Jiddisch (Eigenbezeichnung יידיש oder אידיש, wörtlich „jüdisch“), veraltet Jüdischdeutsch oder Judendeutsch genannt, ist eine annähernd tausend Jahre alte Sprache, die von aschkenasischen Juden in weiten Teilen Europas gesprochen und geschrieben wurde und von einem Teil ihrer Nachfahren bis heute gesprochen und geschrieben wird.
Es ist eine aus dem Mittelhochdeutschen hervorgegangene westgermanische Sprache, die außer der hochdeutschen auch eine hebräisch-aramäische, eine romanische und eine slawische Komponente aufweist. Aus jüngerer Zeit stammen Einflüsse aus dem Neuhochdeutschen und je nach heutigem Wohnort der Sprecher auch solche aus dem Englischen, dem Iwrith und aus anderen Landessprachen. Jiddisch teilt sich in West- und Ostjiddisch. Letzteres besteht aus den Dialektverbänden Nordostjiddisch („litauisches Jiddisch“), Zentraljiddisch („polnisches Jiddisch“) und Südostjiddisch („ukrainisches Jiddisch“).
Jiddisch יידיש אידיש | ||
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Sprecher | ca. 500.000 – 670.000 | |
Linguistische Klassifikation | ||
Offizieller Status | ||
Anerkannte Minderheiten-/ Regionalsprache in | Bosnien und Herzegowina, Niederlande, Polen, Rumänien, Schweden, Ukraine | |
Sprachcodes | ||
ISO 639-1 | yi | |
ISO 639-2 | yid | |
ISO 639-3 | yid (Makrosprache)
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Die jiddische Sprache hat sich im Mittelalter zunächst im Zuge der Ostsiedlung, später auch infolge der durch Verfolgung bedingten Migration der Juden vom deutschsprachigen Gebiet aus in Europa verbreitet, besonders nach Osteuropa, wo schließlich das Ostjiddische entstand. Mit den Auswanderungswellen von Millionen osteuropäischer Juden im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert breitete sie sich dann westwärts aus und gelangte in die neuen jüdischen Zentren in Amerika und Westeuropa, später auch nach Israel.
Jiddisch war eine der drei jüdischen Sprachen der aschkenasischen Juden, neben dem weitestgehend der Schriftlichkeit vorbehaltenen Hebräisch und Aramäisch. Es wurde nicht nur als gesprochene, sondern auch als mit hebräischen Schriftzeichen geschriebene und gedruckte Alltagssprache verwendet. Eine ähnliche Rolle wie das Jiddische für die aschkenasischen Juden spielt für die sephardischen Juden das Judenspanisch.
Während Westjiddisch bereits im 18. Jahrhundert auszusterben begann, blieb Ostjiddisch die Alltagssprache der Mehrheit der Juden in Osteuropa, bis im Holocaust die jüdischen Zentren Kontinentaleuropas vernichtet wurden. Heute wird Jiddisch als Muttersprache noch von (oft betagten) Nachfahren osteuropäischer Juden, von einer kleinen, aber regen Anzahl so genannter Jiddischisten und ganz besonders von ultraorthodoxen aschkenasischen Juden gesprochen. Die Zahl der Muttersprachler wird auf maximal eine Million geschätzt.
Weil das Sprechen, Schreiben und kulturelle Schaffen auf Jiddisch seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert fast ausschließlich auf ostjiddischer Grundlage geschieht, versteht man heute unter Jiddisch faktisch Ostjiddisch, solange nicht ausdrücklich von Westjiddisch die Rede ist. In diesem Artikel steht folglich das Ostjiddische im Zentrum der Beschreibung.
Jiddischsprecher, nach ihrer Eigenbezeichnung jid (Plural jidn) von Jiddisten Jidden genannt, bezeichnen das Jiddische als mame-loschn (מאַמע-לשון, deutsch „Muttersprache“). Das deutsche Wort Jiddisch ist ein verhältnismäßig neues Kunstwort. Es ist eine Entlehnung aus dem englischen Yiddish, das seinerseits auf das von ostjüdischen Emigranten nach England mitgebrachte jiddische Wort jidisch zurückgeht. Jidisch (oder idisch) bedeutet im Jiddischen sowohl „jüdisch“ als auch „jiddisch“. Das sogenannte Judendeutsch ist eine dem Deutschen sehr ähnliche Variante des Westjiddischen und war die Umgangs- und Korrespondenzsprache der Mehrheit der deutschen Juden bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts.
Im Englischen ist das Wort Yiddish seit 1886 belegt, so zuerst in dem Roman Children of Gibeon von Walter Besant mit der Erklärung, dass es sich um eine aus Polnisch, Deutsch und Hebräisch gemischte Sprache handele, bald darauf dann aber auch durch gelegentliche Verwendung in sprachwissenschaftlichen Publikationen wie Alexander Harkavys Dictionary of the Yiddish Language (New York 1898) und Leo Wieners History of Yiddish Literature in the Nineteenth Century (London & New York 1899), wobei auch in solchen Fachpublikationen bis ins 20. Jahrhundert ältere Bezeichnungen wie Judaeo-German zunächst noch vorherrschend blieben.
Bei der Anglisierung des jiddischen Wortes jidisch wurde der Konsonant „d“ verdoppelt, um die Aussprache -i- zu erhalten und der sonst im Englischen naheliegenden Aussprache -ai- vorzubeugen. Von hier aus wurde das Wort in der Form „jiddisch“ auch ins Deutsche übernommen, wo es zuerst in Gustav Karpeles’ Geschichte der jüdischen Literatur (Berlin 1909, dort neben „jüdisch-deutsch“) und dann in Solomon Birnbaums Aufsatz Jiddische Dichtung (1913) erscheint. Dabei stand der Anglizismus jiddisch in Konkurrenz nicht nur zu den älteren Bezeichnungen, sondern auch zu der zuweilen aus dem Ostjiddischen direkt ins Hochdeutsche übernommenen Bezeichnung jidisch, wie sie z. B. im Untertitel „Übertragungen jidischer Volksdichtung“ zu der Sammlung Ostjüdische Liebeslieder (Berlin 1920) von Ludwig Strauss erscheint.
