Kurs:Riemannsche Flächen (Osnabrück 2022)/Vorlesung 6

NachSatz 2.1ist eine nichtkonstante holomorphe Abbildung zwischen riemannschen Flächen lokal biholomorph äquivalent zu einer Potenzierung . Fürbesteht das Urbild von unter dieser Abbildung aus den verschiedenen -ten Wurzeln von . Insbesondere sind außerhalb von gewissen Ausnahmenmengen(den Verzweigungspunkten) holomorphe Abbildungen zumindest lokal von einer topologisch einfachen Bauart. Das topologisch relevante Konzept ist das einer Überlagerung.



Überlagerungen

Definition  

Es seien und topologische Räume.Einestetige Abbildung

heißtÜberlagerung,wenn es eine offene Überdeckungund eine Familie diskretertopologischer Räume, ,derart gibt, dass homöomorphzu (versehen mit der Produkttopologie)ist, wobei die Homöomorphien mit den Abbildungen nach verträglich sind.

Eine Abbildung der Form

mit einem diskreten Raum nennt man triviale Überlagerung von , der Überlagerungsraum besteht einfach aus -vielen disjunkten Kopien das Basisraumes . Zunennt man dann die zu homöomorphe Teilmenge ein Blatt der Überlagerung über . Lokal ist jede Überlagerung trivial, nach Definition liegen ja kommutative Diagramme

mit horizontalen Homöomorphien vor. Deshalb sind hauptsächlich globale Eigenschaften einer Überlagerung interessant. Unter schwachen Voraussetzungen(sieheLemma 6.4)gibt es nur einen diskreten Raum .


Beispiel  

Zuist

eineÜberlagerung.Seiundein Punkt mit.Es seieine offene Umgebung, die homöomorphaufabbildet. Eine solche Menge gibt es nachKorollar 1.11und wegen.Die Menge der -tenkomplexen Einheitswurzelnist

sieheLemma 21.11 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)).Wir können verkleinern und dadurch erreichen, dass für alle -tenEinheitswurzeln die offenen Mengen und disjunktsind. Dann ist



Beispiel  

Die Abbildung

ist eineÜberlagerung.Zu einem Punktund einem Punktmitgibt es nachKorollar 1.11eine offene Umgebung,die homöomorphaufabbildet. Durch Verkleinern von können wir annehmen, dass die offenen Mengen umd fürdisjunktsind. Dann ist




Lemma  

Es seieine Überlagerungund zusammenhängend.

Dann ist

für alle.

Beweis  

Es sei zunächsteine beliebige Überlagerung und, ,eine Überdeckung von , über der die Überlagerung trivialisiert. Für ist

Es sei nun zusammenhängend,fixiert und

Dann ist offen, denn es enthält zu jedem seiner Punkte noch eine offene Umgebung, über der trivialisiert. Aus dem gleichen Grund ist aber auch offen. Da zusammenhängend ist, gilt.


Somit hängt die Mächtigkeit einer Faser einer Überlagerung eines zusammenhängenden Raumes nicht von der Wahl des Punktes ab. InBeispiel 6.2istund inBeispiel 6.3ist.


Definition  

Eine stetige Abbildung

zwischentopologischen Räumen und heißt lokaler Homöomorphismus, wenn es zu jedem Punkteineoffene Umgebungderart gibt, dass offen in ist und dass die Einschränkung

einHomöomorphismusist.



Lemma  

EineÜberlagerung

ist einlokaler Homöomorphismus.

Beweis  

Sei.Zu gibt es eineoffene Umgebungderart, dass die disjunkte Vereinigung von zu homöomorphen offenen Mengen ist. Auf einer dieser Mengen muss liegen.


Zu einer offenen Teilmengeist die Inklusion ein lokaler Homöomorphismus, aber im Allgemeinen keine Überlagerung.



Lemma

Ein lokaler Homöomorphismus

ist eineoffene Abbildung.

Beweis

SieheAufgabe 6.11.



Korollar  

Eine Überlagerung

ist eine offene Abbildung.

Beweis  

Dies folgt ausLemma 6.6undLemma 6.7.

Bei einer Überlagerung gibt es enge Beziehungen zwischen zusätzlichen Strukturen auf dem Basisraum und auf dem Überlagerungsraum.


