russland zu einem terroristischen Staat erklärt. Im Februar 2023 war Sonneborn einer von 69 Erstunterzeichnern des von der Politikerin Sahra Wagenknecht und der Publizistin Alice Schwarzer initiierten Manifests für Frieden, das einen Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine und einen Waffenstillstand sowie Friedensverhandlungen mit Russland fordert.

Kontroversen

Im Wahlkampf für die Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin 2011 ließ sich Sonneborn vor einem PARTEI-Wahlplakat abbilden, auf dem er mit schwarz angemaltem Gesicht und dem Slogan „Ick bin ein Obama“ in Anspielung auf John F. Kennedys Ausspruch „Ich bin ein Berliner“ und den damaligen US-Präsidenten Barack Obama abgebildet war. In der britischen Presse wurde er für die rassistisch konnotierte Praxis des Blackface kritisiert. Sonneborn erklärte später gegenüber der Berliner Zeitung, er stehe zu der Aktion, obwohl er sie nicht wiederholen würde.

2019 stimmte Sonneborn bei einer Abstimmung im EU-Parlament im Rahmen eines nichtlegislativen Berichts über die Lage der Menschenrechte in der Europäischen Union gegen einen Änderungsantrag, der die Mitgliedsstaaten unverbindlich dazu aufgefordert hat, ein Verbot sogenannter Konversionstherapien durchzusetzen. Die Entscheidung kam zufällig dadurch zustande, da er bei Abstimmungen mit klaren Mehrheiten abwechselnd mit Ja und Nein abstimmt. Sonneborn wurde für sein Abstimmungsverhalten von verschiedenen Medien kritisiert.

2021 wurde Sonneborn erneut Rassismus vorgeworfen, als er auf Twitter ein Bild teilte, das eine klischeehafte Darstellung eines chinesischen Akzents verwendete. Nach einem kritischen Bericht von Vice kündigte sein Parteikollege Nico Semsrott die Mitgliedschaft und begründete seine Entscheidung in einem Schreiben vom 13. Januar 2021. Sonneborn entschuldigte sich am selben Tag und gab an, die Wirkung des Witzes unterschätzt zu haben. Die Zielsetzung des Witzes sei eigentlich gewesen, „die wiederholten sinophoben Ausfälle und Polemiken“ Donald Trumps zu karikieren. Der Medienjournalist Michael Hanfeld kommentierte in der FAZ, dass Sonneborn den „Kotau“ vollzogen habe, den Semsrott „und mit ihm eine Shitstorm-Truppe, angestachelt unter anderem vom Magazin Vice“, gefordert hätten.

Schriften (Auswahl)

Filmografie

Commons: Martin Sonneborn – Sammlung von Bildern und Videos

Einzelnachweise

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