Es ist maßgeblich der Initiative Birnbaums und dem Einfluss seiner Praktischen Grammatik der Jiddischen Sprache (1918) sowie seiner zahlreichen Fachpublikationen und Lexikonartikel zuzuschreiben, dass sich Jiddisch (und auch im Englischen Yiddish) in der Folgezeit als fachsprachlicher Terminus etablierte, als Bezeichnung zunächst vorwiegend für das neuostjiddische, und dann umfassend für sämtliche Sprachperioden unter Einbeziehung des westlichen Jiddisch.
In der mittelhochdeutschen Periode entwickelten sich im deutschen Sprachgebiet spezifische Ausprägungen des Deutschen, die von Juden untereinander gesprochen und mit einem dafür angepassten hebräischen Alphabet geschrieben wurden. Charakteristisch sind eine Vielzahl von Entlehnungen aus dem meist nachbiblischen Hebräischen und dem Aramäischen sowie in geringem Maße auch einige Entlehnungen aus romanischen Sprachen.
Bedingt durch Antijudaismus und Judenverfolgung ab dem 11. Jahrhundert, besonders die Judenverfolgungen zur Zeit des Schwarzen Todes um 1348, wanderten Juden massenhaft aus dem deutschen Sprachgebiet nach Osteuropa aus, besonders in das Königreich Polen und das Großfürstentum Litauen. In der Folge kam es zu einer sprachlich getrennten Entwicklung: Das Jiddische im Westen entwickelte sich im Kontakt mit dem Deutschen weiter und ging schließlich im Zuge der jüdischen Aufklärung und der sprachlichen Assimilation deutscher Juden ab dem 18. Jahrhundert im Deutschen auf, während das Jiddische im Osten sich im Kontakt einerseits mit den ostmitteldeutschen Ausgleichsdialekten deutscher Siedler in Polen und andrerseits mit den westslawischen Sprachen weiterentwickelte. Man unterteilt das Jiddische deshalb in Westjiddisch und Ostjiddisch. Die Koterritorialität der slawischen Sprachen schlug sich so stark in lexikalischen Entlehnungen und der Übernahme morphologischer und syntaktischer Elemente nieder, dass Slawisch neben Deutsch, Hebräisch-Aramäisch und Romanisch zu den vier Kernkomponenten des Ostjiddischen gezählt wird.
Für den jiddischen Buchdruck war bis ins frühe 18. Jahrhundert das Westjiddische maßgeblich. Im späten 18. Jahrhundert hatten jedoch die ostmitteleuropäischen Druckorte die westmitteleuropäischen abgelöst, und infolgedessen sowie wegen der fortgeschrittenen Assimilation der Juden Deutschlands setzte sich das Ostjiddische als neuer Standard der jiddischen Sprache durch. Im 19. Jahrhundert wurden auch nicht-religiöse Publikationen immer zahlreicher. Es folgte eine bis zum Zweiten Weltkrieg andauernde Epoche, die oft als goldenes Zeitalter der jiddischen Literatur gewertet wird. Zugleich formierte sich gegen die damals unter anderem in der Presse in Schreibung, Wortschatz und Grammatik oft stark ans Deutsche angelehnte Sprache („dajtschmerisch“) zunehmend Widerstand. Diese Periode fällt mit der Wiederbelebung des Hebräischen als gesprochene Sprache und der Wiedergeburt der hebräischen Literatur zusammen.
Mit der Massenauswanderung nach Nordamerika und England im späten 19. Jahrhundert expandierte das Jiddische in den englischen Sprachraum und wurde dort zunehmend durch Englisch als Kontaktsprache beeinflusst. Infolge der großen Anzahl jiddischsprachiger Einwanderer haben zahlreiche jiddische Wörter Eingang in den umgangssprachlichen Wortschatz des US-amerikanischen Englisch gefunden. Mit der jiddischen Ausgabe des Forward existiert in New York bis heute eine jiddisch geschriebene Zeitung (seit 2019 nur noch online), die auf diese Einwanderungswelle zurückgeht; weitere jiddische Blätter richten sich an das erst nach dem Zweiten Weltkrieg nach Amerika gekommene ultraorthodox-jüdische Bevölkerungssegment.
In der unabhängigen Ukrainischen Volksrepublik, die von 1917 bis 1920 existierte, gehörte Jiddisch zu den offiziellen Sprachen. Die Geschichte der Juden in der Sowjetunion verlief hingegen ambivalent. Einerseits betrieb die Sowjetunion unter der Herrschaft Josef Stalins eine aktive judenfeindliche Politik. Sie verfolgte die jüdische Religion, das Bibelstudium, die zionistische Bewegung und die hebräische Sprache. Andererseits wurden jiddische Sprache und Literatur zumindest bis zum Zweiten Weltkrieg offiziell gefördert. So war Jiddisch in den 1920er und 1930er Jahren neben dem Russischen, Belarussischen und Polnischen einige Jahre lang Staatssprache in der weißrussischen Sowjetrepublik. Zwischen 1918 und 1923 wurden unter der Führung des Kriegsveteranen Simon Dimantstein jüdische Sektionen („Jewsekzija“) in der Kommunistischen Partei der Sowjetunion gebildet. Sie sollten eine „jüdische proletarische Kultur“ aufbauen, die nach den Worten Stalins „national in der Form und sozialistisch im Inhalt“ sein sollte. Es gab drei bedeutende jiddische Zeitungen: Der Emes („Die Wahrheit“, 1920–1939 in Moskau), Der Schtern (1925–1941 in der Ukrainischen SSR) und Oktjabr („Oktober“, 1925–1941 in Weißrussland). Auch der Aufbau eines jiddischen Schulsystems wurde gefördert. 1932 besuchten 160.000 jüdische Kinder in der Sowjetunion eine jiddischsprachige Schule. Doch wegen des Mangels an höheren Ausbildungsmöglichkeiten in Jiddisch und der zunehmend minderheitenfeindlichen Politik Stalins wurden diese Schulen in den folgenden Jahren im ganzen Land geschlossen.