Satz  

Es seieineÜberlagerungvontopologischen Räumen,wobei eine riemannsche Flächesei.

Dann gibt es eine eindeutige Struktur einer riemannschen Fläche auf derart, dass zu einerholomorphen Abbildungwird.

Beweis  

NachAufgabe 6.7ist mit auch hausdorffsch. Für eine offene Teilmenge ,die homöomorph auf abgebildet wird, muss die komplexe Struktur auf die von zurückgezogene holomorphe Struktur sein. Dies ergibt sich ausSatz 2.3,da eine holomorphe bijektive Abbildung bereits biholomorph ist. Es kann also höchstens eine komplexe Struktur auf derart geben, dass die Abbildung holomorph wird. Zur Existenz überdecken wir mit offenen Mengen , ,über denen trivialisiert und wobei die zusammenhängendeKartengebiete mit Karten

sind. Es sei, ,die disjunkte Zerlegung von . Wir definieren Karten auf durch

Seien und zwei solche Mengen. Dann ist

und die Holomorphie der Übergangsabbildung folgt aus der Holomorphie der Kartenwechsel auf .

Diese Aussage gilt auch allgemeiner für komplexe Mannigfaltigkeiten.



Liftungen

Eine grundlegende Eigenschaft von Überlagerungen ist es, dass Wege und Homotopien entlang der Überlagerung geliftet werden können.


Definition  

Es seien und topologische Räume.Zu einer stetigen Abbildungund einem stetigen Weg

nennt man einen stetigen Weg

mit

eine Liftungvon .



Satz  

Es sei eine Überlagerung,einstetiger Wegund ein Punkt mit .

Dann gibt es genau einen stetigen Weg

mit der Eigenschaft, dassundist.

Beweis  

Zu jedem Punktgibt es eine offene Umgebungderart, dass oberhalb von trivialisiert, d.h. ist die disjunkte Vereinigung von zu über homöomorphenoffenen Teilmengen von . Aufgrund der Kompaktheitvon gibt es somit endlich viele offene Mengen mit dieser Eigenschaft und mit,mitfür alle (da zusammenhängendist)und mit.Es seimit aufsteigenden Zeitpunkten . Es sei diejenige zu homöomorphe Teilmenge von , die enthält. Dann gibt es für den auf eingeschränkten Weg nur die Liftung . Dieser Weg hat für einen eindeutigen Endpunkt in , sagen wir

Dazu gehört wiederum eine eindeutige offene Mengehomöomorph zu und es gibt eine eindeutige Fortsetzung von dem bisher konstruierten nach . So induktiv fortfahrend erhält man die gesamte eindeutige Liftung des Weges.



Decktransformationen

Definition  

Es seieineÜberlagerungvon . EinHomöomorphismus mit heißtDecktransformation der Überlagerung.


Definition  

Es seieineÜberlagerungvon . Die Menge derDecktransformationenvon über , versehen mit der Hintereinanderschaltung,heißtDecktransformationsgruppe der Überlagerung. Sie wird mit bezeichnet.


Beispiel  

Zur Überlagerung

ist dieDecktransformationsgruppegleich der Gruppe der -tenkomplexen Einheitswurzeln

sieheLemma 21.11 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)).Dabei wirkt eine Einheitswurzel durch die Multiplikation

als Decktransformation. Die Gesamtzuordnung

ist offenbar injektivund ein Gruppenhomomorphismus.Bei einer beliebigen Decktransformation

isteine -te Einheitswurzel. Daraus folgt mitLemma 6.16.



Beispiel  

Zur Überlagerung

ist dieDecktransformationsgruppegleich der Gruppe der ganzen Zahlen. Dabei wirkt durch die Addition

als Decktransformation. Dass es sich um eine Decktransformation handelt beruht auf den Periodizitätseigenschaften der komplexen Exponentialfunktion, sieheSatz 21.5 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)).Daraus ergibt sich auch, dass

ein injektiverGruppenhomomorphismusist. NachLemma 6.16ist dies sogar ein Isomorphismus.




Lemma  

Es seieineÜberlagerung. Dabei sei hausdorffsch,lokal wegzusammenhängendundzusammenhängend.

