File:Oppositions-Blatt oder Weimarische Zeitung 10. September 1819.jpg

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Deutsch: Hep-Hep-Krawalle 1819


Ueber die Auftritte gegen die Juden in Hamburg

Eingesendet Hamburg den 30 August 1819

Die Gefahr, worin ein großer Theil der hiesigen Israelitischen Bewohner seit mehreren Tagen schwebte, scheint nun vorüber. Kräftigere Maaßregeln des Senats, die früher, in weit geringerer Strenge, die unruhigen Bewegungen zu unterdrücken im Stande gewesen wären, und vorzüglich die Nachbarschaft Altona's trug gemeinschaftlich Vieles bey, um die unruhigen Auftritte, welche in den letzten Tagen beinahe bis zur Plünderung und körperlichen Mißhandlungen zu steigen drohten, vor der Hand einigermaßen zu dämpfen. Auf die gewisse Nachricht, daß die Ruhestörer, die in Rotten organisirt und besoldet, mit jedem Tage um Tausende zunahmen, sich ferner nicht mit bloßen Beschimpfungen und Fenstereinwerfen begnügen würden, und daß nicht nur ein großer Theil der hiesigen Bewohner laut und unumwunden dem Unfuge seinen Beifall gab, sondern selbst mehrere aus den höheren Ständen, in der ihnen geziemenden Kleidung des Pöbels vermummt, als die Häupter desselben erkannt wurden, wanderten Hunderte der reichsten jüdischen Familien im Vertrauen auf den Schutz der humanen Dänischen Regierung und der musterhaften Polizey daselbst, nach Altona und dem übrigen benachbarten Dänischen Gebiete aus, und benahmen auf diese Weise den Raubgierigen die Aussicht einer reichlicheren Beute. Man muß in den letzten sechs Jahren in Hamburg gelebt und die eigentliche Volksstimmung genau beachtet haben, um sich überzeugt zu halten, daß das sich selbst überlassene Volk durchaus nicht gegen seine Israelitischen Mitbrüder gestimmt war, und daß in diesen Bewegungen des Volkes, die sich in den freien Städten offenbar aussprechen, die Israeliten, denen welches eine Unruhe der Bürger gern sehen mögen, nur der beste Zunder schienen.

Als im Februar 1813 die gerechte ungezügelte Wuth des Volkes sich gegen die fremden Unterdrücker so lebhaft äußerte, ist kein Beispiel bekannt, daß das Volk, dem damals weder Geretze, noch Macht hierbei im Wege standen, auf irgend eine Weile Israeliten insultirt hätte. Die Art und Weise, wie sich die letzteren zur Zeit der Französischen Tyrannei betrugen, ungeachtet sie durch die gänzliche Gleichstellung mit ihren christlichen Mitbrüdern die einzigen waren, welche in dieser Hinsicht viel gewonnen hatten, war dem, damals nicht durch Aufwiegelung bethörten Volke hinlänglicher Grund, sich aller Ausbrüche gehässiger Leidenschaften gegen sie nicht nur gänzlich zu enthalten, sondern ihnen überall mit brüderlicher Liebe entgegen zu kommen, während das Volk viele ihrer christlichen Angeber und Häscher schlimm behandelte. Dieses zwanglose Betragen des Volkes zu jener bedeutungsvollen Zeit sagt gewiß noch mehr, als das öffentliche Lob, welches der Senat bei Gelegenheit des, im Jahr 1814 ihm an die Bürgerschaft gebrachten Vorschlages, den Israeliten das Bürgerrecht zu ertheilen (welcher nächstens in Druck erscheinen wird), zwar öffentlich dem Betragen der hiesigen Israeliten deshalb ertheilte, welches aber, sonderbar genug, nie eigentlich da, wo es am meisten hätte bekannt werden sollen, hinlänglich bekannt ward. Und nun, nachdem die hiesigen Israeliten aus reinstem Patriotismus, selbst unaufgefordert, sich in die Reihen der Vaterlands-Vertheidiger stellten und ihr Leben im Dienste des Vaterlandes vielfach willig opferten, und nachdem sie nahe und fern ihre vertriebenen christlichen Mitbrüder auf jede Weise ohne Rücksicht unterstützten und sich mit der hochherzigen Hingebung dem fast sicheren Tode preis gaben, um Hunderte derselben durch ihre Sorgfalt und Pflege im Altonaischen Haupt-Spitale, Angesichts von Tausenden noch lebenden Zeugen, dem Tode und Verderben zu entreißen nun, da die hiesigen Israeliten auf alle Weise mitwirkten, den zerstörten wohlthätigen Anstalten, der Industrie und dem Handel wieder aufzuhelfen, nun, da in Hamburg mehrere Hunderte seiner Israelitischen Bewohner sich mit wahrem Hochgefühle für Religion und Sittlichkeit (nicht ohne muthigen Kampf gegen ihre übrigen Glaubensgenossen) vereinigten, um verjährte Vorurtheile auszumerzen, und sowohl der religiösen Jugendbildung, als dem Gottesdienste eine den Bedürfnissen der Zeit angemessene Gestalt zu geben, nun sollten alle diese offenkundigen Thatsachen solche Resultate liefern? Nimmermehr! So tief sank die menschliche Natur nicht in einem Volke, dessen Religion nur Liebe und Duldung athmet!