1925 wurde im damals polnischen Wilno das YIVO (Jidischer wißnschaftlecher inßtitut) als akademische Einrichtung zum Studium jiddischer und ostjüdischer Kultur eröffnet. Seit 1940 ist der Hauptsitz in New York; 1941 plünderten die Nazis den Sitz in Wilna. Auch in Kiew und Minsk wurden wissenschaftliche Institute zur Erforschung der jiddischen Sprache, Literatur und Kultur eingerichtet, die ihre Arbeiten auf Jiddisch publizierten.
1928 wurde die Jüdische Autonome Oblast (Hauptstadt: Birobidschan) in der östlichen Sowjetunion gegründet. Hier sollte Jiddisch als Amtssprache eingeführt werden, jedoch bildeten Jiddischsprachige dort nie die Bevölkerungsmehrheit. Seit dem Zerfall der Sowjetunion sind die meisten Juden der Jüdischen Autonomen Oblast nach Israel, Deutschland und in die USA ausgewandert; Jiddisch ist abgesehen von der Beschriftung einzelner öffentlicher Gebäude, Straßen und Denkmäler kaum mehr präsent.
1939 hatte Jiddisch nach verschiedenen Schätzungen 11 bis 13 Millionen Sprecher. Nach positiven Schätzungen war es nach Englisch und Deutsch und noch vor dem Niederländischen die drittgrößte germanische Sprache.
Gemäß einer Schätzung von Ethnologue aus dem Jahr 2015 gibt es 1,5 Millionen Sprecher des Ostjiddischen. Worauf diese Zahl basiert, ist allerdings unklar. Heute gibt es in etlichen traditionalistischen, ultraorthodoxen chassidischen Gruppierungen wie besonders in New York (im Stadtteil Brooklyn) sowie in den New Yorker Vororten Kiryas Joel, New Square und Monsey, in Montreal sowie in dessen Vorort Kiryas Tosh, in London, in Manchester, in Antwerpen, in Jerusalem (etwa im Stadtteil Me'a Sche'arim) und in Bnei Brak sowie in gewissen ebenfalls ultraorthodoxen, aber nicht chassidischen Gemeinschaften in Jerusalem größere Sprechergruppen, die Jiddisch als Alltagssprache verwenden und an die nächste Generation weitergeben. Neben diesen Sprechern gibt es auch eine kleine säkulare Sprechergemeinschaft, die das Jiddische weiter pflegt, die teils aus sogenannten „Jiddischisten“ und teils aus ehemaligen Chassidim besteht. Realistischerweise rechnet man heute mit etwa einer halben Million bis 650.000–670,000 Personen, die es als Alltagssprache benutzen.
Westjiddisch hat gemäß Ethnologue heute angeblich etwas über 5000 Sprecher. Diese Zahl ist allerdings interpretationsbedürftig und dürfte so gut wie ausschließlich Personen betreffen, die lediglich noch über Restkompetenzen des Westjiddischen verfügen und für die Jiddisch häufig ein Teil ihrer religiösen oder kulturellen Identität darstellt. Im schweizerischen Surbtal, dessen westjiddische Dialekte gemeinhin zu denjenigen gerechnet werden, die noch am längsten gesprochen wurden, ist Jiddisch als lebendige Sprache in den 1970er Jahren ausgestorben. Im Elsass, wo sich das Westjiddische wahrscheinlich am längsten gehalten hat, soll es noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts einige wenige Sprecher dieser sprachlichen Varietät gegeben haben. Der Verlust dieser traditionellen Sprache ist in der Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen worden.
Lehrstühle sowie Lehrbeauftragte für Jiddistik gibt es an mehreren Universitäten, darunter in Düsseldorf und Trier. An weiteren Universitäten werden Sprachkurse und Übungen angeboten, meist im Rahmen der Judaistik.
Jiddisch wird von rechts nach links mit dem hebräischen Alphabet geschrieben (Aljamiado-Schreibweise), das für die besonderen Zwecke dieser nicht-semitisch basierten Sprache angepasst worden ist. So stehen gewisse Zeichen, die im Hebräischen für Konsonanten gebraucht werden, im Jiddischen auch für Vokale. Deutsch- und slawischstämmige Wörter werden (mit ganz wenigen Ausnahmen) weitgehend phonetisch geschrieben, hebräisch- und aramäischstämmige (ebenfalls mit wenigen Ausnahmen) hingegen weitgehend wie im Hebräischen. Anders als Judenspanisch wird Jiddisch höchst selten in lateinischen Buchstaben geschrieben – in der Regel nur dann, wenn der Text sich an eine des Jiddischen nicht (voll) mächtige Leserschaft richtet.
Umschriften in lateinischer Schrift gibt es mehrere. Sie gelten als gleichwertig, wenn sie zwischen Zeichen und Laut eine Eins-zu-Eins-Entsprechung herstellen (d. h. für jeden Laut nur eine festgelegte Schreibweise zulassen) und damit problemlos ineinander überführt werden können. International verbreitet ist die vom YIVO entwickelte Transkription, die teilweise auf englischen Schreibgewohnheiten gründet. Im deutschen Sprachraum wird oft eine an die deutsche Orthografie angepasste Transkription bevorzugt, um das Lesen zu erleichtern; an die Stelle der englisch basierten Grapheme y, z, s, v, ts, kh, sh, zh, ay, ey, oy treten hier j, s, ß (oder ss), w, z, ch, sch, sh, aj, ej, oj. In der Sprachwissenschaft schließlich benutzt man statt einer Transkription häufig eine Transliteration, in der j, c, x, š, ž, č, aj, ej, oj den YIVO-Graphemen y, ts, kh, sh, zh, tsh, ay, ey, oy entsprechen.