Dann ist eineDecktransformation,die einen Fixpunktbesitzt, bereits die Identität.

Beweis  

Es sei die Decktransformation. Wir betrachten die Menge , die nach Voraussetzung nicht leer ist. Wir zeigen, dass sie sowohl offen als auch abgeschlossen ist. Wegen hausdorffschist die Fixpunktmenge nachAufgabe 6.20abgeschlossen. Es seiein Fixpunkt mit

Es seieine offene Umgebung, worüber die Überlagerung trivialisiert. Wegen der Voraussetzung über den lokalen Wegzusammenhang können wir annehmen, dass wegzusammenhängend ist. Es sei die entsprechende offene Umgebung von . Dann ist und somit auch zusammenhängend und wegenist bereits.Somit gilt fürdie Bedingung,also ist auf die Identität. Die Fixpunktmenge ist also auch offen. Aufgrund des Zusammenhangs von ist sie dann gleich ganz .


Definition  

EineÜberlagerung

heißt normal, wenn es zu jedem Punkt und jedem Punktepaar eine Decktransformation

mit gibt.

Die Überlagerungen ausBeispiel 6.2und ausBeispiel 6.3sind normal.



Endliche Überlagerungen

Definition  

Eine Überlagerungheißt endlich, wenn jede Fasereine endliche Menge ist.

Eine stetige Abbildung heißtendlich(im topologischen Sinne),wenn die Fasern endliche Mengen sind und wenn die Abbildungeigentlichist, also Urbilder von kompakten Mengen stets wieder kompakt sind.



Satz  

Es seieine surjektivestetige Abbildungzwischen topologischen Räumenmit einHausdorffraumund lokal wegzusammenhängend. Dann sind folgende Aussagen äquivalent.

  1. ist eine endliche Überlagerung.
  2. ist eine Überlagerungundendlich.
  3. ist einlokaler Homöomorphismus,derendlichist.

Beweis  

Von (1) nach (2). Es seikompaktmit dem Urbild.Es sei

eine offene Überdeckung. Zu jedem Punkt gibt es ein mit.Es seiund seien die weiteren Punkte, die auf abbilden. Zu den offenen Umgebungen gibt es eine offene Umgebung,über der trivialisiert und mit,wobei das Blatt zu bezeichnet. Diese offenen Mengen bilden eine verfeinerte Überdeckung der Ausgangsüberdeckung. Die bilden dann eine offene Überdeckung von und somit gibt es davon eine endliche Teilüberdeckung . Die zugehörigen Blätter bilden dann eine endliche Überdeckung von

Von (2) nach (3) ist klar.

Von (3) nach (1). Seiein Punkt und seien die Urbildpunkte von . Zu jeden gibt es eine offene Umgebung , die homöomorph auf abbildet. Man betrachtet die offene Menge

und ersetzt die durch . Durch eine weitere Verkleinerung können wir erreichen, dass und damit auch die wegzusammenhängend ist. Wir behaupten, dass das Urbild von ist. Nehmen wir an, es gebe einen Punkt mit,der auf keinem liegt. Wir betrachten einen Verbindungsweg

von nach . Das Urbild von ist kompakt. Es enthält die kompakten Kopien innerhalb von . Zu gibt es eine offene Umgebung , die homöomorph nach abbildet und darin gibt es eine Liftung des Teilweges durch . Es sei das Supremum der reellen Zahlen , für die eine stetige Liftung mit definiert ist. WegenAufgabe 6.15ist die Liftung eindeutig und dieser Weg ist auf definiert. Aufgrund der Eigentlichkeit ist dies auch für definiert. Wegen der lokalen Homöomorphie gibt es beieine offene Umgebung von , die homöomorph auf eine offene Teilmenge von abbildet und somit würde es eine weitere Fortsetzung des Liftungsweges geben. Also istund somit endet die Liftung in einem der Punkte über , sagen wir in . Dann muss aber diese Liftung mit der Liftung innerhalb von übereinstimmen und damit ist selbst.


In der Situation der vorstehenden Aussage ist, wenn der Basisraum zusammenhängend ist, die Anzahl der Elemente einer jeden Faser konstant. Man spricht von der Blätterzahl von .


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