Verächtliche Menschen, die, indem sie aus erheuchelter Vaterslandsliebe und Frömmelei Alles in Anarchie stürzen wollen, sind es, die hier so wie an vielen Orten ihr Spiel treiben. Die Masse des Volkes seigte sich mehrere Tage hindurch wenig geneigt, Theil an dem Unfuge zu nehmen, und gab vielmehr ihre Mißbilligung laut genug zu erkennen; die schaamloseste Preßfrechheit, Bestechungen durch Geld und die sorgsamste Verbreitung lügenhafter Gerüchte, welche die Mönchswuth der finstersten Jahrhunderte nicht gräßlicher erfinden konnte, wie z. B. daß die Juden ein Christenkind geschlachtet haben u. s. w., mußten aufgeboten werden, um das Volk in Gährung zu bringen.

Man will sowohl hier, als gewiß noch mehr auswärts glauben machen, daß alle diese Ereignisse bloß von einem kleinen Haufen des Pöbels erzeugt, und die Folge einiger Freiheiten sind, welche der Senat den Israeliten seit Hamburgs politischer Wiedergeburt zugestanden oder vielmehr nicht, nach dem wiederhohlt erklärten Willen einiger Innungen, und namentlich der Krämer-Innung, wieder genommen.

Die Summe aller dieser Freiheiten reducirt sich indeß auf die, gegen Israeliten nicht mit gehöriger Strenge zurückgenommene[ne] Erlaubniß, in Gegenden der Stadt zu wohnen, wo sie früher nicht wohnten, und in der gesetzwidrigen Ausdehnung, die der Kleinhandel nahm. Die erstere dieser Ursachen wird bei flüchtiger Betrachtung schon gänzlich schwinden, wenn man bedenkt, daß die Israeliten nicht ohne Bewilligung der christlichen Eigenthümer in jenen Gegenden wohnen können, und daß die hierdurch entstandene größere Concurrenz es vorzüglich war, welche den Kaufpreis der Häuser, so wie die Höhe des Miethzinses, so schnell und bedeutend steigerte. – Wichtiger scheint die zweite Ursache. Erwägt man indeß, wie der Senat es vergebens zu erwirken suchte, daß bis zur Erledigung des 16ten Artitels der Bundesacte den Israeliten, wenn auch nicht bürgerliche Rechte, doch bürgerliche Freiheiten zugestanden werden möchten, und daß der höchst bedauernswerthen niedrigen Classe der hiesigen Israeliten kein anderer Erwerbzweig, als der Kleinhandel übrig bleibt; erwägt man, daß selbst hierbei in einer Handelsstadt, wie Hamburg, wenn auch mit B[e]einträchtigung einiger Wenigen, die Gesammtheit mehr gewinnen, als verlieren muß: so hat der Senat auch hierin eben so weise, als human im Geiste der Bundesacte gehandelt, als sich nur von einer Behörde erwarten läßt, welche durch ihre Einsicht und Kraft in so kurzer Zeit die gänzlich untergrabene Wohlfahrt der Stadt fast beispiellos wieder aufzurichten wußte. Ein schwacher kritischer Blick auf die in diesen Tagen erlassenen Bekanntmachungen nach ihrer Reihenfolge wird es Jedem einleuchtend machen, daß die eigentliche Stimmung der höchsten Staatsbehörde gleichfalls sehr verschieden von denjenigen Aeußerungen ist, die der Drang der Umstände ihnen abgenöthigt hat.

Wir sehen daber in dem gestrigen officiellen Artikel unserer Zeitung nicht nur Thatsachen, die mit Flammenzügen dastehen sollten, ganz entstellt in dem mildesten Lichte, sondern Ausdrücke, die nur absichtlich gewählt zu seyn scheinen, um Tausende der Erniedrigung, der Verfolgung und dem unversöhnlichsten Hasse als Sühnopfer preis zu geben, die in ihrer Unschuld ihre Augen zu dem Allmächtigen vertrauungsvoll erheben, der die Mächtigen des Teutschen Vaterlandes siegreich gegen ihre äußeren Feinde machte, und der ihnen auch gewiß den Sieg gegen die gefährlichen inneren Feinde verleihen wird.

Die Lage der hiesigen Israeliten ist trotz der anscheinenden Ruhe die seit einigen Tagen eingetreten, höchst unsicher und traurig. Es thut große Noth, daß die näheren Bestimmungen der Verhältnisse der Israeliten in allen Deutschen Bundesstaaten von einer hohen Bundesversammlung baldigst festgelegt werden, und daß besonders in den freien Städten eine mächtige äußere Garantie diesen Bestimmungen Haltbarkeit gäbe
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Source https://books.google.de/books?id=SH1DAAAAcAAJ&pg=PA1577&lpg=PA1577&dq#v=onepage&q&f=false
Author Oppositions-Blatt oder Weimarische Zeitung, Band 11, Jg. 1819

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