Zeichen | YIVO- Transkription | deutschbasierte Transkription | linguistische Transliteration | Name (in YIVO-Transkription) |
---|---|---|---|---|
א | shtumer alef | |||
אַ | a | a | a | pasekh alef |
אָ | o | o | o | komets alef |
ב | b | b | b | beys |
בֿ | v | w | v | veys |
ג | g | g | g | giml |
ד | d | d | d | daled |
ה | h | h | h | hey |
ו | u | u | u | vov |
וּ | u | u | u | melupm vov |
ז | z | s | z | zayen |
ח | kh | ch | x | khes |
ט | t | t | t | tes |
י | y | j | j | yud |
יִ | i | i | i | khirek yud |
כּ | k | k | k | kof |
כ ך | kh | ch | x | khof, langer khof |
ל | l | l | l | lamed |
מ ם | m | m | m | mem, shlos mem |
נ ן | n | n | n | nun, langer nun |
ס | s | ß, ss | s | samekh |
ע | e | e | e, e ~ ə | ayin |
פּ | p | p | p | pey |
פֿ ף | f | f | f | fey, langer fey |
צ ץ | ts | z | c | tsadek, langer tsadek |
ק | k | k | k | kuf |
ר | r | r | r | reysh |
ש | sh | sch | š | shin |
שׂ | s | ß | s | sin |
תּ | t | t | t | tof |
ת | s | ß, ss | s | sof |
Zeichen | YIVO- Transkription | deutsch basierte Transkription | linguistische Transliteration | Name (in YIVO-Transkription) |
---|---|---|---|---|
װ | v | w | v | tsvey vovn |
זש | zh | sh | ž | zayen-shin |
טש | tsh | tsch | tš | tes-shin |
ױ | oy | oj | oj | vov yud |
ײ | ey | ej | ej | tsvey yudn |
ײַ | ay | aj | aj | pasekh tsvey yudn |
Aufgrund der Schreibtradition des Hebräischen, in der Aleph und Ajin keine Vokale, sondern zwei ursprünglich verschiedene semitische Kehllaute darstellen, die in der modernen Aussprache zwar meist verstummt sind, aber dennoch weiterhin geschrieben werden, ergeben sich Besonderheiten für die Verwendung beider Buchstaben im Jiddischen:
Der Buchstabe Aleph steht im Jiddischen meist für /a/ oder /o/ (siehe Tabelle oben). Er steht außerdem als sogenannter schtumer alef („stummes Aleph“, א) prinzipiell am Anfang jeden Wortes, das mit einem Vokal beginnt – außer wenn dieser mit Ajin (ע) dargestellt wird, d. h. außer wenn entweder das Wort mit /e/ anfängt oder es sich um ein semitischstämmiges Wort handelt, dessen Anlaut aufgrund der orthografischen Regeln des Hebräischen mit Ajin geschrieben wird. Entsprechend schreibt man: אַלט (alt ‚alt‘), אָװנט (ownt ‚Abend‘), אײַז (ajs ‚Eis‘), אײ (ej ‚Ei‘), איז (is ‚ist‘), אױװן (ojwn ‚Ofen‘), און (un ‚und‘) – aber: ער (er ‚er‘), ענג (eng ‚eng‘). Zudem wird das Aleph (außer in der sowjetischen Rechtschreibungsvariante) innerhalb von Zusammensetzungen gebraucht, wenn das darin enthaltene Grundwort mit einem Vokal (außer /e/) beginnt, z. B. פֿאַראײן (farejn ‚Verein‘) und פֿאַראינטערעסירן (farintereßirn ‚interessieren‘).
In einer traditionelleren, außerhalb der YIVO-Orthografie stehenden Rechtschreibung wird Aleph auch als Lauttrenner (z. B. in רואיק ruik ‚ruhig‘, nach YIVO רויִק) und Buchstabentrenner (z. B. װאו wu ‚wo‘, nach YIVO װוּ, und װאוינען, wojnen ‚wohnen‘, nach YIVO װוּינען) verwendet; die YIVO-Rechtschreibung setzt in solchen Fällen Punktierungen ein.
Die doppelte Verwendung der Buchstaben Waw und Jod jeweils als Vokal und Konsonant geht ebenfalls auf das Hebräische zurück; siehe hierzu Mater lectionis.
Als Demonstration für die YIVO- und die deutsch basierte Umschrift sowie eine wissenschaftliche Transkription dienen im Folgenden zwei Sätze aus Awrom Sutzkewers Erzählung »Griner Akwarium«:
YIVO-Transkription: Ot di tsavoe hot mir ibergelozn mit yorn tsurik in mayn lebediker heymshtot an alter bokher, a tsedrumshketer poet, mit a langn tsop ahinter, vi a frisher beryozever bezem. S’hot keyner nit gevust zayn nomen, fun vanen er shtamt.
Deutsch basierte Transkription: Ot di zawoe hot mir ibergelosn mit jorn zurik in majn lebediker hejmschtot an alter bocher, a zedrumschketer poet, mit a langn zop ahinter, wi a frischer berjosewer besem. ß’hot kejner nit gewußt sajn nomen, fun wanen er schtamt.
Transliteration: Ot di cavoe hot mir ibergelozn mit jorn curik in majn lebediker hejmštot an alter boxer, a cedrumšketer poet, mit a langn cop ahinter, vi a frišer berjozever bezem. S’hot kejner nit gevust zajn nomen, fun vanen er štamt. (Der betonte und unbetonte /e/-Laut kann überdies nach ‹e› und ‹ə› unterschieden werden.)
Übersetzung: Eben dieses Vermächtnis hinterließ mir vor Jahren in meiner lebendigen Heimatstadt ein alter Junggeselle, ein verwirrter Dichter mit einem langen Zopf hinten, ähnlich einem Besen aus frischem Birkenreisig. Niemand kannte seinen Namen, seine Herkunft.
Die Verschiedenheit der Formen der Sprache berührt verschiedene Aspekte: Wortschatz, Phonetik, Morphologie und Syntax. Der deutlichste Unterschied zwischen Ost- und Westjiddisch sind die Anteile der Herkunftssprachen: eine stark slawische Komponente in den östlichen Dialekten, die in den westlichen Dialekten fast fehlt, und die etwas höhere Zahl Wörter, die aus dem Lateinischen stammen, im Westen. Der Hauptteil der Klassifizierung von Dialekten aber sind phonetische Unterschiede von Vokalen und zum Teil auch Konsonanten.
Der Vokalismus der jiddischen Dialekte weist in allen Dialekten eine gesetzmäßige Alternation auf. Die konkrete Realisation eines Vokals variiert von Dialekt zu Dialekt. Max Weinreich, der ein diachrones System entwickelte, definierte zwei Hauptparameter, um die Vokale (A, E, I, O, U) historisch herleiten zu können:
Der a-Vokal wird in allen jiddischen Dialekten außer dem Südostjiddischen wie „A1“ nach dem weinreichschen System realisiert.
Das andere System Bezeichnungen (vorgeschlagen von Mikhl Herzog) stimmt im Allgemeinen mit dem Ersteren überein, aber die Vokalqualität wird durch Ziffern bezeichnet: A = 1, E = 2, I = 3, O = 4, U = 5. a11 Die konkrete Diaphonemrealisation werden in kleinen Buchstaben mit den zwei Ziffern im Index geschrieben, z. B. a11 in allen Dialekten außer dem Südosten, wo es ɔ11 ist.
Die Realisierung von Diaphonemen in jiddischen Dialekten sind folgende:
Vokalbezeichnungen | Westjiddisch | Ostjiddisch | Beispiele | |||||||||
Herzogs | Weinreichs | Süd- | zentral- | Nord- | zentral- | Süd- | allg. litwisch | Kurländer | Standardjiddisch* | Bühnenaussprache* | semitische | deutsche |
11 | A1 | a | a | a | a | ɔ | a | a | a | a | חזיר, ים, כּלה | אַלט, גאַסט, זאַלץ |
21 | E1 | ɛ | ɛ | ɛ | ɛ | ɛ | ɛ | ɛ | ɛ | ɛ | אמת, אפֿשר, גט | געלט, העלפֿן, נעמען |
31 | I1 | i | i | i/ɛ | i | ɨ/i | i | i | i | ɨ | טיפּש, כּישוף, מידבר | דין, זילבער, פֿיש |
41 | O1 | ɔ | ɔ | ɔ | ɔ | ɔ | ɔ | ɔ | ɔ | ɔ | חגא, חכמה, יום־טובֿ | װאָך, װאָלף, אָקס |
51 | U1 | u | u | o | i | ɨ/i | u | u | u | ɨ | חוצפּה, שותּפֿות, שטות | הונט, פֿרום, קומען |
12 | A2 | oː/ɔu | oː/uː | oː | uː/u | u | ɔ | oː | ɔ | u | סכּנה, פּנים, פּרנסה | בלאָזן, יאָר, נאָדל |
22 | E2 | ɛj | eː | ɛj | aj | ej | ej | ej | ej | ej | חלק, ספֿר, שדים | אײביק, אײזל, װײטיק |
32 | I2 | iː | iː | iː | iː | i | i | iː | i | i | בקיאות, מיאוס, נביאים | בריװ, גיסן, זיס |
42 | O2 | ɔu | oː | ɔu | ɔj | ɔj | ej | øj | ɔj | ɔj | סוחר, שוטה, שׂונא | ברױט, גרױס, װױנען |
52 | U2 | uː/y/yː | uː | uː | iː | i | u | uː | u | i | בושה, נבֿואה, רפֿואה | בוך, ברודער, שול |
13 | A3 | aː | aː | oː | uː | u | ɔ | oː | ɔ | u | קיין | באָרד, באָרװעס, פֿאָרן |
24 | E4 | aː | aː | aː | aj | ej | ej | ej | ej | ej | קיין | אײנס, גלײבן, פֿלײש |
34 | I4 | aj | əj | ɛj | aː | a | aj | aj | aj | aj | מעשה, מאכל | בײַטן, פֿײַן, צײַטן |
44 | O4 | aː | aː | aː | ɔj | ɔj | ej | øj | ɔj | ɔj | קיין | בױם, דערלױבט, קױפֿן |
54 | U4 | ɔu | əu | ɔu | oː/ou | u | ɔj | au | ɔj | ɔj | קיין | בױך, בױען, פֿױל |
25 | E5 | eː/ɛj | eː/iː | eː | ej | ej/ɨ/i | ɛ | eː | ɛ | ej | טבע, פּלא, רגע | זען, מער, קעז |
„*“ kultivierte Sprache
Jiddisch hat mit vielen ober- und besonders mitteldeutschen Dialekten zahlreiche Lautveränderungen gemeinsam: Entrundung der Hochzungenvokale mhd. ö > e, ü > i (bspw. mhd. jüde > jidd. jid), die Diphthongierung von mhd. bzw. regional-frühnhd. langem ê > ej, ô > ou bzw. im Ostjiddischen weiter > /oi/, œ (> ê) > ej (bspw. mhd. gên > jidd. gejn, mhd. brôt > jidd. brojt, mhd. schœne > jidd. schejn) oder die Verdumpfung des langen Zentralvokals mhd. â > ô/û (bspw. mhd. schlâfen > nordostjidd. schlofn, südjidd. schlufn).
Mittelhochdeutsch | Standarddeutsch | Standardjiddisch | Beispielwort |
---|---|---|---|
a / ā | a | אָ (o) | Schaf, שאָף (schof) |
a | a | אַ (a) | Salz, זאַלץ (salz) |
æ | ä | ע (e) | schwer, שווער (schwer) |
ō | o | וי (oj) | Brot, ברויט (brojt) |
ō | ö | יי (ej) | böse, בייז (bejs) |
e | e | Esel, אייזל (ejsl) | |
ē | e | ewig, אייביק (ejbik) | |
o | ö | ע (e) | Köpfe, קעפּ (kep) |
e | e | eng, ענג (eng) | |
ü | ,ü | ,י (i) | über, איבער (iber) |
ou | au | וי (oj) | Auge, אויג (ojg) |
ū | au | Haus, הויז (hojs) | |
ei | ei | ײ (ej) | Stein, שטיין (schtejn) |
ī | ei | ײַ (aj) | Wein, ווײַן (wajn) |
iu | eu | neu, נײַ (naj) |
Die Entwicklung von mhd. /ei/, /øː/ und /iu/ verlief allerdings nicht immer direkt zu den neujiddischen Lauten, sondern teilweise über die Zwischenstufen /ei/ > /eː/ > /ej/ (z. B. bein > bēn > bejn); /øː/ > /eː/ > /ej/ (schœne > schēn > schejn); /iu/ > /yː/ > /iː/ > /aj/ (z. B. niuwe > nü(we) > nĩ > naj).
Das Jiddische reflektiert die hochdeutsche Lautverschiebung fast vollständig. Germanisches /p/ ist im Jiddischen in Wörtern wie schlafen, laufen, helfen, hoffen wie im Standarddeutschen zu /f/ verschoben: schlofn, lojfn, helfn, hofn. Wie im Ostmitteldeutschen ist auslautendes germanisches /p/ etwa in Kopf, Zopf, Topf jedoch unverschoben geblieben, es heißt hierfür jiddisch kop, zop, top und damit auch kepl, tepl (Köpfchen, Töpfchen). Im Fall von anlautendem /pf/ wie in Pfanne, Pfeffer, pfeifen, Pfeil, Pferd, Pflanze verhält sich Jiddisch ebenfalls wie das Ostmitteldeutsche und kennt Verschiebung von /p/ zu /f/: fan, fefer, fajfn, fajl, ferd, flanzn – anders als das Westmitteldeutsche, das hier /p/ bewahrt, und anders als das Oberdeutsche, das hier zu /pf/ verschoben hat. Inlautendes westgermanisches /p/ schließlich bleibt im Jiddischen als /p/ erhalten, etwa in epl, schepn (deutsch hingegen Apfel, schöpfen).
Protogermanisch | Standarddeutsch | Jiddisch |
---|---|---|
*slēpaną | schlafen | שלאָפֿן schlofn |
*pannōn | Pfanne | פֿאַן fan |
*aplaz | Apfel | עפּל epl |
כ/ך/ח (ch) wird wie in vielen bairischen und alemannischen Dialekten auch nach hellen Vokalen wie י (i), יי (ej), ײַ (aj) und nach ר (r) als [x] ausgesprochen: ליכט licht .
Die jiddische Grammatik ist grundsätzlich deutschbasiert, weist aber auch zahlreiche Eigenentwicklungen auf und zeigt verschiedene slawische und gewisse hebräische Einflüsse.
Jiddisch kennt drei Genera (m., f., n.) und vier Kasus (Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ). Dabei hat eine relativ weitgehende Reduktion der Endungen stattgefunden.
In den Dialekten kommen im Bereich Genus und Kasus bedeutende Abweichungen von der standardjiddischen Regelung vor. Im modernen chassidischen Jiddisch ist die Unterscheidung verschiedener grammatischer Geschlechter innerhalb weniger Generationen vollständig geschwunden.
Das Jiddische zeigt nur Reste von Kasusflexion beim Substantiv.
Spezialfälle sind:
Das moderne chassidische Jiddisch hat – mit Ausnahme des rudimentären Genitivs – die Kasusflexion aufgegeben. Der Dativ (zum Beispiel standardsprachlich dem tatn, der mame(n)) wird mittels der Präposition far (für) ausgedrückt: far de tate, far de mame (dem Vater, der Mutter).
Die Flexion der Substantiva weicht von derjenigen der deutschen Standardsprache zwar nicht im Grundsatz, wohl aber im Einzelfall stark ab. So sind Beugung mittels Umlautung sowie mittels {-n} viel verbreiteter als im Standarddeutschen (ersteres entspricht aber teilweise den Verhältnissen in den deutschen Mundarten); umgekehrt ist die deutsche Endung {-e} im Jiddischen unbekannt. Sodann kennt Jiddisch mit den Endungen {-ß} bzw. {-eß} und {-im} Morpheme, die dem Hebräischen entlehnt sind. {-im} kommt fast nur bei hebräischstämmigen Substantiven vor, erstere beide sowohl bei hebräisch- als auch bei deutsch- und slawischstämmigen Wörtern. Die Schreibung von {-(e)ß} erfolgt bei hebräischstämmigen Wörtern nach der hebräischen, bei deutsch- und slawischstämmigen Wörtern nach der phonologischen Orthografie. Die Pluralbildung mittels {-im} ist sodann in der Regel mit Vokaländerung, manchmal mit konsonantischer Veränderung sowie oft mit Betonungsverschiebung von der ersten auf die mittlere Silbe verbunden.
Beispiele, die das oben Gesagte sowie die Unterschiede zwischen deutscher und jiddischer Flexion demonstrieren und auch zeigen, wie die aus verschiedenen Sprachen stammenden Endungen teilweise auch in den je anderen Komponenten eingesetzt werden (jeweils Singular – Plural):
Hier wird im Singular -l angehängt; der Plural wird mit -lech gebildet: bet (Bett) – Dim. I betl, Plural betlech. Wenn möglich, ist Diminuierung mit Umlautung verbunden: hant (Hand) – Dim. I hentl.
Das Diminutiv II ist eine affektivere Variante des Diminutivs I. Im Singular wird -ele angehängt; der Plural mit -elech gebildet: bet (Bett) – Dim. II betele, Plural betelech. Wenn möglich, ist Diminuierung mit Umlautung verbunden: hant (Hand) – Dim. II hentele.
Der unbestimmte Artikel, der nur im Singular vorkommt, lautet vor Konsonanten a, vor Vokalen an und wird nicht flektiert: a man, a froj, a kind (dt. ein/einem/einen Mann, eine/einer Frau, ein/einem Kind)
Der bestimmte Artikel wird im standardsprachlichen Jiddisch und seinen traditionellen Dialekten nach Genus, Kasus und Numerus flektiert. Im modernen chassidischen Jiddisch sind die verschiedenen Formen hingegen in einem einheitlichen di oder de zusammengefallen, das als di oder auch der geschrieben wird; Genus und Kasus wurden aufgegeben.
Singular:
der = dt. der (Nom.), z. B. der man der Mann
dem = dt. des (Gen.), dem (Dat.), den (Akk.), z. B. dem manß des Mannes, dem man dem Mann, den Mann
di = dt. die (Nom. und Akk.), z. B. di froj die Frau
der = dt. der (Gen. und Dat.), z. B. der frojß der Frau (Gen.), der froj der Frau (Dat.)
doß = dt. das (Nom. und Akk.), z. B. doß kind das Kind
dem = dt. des (Gen.), dem (Dat.), z. B. dem kindß des Kindes, dem kind dem Kind
Plural:
Die Flexion der Adjektiva unterscheidet sich von den deutschen Regeln grundlegend, indem sie (mit ganz wenigen Ausnahmen) nicht zwischen starker und schwacher Flexion unterscheidet.
Beispiele:
Das moderne chassidische Jiddisch kennt nur noch die endungslose Grundform und im Übrigen ein auslautendes -e; Genus und Kasus wurden aufgegeben.
Der Komparativ endet auf -er, der Superlativ auf -ßt, zum Beispiel siß, sißer, zum sißtn (dt. süß, süßer, am süßesten).
Wie im Deutschen kann Umlaut auftreten, etwa
alt, elter, zum eltßtn (dt. alt, älter, am ältesten)
grob, greber, zum grebßtn (dt. dick [grob], dicker [gröber], am dicksten [am gröbsten])
grojß, greßer, zum greßtn (dt. groß, größer, am größten)
jung, jinger, zum jingßtn (dt. jung, jünger, am jüngsten).
Historisch einen anderen Hintergrund hat der Vokalwechsel in klejn, klener, zum klenßtn (dt. klein, kleiner, am kleinsten) und schejn, schener, zum schenßtn (dt. schön, schöner, am schönsten).
In einigen wenigen Fällen tritt Suppletion ein, beispielsweise gut, beßer, zum beßtn (dt. gut, besser, am besten).
Das Jiddische verfügt wie das Deutsche über eine große Zahl unflektierter Adverbia.
Das Jiddische kennt wie das Deutsche starke und schwache sowie eine kleine Zahl ganz unregelmäßiger Verben. Dazu tritt bei hebräischstämmigen Verben eine periphrastische Konjugation, die dem Deutschen unbekannt ist. Anders als das Deutsche kennt das Jiddische weder ein Präteritum noch einen Konjunktiv.
Beispiele (Infinitiv – 3. Person Singular Präsens – Partizip Perfekt):
schrajbn (dt. schreiben) – schrajbt – geschribn
singen (dt. singen) – singt – gesungen
schlofn (dt. schlafen) – schloft – geschlofn
machn (dt. machen) – macht – gemacht
redn (dt. reden) – redt – geredt
ßtraschen (dt. drohen) – ßtraschet – geßtraschet
hobn (dt. haben) – hot – gehat
weln (dt. wollen) – wil (Vollverb) / wel (Hilfsverb) – gewolt
mojde sajn (dt. zugeben) – is mojde – mojde gewen
Im Jiddischen können sodann eine Art „Aktionsarten“ unterschieden werden, die von den slawischen Nachbarsprachen inspiriert sind. Diese waren vor allem für das Jiddisch, das in Ost(mittel)europa gesprochen wurde, typisch; im amerikanischen Jiddisch gingen sie weitgehend verloren.
Beispiele:
Das Perfekt wird standardjiddisch mit sajn (dt. sein) oder hobn (dt. haben) gebildet: er is gegangen, er hot gemacht, wobei die Verteilung der Hilfsverben vom (Nord- und Ost-)Deutschen abweichen kann: er is geschtanen, si is geschlofn (dt.: er hat gestanden, sie hat geschlafen). Der nordostjiddische Dialekt (ursprünglich in Litauen und Belarus gesprochen) kennt nur hobn als Hilfsverb.
Der jiddische Konditional wird mit wolt (ursprünglich zu weln, dt. wollen gehörig) plus Partizip Perfekt gebildet: er wolt geholfn (dt. er würde helfen / er hülfe).
Die Zahlen lateinisch transkribiert:
ab 13 drajzn läuft es analog zum Deutschen -zn; beachte aber: 14 ferzn; 15 fufzn
Ab 20 zwanzik kommt -unzwanzik
Nach 30 drajßik kommt -zik; beachte aber: 40 ferzik; 50 fufzik; 70 sibezik
100 hundert; 1000 tojsnt; 1000000 miljon
928.834 najn hundert acht un zwanzik tojsnt acht hundert fir un drajßik
Es gibt im Jiddischen nur eine sehr überschaubare Anzahl an Konjunktionen. Hiervon sind einige slawischen oder hebräischen Ursprungs. Die Konjunktionen haben keinen Einfluss auf den Modus oder die Stellung des Verbs.
Deutsch | Transkription | Jiddisch |
---|---|---|
und | un | אוּן |
oder | oder | אָדער |
aber | ober | אָבער |
denn, weil | wajl | װײַל |
obwohl | hagam (hebr.)/chotsch (sl.) | הגם / כאָטש |
dass | as | אַז |
ob | ojb | אויב |
damit | bechdej (hebr.) | בכדי |
sowohl … als auch | hen … hen (hebr.) | הן … הן |
entweder … oder | oder … oder | אָדער … אָדער |
Frühe überlieferte jiddischsprachige Zeugnisse sind religiöse Texte, das älteste vollständig erhaltene nicht religiöse jiddische Buch wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts verfasst. Die Anfänge der jiddischen Literatur lassen sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Epen über Gestalten der Bibel, Heldenlieder aus germanischen Sagenkreisen, Fabeln, Volksbücher, religiöse Lern- und Gebrauchsliteratur oder die von den Abenteuererzählungen der italienischen Renaissance inspirierten Versromane des Elia Levita (1469–1549) zeigen die Vielfalt der älteren jiddischen Literatur. Eine weitere Blüte erlebte die jiddische Literatur seit dem 19. Jahrhundert. Die moderne jiddische Literatur entstand vor allem in Osteuropa. Als ihre Klassiker gelten Scholem-Jankew Abramowitsch, bekannt als „Mendele Mojcher-Sforim“ (1836–1917), Scholem Aleichem (1859–1916) und I. L. Peretz (1852–1915). In der Zeit zwischen den Weltkriegen konnte die literarische Produktion im Jiddischen mit der jeder anderen Weltsprache mühelos Schritt halten. Bedeutende literarische und künstlerische Zentren waren in jener Zeit Warschau, Wilna (heute: Vilnius) und New York. Zu den bedeutendsten jiddischen Autoren der Nachkriegszeit gehören der Dichter Avrom Sutzkever (1913–2010) und der Erzähler und Schriftsteller Isaac Bashevis Singer (1902–1991), dem 1978 der Nobelpreis für Literatur verliehen wurde.
Weltweit gibt es nach Erhebungen der Internationalen Medienhilfe (IMH) über 60 größere und kleinere jiddischsprachige Zeitungen, Zeitschriften und Radioprogramme (Stand 2021). Zu den Publikationen gehören beispielsweise Dos Jidisze Wort (Polen), The Forward (USA), Der Yidisher Tamtam (Frankreich) oder (heute hauptsächlich russisch) der Birobidshaner Schtern (Russland). In jüngster Zeit sind in den Vereinigten Staaten zahlreiche neue Publikationen charedischer (traditionell-orthodoxer) Juden auf den Markt gekommen (als Druck- oder Internetmedien), etwa Der Jid, Der Blat, Di Zajtung, Weker, Maaleß und Di charejdische Welt. Umgekehrt wurden in der jüngeren Vergangenheit auch manche jiddische Presseerzeugnisse eingestellt, so Di goldene Kejt (1995), Lezte Najeß (1998), Lebnßfragn (2014) oder der jiddischsprachige Teil des Algemejner.
Zur Geschichte der jiddischen Presse siehe die Artikel Newspapers and Periodicals in der YIVO Encyclopedia of Jews in Eastern Europe und Jiddische Presse weltweit auf dem Internetportal der Internationalen Medienhilfe (IMH).
Aus dem jiddischen Theater entwickelte sich in Europa und den USA der jiddische Film. Seine Blütezeit erlebte er in den 1920er- und 1930er-Jahren in Europa und anschließend in den USA bis etwa in die 1950er-Jahre. Insgesamt entstanden so etwa 100 bis 200 Spielfilme. Zu den bekanntesten Regisseuren jiddischer Filme zählen Sidney M. Goldin und Joseph Seiden. Die Darsteller kamen häufig von bekannten jiddischen Theatergruppen. Mitunter waren auch Filmschaffende am jiddischen Film beteiligt, die auch in der regulären Filmindustrie Hollywoods bekannt waren. So etwa die Schauspielerin Molly Picon und der Regisseur Edgar G. Ulmer.
In Wien existierte in den 1920er Jahren eine unabhängige jiddische Filmszene. Der einzige in Deutschland produzierte Film in jiddischer Sprache ist Herbert B. Fredersdorfs von Holocaust-Überlebenden handelnder Spielfilm Lang ist der Weg (1948). Aus den neueren Hollywood-Filmen ist z. B. der Film der Gebrüder Coen A Serious Man zu nennen, der einen etwa fünfminütigen jiddischen Dialog enthält. 2013 drehte die Regisseurin Naomi Jaye Di Shpilke / The Pin, den ersten jiddischen Film Kanadas.
In der deutschen Synchronisation der Tragikomödie Zug des Lebens sprechen die dort vorkommenden Juden alle Jiddisch.
Die Internet Movie Database nennt Anfang 2006 174 internationale Filme mit jiddischem Dialog. Darin eingeschlossen sind allerdings auch solche Filme, die nur kurze Dialogszenen auf Jiddisch haben.
Jiddische Lieder gibt es auf vielen Tonträgern. Zahlreiche Lieder, die heute als Volkslieder gelten, wurden in der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für das jiddische Theater geschrieben. Zu den Liedarten und bekannten Interpreten siehe auch unter Klezmer.
In den letzten Jahrzehnten erlebten Klezmer-Musik und andere traditionelle jüdische oder jiddische Musik eine Renaissance. In jüngerer Zeit erlangte der Klezmer, beeinflusst von Jazz und anderen Musikrichtungen, mit Bands wie The Klezmatics auch eine moderne Spielart.
Auch abseits des Klezmer brachte der spielerische Umgang mit dem umfangreichen Erbe jüdischer (und jiddischer) Musik- und Gesangstradition mitunter kuriose Ergebnisse hervor, wie etwa die Veröffentlichungen des kanadischen Produzenten und DJs socalled zeigen, der unter anderem Hip-Hop-Versionen traditioneller Lieder mit bekannten jüdischen Musikern der Gegenwart, darunter der Sänger Theodore Bikel, neu eingespielt hat.
Die Berliner Schauspielerin und Sängerin Sharon Brauner und der Berliner Bassist und Produzent Daniel Zenke (Lounge Jewels: Yiddish Evergreens) hüllten jiddische Evergreens in ein modernes musikalisches Gewand und würzten die Lieder mit Swing, Jazz und Pop sowie mit Balkan-Polka, Arabesken, südamerikanischen Rhythmen, mit Reggae, Walzer-, Tango- und Country-Elementen. Im israelischen Tel Aviv gibt es jiddischen Hip-Hop und Punk.
Jiddische Sprachkurse finden an vielen Universitäten und sonstigen Institutionen statt, so etwa in New York, Paris, Vilnius, Warschau, Wien, Tel Aviv, Jerusalem und Birobidschan.
Das nachfolgende Beispiel ist der Beginn des ersten Buches Mose, auf hebräisch בְּרֵאשִׁית Bereschit bzw. in aschkenasischer Aussprache Bereyschis (deutsch ‚am Anfang‘), auf altgriechisch Γένεσις Genesis (deutsch ‚Schöpfung‘) genannt:
Hebräischer Urtext | moderne jiddische Übersetzung | moderne jiddische Übersetzung in YIVO-Transkription | deutsche Einheitsübersetzung |
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1 בְּרֵאשִׁ֖ית בָּרָ֣א אֱלֹהִ֑ים אֵ֥ת הַשָּׁמַ֖יִם וְאֵ֥ת הָאָֽרֶץ׃ | 1 אין אָנהײב האָט גאָט באַשאַפֿן דעם הימל און די ערד | 1 In onheyb hot got bashafn dem himl un di erd. | 1 Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde; |
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